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Wenn Liebe doch so einfach wäre

Curtis x Christopher
von

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Wenn Liebe doch so einfach wäre

Wenn Liebe doch so einfach wäre...
 

Am besten konnte man mich wohl mit folgendem Satz beschreiben: Ich war eine tätowierte, männliche, notgeile Schlampe. Ich persönlich stellte mich dann doch lieber mit »Curtis Brennan, siebzehn, unwiderstehlich, Single, für jeden Spaß zu haben« vor. Klar, ich musste zugeben, dass ich genauso sehr gehasst wie geliebt wurde, aber hey, man konnte nun mal nicht alles haben und so lange ich jemanden hatte, den ich flachlegen konnte, war ich glücklich. Und dementsprechend gut gelaunt, befand ich mich gerade auf dem Heimweg. Dabei war es nicht mal zwei Uhr nachmittags. Aber oh Wunder, ich war heute in der Schule gewesen. Sonst hätte ich Christopher, kurz Chris, nicht getroffen. Gekannt hatte ich ihn vom Hören-Sagen schon vorher. Ich wusste, wer auf meiner Schule schwul war und wer nicht. Die meisten von ihnen, wenn sie gut aussahen, hatte ich auch schon in Bett gehabt. Fröhlich vor mich hin pfeifend schloss ich die Haustür auf. Meine Mutter eilte in den Flur, um zu gucken, wer zurück war. Man konnte nicht leugnen, dass sie überrascht war, mich zu sehen. Wahrscheinlich hatte sie mit meinem kleinen Bruder Sam gerechnet, oder mit meiner noch kleineren Schwester Meredith.

»Hey Mum«, grüßte ich sie und lächelte sie warm an. Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu meiner Mutter. Sie akzeptierte mich nicht nur, sie unterstützte mich sogar in allem was ich tat.

»Hallo Curtis«, sie klang besorgt.

»Was ist los?«

»Die Versicherung hat angerufen.«

Ich zog eine Augenbraue hoch. Warum sollte die Versicherung anrufen? Außer um Werbung zu machen? Und Werbung hatten sie eindeutig nicht gemacht, denn sonst wäre meine Mutter nicht so besorgt. Nach einem Seufzen setzte sie fort: »Bei der Versicherung wurde gemeldet, dass du das Handy eines gewissen Christopher Sykes kaputt gemacht hast. Sie wollen die sechshundert Dollar nicht zahlen.«

»Ich soll was gemacht haben?«, fragte ich perplex. Okay, ich gebe zu, ich war kein unbeschriebenes Blatt und meine Weste war alles andere als weiß, aber bitte! Ich hatte Christophers Handy definitiv nicht mal angesehen. Aber ich nahm die Sache mit Humor.

»Du sollst das Handy dieses Christopher Sykes kaputt gemacht haben. Inwiefern haben sie nicht gesagt. Ich hoffe sehr für dich, dass du es nicht getan hast. Du weißt genau, dass wir uns das nicht leisten können, sechshundert Dollar haben wir nicht einfach so!«

»Ich weiß! Ich war's nicht. Ich hab wirklich nichts gemacht. Ich hätte Chris heute bestimmt nicht gevögelt, wenn ich sein Handy kaputt gemacht hätte!«, versuchte ich mich zu verteidigen.

»Curtis! Kannst du das nicht mal zivilisierter ausdrücken?«

»Ich werde morgen mit Christopher reden. Ich traue ihm nicht zu, dass er mir irgendwas unterschiebt. Er ist genauso wenig unschuldig wie ich, aber er ist ehrlich und versucht jeden Streit zu vermeiden.«

»Gut, versuch das zu klären. Ich habe denen von der Versicherung gesagt, dass du es nicht warst, sonst hättest du mit mir geredet. Weißt du, was sie mir geantwortet haben? Sie meinten, du wärst nicht gerade das, was man unter Engel versteht und es wäre kein Wunder, wenn du mir das verschwiegen hättest! Ich hab denen erst mal kräftig meine Meinung gegeigt, immerhin bist du mein Sohn und ich kenne dich!«

Ich grinste meine Mutter breit an und gab ihr einen kurzen Kuss auf die Wange. Mir lag viel an ihr. Sie war die beste Mutter, die man sich wünschen konnte und dabei war sie gerade mal vierunddreißig! Als sie mit mir schwanger geworden ist, war sie siebzehn. Mein Vater ist bei ihr geblieben und als sie achtzehn war, haben sie schließlich geheiratet. Mein Vater war damals zwanzig. Mittlerweile hatte ich einen vierzehnjährigen Bruder und eine siebenjährige Schwester. Dass ich schwul war, störte keinen. Natürlich war mein Vater am Anfang nicht sonderlich begeistert gewesen, aber ich war immer noch sein Sohn, daran würde sich nie etwas ändern. Egal mit viel vielen Kerlen ich ins Bett stieg.

»Also gehört dieser Christopher auch zu deinen Affären?«

»So ähnlich. Ich hab schon vor einiger Zeit ein Auge auf ihn geworfen und heute hatte ich einfach nur Glück, dass er zur selben Zeit auf der Toilette war.«

»Ihr habt nicht ernsthaft...«, ich unterbrach sie grinsend: »Auf dem Schulklo gevögelt? Oh doch, haben wir! Und glaub mir, es war verdammt gut.« Ich grinste selbstverliebt. Ich hatte Christopher den Mund zu halten müssen, damit man ihn nicht hörte. Die lustvollen Geräusche, die er von sich gegeben hätte, wären bestimmt göttlich gewesen. Aber da uns ein Schulverweis drohte, sollte man uns erwischen, zog ich es vor, die ganze Sache so leise wie möglich ablaufen zu lassen.

»Ich gehe hoch, Hausaufgaben machen«, kündigte ich an und verschwand die Treppen hoch auf mein Zimmer. Die Tür fiel mit einem Klick hinter mir in das Schloss und ich drehte die Anlage voll auf. Ich hatte mir vor kurzem die neue CD von Asking Alexandria gekauft und genoss sie immer wieder aufs Neue! Die Beats, die Screams und der Gesang! Ein wahres Meisterwerk seiner Klasse. Schon seit einiger Zeit teilten sie sich Platz eins meiner Lieblingsbands zusammen mit Bring me the Horizon. Absolut göttlich! Ich warf mich auf mein Bett und schloss mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen die Augen. Ich hatte alles, was ich brauchte, um glücklich zu sein. Laute Musik und guten Sex. Die Hausaufgaben waren schon längst wieder vergessen und als ich die Augen wieder öffnete, war der halbe Nachmittag gelaufen. Die CD war schon längst verstummt und ich seufzte. Ich sollte vielleicht nachts mehr schlafen, dann würde ich wenigstens nicht den halben Tag verpennen! Ich strich mir mein Pony aus dem Gesicht, natürlich fiel es sofort zurück, immerhin verdeckte es so gut wie eine ganze Hälfte meines Gesichts. Der Seitenscheitel saß tief auf der rechten Seite, sodass mein Pony über die linke Seite fiel. Ich trug die Haare gestuft und über den Ohren etwas kürzer, sodass nur dünne Strähnen über meinen Ohren lagen und man die Tunnel, die ich hatte, gut sehen konnte. Hinten trug ich sie etwas länger, sodass ich die untersten Haare nach vorne holen konnte und sie mein Schlüsselbein berührten. Vor einiger Zeit hatte ich sie schwarz gefärbt. Schwarz stand mir, auch wenn ich ziemlich blass war und wenn ich schlecht geschlafen hatte, sah ich auch, als wäre ich halbtot. Ich schüttelte heftig den Kopf und brachte meine Frisur wieder in die perfekte Lage. Avery würde gleich hier sein und da musste ich gut aussehen! Wenn man wollte, konnte man Avery als einen Freund ansehen, obwohl dieses Wort viel zu weit ging. Im Endeffekt waren wir eigentlich gute Bekannte, die hin und wieder – um nicht zu sagen jedes Mal – miteinander schliefen. Er war der einzige, der mich flachlegen durfte. Meine Versuche, ihn flachzulegen, waren bisher kläglich gescheitert. Er ließ sich nicht dominieren, von niemandem! Also auch nicht von mir. Es klingelte und ich eilte die Stufen hinunter. Meine Mutter war jedoch schneller.

»Ashley«, hörte ich Averys Stimme sagen und er trat mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen ein.

»Lange nicht gesehen Avery. Wie geht es dir?«, fragte meine Mutter. Sie kannte Avery mittlerweile ziemlich gut.

»Ich kann mich nicht beklagen und dir?«

»Ich bin froh, dass ich im Moment Urlaub habe. Curtis ist oben.«

»Danke.«

Avery wandte sich der Treppe zu und ich grinste ihn an. Prinzipiell waren Avery und ich uns sehr ähnlich. Wir hatten in etwa denselben Style, nur hatte er eindeutig mehr Tattoos als ich. Abgesehen von seinem Intimbereich, seiner Brust und seinem Hintern war er so gut wie vollständig tätowiert. Er bevorzugte Schwarz-Weiß-Tattoos, ich hingegen bunte. Bisher hatte ich nur den linken Arm komplett und den rechten zur Hälfte. Meine Eltern hatten mir erlaubt, mich tätowieren zu lassen, unter der Bedingung, dass ich jedes selbst zahlte. Damit konnte ich super leben.

Ich wartete, bis er auf der Stufe vor mir stand und wir begrüßten uns mir einem kurzen Handschlag, dann führte ich ihn auf mein Zimmer. Nicht dass ich ihn führen musste, er kannte das Haus in und auswendig, aber ich lief nun mal vor ihm. Er schloss die Tür hinter mir und ich schaltete meine Anlange aus.

»Die Neue von Asking Alexandria?«, fragte er und ich nickte.

»Du liebst diese Band aber wirklich?!«

»Natürlich. Genauso wie Bring me the Horizon.«

»Die sind ja so wie so die besten!«

Natürlich waren sie das! Daran gab es keinen Zweifel. Ich sah Avery ernst an. Es hatte einen Grund, warum ich ihn herbestellt hatte. Ich überlegte, wie ich es formulieren sollte, ohne dass ich beleidigt klang, denn das war ich nicht. Ich hatte weder das Recht noch einen Grund dafür.

»Sag mal... warum haben wir keinen Sex mehr?«, das schien mir die beste Formulierung zu sein. Denn ihn zu fragen, warum er nicht mehr mit mir schlief, klang meiner Meinung nach beleidigt und mein Gott, ich war kein eifersüchtiges fünfzehnjähriges Teeniegirl, das sich benahm wie ein kleines Kind, wenn es nicht bekam, was es wollte.

»Das hab ich mich auch schon gefragt... Seit ich Corey kennengelernt hab, habe ich aufgehört mich durch die Gegend zu ficken. Ich weiß auch nicht... eigentlich war der Kleine nur ein One-Night-Stand, aber irgendwie...«, Avery schien nach den richtigen Worten zu suchen, fand sie jedoch nicht.

»Liebst du ihn?«

»Nein! Ja! Keine Ahnung... es ist anders als mit den anderen.«

Ich grinste breit. Hatte ich es doch gedacht. Der böse, perverse Avery, der nichts besseres zu tun hatte, als so viele Kerle wie möglich abzuschleppen, hatte sich tatsächlich in diesen Corey Thompson verliebt. Ich fragte mich, was an ihm so anders war. Irgendwas musste Corey ja haben, dass Avery seine ganze Lebensphilosophie umkrempelte und plötzlich eine treue Seele wurde. Also nicht, dass er als Freund, also als normaler Freund, Kumpel halt, nicht treu war, aber sexuell hielt er nicht sonderlich viel von Treue. Hatte er jemals eine Beziehung geführt? Ich kramte in meinem Gedächtnis. Ich war mir sicher: Avery hatte da mal so etwas erwähnt... Justin hieß er glaub ich. Aber das musste fast ein Jahr her sein, denn damals war er noch in Kanada gewesen... Avery musste die Hölle durchgemacht haben - er hatte immerhin über zwei Jahre auf der Straße gelebt. Er war von zu Hause abgehauen, weil er seinem Vater egal war und dieser sich wünschte, dass Avery nie zur Welt gekommen wäre. Es war nicht so, dass er mir sonderlich leid tat. Immerhin war er an vielem selbst Schuld. Er hätte mit seinen Eltern reden können, ein klärendes Gespräch und das alles wäre vielleicht nie passiert. Ich wusste nichts Genaues über seine Zeit auf der Straße und um ehrlich zu sein, wollte ich auch nicht besser Bescheid wissen. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, was dort teilweise abging! Ich war froh, dass ich meine Eltern hatte. Ich konnte immer mit ihnen reden. Selbst als ich das erste Mal mit Drogen in Kontakt gekommen bin, habe ich es ihnen erzählt. Ich gebe zu, sie waren alles andere als begeistert und haben viel Ärger gemacht, aber das ist schließlich die Aufgabe der Eltern. Und durch ihr Engagement bin ich clean geblieben. Klar, hier und da nahm ich etwas. Ecstasy, Kokain und LSD. Heroin hatte ich ein einziges Mal genommen. Vielleicht war es der geilste Trip meines Lebens gewesen, aber die Sucht hatte sofort eingesetzt. Mein Körper hat nach einem neuen Schuss verlangt, den hab ich ihm natürlich nicht gegeben. Es war besser, aufzuhören, bevor man richtig angefangen hatte. Es war grauenhaft gewesen, aber ich hatte es geschafft und ich hatte mir geschworen, das Zeug nie wieder zu nehmen. XTC, Koks und LSD waren nicht ganz so schlimm. Ich nahm es in Maßen, aber es durfte keines Wegs zu Gewohnheit werden. Ich möchte hier niemanden davon überzeugen, dass Drogen toll sind, sind sie nämlich nicht, aber sie waren – leider – Bestandteil meines Lebens. Ich band meinen Eltern nicht auf die Nase, was ich nahm, es würde nur wieder zu einem Riesenkrach ausarten und das war das Letzte, was ich wollte.

Ich seufzte und kehrte zurück in die Realität. Ich warf mich auf mein Bett und massierte mir die Schläfen. Ich hatte plötzlich mörderische Kopfschmerzen. Wahrscheinlich hatte ich zu viel nachgedacht. Denn nachdenken war eine Tätigkeit, der ich eigentlich so gut wie nie nachging. Ich schloss die Augen und versuchte immer noch diese teuflischen Schmerzen zu beseitigen. Die Matratze meines Betts senkte sich ein wenig und ich spürte Averys Präsenz.

»Was ist los?«, fragte er mich und ich fragte mich, ob ich da so etwas wie Sorge in seiner Stimme hörte. Merken, Avery machte sich keine Sorgen, um nichts und niemanden und am allerwenigsten um andere Personen. Na ja, vielleicht war er gar nicht so schlimm, wie er vorgab zu sein, denn aus irgendeinem Grund hielt ich es seit knapp einem Jahr mit ihm aus.

»Alles uns nichts«, sehr präzise Antwort Curtis, lobte ich mich selbst.

»CB, jetzt lüg' mich nicht an!«

»Was willst du hören?«, seufzte ich ergeben.

»Ich würd's mal mit der Wahrheit versuchen«, kam die freche Antwort. Ein erneutes Seufzen entwich mir und ich antwortete resigniert: »Die Versicherung meiner Eltern hat angerufen. Angeblich hätte ich das Handy eines Mitschülers kaputt gemacht und sie wollen den Schaden nicht zahlen, da ich schon zu viel angestellt habe und die verdammten Dreckskerle mich nicht leiden können. Diese kleinen Wichser. Zumal ich diesmal absolut nichts und wirklich rein gar nichts gemacht habe!«

»Ein enttäuschter oder eifersüchtiger Ex-Lover?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Der Schaden ist anscheinend gestern gemeldet worden, denn sie haben heute Morgen angerufen und ich hatte erst heute Vormittag Sex mit Christopher. Er ist vielleicht kein unbeschriebenes Blatt, aber ich traue ihm nicht zu, dass er versuchen würde, mich und meine Familie fertig zu machen. Meine Eltern verdienen nicht schlecht, gut im Vergleich mit deinen schon, aber sechshundert Dollar können sie sich nebenbei nicht leisten und ich somit auch nicht!«

»An deiner Stelle würd' ich mal mit Christopher reden«, gekonnt überging Avery meinen Kommentar über seine Eltern. Er sprach so gut wie nie über seine Eltern. Ich kannte ihn nun schon fast ein Jahr, wir trafen uns regelmäßig. Mal bei ihm, mal bei mir. Ich hatte seine Eltern auch noch nie zu Gesicht bekommen und ich bezweifelte sehr stark, dass sie überhaupt wussten, was ihr Sohn so den lieben langen Tag machte. Avery hingegen kannte meine Eltern ziemlich gut. Er hatte so oft hier übernachtet und hatte am nächsten Morgen mit am Frühstückstisch gesessen, da ließ sich das auch nicht vermeiden. Zum Glück verstanden sie sich gut. Avery war so etwas wie ein gerngesehener Gast in unserer Familie. Okay, mein Bruder mochte ihn nicht unbedingt. Aber das war eher die Eifersucht, weil Avery mehr Zeit mit mir verbrachte, als ich mit ihm. Sam war manchmal schon etwas... komisch. Wenn ich mir Zeit für ihn nahm, dann wollte er nicht und wenn ich etwas mit meinen Freunden unternahm, dann wollte er etwas mit mir zusammen machen.

»Ja, das habe ich vor. Morgen, am besten noch vor der Schule.«

Ich öffnete die Augen wieder und sah direkt in strahlend blaue Augen, die die Farbe von Eis hatten. Ich hatte nicht mitbekommen, dass Avery sich über mich gebeugt hatte. Instinktiv schloss ich die Augen, denn ich wusste, was jetzt kam. Ich begrüßte den Kuss freudig. Viel zu schnell wurde der Kuss gelöst und ich verzog unzufrieden das Gesicht. Avery lachte leise, erhob sich und kletterte auf mich um mich anschließend heiß und drängend zu küssen. Es würde beim Küssen bleiben, das hatte ich schon in den letzten zwei Wochen begriffen. Aber mir war es recht. Ich hatte eh keine Lust auf Sex. Ich musste mir diesen Tag unbedingt rot im Kalender anstreichen. Die absolute Geilheit in Person saß auf mir und küsste mich, als gäbe es kein morgen und ich hatte keine Lust auf Sex! Eigentlich ein Ding der totalen Unmöglichkeit...

Ich spürte Averys Hand in meiner Hose und ich löste den Kuss. »Kein Sex, ja?«, sagte ich. Beleidigt verzog er das Gesicht und meinte: »Da will ich dir nach zwei Wochen mal wieder einen runterholen und du hast keine Lust?«

Ich grinste matt und zuckte mit den Schultern. Verdammt sollte ich werden, ich ließ mir gerade das Angebot meines Lebens entgehen und bereute es nicht mal! Averys Handarbeit war unvergleichlich. Ich hatte bis jetzt keinen gefunden, der es besser mit der Hand machen konnte, als er. Okay, Avery war in allem, was Lust und Befriedigung betraf unvergleichlich... Ich schloss die Augen und die Bilder von dem Quickie mit Christopher drängten sich in mein Bewusstsein und flackerten auf, wie bei einer Diaschau. Mein Gott, er war so verdammt eng gewesen und seine gepiercten Nippel! Seine gepiercten Lippen beim Küssen! Und sein Stöhnen! Ich rief mir jede noch so kleine Einzelheit zurück ins Gedächtnis und erst als ich kurz vorm Orgasmus war, merkte ich, dass Avery seine Handarbeit fortgesetzt hatte. Ich biss mir auf die Unterlippe um nicht zu laut zu stöhnen als ich kam. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen und ich versuchte, meine unregelmäßige, schnelle Atmung wieder in den Griff zu bekommen.

»Beim nächsten Mal möchte ich aber, dass du in Gedanken bei mir bist und nicht bei einem anderen«, forderte Avery grinsend.

»Bitte?«, fragte ich. Woher wollte er wissen, dass ich an jemand anderes gedacht hab.

»Du hattest die Augen geschlossen, du hast mich nicht geküsst, du hast mich nicht angefasst. Es war mehr als offensichtlich, dass du ganz woanders warst.«

Ich fühlte mich ertappt und wurde rot. Unbedingt merken: Der gute, alte Curtis fühlte sich nie ertappt, auch nicht, wenn seine Eltern in sein Zimmer platzten und er gerade Sex mit einem x-beliebigen Kerl hatte und er wurde schon gar nicht rot. Avery deutete mein Rotwerden als Geständnis und oh, wie Recht er hatte!

»Sagst du mir, an wen du gedacht hast?«

»Christopher Sykes.«

»Der hat's dir aber angetan, was? Meistens weißt du hinterher nicht mal mehr den Namen. War er so gut?«

»Gut? Er war Weltklasse! Aber darum geht es nicht. Du hättest ihn sehen sollen. Den Ausdruck purer Unschuld auf seinem Gesicht, während er pervers grinste! Und er sieht so verdammt gut aus. Er hat schulterlange schwarze Haare, sein Pony verläuft schräg über sein Gesicht, die Seiten sind stufig und fallen ebenfalls nach vorn in sein Gesicht und seine braun-grünen Augen leuchten richtig! Dazu die Snakebites. Er ist unwiderstehlich.«

»Hört sich ganz so an. Magst du ihn mir vielleicht bei Gelegenheit vorstellen?«

»Nein. Du hast Corey!«

Dass er Corey hatte stimmte natürlich, aber das war nicht der einzige Grund, warum er Christopher nicht kennenlernen sollte. Ich wollte nicht, dass er mit ihm vögelte. In gewissen Maßen stimmte es mich nicht sehr glücklich, zu wissen, dass Christopher Sex mit anderen hatte. Er war wirklich der erste, bei dem es mir verdammt noch mal nicht egal war. Ich schüttelte schon wieder den Kopf, in der Befürchtung, dass das zu einer lästigen Angewohnheit werden würde. Ich versuchte Christopher aus meinen Gedanken zu vertreiben und ihn als das ab zu stempeln, was er eigentlich sein sollte: ein Fick auf dem Jungenklo, nicht mehr und nicht weniger.

»CB, hörst du mir überhaupt zu?«, riss mich Averys penetrante Stimme aus meinen Gedanken. Na gut, er hatte eine angenehme Stimme, der man wirklich gern zu hörte, aber in diesem Moment empfand ich sie wirklich als penetrant.

»Ja... also nein. Tut mir leid, heute bin ich zu nichts zu gebrauchen«, antwortete ich wahrheitsgemäß.

»Ich gehe, es ist gleich fünf Uhr. Training«, erklärte er. Ich schnaubte. Seit Corey in demselben Skaterteam war, war Avery jeden Tag pünktlich und die Betonung lag auf jeden Tag, vorher hatte er es nicht mal für nötig gehalten, mehr als ein- bis zweimal die Woche zu kommen und nun ging er an allen sechs Tagen hin.

»Hmhm, tut mir wirklich leid, dass ich heute keine sonderlich große Unterhaltung für dich war.«

Ich stand auf und folgte ihm die Treppen hinunter. Mein Bruder und meine Schwester waren mittlerweile auch da. Meredith kam angerannt als sie Avery sah und schlang ihre dünnen, kleinen Arm um seine Taille. Sie liebte Avery! Natürlich auf eine unschuldige, kindliche Art, immerhin war sie erst sieben! Avery lachte und wuschelte ihr durch die Haare. Warum auch immer, er schien sie ebenfalls sehr zu mögen. Immer wenn er sie sah, sie umarmte, sie ärgerte oder mit ihr spielte, dann leuchteten seine Augen warm und voller Freude. Vielleicht ersetzte sie ihm die kleine Schwester, die er nicht hatte. Mich störte es nicht. Ich hing sehr an meiner Schwester, wenn sie glücklich war, dann war ich es auch und da Avery so etwas wie ein Freund war, war es voll und ganz in Ordnung.

Besagte Person schlüpfte in seine Schuhe, nahm sein Skateboard und verabschiedete sich mit einem Handschlag von mir. Wenn meine kleinen Geschwister dabei waren, verzichteten wir aufs Küssen. Klar, Sam wusste, dass ich hin und wieder etwas mit Avery hatte, aber Meredith verstand das noch nicht und ich wollte nicht derjenige sein, der erklärte, warum ich das mit Avery machte, was meine Mum mit meinem Dad machte. Klar, in ihren Augen war das »Liebe machen«, aber wie erklärte man einer Siebenjährigen, dass Avery und ich uns nicht liebten und dass das, was wir taten rein gar nichts mit Liebe zu tun hatte. Sie war ein Kind und wusste noch nichts von den Lüsten, die früher oder später in ihr erwachen werden. Ich wollte nicht derjenige sein, der ihr Weltbild zerstörte.

Nachdem Avery die Tür hinter sich geschlossen hatte, hob ich Meredith hoch und stupste ihre Nase mit meiner an. Sie kicherte ihr typisches niedliches Kichern, für das ich sie am liebsten auffressen würde und sie umarmte mich. »Ich hab dich lieb«, sagte sie ehrlich.

»Ich hab dich auch lieb«, erwiderte ich und lächelte sie mit meinem Großen-Bruder-Lächeln an.

»Das hast du mir nie gesagt!«, beschwerte sich Sam hinter mir.

»Hm, drei Mal darfst du raten warum! Vielleicht weil du immer gesagt hast »Du bist so fies Curtis« oder »Ich hasse dich« und »Immer musst du alles besser wissen!«?«, jedes Mal, wenn ich meinen Bruder zitierte hob ich die Stimme und Meredith, die ich mittlerweile wieder abgesetzt hatte, lachte.

»Ist doch aber auch so!«

»Ach Sammy, du hast mich trotzdem lieb, auch wenn ich dein blöder, besserwisserischer, gemeiner großer Bruder bin. Gib's zu!«

»Pah, das hättest du wohl gerne!«, entgegnete Sam mürrisch und wurde rot. Wir wussten beide zu gut, dass ich Recht hatte, immerhin war ich ein Besserwisser! Okay, eher ein Klugscheißer, aber das nahm sich im Moment nicht viel. Ich wuschelte meinem Bruder durch die blonden Haare und ging in die Küche. Meine Mutter kochte gerade. Also deckte ich den Tisch. Wir aßen, so fern ich oder Sam da waren, immer zusammen. Meistens gegen sechs Uhr. Anscheinend hatte meine Mutter Angst, ich würde mich noch mal aus dem Staub machen, bevor es Essen gab, denn es war ungewöhnlich, dass sie das Essen schon für fünf Uhr zubereitete. Meine Mutter war eine gute Köchin... wäre ja auch schlimm wenn nicht! Immerhin hatte sie eine Kochausbildung. Sie arbeitete nicht mehr. Nachdem ich zur Welt gekommen bin, ist sie drei Jahre zu Hause geblieben, während dieser Zeit war sie schwanger mit meinem Bruder geworden, was bedeutete, dass sie anschließend noch mal drei Jahre zu Hause bleiben musste. Sie hatte sich dazu entschieden, ihren Beruf endgültig aufzugeben, als sie dann mit Meredith schwanger war. Noch mal drei Jahre zu Hause bleiben und dann wieder anfangen, wollte sie nicht. Also konzentrierte sie sich auf die Erziehung und den Haushalt. Mein Vater verdiente ziemlich gut, also konnte sie sich das erlauben.

»Isst Dad heute nicht mit uns?«, fragte ich und nahm vorerst nur vier Teller aus dem Schrank.

»Nein, er hat ein Geschäftsessen und ist daher vor acht Uhr nicht zu Hause.«

Mein Vater war Ingenieur und arbeitete als Personalmanager. Es kam selten vor, dass er ein Geschäftsessen hatte. Das Essen verlief genauso, wie man es bei einem pubertierenden Vierzehnjährigen und einer Siebenjährigen auf dem Egotrip erwarten konnte. Es wurde gelacht, gezankt und mit Nudeln um sich geworfen. Und wer durfte das am Ende sauber machen? Natürlich ich! Tja, das war der Preis für die gute Unterhaltung. Meine Mutter war die Ruhe in Person und ließ die beiden machen. Schließlich ließ ich mich anstecken und die Nudeln befanden sich letzten Endes überall in der Küche. Sogar unsere Mum hatte nicht widerstehen können. Sie schickte anschließend Meredith ins Bad, damit sie sich duschen konnte und wir räumten währenddessen auf.

Als wir fertig waren und Meredith bereits im Schlafanzug zurückkam, schickte meine Mutter Sam ins Bad und danach mich, ehe sie selbst duschte. Um halb acht brachte ich Meredith ins Bett. Sie schrieb morgen einen Test und deswegen sollte sie ausgeschlafen sein. Ich deckte sie zu und sie griff nach meinen Haaren um daran zu ziehen. Ich lachte und sie drückte mir ein Küsschen auf die Lippen. War sie nicht unglaublich süß?

»Schlaf gut«, sagte ich und trat beiseite, damit unsere Mum ihr Gute Nacht sagen konnte. Ich ging auf mein Zimmer und schaltete den Computer ein. Eine alte Angewohnheit, die mittlerweile völlig überflüssig war. Noch bis vor einem halben Jahr hatte ich um diese Zeit jeden Tag mit Matt gechattet... Ich startete das Chatprogramm, checkte, wer online war und fuhr meinen PC wieder herunter. Matt... er fehlte mir. Wir waren die besten Freunde gewesen, seit wir zwei Jahre als waren! Und dann hatte ich scheiße gebaut und jetzt redete er gar nicht mehr mit mir. Ich hasste mich dafür. Aber es war nicht nur meine Schuld gewesen. Matt und ich waren beide angetrunken gewesen und hatten nicht gewusst, was wir taten. Okay, ich hatte gewusst, was ich tat, aber Matt nicht. Wir waren in unserem Lieblingsclub, im Screams from the cemetery, gewesen. Wie gesagt hatten wir beide einiges intus und dann hatte ich ihn einfach gepackt und geküsst. Wir haben 'ne ganze Zeit heftig rumgeknutscht und gefummelt. Er hat genauso Mitschuld, da er auf die Küsse und Berührungen eingegangen ist. Am nächsten Morgen, als er wieder nüchtern war, musste ihm natürlich einfallen, dass er 'ne Hete war! Matt hatte mich mit zu sich genommen, wir waren noch ein bisschen weiter gegangen, aber wir hatten keinen Sex gehabt! Aber als ich halbnackt neben ihm gelegen hatte, mit offener Hose... seine eigene Hose ebenfalls geöffnet und Wichsflecken auf dem Lacken, war das wohl ein bisschen viel des Guten gewesen und er hatte mich geweckt und vor die Tür gesetzt. Er hatte mich nicht mal zu Wort kommen lassen! Er hatte mich hochkant rausgeschmissen und seit dem hatte ich kein Wort mehr von ihm gehört. Schön! Ich hatte ihm einen geblasen und ja, er hatte mir mit der Hand einen runtergeholt! Aber das war noch lange kein Grund, nicht mehr miteinander zu reden! Ich hätte wissen müssen, wann genug war, immerhin wusste ich zu gut, dass er hetero war, aber hey, wenn man angetrunken war, da dachte man über so etwas nicht nach. Ich hätte ja verstanden, wenn er ein paar Tage nicht mit mir geredet hätte, meinetwegen auch ein paar Wochen, aber ein halbes Jahr war nun wirklich übertrieben! Man hätte darüber reden können... Ich sah es ja ein, dass es ihm peinlich und unangenehm war, aber eine Freundschaft nach fast sechzehn Jahren einfach so wegzuschmeißen, war nun wirklich das Allerletzte!

Missmutig stapfte ich die Treppe hinunter. Meine Mutter sah mich besorgt an, sie wusste, was damals vorgefallen war.

»Immer noch nichts von Matt?«

Ich schüttelte nur den Kopf und setzte mich dann auf den Sessel. Ich zog die Knie hoch und umschlang sie mit meinen Armen. Eigentlich war nicht sehr sentimental, aber die Sache mit Matt nahm mich ganz schön mit. Zu sehen, wie eine jahrelange Freundschaft, die einiges überstanden hatte, von heute auf morgen zerbrach, waren grauenhaft. Ohne Matt fühlte ich mich... unvollständig. Zu wissen, dass ich für ihn praktisch gestorben war, machte es nicht besser. Ich hatte Avery ein Mal gefragt, ob Matt mich überhaupt noch erwähnte. Ja, tat er, wenn es um Fakten ging, oder darum, wie scheiße es war, dass ich das Team verlassen hatte. Meine Entscheidung zu gehen, war freiwillig gewesen, mehr oder weniger. Ich hatte keinen Sinn darin gesehen, in einem Team zu bleiben, indem man mich nicht mehr haben wollte. Ich war unerwünscht, zumindest bei Matt.

»Ich weiß, dass er dir fehlt, aber es wird Zeit, loszulassen.«

Wie recht meine Mutter mal wieder hatte. Ich seufzte: »Leichter gesagt als getan. Ich hätte mich einfach zusammenreißen müssen! Hätte ich nicht angefangen dürfen!«

So sehr ich wusste, dass es nicht nur meine alleinige Schuld gewesen ist, redete ich mir das zu gerne ein.

Ich saß noch eine Weile bei meiner Mutter und wartete, bis mein Vater zurückkam. Er sah müde und fertig aus. Anscheinend war das Geschäftsessen nicht sonderlich gut gelaufen.

»Wir kriegen nicht mehr Personal. Man will sparen! Aber an Mitarbeitern zu sparen ist echt das Allerletzte«, meinte er und stöhnte genervt, ehe er meiner Mutter einen Kuss gab und sich neben sie setzte.

»Ich geh hoch«, kündigte ich an, »Gute Nacht.«

Es kam selten vor, dass ich vor meinem kleinen Bruder ins Bett ging, aber ich war nicht in der Stimmung länger wach zu bleiben. Meine gute Laune war ganz langsam gesunken und hatte vor einiger Zeit ihren Nullpunkt erreicht. Und wenn meine Laune so weit unten war, wusste ich, dass ich zu nichts zu gebrauchen war, man konnte dann nicht mal mit mir reden. Also ging ich, um der gedrückten Stimmung ein Ende zu bereiten. Ich putzte mir die Zähne, zog mich bis auf die Boxershorts aus und schlief schneller ein, als ich gedacht hätte. Mein Wecker riss mich in den frühen Morgenstunden aus einem unruhigen Schlaf und ich kämpfte mich missmutig aus dem Bett. Als erstes stieg ich unter die Dusche, so wie ich es jeden Morgen tat. Danach zog ich mich an und ging in die Küche um den Frühstückstisch zu decken. Meine Eltern und meine Geschwister würden gleich aufstehen. Ich liebte diese Routine, denn das war etwas, dass sie nie änderte, egal was geschah, jeder Morgen würde weiterhin gleich ablaufen. Als meine Mutter in die Küche kam, saß ich bereits am Tisch und trank meinen Kaffee. Ich hatte keinen Hunger und keine Lust etwas zu essen.

»Du musst mehr essen, Curtis, sonst siehst du irgendwann aus wie Avery«, stellte meine Mutter fest.

»Hm... so schlecht sieht Avery ja nicht aus!«

»Nein, an sich sieht er wirklich gut aus, aber es ist auch nicht viel an ihm dran.«

Sie hatte Recht. Avery war ungefähr einen Meter zweiundsiebzig groß und wog etwa sechsundfünfzig Kilo. Ich war einen Meter fünfundsiebzig groß und wog zweiundsechzig Kilo. So einen großen Unterschied gab es also nicht. Aber das machte trotzdem etwas aus. Ich gebe zu, man sah meine Hüftknochen deutlich, aber bei Avery konnte man sogar die Rippen leicht sehen. Ich wusste, dass meine Mutter versuchte, mir ein schlechtes Gewissen einzureden, doch diesmal hatte sie keinen Erfolg. Ich hatte keinen Hunger und dabei würde es auch bleiben.

Als nächstes kam Sam, dicht gefolgt von Meredith und als Letzter betrat mein Vater die Küche. Während des Essens saß ich schweigend dabei und wartete. Da ich mich bereits vor dem Frühstück fertig gemacht hatte, verließ ich als erster das Haus. Ich machte mich mit meinem Skateboard auf den Weg zur Schule. Ich würde viel zu früh da sein, aber vielleicht hatte ich Glück und konnte Christopher abfangen. Ich drehte die Lautstärke meines MP3-Players auf und schaltete auf Architects, ich hatte diese Band schon seit gefühlten Jahren nicht mehr gehört. Schade eigentlich, denn sie waren sehr gut.

Wie vermutet war ich eine gute halbe Stunde zu früh. Ich brachte meine Sachen in die Klasse und ging dann zu Christophers Klassenraum. Ich hatte Glück. Er stand am Fenster und rauchte gerade genüsslich eine Zigarette. Ich holte meine Schachtel aus der Hosentasche, zündete mir ebenfalls einen Glimmstängel an und trat neben ihn. Das Fenster war groß genug, damit zwei Menschen bequem nebeneinander stehen konnten.

Überrascht drehte er sich zu mir.

»Was führt dich so früh hier her? Bist du nicht eigentlich immer eine halbe Stunde zu spät anstatt zu früh?«

»Hm, ja, eigentlich. Ich muss mit dir reden.«

»Das hört sich nicht gut an. Was gibt’s?«, Christopher warf den Rest seiner Zigarette aus dem Fenster und wandte sich mir endgültig zu. Ich stützte meine Arme auf den Fensterrahmen und lehnte mich nach draußen, während ich sprach: »Die Versicherung hat gestern bei uns angerufen. Warum behauptest du, ich hätte dein Handy kaputt gemacht?«.

Schließlich drehte ich mich doch zu ihm und sah ihn herausfordern an.

»Da muss ein Missverständnis vorliegen. Ja, mein Handy ist kaputt und ich habe meiner Mutter gesagt, sie soll den Vorfall melden. Luke Carter ist mit seinem Skateboard drüber gefahren und der Touchscreen ist dabei gerissen.«

»Ach, und warum werde dann ich angezeigt?«, ich sprach bedrohlich ruhig und merkte, dass sich mein Gegenüber sichtlich unwohl in seiner Haut fühlte. Christopher wich meinem Blick aus und ich glaubte einen leichten Rotschimmer auf seinen Wangen erkennen zu können. Ich bewahrte meine kalte Maske, doch innerlich schmolz ich bei seinem Anblick dahin und mein Herz drohte, aus meiner Brust zu springen, so wild schlug es. Christopher richtete seinen Blick gen Boden, als er mir schließlich leise und fast unverständlich antwortete: »Ich glaub, ich weiß wie das kommt.«

»Ach ja? Ich höre«, forderte ich mit provozierender Stimmlage.

»Meine Mutter kann sich keine Namen merken und wahrscheinlich hat sie meinen kleinen Bruder Danny gefragt, wen sie anzeigen soll und er muss ihr deinen Namen gesagt haben...«

Ich zog eine Augenbraue hoch, als Zeichen, dass ich ihm nicht glaubte, also setzte er fort: »Danny kann dich nicht leiden.«

Meine Augenbraue wanderte noch ein Stück weiter nach oben. »Warum kann mich dein kleiner Bruder nicht leiden? Ich kenne ihn nicht mal.«

»Er geht auch auf die Schule und na ja... man erzählt sich so einiges über dich...«, Christopher fühlte sich immer unwohler in seiner Haut.

»Zum Beispiel, dass ich jeden ficke?«, es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Ich wusste, was man sich über mich erzählte und so ganz Unrecht hatten die anderen ja auch nicht.

»Zum Beispiel...«

Gut, aber was kümmerte es Christophers Bruder wen ich flach legte? Mich aufgrund dieser Gerüchte die – wie ich zugegeben hatte Tatsachen waren – nicht leiden zu können, schien mir etwas übertrieben.

»Ich versteh immer noch nicht, auch wenn er mich nicht leiden kann, warum macht er so was?«

Christopher holte tief Luft und schwieg dann. Ich warf den Stummel meiner Zigarette ebenfalls aus dem Fenster und nahm dann das Gesicht meines Gesprächspartners zwischen Daumen und Zeigefinger und zwang ihn, mich anzusehen. Er schluckte und sah mir in die Augen. Seine braun-grünen Augen leuchteten und ich drohte, mich in ihnen zu verlieren. Und genau das tat ich. Ehe ich wusste was ich tat, neigte ich mich nach vorne und küsste ihn sanft. Als ich die Kontrolle zurückgewann, löste ich mich sofort von ihm und murmelte: »Entschuldigung...«

»S-schon okay.«

»A...also wo waren wir stehen geblieben?«

»Es passt meinem Bruder nicht, dass ich schwul bin u-und dass ich in d-dich verliebt bin... passt ihm noch weniger. Als er herausgefunden hat,... dass ich ausgerechnet die Schulschlampe liebe... er will dich aus dem Weg haben.«

Ich holte tief Luft. Christopher war in mich verliebt? Ich war nun wirklich die allerletzte Person, in die man sich verlieben sollte! Alles sprach dagegen! Und dann stand da der Junge, der mir seit gestern den Verstand raubte und sagte mir, dass er in mich verliebt sei! Und was sollte ich jetzt sagen? Ich fühlte mich noch nie so hilflos wie in diesem Moment.

»Ich...«, setzte ich an und war mir nicht sicher, was ich ihm genau sagen wollte.

»Schon gut... du brauchst mir nicht sagen, dass das nichts wird, ich weiß es. Jeder weiß es«, Christopher schien sich damit abgefunden zu haben. Ich küsste ihn einfach erneut, damit er endlich den Mund hielt. Überrascht erwiderte er meinen Kuss. Ich hatte noch nie ein Liebesgeständnis gemacht und ich war mir sicher, dass ich es nicht konnte. Ich war gut darin, Kerle zu verführen, ihnen so lange versaute Dinge ins Ohr zu hauchen, bis sie nicht mehr nein sagen konnten, aber verdammt noch mal, ich war nicht gut darin, Liebesgeständnisse zu machen! Ich löste den Kuss, als ich hörte, dass Christophers Mitschüler allmählich eintrafen.

»Ich... geh dann mal«, meinte ich. Es war nicht der richtige Zeitpunkt um jetzt weiter darüber zu reden. Als ich in meinem Klassenraum saß, dachte ich darüber nach, wie sich Christopher jetzt fühlen musste. Er hatte mir seine Liebe gestanden und ich war ohne ein weiteres Wort gegangen. Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Ich würde ihn wohl nach dem Unterricht oder in der Pause noch mal abfangen.

»Hey Curtis! Ausnahmsweise mal pünktlich?«, fragte Cathy, eine gute Freundin von mir. Ich sah auf und das erste, was mir auffiel war, dass sie sich die Haare blondiert und sich schwarze Strähnchen gefärbt hatte.

»Das Blond steht dir«, sagte ich und lächelte sie unschuldig an.

»Danke, aber spuck aus, was dich so früh hierher führt.« Cathy war sehr neugierig und sehr konsequent und dickköpfig, wenn sie etwas wissen wollte, dann nervte sie so lange, bis man es ihr sagte. Sie war klein und zierlich aber sie wusste sich zu wehren und verbal konnte ihr niemand das Wasser reichen. So wie auch ich wurde sie von den anderen als Emo abgestempelt. Okay, das kam schließlich auch nicht von ungefähr. Sie umrandete ihre Augen dick mit schwarzem Kajal und stand auf dieselbe Musik wie ich. Zugegeben, wir waren Emos. Sich um Kopf und Kragen zu reden und stur zu behaupten, es wäre nicht so, war absolut unnötig, denn im Endeffekt war es ein Fakt, der sich einfach nicht leugnen ließ.

»Dies und das.«

»Oh Gott Curtis! Du bist verliebt«, brachte sie genau das auf den Punkt, was ich eigentlich auch schon geahnt hatte. Ja, wohl oder übel hatte ich mich in Christopher verliebt.

»Hast du es ihm gesagt?«, eine rein rhetorische Frage, sie wusste genau, dass ich es nicht getan hatte.

»Nein... aber...«, setzte ich an, beschloss dann jedoch, den Rest lieber für mich zu behalten. Nur gut, dass ich meine Rechnung ohne Cathy gemacht hatte.

»Aber was?«

»...«

»Curtis!«

»Er hat mir seine Liebe gestanden! Und ich Trottel hab Christopher einfach stehen gelassen!«

»Christopher? Der Christopher? Aus unserem Jahrgang?«, hakte Cathy nach und ich bereute es, seinen Namen erwähnt zu haben.

»Christopher Sykes«, gestand ich ihr und gab ihr somit Recht. Ein undefinierbares Quietschen drang aus ihrer Kehle und ich tat es als Freudenschrei ab, den sie versucht hatte, zu unterdrücken. Sie schien ganz hin und weg von der Vorstellung zu sein, dass aus mir und Chris ein Paar werden könnte. Wenn ich es schaffte, ihm zu sagen, was ich für ihn empfand. Eigentlich war ich gar nicht auf den Mund gefallen, ganz im Gegenteil. Ich hatte eine große Klappe und war immer vorlaut, aber jetzt, wo es ernst wurde, da fehlten mir einfach die Worte.

»Schnapp' ihn dir in der Pause und gesteh' ihm deine Liebe!«

»Ha! Leichter gesagt als getan. Cathy, du weißt, dass ich das nicht kann.«

»Ach? Seit wann gibt es etwas, das der große Curtis Brennan nicht konnte?«, jetzt hörte sie sich an wie Avery! Fehlte nur noch das »CB«, tja, aber nur Avery hatte das Privileg für diesen Spitznamen.

»Wunder geschehen halt immer wieder«, für mich was das Thema damit gegessen.

»Wenn du nicht hingehst, schleife ich dich an den Haaren zu ihm und zwing dich, ihm zu sagen was du fühlst!«

Oh, ich glaubte ihr... und wie! Jedes Wort. Wenn sie so etwas sagte, dann meinte sie es immer ernst. Ich nickte also ergeben, etwas anderes blieb mir ohnehin nicht übrig. Die ersten zwei Stunden wollten erst gar nicht vorbei gehen, doch als es dann zur Pause klingelte, wünschte ich, sie hätten sich noch mehr gezogen. Die ganze Zeit über hatte ich nach den richtigen Worten gesucht und sie einfach nicht gefunden. Ich wusste verdammt noch mal nicht, wie ich es ihm sagen sollte. Als ich nach fünf Minuten immer noch regungslos auf meinem Platz saß, stieß Cathy mich unsanft an.

»Bist du gestorben oder versuchst du zu kneifen wie ein vierzehnjähriges Mädchen?«

Sie wusste, wie sehr sie mich damit provozierte. Verdammt, ich war doch kein vierzehnjähriges Mädchen! Und ich kniff auch nicht. Ich überlegte. Punkt aus basta! Ich seufzte jedoch ergeben und verließ mit wackligen Knien den Klassenraum. Der Weg zu dem von Christopher kam mir ewig lang vor. Schließlich stand ich vor dieser roten Tür, die mich böse angrinste. Ich riss sie auf, suchte mit den Augen nach demjenigen, der mir den Kopf verdrehte und fand ihn schließlich ganz hinten auf einem Stuhl sitzen. Um ihn herum stand eine ganze Meute. Ich durchquerte den Raum und blieb kurz vor ihm stehen. Erst bemerkte mich niemand, doch als ich mich räusperte, hob Chris den Blick und es brach mir wortwörtlich das Herz. Seine Augen waren gerötet und ich entdeckte Tränenspuren auf seinem hübschen Gesicht. Ich schluckte und beschloss, mich zu hassen, sollte ich der Grund für seine Tränen sein.

»Was... willst du?«, fragte er mit brüchiger Stimme und räusperte sich schnell.

»I-ich will mit dir reden«, ich klang nicht halb so sicher wie ich eigentlich wollte und innerlich schlug ich meinen Kopf gegen eine Mauer. Verdammt! Warum verlor ich jetzt noch das letzte Bisschen Selbstbeherrschung, das mir geblieben war?

»Ach und was wäre, wenn ich nicht mit dir reden wollen würde?«

»Was du aber willst, da du im Konjunktiv redest, Schätzchen.«

Er wurde rot und stand auf. »Draußen«, beschloss er und ich folgte ihm schweigend. Ich spürte eine Menge tötender Blicke im Rücken. Oh oh oh, anscheinend war ich wohl doch der Grund für seine Tränen und den anderen gefiel das gar nicht. Wunderte mich aber nicht sonderlich, schließlich war ich das größte Arschloch, das die Schule zu bieten hatte.

Wir überquerten den Schulhof und traten hinaus auf die Straße, fern von allen anderen. Schließlich durchbrach Christopher die angespannte Stille zwischen uns: »Was willst du?«

Ich schluckte erneut, denn diesmal klang seine Stimme fest und ziemlich abweisend. Ich hatte es wohl heute Morgen ganz schön versaut.

»Es tut mir Leid... ist heute Morgen ja nicht so gut gelaufen. Tut mir Leid, dass ich einfach ohne eine Antwort gegangen bin.«

»Keine Antwort ist auch eine Antwort. Ich weiß, was du mir sagen willst, also kannst du dir das auch sparen.«

»Nein! Das stimmt nicht. Ich... ich weiß einfach nicht, wie ich es dir sagen soll. Ich hab das noch nie gemacht... Du kennst mich... ich hatte nie damit gerechnet, mich irgendwann in meinem Leben wirklich ernsthaft zu verlieben und dann kommst du daher. Du solltest nichts anderes sein, als alle anderen vor dir, aber verdammt es ist einfach passiert! Ich habe mich in dich verliebt und zur Hölle, ich kenne mich mit Liebe überhaupt nicht aus!«, ich könnte mich stundenlang weiter über mich aufregen, doch Christopher verhinderte es indem er mich einfach küsste und halleluja es war der göttlichste Kuss, den ich je hatte. Er küsste mich so sanft und voller Liebe, sodass ich wie ein Eis in der Sonne dahin schmolz... Moment mal, was zum Teufel dachte ich hier eigentlich? Okay, es entsprach der Wahrheit aber seit wann bekam ich solche Kitschanfälle? Wenn das so weiter ging dann aber gute Nacht!

Ich schlang meine Arme um seine Hüfte, während er seine Hände in meinen Haaren vergrub und ich erwiderte den Kuss genauso zärtlich. Zum ersten Mal in meinem ganzen Leben wollte ich den Kuss auch nicht intensiver oder leidenschaftlicher. Er war perfekt so, wie er war. Viel zu schnell für meinen Geschmack lösten wir uns wieder voneinander.

»Ich liebe dich Curtis«, sagte er mit warmer Stimme.

»Ich liebe dich auch Chris«, antwortete ich und sah ihm dabei in die strahlenden Augen. Pures Glück rauschte durch meinen Körper. Jemanden zu lieben fühlte sich gar nicht so schlecht an. Eher ganz im Gegenteil. Es war wunderschön.

Nach der Schule griff ich nach seiner Hand und nahm ihn mit zu mir. Meine Mutter war einkaufen und mein Vater bei der Arbeit. Also fiel es nicht auf, dass ich da war. Ich führte Christopher hoch auf mein Zimmer und wir verbrachten den ganzen Tag damit, uns immer wieder so liebevoll zu küssen, dass ich schwören könnte, ich könnte fliegen. Das Kribbeln in meinem Bauch wurde von mal zu mal intensiver und ich wurde süchtig nach Christophers Lippen. Ich wollte sie immer wieder auf meinen spüren. Und ihm schien es genauso zu gehen. Wir redeten aber auch viel. Über dies und das. Die Schule, die Familie, Hobbys, wir lernten uns langsam kennen. Schließlich wollte ich alles über ihn wissen, jetzt wo er ein fester Teil meines Lebens war...



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Schwarzer_Fussel
2011-06-13T14:36:04+00:00 13.06.2011 16:36
Sie gefällt mir sehr (:
Aber ich muss sagen zum Schluss ging mir alles etwas zu schnell, zu rasant und dann peng Ende~
Aber naja, ich mag sie trotzallem (:
Schön geschrieben!

lg, Fussel (:
Von:  Lisa_McCall
2011-05-21T12:18:37+00:00 21.05.2011 14:18
*__* ich liebe die story voll
kannst du sie ncht noch weiter schreiben???!!! *heul* xDDD
ich mags halt voll :)
Von:  addyfair
2011-05-20T16:39:57+00:00 20.05.2011 18:39
Das ist süß. Schön.
Aber ehrlich gesagt, hat mir etwas gefehlt. Die Sex-Szene. Aber ansonsten.^^
Von:  IanZarewitsch
2011-05-16T13:33:46+00:00 16.05.2011 15:33
xD
Sehr prazäise meine Liebe,
und ziemlich realistisch xD
Du solltest aufhören, so viele Shonen-Ai Manga zu lesen

Von:  peggy17
2011-04-22T19:50:16+00:00 22.04.2011 21:50
An und für sich hat mir die Geschichte wirklich gut gefallen, vom Stil und von den Charakteren her - aber ernsthaft, ein guter Fick ist nicht dasselbe wie Liebe...
(Und egal wie gut das Verhältnis von Mutter und Sohn ist, ich bezweifle, dass sie die ganzen Details aus seinem Liebesleben wissen will ;)
Von:  Gedankenchaotin
2011-04-21T20:00:01+00:00 21.04.2011 22:00
Ach, dass ist richtig süß und seine Freunde sind der Hammer. XD
Ich kann mir regelrecht vorstellen, wie sie ihn an den haaren hinter sich her zu Chris schleift. xD
aber hey, die drohung hat geholfen und CB ( gomen avery xd) ist zu ihm gedackelt.

hat mir wirklich gefallen. ~

LG Gedankenchaotin


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