Kapitel 1 Auszug aus dem Buch "Das weiße Licht"
Dies ist die Geschichte eines Mädchens und ihrer Freundinnen,
die im Verlauf ihres Lebens erfahren mussten, was es für
außergewöhnliche Sachen gibt.
Nicht nur das Gefühl von Liebe und Geborgenheit, was für
manche schon außergewöhnlich ist, nein, wir sprechen hier
von sehr merkwürdigen Dingen, schon fast Unfassbarem.
Das Mädchen, welches diese Erfahrung machte, heißt Vanessa.
Ihre Freundinnen, Julie, Mira, Amber, Laila, und sie, welche in
Rerune (einer kleinen Stadt mit vielen Seen und Wäldern im Land
Lakunia) leben, hatten gerade die zehnte Klasse beendet und
waren froh, endlich ihren Abschluss und Ferien zu haben.
Vanessa und Julie hatten das Glück, anschließend eine Ausbildung
in ihrer Stadt zu finden, Amber und Laila hatten sich
vorgenommen, ihr Abitur zu machen, Mira beschloss, sich mit
Nebenjobs zunächst „über Wasser“ zu halten, um genau die
Tätigkeit finden zu können, bei der sie ihre Fähigkeiten würde
ausschöpfen können.
Eigentlich konnte Vanessa zufrieden sein, da sie alles besaß,
was sie im Leben benötigte, na ja, außer einem Freund, aber
das war es nicht, was sie so sehr bedrückte. Nein, sie fühlte
sich nutzlos und leer, irgendetwas fehlte in ihrem Leben.
Dauernd stellte sie sich die Fragen, welchen Sinn sie in dieser
Welt habe, wofür sie bestimmt sei oder für wen sie da sein
solle.
Aber sie fand auf keine ihrer Fragen eine passende Antwort.
Sie versank langsam in Selbstmitleid, was allen auffiel, da sie
sonst eher ein fröhlicher Mensch war und alle zum Lachen
brachte. Doch schon seit einer Woche nach der Abschlussfeier
lachte sie nicht mehr. Glücklicherweise hatten die Freundinnen
noch genügend Zeit, sie aufzumuntern, bevor die Ausbildungen in ihrer Stadt beginnen sollten.
Doch wurde es Vanessa
nicht leicht gemacht, da ihre Eltern sie dauernd an ihren achtzehnten
Geburtstag erinnerten. Sie sagten, dass er etwas ganz
Besonderes für sie sei, nur berührte dies Vanessa überhaupt
nicht. Für sie war es nur ein weiterer unwichtiger Feiertag in
diesem Jahr.
Für ihre Freundinnen begann Vanessas depressiver Zustand
zur Last zu werden; sie beschlossen einzugreifen, da Aufmunterungen
nichts mehr bewirkten. Also gingen sie zu Vanessa
und wollten sie endlich aus ihrem Zimmer befreien, in dem sie
sich verbarrikadiert hatte.
Sie kamen in Vanessas Zimmer an, es wirkte recht groß und
war in Rosa-Pink gehalten.
Vany, wie sie von ihren Freunden liebevoll genannt wurde, lag
auf ihrem großen mit Kissen übersäten Bett und starrte zur
Decke, die einem Sternenhimmel glich.
Langsam, aber sicher trat Amber an Vanessa heran. Sie war
immer diejenige gewesen, die Vanessa am besten verstand; so
versuchte sie ihr Glück. „Hey Vany, na, wie geht es dir?“, fragte
sie vorsichtig und setzte sich neben sie aufs Bett. Völlig
unberührt konnte Vanessa nur mit einem „Na ja, wie soll es
mir schon gehen?!“ antworten und starrte weiterhin zur Decke.
Julie konnte dies nicht mehr mit ansehen, sie nahm Vanessas
Hand und raffte sie hoch. „Los, komm mit! Wir haben eine
Überraschung für dich.“
Vanessa nörgelte anfangs herum und war sehr skeptisch, was
die Überraschung betraf, doch letztendlich konnten sie sie
doch noch überreden mitzukommen.
Auf dem Weg, der bereits zehn Minuten andauerte, fragte Vanessa,
wo denn die Reise hingehen solle. Schließlich war sie
kein großer Freund von Überraschungen. Doch als Antwort
bekam sie nur ein „Wirst du schon sehen!“ von ihren Freundinnen.
Sie zerrten die schmollende und bedrückte Vanessa
weiter hinter sich her. „Hey, Vany, in ungefähr fünf Minuten
sind wir da!“, versicherte Amber Vanessa erfreut. Diese wiederum
nickte nur zustimmend, es vernommen zu haben.
Sie gingen durch eine enge Gasse, in der es sehr übel und unangenehm
nach Fäkalien roch. „Bist du sicher, dass wir hier
richtig sind?“, fragte Laila Amber verwundert, während sie ihre
Nase zuhielt. „Ja, bin ich, so hat sie mir den Weg beschrieben.“
„Sie? Wer ist SIE?“, fragte Vanessa und blieb stehen.
„Na, SSIIEE!“, antwortete Amber und zeigte mit ihrem Finger
auf die Ladenaufschrift „Madam Shikan Wahrsagerin“. Völlig
empört drehte sich Vanessa zu ihren Freundinnen um:
„Wie könnt ihr mir so etwas antun, wir haben uns bestimmt
verlaufen?!“ Ihre Freundinnen beantworteten dies wiederum
mit einem „Nein!“ und traten an den Laden, der von außen so
unscheinbar wirkte, heran, um ihn sich etwas näher anzuschauen.
Vanessa, die wieder im Begriff war zu gehen und schon
bereut hatte, überhaupt aus dem Haus gegangen zu sein, musste
unweigerlich stehen bleiben, da sich Amber ihr in den Weg
stellte. „Warte!“, bat Amber Vanessa. „Du bist zurzeit so
schlecht drauf, also dachten wir, wir muntern dich ein wenig
auf, indem wir dir deine Zukunft zeigen lassen, das beruhigt
dich bestimmt ein wenig.“ Genervt sowie sauer widersprach
ihr Vanessa und schaute sie mürrisch an.
„Das meint ihr nicht ernst! Ich soll zur Wahrsagerin gehen? Ihr
wisst doch, was ich von solchen Dingen halte.“ Ja, dies wussten
sie bereits, da Vanessa immer gegen die Kunst der Wahrsagerei
und übernatürliche Dinge gewesen war. Für sie war dies
nie relevant, es waren schließlich nur Hirngespinste der
Menschheit und mehr nicht. „Na ja?“, antwortete Laila zögerlich.
„Wir haben schon bezahlt!“
„Und außerdem …“, warf Amber ein, „… sie hat gar keinen so
schlechten Ruf; es gehen dort eine Menge Leute hin und lassen
sich ihre Zukunft voraussagen.“ Nach einer Weile des Stillschweigens
brachte Vanessa schweren Herzens ein „Na gut“
heraus.
„Aber ich tue dies nur für euch, da ihr schon bezahlt habt.“
Freudestrahlend und nach einigen Umarmungen steuerten sie
direkt auf den Laden zu.
Vanessas Gefühl des Bereuens ließ einfach nicht nach, doch
gaben sich ihre Freundinnen solch eine Mühe, sie aufzumuntern,
dass sie es einfach tun musste, auch wenn ihr dabei unwohl
war.
Als sie den Laden betraten, bekamen sie durch Räucherstäbchen,
die nach Rosen dufteten, sehr schlecht Luft. Überall
hingen bunte Tücher an den Wänden, sogar über dem Sofa
waren sie platziert, und in der Mitte des Zimmers stand ein
Tisch mit einer Glaskugel. Doch niemand war zu sehen. Vanessa
hoffte, dass die Frau nicht da sei und sie schleunigst
wieder gehen könnten, doch verließ sie ihre Hoffnung, als sie
plötzlich eine alte verrauchte Stimme hörten. „Kommt herein
und nehmt Platz!“
Da war sie; eine alte Frau, die aussah wie ein Weihnachtsbaum,
behängt mit Schmuck, der so schwer gewesen sein musste,
dass sie hätte umkippen müssen. „Ich bin Madam Shikan! Du
musst Vanessa sein, habe ich Recht?“
„Ja, bin ich!“, sagte diese zögernd, während sie dabei war, sich
zu überlegen, aus dem Geschäft herauszukommen.
„Hmm … du klingst sehr skeptisch, da du nicht an meine Fähigkeiten
glaubst! Stimmt das?“ Nun unterlief Vanessas Gesicht
in dunklem Rot, da sie es genau erraten konnte, was in ihr
vorging. „Na ja, man hat halt schon viel Schlechtes gehört!“,
gestand sie ihr und schaute verschämt zu Boden.
„Na gut, dann lass es mich beweisen und ich schaue für dich in
die Zukunft, dann kannst du immer noch urteilen!“
Madam Shikan bat Vanessa mit einer Handbewegung an ihren
Tisch, auf dem die unglaubwürdige Glaskugel in der Mitte
stand, die in jenem Moment zu leuchten begann, als sich Vanessa
setzte. Ihre Freundinnen staunten und setzten sich auf
das Sofa. Vanessa wiederum wusste, dass dies nur ein billiger
Trick war, sie zu beeindrucken.
Doch dann wurde die Situation etwas „ernster“, da Madam
Shikan ein konzentriertes Gesicht aufsetzte und verzweifelt in
die Glaskugel schaute und nun wiedergab, was sie angeblich
sah. „Dein Schicksal wird dich bald einholen, du wirst erkennen,
wer du wirklich bist!“, verkündete sie. Daraufhin verzogen
sich ihre Falten in ihrem Gesicht.
„Ich sehe, dass du durch schwere Zeiten gehen wirst, sowie
das Böse versuchen wird, euch zu besiegen.“
„Das Böse?“, fragte Vanessa ganz verdutzt.
„Ja, das Böse“, antwortete die Wahrsagerin, „du musst aufpassen,
sonst wirst du das nicht überleben. Das gilt auch für deine
Freundinnen.“
In dem Moment erschraken Julie, Mira, Amber und Laila, woraufhin
Vanessa aufsprang. „Genug, das reicht jetzt“, erwiderte
sie und schlug mit ihren Händen auf den Tisch. „Kommt,
Mädels, wir gehen! So etwas Verrücktes habe ich noch nie
gehört!“ Sie nahmen ihre Taschen, die sie neben dem Sofa
abgestellt hatten, und gingen zur Tür. Doch die Wahrsagerin
ergänzte ihre Sehung noch mit einem Ratschlag: „Seid sehr
vorsichtig und traut niemandem, außer euch selbst, und das
Wichtigste ist, dass euer Zusammenhalt sich enorm steigern
muss.“
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, gingen sie dann zu ihrem
Stamm-Café „Um die Ecke“. Auf dem gesamten Weg dorthin
schwiegen sie sich an. Nachdem sie am Tisch saßen und jede
eine Karte mit den Getränken in der Hand hielt, brach plötzlich
Laila das Schweigen und merkte an, dass es lustig gewesen
war.
„Lustig?“, fragte Mira verzweifelt und schmiss die Karte auf
den Tisch. „Wir werden sterben.“
„Ach, das glaub ich nicht“, sagte Julie, „die war doch nicht
ganz sauber im Kopf oder was meinst du, Vany?“
„Ich weiß nicht! Sie war mir einfach nur nicht ganz geheuer,
das ist alles!“
„Du glaubst ihr!“, diagnostizierte Amber und mimte einen
ernsten Blick.
„Na ja, ich weiß nicht, ich hasse nur solche Dinge wie Wahrsagungen,
da sie jemanden verunsichern können!“, gab Vanessa
zu und schaute etwas beschämt in ihre Karte zurück.
„Hm … es schadet ja nicht, wenn wir etwas aufpassen würden,
oder?“, meinte Amber, woraufhin alle nickend zustimmten.
Doch sollte es nicht nur bei dieser Verwirrung an jenem Tage
bleiben, da daraufhin die Tür des Cafés aufging…