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Die Geduld der Spinne

von

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Runde ZWEI

Wachdienst im Turm war ein Scheißjob. Bellick musste sie hassen. Er machte ihr absichtlich das Leben schwer. Welch anderen Grund sollte er also haben, außer sie zu hassen? Er setzte Tess ständig dafür ein. Seit Tagen hockten Speedman und sie aufeinander, was natürlich nicht wörtlich zu nehmen war, und achteten darauf, dass der Hofgang glimpflich verlief und auch sonst nichts Indiskutables geschah. Speedman schien seine Arbeit zu genießen, konnte er sich doch den ganzen Tag in seinen Kreuzworträtseln und Fernsehsendungen vertiefen, doch Tess verfiel zunehmend in Langeweile.

„Lebensende mit drei Buchstaben“, las Speedman laut vor, während Tess geduldig am Fenster Ausschau hielt und die Minuten herunter zählte, bis der Hofgang für Zellenblock A endlich begann.

Sie war sich nicht sicher, ob er dieses einfache Rätsel wirklich nicht lösen konnte, oder ob jetzt wieder eine seiner dämlichen Bemerkungen kam.

„Was?“, fragte sie deswegen nur und sah ihn an, als ob er heute Morgen Frostschutzmittel im Kaffee gehabt hatte.

Er grinste blöde und sagte:

„Na, Ehe!“

Okay. Dämliche Bemerkung also.

Sie ließ es unkommentiert und wandte sich wieder ihrer Aufgabe zu. Heute war es warm und die Sonne schien, was bedeutete, dass die meisten Häftlinge nur im T-Shirt bekleidet auf den Hof kamen, als die Zeit dafür endlich gekommen war. Tess setzte ihre Mütze ab und nahm Visier. Jetzt begann der interessante Teil des Tages.

Speedman hatte sie einmal gefragt, weswegen sie während des Hofganges ständig durch das Zielfernrohr sah. Sie hatte ihm gesagt, dass sich Aggressionsherde so leichter erkennen ließen, was ja irgendwie auch der Wahrheit entsprach. Er hatte sich mit dieser Antwort zufrieden gegeben und nicht weiter nachgehakt. Wieso sollte er auch annehmen, dass sie jemandem etwas antun wollte und durch Lippenlesen einen Großteil der Gespräche mitbekam die da unten stattfanden.

In den letzten Tagen musste sich unter den Häftlingen einiges abgespielt haben. Westmorelands Katze hatte das Zeitliche gesegnet, wobei sich hartnäckig das Gerücht hielt, das Bellick seine Finger im Spiel hatte, da der alte Charles gewisse Auskünfte einfach nicht hatte geben wollen.

Und auch für Scofield schien der Knastalltag kein Zuckerschlecken zu sein. Er humpelte und an seiner Stirn klaffte eine Wunde. Sein neuer Zellengenosse Charles "Haywire" Patoshik, der wegen Doppelmordes an seinen Eltern einsaß, wurde fast so schnell wieder in die psychiatrische Abteilung des Gefängnisses zurück verlegt, wie Tess „Unterlassungsverpflichtungserklärung“ buchstabieren konnte. Sie hätte alles dafür gegeben um zu erfahren, weshalb Sucre eine Verlegung bekommen hatte, die am Ende doch wieder rückgängig gemacht wurde.

Die Puzzleteile fügten sich nur langsam zusammen.

Franklin hatte sich mit Scofield in den ersten Tagen über ein rezeptfreies Arzneimittel namens Pugnac unterhalten. Soweit Tess bekannt war, handelte es sich dabei um einen Insulin-Blocker. Aber das ergab irgendwie keinen Sinn. Wenn er eine Krankheit hatte und Arzneimittel benötigte, würde er diese doch im Krankenflügel bekommen. Tess sah nur eine Möglichkeit aus dieser Information schlau zu werden. Sie musste dem Krankenflügel ebenfalls einen kurzen Besuch abstatten. Und sie benötigte einen Vorwand. Also klemmte sie sich die Finger ihrer linken Hand bei Dienstantritt absichtlich in der Tür des Pausenraumes der Wärter ein. Gerade so fest genug, dass Bellick über ihre Unfähigkeit schimpfen konnte, sie aber für die kommenden Tage nur wenig beeinträchtigt war. Ihr kleiner Plan war aufgegangen und sie wurde in den Krankenflügel direkt neben der Turnhalle geschickt.

Es hatte Tess überrascht zu sehen, dass der behandelnde Arzt im Gefängnis ebenfalls eine Frau war. Sara Tancredi.

„Tancredi?“, hatte Tess gefragt und in Erfahrung gebracht, dass eine Verwandtschaft ersten Grades zum Gouverneur von Illinois in der Tat vorlag.

Aber viel interessanter war die Tatsache, dass Scofield regelmäßig Insulin gespritzt bekam. Eine Auskunft für die sie hatte all ihr Können aufbringen müssen. Sara war keine gesprächige Frau, wenn es Dienstbelange betraf. Diese Aussage jedoch ließ nur einen Schluss zu. Scofield wollte auf die Krankenstation. Aber weshalb? Mochte er die Atmosphäre? Die Ärztin? Oder wollte er einen perfiden Plan in die Tat umsetzen und musste dafür im Krankenflügel heimlich Vorkehrungen treffen, was beinahe zu absurd war. Tess machte sich eine gedankliche Notiz, dass dies herauszufinden oberste Priorität hatte.

Als der Hofgang für heute beendet war, nestelte sie gedankenverloren an dem Verband ihrer malträtierten Finger. Sucre hatte die Worte „English“, „Fitz“ und „Percy“ erwähnt. Und dass sie zu viel waren. Zu viel für was?

„Hast du schon gehört, dass es gestern Nacht einen Ausbruchversuch gab?“

Tess drehte sich so schnell zu Speedman um, dass sie drohte das Gleichgewicht zu verlieren und aus dem offenen Fenster zu fallen.

„Wer?“

„Das wissen wir nicht. Es ist keiner entkommen. Aber hier muss die Hölle los gewesen sein.“

Tess begriff nicht ganz wie das vonstatten gehen konnte, doch ein Funkspruch unterbrach ihre Gedankengänge. Es war Bellick. Er wollte, dass sie heute zum ersten Mal beim Zelleneinschluss dabei war und befahl ihr, ihren dürren Arsch sofort zu ihm zu befördern. Innerlich freute sie sich wie ein Schneekönig den Turm endlich verlassen zu dürfen, doch ihr war auch bewusst, dass Bellick nur nach einer Gelegenheit suchte sie bloß zustellen. Vermutlich war ihm langweilig geworden und er und seine Wachfreunde brauchten ein bisschen Abwechslung.

Ohne sich von Speedman zu verabschieden, verließ sie den Turm und trat nach dem Abstieg ins Freie. Nur wenige Meter und ein hoher Maschendrahtzaun trennten sie nun noch von den Häftlingen. Auch Scofield war zum Greifen nah. Er stand bei den Tribünen und entleerte seine Hosentaschen. Dabei versuchte er auffällig unauffällig zu sein und Tess sah noch genauer hin. Waren das kleine Steinbrocken die er da auf der Wiese fest trat?

Er und noch ein paar andere Häftlinge waren Mitglieder in der PI, der Prison Industries. Die Gefangenen arbeiteten für einen Stundenlohn von 18 Cent und machten kleine Arbeiten, welche unter anderem das Sauber machen, Streichen und Reparieren von beschädigten Räumen beinhalteten. Da der Pausenraum der Wärter unglücklicherweise von einem Feuer heimgesucht worden war, wurde gerade dieser Raum renoviert. Tess machte die übrigen Mitglieder der PI ausfindig und stellte beunruhigt fest, dass alle das gleiche taten. Was zum...? Dann fiel ihr Blick auf Burrows im Hofbereich der Einzelhaft und sie verstand. Scofield war beim Bau von Fox River nicht unwesentlich beteiligt gewesen. Sein Bruder würde bald hingerichtet werden und...

Ein beinahe diabolisches Lächeln zeigte sich auf ihrem hübschen Gesicht. Die soeben erlangte Erkenntnis konnte ihr noch von großem Nutzen sein. Schnell wiegte sie Für und Wider ab, entschied schließlich nicht sofort zu Pope zu rennen, sondern straffte ihre Schultern und trat näher an den Maschendrahtzaun heran.

Sucre sah sofort zu ihr und die Einsicht, als er sie als Frau erkannte stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Tess verzog keine Miene, sondern erhob ihre Stimme und rief gerade laut genug, dass nur wenige der Umstehenden es hören konnten.

„Scofield!“ Angesprochener drehte sich langsam um und Tess' gesunde Hand ballte sich zur Faust. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Sie würde ihre Chance noch bekommen. Nicht voreilig handeln. „Herkommen!“

Sucre stand Verwirrung auf die Stirn geschrieben. Verwirrung und Besorgnis. Und dazu hatte er auch allen Grund. Doch Scofield gehorchte und während er langsam näher kam, schweifte sein Blick aufmerksam über das ganze Gelände. Eingebildeter Fatzke.

Dicht vor dem Zaun blieb er stehen und sah sie mit seinen kühlen unergründlichen Augen nichtssagend an. Tess kontrollierte ihre Atmung. Sie hasste es zu dem Kerl aufsehen zu müssen. Und sie hasste, dass er absolut keine Ahnung zu haben schien, wer da vor ihm stand.

„Ich weiß was du vor hast“, ließ sie ihn daher sofort wissen, bevor sie sich vergessen konnte.

Der Anflug eines Lächeln zeigte sich in seinen Zügen.

„Ich weiß nicht, was Sie meinen, Boss.“

Tess schürzte die Lippen und sah befriedigt, dass die PI sich zusammengerauft hatte und sich hektisch beriet.

„Dann helfe ich dir auf die Sprünge“, bat sie großzügigerweise an und begann mit ihren Ausführungen. „Du hast diese Bank ausgeraubt und dich schnappen lassen, weil du in Fox River landen wolltest. Dein Ziel ist es deinen Bruder zu befreien. Sucre, Abruzzi, Franklin, Westmoreland und dieser Bagwell sind bereits eingeweiht. Was Dr. Tancredi für eine Rolle spielt weiß ich nicht, aber ich bin sicher, dass sie auch zu deinem Plan gehört. Gewiss ist nur, dass ihr in den Pausenraum gerade ein handliches Loch buddelt und den Schutt hier auf dem ganzen Hof verteilt. Und ich will gar nicht wissen, was sich bei einer Zellendurchsuchung hinter eurem Waschbecken befindet. Der inszenierte Ausbruch letzte Nacht geht mit Sicherheit auch auf deine Schippe. Wolltet ihr testen wie sich die Wärter bei einem Ausbruch verhalten und von wo die Einsatzfahrzeuge anrücken?“

Scofields rechte Braue zuckte kaum merklich und er begann mit seinen schlanken Fingern an den Maschen des Zauns herum zu spielen. Aha, Nervosität.

„Ich weiß wirklich nicht-“

„Hör auf!“, sagte sie einen Tick zu laut und senkte ihre Stimme sofort wieder, als andere Häftlinge auf sie aufmerksam wurden. „Ich könnte euch auf der Stelle alle auffliegen lassen! Dann würde sich dein kleiner Fluchtplan hier und jetzt in Luft auflösen. Dein Bruder würde hingerichtet und du würdest den Rest deiner Strafe mit dem Wissen absitzen, versagt zu haben.“

„Was willst du?“, fragte er nach einer kurzen Pause und schien sie durchschaut zu haben, doch Tess lächelte nur vielsagend und ihre kalten Augen leuchteten geradezu vor Bosheit.

„Ich will, dass ihr mich bei eurer Flucht als Geisel nehmt.“
 

~ Ende der 2. Runde ~
 

Puh... ist es vermessen schon am Epilog zu schreiben? Dummdidumm...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Izuchan
2012-05-17T01:42:17+00:00 17.05.2012 03:42
*pfeif* wirklich gut! besonders diese Story in der Sicht von der Haubtperson und nebenbei die ganzen Geschehnisse die wir sowieso aus der Serie kennen, einfach super gemacht. Jetzt würd ich nur noch gerne ihren Plan wissen xD Wieso will sie beim Fluchtversuch als Geisel genommen werden? fragen die ich ich schnell beantwortet haben will xD *gg*


Lg
izu

Von: abgemeldet
2011-11-04T20:03:52+00:00 04.11.2011 21:03
wow, also ich muss sagen dein schreibstil gefällt mir immer besser und besser... das ende hat mich überrscht, bin gespannt was sie vorhat. weiter so :)



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