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Ruby Road

Legacy of the Vampire
von

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Wednesday's reunion

Meine Augen wanderten zu meinem Nachttischwecker und ich seufzte. Ich hatte verschlafen – und das nicht zu knapp. Es war 11:34h am Mittwoch und ich saß mächtig in der Klemme. Wenn ich mich jetzt beeilte, würde ich gerade eben noch rechtzeitig zum Lunch kommen. Ich hatte drei Stunden verpasst: World History, Trigonometry und English Literature. Nicht zu sprechen von der Assembly, die heute ebenfalls stattgefunden hätte. Warum hatte ich so lange geschlafen?

„Jetzt bringt es auch nichts mehr, zur Schule zu gehen“, meinte ich zu mir selbst, setzte mich aber trotzdem auf. Ich starrte eine Weile lustlos in die Luft und dachte über mein Leben nach. Dank meiner Aktion vom Montag hatte ich gestern nicht ein Wort mit dem äußerst beleidigten Jack sprechen können, weil er ein Zusammentreffen gekonnt zu vermeiden wusste. Das ärgerte mich, weil ich ihm nicht sagen konnte, was ich ihm nun einmal zu sagen hatte.

„Mit dieser Beziehung ist’s zu Ende, Schatz“, brummte ich in den Raum und grunzte. Ich war also immer noch mit meinem tollen Freund zusammen und fand auch keinen Weg, mich von ihm zu trennen. Außerdem lag mir das Erlebnis vom Montagabend noch immer schwer im Magen: Ich war müde, erschöpft und lustlos, leicht reizbar und nervös. Wahrscheinlich hatte ich auch deshalb verschlafen.

„Warum hat Shine mich nicht geweckt?“, maulte ich und rieb mir mit der rechten Handfläche die Stirn. Sie war wärmer als üblich, aber wirklich Fieber hatte ich nicht. Nur Kopfschmerzen, aber die waren auch nicht schlimm. Dies ignorierend griff ich nach meinem Handy und registrierte die zwanzig verpassten Anrufe und fünfzehn SMS‘. Oh, mein Gott! Stalker?!

„Und wie unwichtig die alle sind!“, rief ich aus und überflog die Kurznachrichten. Shine hatte mir allein Acht geschrieben, um mich zu wecken und aufzufordern, endlich nach unten zu kommen, damit sie mich noch rechtzeitig zur Schule bringen konnte. Die Neunte war auch von ihr und ließ mich wissen, dass sie ohne mich losgefahren war. Die anderen Sechs waren von den unterschiedlichsten Personen: Meine Mom erklärte mir knapp, dass sie nicht nach Hause kam, weil sie einen Lover gefunden und ein Date mit ihm hatte; Jazz fragte, ob es mir gut ginge – genauso übrigens Olivia, Beryl und Ethan und Jack meldete sich, weil er mich nicht gesehen hatte. Ich lachte amüsiert auf. War er also so enttäuscht gewesen, dass er mich nicht gesehen hatte und somit nicht ignorieren konnte, dass er sich bei mir gemeldet hatte?! Ich gähnte und skippte durch mein Protokoll: Alles Anrufe von Shine. Okay, unwichtig. Sie wollte mich wecken und hatte versagt, weil ich mein Handy auf lautlos gestellt hatte.

Schließlich konnte ich mich dazu durchringen, die Nummer der Schule herauszusuchen und im Sekretariat anzurufen. Knapp erklärte ich der Frau, dass es mir nicht gut ginge und ich erst so spät anrief, weil niemand das Anrufen für mich übernommen hatte, als ich gestern bereits erste Krankheitsanzeichen gezeigt hatte, weil einfach niemand außer mir zuhause war. Sie verstand mich, weil sie ja eine ganz liebevolle Frau war und entschuldigte mich nachträglich, obwohl das eigentlich verboten war. Ich dankte ihr und legte auf, dann schleuderte ich das Handy in die nächste Ecke und schwang mich aus dem Bett. Mir war ein bisschen schwindelig, aber das Gefühl verstrich nach einiger Zeit glücklicherweise, also kroch ich zum Kühlschrank und füllte mich mit Apfelsaft ab. Nachdem ich geduscht hatte, erledigte ich bis zum Mittag meine Hausaufgaben und Referate, die ich für die nächsten Wochen haben musste.

„Bla, bla, bla. Keine Lust mehr“, beendete ich meine Versuche, mir irgendwelche mathematischen Formeln aus der Nase zu ziehen. Also streckte ich mich und schaute aus dem Fenster. Es hatte geregnet, als ich aufgestanden war, aber jetzt schien die Sonne und spannte einen großen Regenbogen über die dreckigen Häuserfronten der Wohnblöcke meiner Straße. Ich wohnte nun mal im zehn Minutenradius des ZOBs und gehörte somit den ärmeren Familien an. Aber das fand ich nicht schlimm, obwohl Jack regelmäßig das Gesicht verzog, wenn ich sparte oder einfach kein Geld zum Ausgeben hatte. Glücklicherweise hatte er das Geld lockerer sitzen und warf damit regelrecht um sich, nur um mich zu beeindrucken. Das schaffte er damit aber leider nicht.

Ich stand auf, schlüpfte in irgendwelche Hotpants und ein T-Shirt, das farblich nicht dazu passte und ging zu meinem Fenster. Der Regenbogen hatte mich angezogen, weil er intensiver war als jeder andere, den ich je zu Gesicht bekommen hatte. Ich öffnete das Fenster und bemerkte, dass die kurzsichtige Macke, die meine Augen aufwiesen, verschwunden war. Ich konnte sogar die Rillen in der Hausmauer auf der anderen Seite der Straße sehen! Wie krank!

Ich lehnte mich aus dem Fenster und roch den Regen, der noch immer schwer in der Luft hing. Nein, ich fühlte nicht die Luftfeuchtigkeit und roch die frische Luft, ich roch tatsächlich den Regen. Er roch, wie Wasser schmeckte. Irgendwie wie Regen halt. Schwer zu beschreiben. Ich schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. Ich war doch verrückt!

Die Sonne kam hinter einer Wolke hervor und ich musste mir die Hand vor die Augen pressen, so blendete sie mich. Ich fluchte, es tat nicht weh, aber es nervte. Also griff ich nach dem Fenster und wollte es gerade schließen, da stachen mir vier schwarzgekleidete Männer auf, die unten auf der Straße standen. Ich erkannte sie sofort und schmiss das Fenster hastig in den Rahmen, bevor ich eilig alle Schlösser betätigte. Woher wussten diese Typen, wo ich wohnte? Sie waren mir sogar bis hierher gefolgt?! Was tat ich jetzt?!

„Scheiße“, rief ich und lief zu meinem Handy. Mein Blick klebte sich auf meine Uhr, während ich

Shines Nummer eintippte. Es war Lunchpause, also erreichte ich sie wenig später auch.

„Wo bist du, Chica?“, meldete sie sich und ich haspelte los:

„Shine, die Typen sind schon wieder hinter mir her!“

„Welche Typen?!“, kam es zurück. Toll! Meine Freundin hatte den Grund meiner Panik bereits wieder verdrängt. Ich antwortete vielleicht etwas zu gereizt:

„Die Stalker von neulich aus dem Supermarkt!“

„Ach so, die! Woher wissen die, wo du wohnst?“

„Die müssen mir gefolgt sein. Sie stehen unten auf der Straße und schauen hier hoch!“

„Dann hau ab. Es gibt doch einen Hinterausgang!“, schlug sie mir ein wenig zu teilnahmslos vor. Ich wusste, dass sie nur versuchte, ruhig zu sein, um mir die Panik zu nehmen. Ich stimmte ihr zu und rannte zu meinem Schrank. Ohne jegliches Gefühl von Scham schnappte ich mir die gelben Gummistiefel, die die einzigen Schuhe waren, in denen ich gut laufen konnte. Sie waren auch die einzig Flachen. Alle anderen hatten zumindest kleine Hacken oder waren Flipflops. Sie passten überhaupt nicht zu meinem grasgrünen Top und der violetten Hotpants. Ich zog nicht einmal Socken an! Dann griff ich nach der sonnengelben Strickmütze und stopfte meine braunen Haare in das Häckelnetz, damit ich von hinten nicht mehr so gut erkennbar war. Der dunkelblaue Regenanorack war das letzte Utensil, das ich mir hastig überwarf, bevor ich eine Stoffeinkaufstasche griff und Ausweis, Ticket, Geld und Bankkarte einsteckte.

„Ich sehe echt scheiße aus“, kommentierte ich meinen Stil und rannte aus der Wohnung, nachdem ich abgeschlossen hatte und den Schlüssel sicher in der Jackentasche verstaut hatte. Shine schnaubte und sagte:

„Ist doch egal. Hau da einfach ab!“

Ich stimmte ihr innerlich zu und drückte mich durch den Hinterausgang, bevor ich durch den Innenhof und das nächste Gebäude lief und dort auf die andere Straße trat. Dann machte ich mich auf den Weg zum ZOB.

„Kann ich zu dir?“, fragte ich, obwohl ich genau wusste, dass sie selbst in dieser Situation nein sagen würde, weil ihr ihre Familie peinlich war. Ihre Mutter war eine Künstlerin, die ein bisschen eckzentrisch war und ihr Bruder ein Punk in der Pubertät. Außerdem hatte sie zuhause fast nur Streit und war ungefähr genauso arm dran wie ich, da ihr Vater von einem Tag auf den anderen einfach verschwunden war und ihrer Familie einen Haufen Schulden hinterlassen hatte.

„Kannst du nicht zu Beryl oder Olivia oder Jazz? Zu Jack willst du sicherlich nicht. Geh zu Ethan!“, wich sie mir aus und ich räusperte mich. Meine Freundin ließ mich wie erwartet wieder im Stich. Ich seufzte.

„Jazz ist sauer wegen Jack, Beryl und Olivia auch und Jack hat keine Lust mehr auf mich. Wenn ich jetzt zu Ethan gehe, vermutet mein toller Freund doch, dass ich mit ihm fremdgehe. Dann ist Ethan auch gleich schlecht dran. Shine, bitte!“

„Ich sag dir doch, das geht nicht! Ehrlich nicht. Ich will nicht, dass Leute meine Familie mitbekommen“, maulte sie zurück und ich murrte. Langsam war ich wirklich sauer und enttäuscht von ihr, also sagte ich, tapferer als geplant:

„Fein, dann nicht. Man sieht sich! Bye!“

Bevor sie mir antworten konnte, legte ich auf und schmiss das Handy in die Einkaufstasche. Ich bemerkte erst jetzt, dass mein Outfit den Leuten erstaunte Blicke abverlangte, wenn sie an mir vorbeigingen. Ich grinste schief und fühlte mich sichtlich unwohl, also beeilte ich mich, während ich immer wieder nach hinten sah, um nach Verfolgern Ausschau zu halten. Es kam niemand. Die dachten wohl immer noch, ich sei zu Hause. Ich grinste und erreichte ohne Zwischenfälle den ZOB. Dort angekommen, wollte ich mich eigentlich in einen Bus setzen, doch irgendetwas hielt mich davon ab: Wo sollte ich schon hinfahren? Wo sollte ich die Nacht verbringen? Und noch dringender: Was machte ich jetzt den ganzen Tag?

Statt also in einen Bus zu steigen, wandte ich mich zur Bahn und setzte mich in den hintersten Waggon Richtung Großstadt in der Nähe. In eine Ecke gequetscht, erlebte ich so den ganzen Tag, verpasste Anrufe und die Essenszeiten, jammerte über meine Unlust und beobachtete Menschen. Einmal stieg ich aus, um mir bei Starbucks einen heißen Chai Latte zu holen. Dann kaufte ich mir in irgendeinem Kiosk eine Vogue, obwohl sie mir eigentlich zu teuer war, blätterte durch das Magazin und hing einer Modelkarriere nach. Das zweite Mal stieg ich aus, um prätentiös shoppen zu gehen und blieb vor einem Elektronikgeschäft stehen, in dessen Schaufenster Fernseher standen. Die Nachrichten liefen stumm, aber das störte mich nicht. Ich erahnte, was die Moderatorin sagte, bevor ich die Wettervorhersage aufsog. Es würde für einige Tage spätsommerlich werden und das ließ mich förmlich aufblühen, denn der Herbst fuhr mir ganz schön in die Beine. Apropos Beine, ich fror mir fast die ganze Zeit meinen Hintern ab, weil ich vergessen hatte, mir eine Strumpfhose unterzuziehen. Kein Wunder also, dass die Leute mich mitleidig ansahen. Für die sah ich wahrscheinlich aus wie eine Irre auf Abwegen.

Es wurde schon bald dunkel und ich beschloss, zurück nach Emerald Hills zu fahren, also stieg ich zurück in die Bahn und ließ mich auf einen der Sitze in diesem leeren Abteil fallen. Meinen Kopf lehnte ich ans Fenster, bevor ich die Augen schloss. Dabei muss ich tatsächlich eingeschlafen sein, denn als der Zug einmal ruckelte, wachte ich ruckartig auf und schaute mich blinzelnd um. Ich war allein und immer noch nicht in Emerald Hills. Ich beobachtete, wie die Bahn an der nächsten Station hielt und krümmte mich fast, als ich sah, wer dort stand. Langsam zog ich die Beine an und versenkte meinen Kopf in dem Zwischenraum. Meine Haare taten den Rest, als ich die Häckelmütze abnahm. Sie würden mich sicherlich ausreichend verstecken. Warum passierte auch immer mir so etwas?!
 

Ich wollte meiner Nase kaum glauben, aber als ich in das Zugabteil stieg, umgab mich der Duft, den ich auf Meilenentfernung wiedererkennen würde. Ihr Duft. Ruby Valentine.

„Da ist sie“, flüsterte mir Grace zu und ich konnte ihr nur zustimmen. Wären wir zwei jetzt allein mit ihr gewesen, dann hätte sich mein Problem gelöst, doch dummerweise befanden wir uns auf der Rückreise eines verfluchten Klassenausflugs mit einem strengen Lehrer, der es uns nicht erlauben würde, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Ich wandte mich in die Richtung, aus der ihr Duft kam und traute meinen Augen nicht. Das stilbewusste Mädchen von Freitag war ersetzt worden durch eine Mischung aus stylischen Klamotten und miesem Abstimmen der Farben aufeinander. Sie hockte zusammengesunken auf einem Sitzplatz und schien uns nicht bemerkt zu haben.

Ich ließ mich auf einen Sitz gegenüber fallen und tauschte mit Grace Blicke aus. Sie dachte das gleiche wie ich. Die Jungs und Mädels aus meiner Clique setzten sich um uns herum und mir gegenüber, sodass es nicht auffiel, dass Grace und ich uns einfach mitten in den Zug gesetzt hatten. Glücklicherweise half mein Kurs tatkräftig mit und ließ meinem Lehrer keine andere Wahl, als sich ebenfalls zu uns zu setzen. Es dauerte nicht lange, da kicherten bereits die ersten Mädchen über Ruby und deuteten auf ihr nicht zusammenpassendes Outfit. Doch mein One-Night-Stand schien sich daran nicht zu stören. Sie rührte sich nicht. Durch das Verhalten der Mädchen auf sie aufmerksam gemacht, sprach mein Lehrer sie an:

„Wissen Sie, wie spät es ist? Sie sehen nicht so aus, als dürften Sie noch unterwegs sein.“

Sie antwortete ihm mit einem Schnauben, das jedem Pferd Konkurrenz gemacht hätte. Es war ein verächtliches Lachen sondergleichen. Sofort war es still. Es gab tatsächlich Menschen auf dieser Welt, die sich mit diesem Typen auch noch anlegten!

„Es ist elf Uhr nachts! Sagen Sie mir ihren Namen. Als Lehrer ist es meine Pflicht, d-“, setzte er empört und wichtigtuerisch an, wurde jedoch von ihr unterbrochen. Sie sah ihn aus herausfordernden Augen heraus an und schnappte zurück:

„Sie nehmen sich selbst ja wohl zu wichtig!“

„Bitte?“, empörte er sich und keuchte vor erstauntem Entsetzen. Sie grinste fies.

„Sie haben mich schon verstanden, Sie Heuchler.“

„Das ist ja wohl eine Unverschämtheit! Nennen Sie mir sofort ihren Namen und ihre Schule! Ich werde mich beschweren!“

„Klar, können Sie haben“, erwiderte sie und sagte dann langsam, als würde sie ihm etwas diktieren, „Pretentious Glory, Kiss-my-Ass Senior High School, Mount Everest.“

Die Hälfte meiner Klasse wieherte daraufhin los, während die anderen versuchten, hinter vorgehaltener Hand ein Lachen zu unterdrücken. Grace und ich gehörten zu ersteren. Mein Lehrer sah sie so entrückt an, dass wir seine Gedanken genau erraten konnten: Er war in seinem Leben noch nie dermaßen blamiert worden.

„Ihr Alter!“, fauchte er und sie lächelte.

„Ich rate Ihnen davon ab, sich näher für mich zu interessieren, das könnte Ihnen nämlich noch teuer zu stehen kommen.“

„Bitte?“, fragte er zurück und sie rollte mit den Augen, als sei er dumm.

„Ich schätze Ihr Interesse für mich sehr, aber ich fürchte, ich fühle mich abgeneigt, eine persönlichere Beziehung als jetzt mit Ihnen einzugehen“, patzte sie zurück und mein Lehrer zuckte zusammen. Wir kicherten, konnten das Gespräch aber nicht weiter führen, weil die Bahn-Ansage losdröhnte und verkündete:

„Emerald Hills ZOB, Emerald Hills ZOB. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts. Bitte schauen Sie, ob Sie auch nichts liegen gelassen haben. Wir danken für Ihr Verständnis und freuen uns auf ein Wiedersehen.“

Ich rollte die Augen und stand wie meine Kurskameraden auf. Auch mein Lehrer schien nicht gewillt, sich noch weiter bloßstellen zu lassen. Er sprang mehr als bereit auf und war auch der Erste, der die Bahn verließ. Ich war der Letzte und drehte mich noch einmal um. Sie folgte mir und unsere Augen trafen sich. Ich wusste nicht, warum, aber ich flüsterte ihr zu:

„Wenn du jetzt aussteigst, weiß er, dass du auf die Columbus gehst. Dann hast du Morgen ziemlichen Ärger.“

„Egal. Seit Freitag ist mein Leben eh nicht mehr so, wie es sein sollte.“

Ich sah in ihren Augen, dass sie mir diese Tatsache zuschrieb und leider wusste ich auch, dass sie Recht hatte. Sie musste das Legat bemerkt haben. War sie bereits mit diesen Leuten zusammengestoßen, die auch hinter mir her gewesen waren?

„Das Legat“, flüsterte ich, während ich mich von ihr abwandte und so tat, als ginge ich meinen Leuten hinterher. Grace ließ sich langsam zurückfallen und wir holten sie bald ein. Dass Ruby nach Luft schnappte, sagte mir sehr eindeutig, dass sie davon wusste.

„Also doch!“, rief sie aus und Grace legte den Zeigefinger auf die Lippen. Dann sagte sie:

„Warte draußen auf uns. Es gibt da etwas, das du wissen solltest.“

„Warum nicht jetzt?“

„Vor all den Leuten?“, erwiderte ich und ihre Augen wanderten zu meinen Mitschülern. Sie nickte und ließ sich zurückfallen, bis es so aussah, als gehörte sie nicht mehr zu uns. Grace und ich beeilten uns, die Oak Tree Schüler aufzuholen. Mein Lehrer sah uns an und ließ sich zu einem Kommentar verleiten:

„Ich hätte nie gedacht, dass ihr zwei ein solches Gör kennt.“

„Ich kenne sie nicht“, wies Grace alle Schuld von sich und ich stöhnte innerlich. Sie ließ mich ins offene Messer laufen! Dummes Weib!

„Aber Sie, Mr. Cole?“, stichelte er und ich nickte.

„Flüchtig“, lautete meine Antwort und er hob genugtuend die Nase.

„Sie sind aber kein guter Einfluss auf die Schüler. Das habe ich von Anfang an gesagt, als Sie mit ihrem Motorrad am ersten Tag vor der Schule vorfuhren.“

Ich rollte die Augen und sagte mit Grace unisono zurück:

„Das ist kein Motorrad! Das ist eine Fireblade!“

Er schnaubte und eilte an die Spitze der Gruppe. Die Leute aus meiner Clique warfen mir mitleidige Blicke zu und ich zuckte mit den Schultern.

„Ich hau ab, er will mich eh nicht sehen. Sag, ich hätte in der Bahn was liegenlassen.“

„Ich will mitkommen!“, maulte Grace, doch ich schüttelte bloß den Kopf.

„Das ist eine Sache zwischen mir und ihr, Grace. Ich hatte von Anfang an vor, alleine mit ihr zu sprechen!“

„Wie konntest du nur!“, jammerte sie, fügte sich aber meinem Wunsch und schloss zu den anderen auf, während ich stehenblieb und auf Ruby wartete. Sie holte mich wenig später ein und hielt neben mir an, als ich keine Anstalten machte, weiterzugehen. Ihre Augen blickten fragend.

„Ich glaube, es gibt Einiges, das ich dir erklären sollte.“

„Ich bitte darum“, sagte sie schlicht und grinste. Sie hatte wieder gute Laune. Das war eindeutig die Frau von Freitagabend. Mein Herz schlug automatisch schneller und ich atmete erleichtert ein. Ihr Duft war betörend. Vielleicht betörender als Freitag. Wie konnte das sein? Ich holte noch einmal tief Luft und mir wurde sofort klar, dass Ruby vampirischer roch. Als ich das realisiert hatte, konnte ich auch andere Unterschiede erkennen: Ihre Stimme war melodischer und verführerischer, sie strahlte eine Aura der Attraktivität aus und ihr Körper hatte sich verändert. Sie war dünner aber wohlgeformter als vorher und ihr Gesicht, das Freitag noch menschliche Makel aufgewiesen hatte, war nun vollkommen: Ausgeglichene Lippen, die voller wirkten, eine gerade Nase, sichtbar betonende Wangenknochen, deren Haut leicht rötlich war, geformte Augenbrauen und sanftere Augen. Der Braunton ihrer Iris war nicht mehr so platt sondern plötzlich voller Tiefe. Ihr ganzer Körper war ausbalanciert und sogar ihre Brüste hatten eine schöne Form angenommen. Nicht, dass sie vorher nicht auch schön gewesen wären, aber jetzt passten sie perfekt zu ihr. Himmel! Ich himmelte sie gerade an, also räusperte ich mich verlegen und sagte:

„Lass uns zu Starbucks gehen. Ist eh nicht mehr so viel los um diese Zeit.“

„Klar“, meinte sie und folgte mir bereitwillig. Ich spürte ihre Anwesenheit übergenau in meinem Rücken und ließ mich daher zurückfallen, um neben ihr gehen zu können. Sie sah mich kurz an und lächelte – dankbar? Ich erwiderte das Lächeln.

„Sorry“, überraschte sie mich plötzlich und ich schaute sie dementsprechend an. Sie grinste schief und erklärte:

„Wegen Samstag, meine ich. Ich bin morgens einfach abgehauen.“

„Ach so, das. Ja. Ist mir aufgefallen.“

„Das hatte seinen Grund!“, versuchte sie mir ihr Verhalten zu erklären. Ich nickte.

„Das habe ich mir schon fast gedacht. War ich wirklich so schlecht?“

„Du und schlecht?! Himmel, nein! Es lag nicht an dir.“

„Klar“, tat ich diese Standardaussage ab. Es lag nie an mir sondern immer an der Frau. Bis jetzt hatte sich jede so von mir getrennt. Ich stopfte die Hände in die Jackentaschen und eilte ein paar Schritte vor. Sie sollte nicht zwangsweise sehen, wie mir das zugesetzt hatte.

„Ich habe einen Freund“, platzte sie hervor und ich blieb abrupt stehen. Sie rempelte mich an, weil sie das nicht erwartet hatte. Dann sah sie mich an, in ihren Augen nichts als ein stummes Flehen. Ich schluckte.

„Scheiße! Du bist mit mir fremdgegangen?“, murmelte ich fassungslos zurück. Sie nickte und meinte:

„Mein Freund heißt Jack. Wir sind seit acht Monaten zusammen, aber ich habe mich nie getraut, mehr mit ihm zu machen, als zu küssen. Ich bin noch Jungfrau gewesen, als wir Freitag miteinander geschlafen haben. Ich habe dich also nicht belogen.“

„Nicht belogen, das stimmt schon, aber … Oh, Gott! Das kann ich mir gar nicht vorstellen! Ich habe dir beim Fremdgehen geholfen!“, rief ich aus und rang um Fassung. Sie legte mir die Hand auf den Arm, um mich zu beruhigen, doch ich schüttelte sie ab und sah ihr in die Augen.

„Das hätte ich nicht von dir erwartet.“

Der Satz traf ins Schwarze. Sie zuckte zusammen und verzog das Gesicht. Schuldgefühle sprangen an die Oberfläche und ich sah, wie sie trotzig versuchte, Tränen zu unterdrücken. Ich kannte diese Masche bei Frauen. Sie wollten Mitleid. Sie bekamen von mir keins.

„Jetzt auch noch weinen?! Kommt gar nicht in die Tüte!“, patzte ich sie an und wischte mit meinem Uniformtaschentuch ihre Tränen weg. Sie wich zurück und sagte dann:

„Sorry.“

Dabei sah sie mich nicht an. Ihr Blick war auf den Fußboden gerichtet und schließlich drehte sie sich um und ging. Mein Herz zog sich zusammen und ich seufzte. Ich war ein Narr. Also rannte ich ihr mehr als bereitwillig hinterher. Eben weil ich ein solcher Narr war.

„Hör mal, ich weiß, dass das nicht sehr nett ist, aber erwarte von mir kein Mitleid, wenn du mit mir fremdgehst, ohne mir irgendetwas davon zu erzählen!“, versuchte ich mein Verhalten zu erklären. Sie hatte die Hände in ihre Jackentaschen geschoben und blieb abrupt stehen. Dennoch drehte sie sich wider Erwarten nicht um, sondern schaute hinab zu ihren Füßen, mit denen sie abwechselnd ein zerknülltes Blatt Papier hin und her schubste. Ich seufzte.

„Ruby, warum hast du mir das nicht gesagt?“, fragte ich sie schließlich in einer hoffentlich beruhigenden Stimmlage. Sie schnaubte und antwortete mir:

„Du bist heiß, du bist schön, du bist verführerisch und warst Freitag genau das, was ich brauchte, nachdem ich mal wieder Probleme mit meinem Freund hatte. Du hast dich für mich interessiert, hast mich zu nichts gedrängt, hast mir zugehört, hast mich in eure Clique aufgenommen … Willst du noch mehr Gründe hören?“

„Aber das begründet doch nicht dein Fremdgehen. Das hätte vielleicht eine Freundschaft gestützt!“, rief ich aus und sie schüttelte den Kopf.

„Mein Freund ist ein Arschloch und dann treffe ich zufällig in meiner Lieblingsdisco das genaue Gegenteil und du sagst mir, das sei nicht Grund genug?“

„Was willst du mir damit sagen?“, erkundigte ich mich, plötzlich vorsichtig geworden. Sollte sie sich in mich verliebt haben, dann hätte ich ein viel leichteres Spiel bezüglich meiner Legatssicherung!

„Dass die Beziehung mit Jack schon kaputt war?! Dass ich Freitag einfach jemanden brauchte, der mich irgendwie – und wirklich nur irgendwie – liebte?! Es hätte nicht zwangsweise du sein müssen“, gab sie zu und verpasste mir eine verbale, schallende Ohrfeige. Ich grunzte und fuhr mir mit der Hand durch die Haare. Wow, das tat weh!

„Du hättest also Freitag für jeden die Beine breit gemacht?!“

„Für jeden, der mich so wie du umgarnt hätte“, stimmte sie mir zu und ich atmete langsam ein und aus, um mich zu beruhigen. Diese Frau war der Wahnsinn! Sie war selbst zornig und gemein das sexyeste Wesen der Welt. Und ich entwickelte wohl ungeahnte masochistische Züge: Ich liebte es, wenn sie mir sagte, wie und wo es lang ging. Ich schüttelte meinen Kopf, um ihn frei zu bekommen. Das war doch verrückt!
 

Der Mann schüttelte seinen Kopf aus und ich schaute einfach zu. Was auch immer ihm das brachte, hinterher wirkte er erleichtert. Der Typ hatte eine gewaltige Selbstkontrolle drauf, ohne Zweifel eine der besten, die ich je gesehen hatte. Ich hatte ihn so oft mit meinen Worten geschlagen, dass er eigentlich hätte wütend sein müssen. Doch je länger wir redeten, desto eher beruhigte er sich. Ich fragte mich, wie er das schaffte, während mein Herz von einem Tumult zum nächsten taumelte. Natürlich wollte ich ihn nicht verletzen, aber irgendwie wollte ich ihm auch die Schuld an allem geben. Ich war fies, weil ich schlechte Laune hatte und es mir nicht sehr gut ging. Die Nervosität war nichts gegen die Gereiztheit. Ich fühlte mich, als hätte ich eine Erkältung und wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden.

„Auf zum Starbucks?!“, schlug er mir vor und sah unter den Wimpern hervor zu mir hinüber. Meine Atmung stockte, weil er so schön aussah, dass ich sterben wollte. Ich brachte also nur ein schwaches Nicken zustande. Er grinste, so als wüsste er, was er mit mir anstellte. Aber dieses Mal ließ ich mich nicht triezen. Warum auch immer, aber ich wollte mich nicht reizen lassen und es klappte. Er nahm meine Hand, die ich am liebsten wieder losgelassen hätte, weil ich Angst vor Jacks Spionen hatte und zog mich zu meinem oft frequentierten Starbucks. Es war tatsächlich ziemlich leer, weil es ja schon bald Mitternacht sein würde, also kamen wir direkt an die Reihe. Dummerweise hatte der Typ gerade Schicht, der mich am besten kannte. Und der auch meinen Freund Jack kannte.

„Hey, Ru!“, begrüßte er mich und ich grinste schief zurück. Frag nicht! Frag nicht! Oh, bitte, frag bloß nicht nach, Daniel! Doch mein Gebet wurde nicht erhört, denn sein Blick huschte zu meinem Begleiter und er erkundigte sich neugierig, während ich die Augen schloss:

„Wer ist denn das?“

„Ah, das ist –“, begann ich und kam ins Stocken. Der junge Mann neben mir grinste und sagte:

„Zacchary Cole, ein guter Kumpel.“

Ich war ihm mehr als nur dankbar, dass er diese Lüge für mich fortfuhr. Ich nickte also unterstützend und grinste Daniel an. Der glaubte uns aber offensichtlich überhaupt nicht. Wieso auch? Der junge Mann hielt mich schließlich immer noch an der Hand.

„Ah, ein guter Kumpel, schon klar. Und mit dem geht man Mittwochabends kurz vor Mitternacht, noch dazu während der Schulzeit zu Starbucks.“

„Äh, ja, genau“, lachte ich nervös und fummelte an meinem Reißverschluss herum. Die Ausrede hatte nicht gewirkt und Daniel vermutete schon in die richtige Richtung. Was taten wir denn jetzt bloß?

„Ach, Ruby, Ruby. Keine Panik. Ich bin kein Jack-Fan und kam mit ihm klar, weil du eine gute Freundin von mir bist und er dein Freund ist. Mach dir keine Sorgen. Ich werde schon nichts ausplaudern.“

Ich hielt die Luft an und warf Zacchary fragende Blicke zu. Wie nahm er es auf, dass Daniel uns für ein Paar hielt und uns eine Affäre nachsagte? Mein Begleiter sagte nichts weiter als:

„Eine Hot Chocolate, bitte! Was willst du?“

„Einen Chai Tea Latte“, murmelte ich und sah ihn immer noch unsicher an. Er nickte und bestellte für mich mit. Daniel tippte den Preis in seine Kasse ein und nahm dann von Zacchary das Geld entgegen. Ich beschwerte mich natürlich sofort:

„Du musst nicht für mich bezahlen! Ehrlich nicht!“

„Ich bin ein Mann, ich bezahle“, dominierte er mich und warf mir einen endgültigen Blick zu. Ich gab klein bei und ließ mich einladen. Daniel lachte.

„Oh, Mann! Dass sich noch einer mit dir darum streitet, dich einladen zu dürfen, hätte ich nie gedacht. Du lässt doch sonst auch immer jeden für dich bezahlen!“

Ich lief tomatenrot an und brummte in mein Haar, während Zacchary leise lachte. Daniel bereitete unsere Getränke zu und reichte sie uns über den Tresen.

„Hier, Schatz. Lass es dir gut schmecken!“, wurde seine Geste begleitet. Ich grinste dankbar und nahm meinen Tee entgegen, bevor ich mich ans Fenster des Ladens setzte und daran nippte. Zacchary setzte sich mir gegenüber und stellte seinen Becher vor sich ab. Ich forderte ihn mit meiner Handbewegung dazu auf, davon zu trinken, doch er schüttelte den Kopf und beugte sich zu mir vor:

„Kann man ihm trauen?“

„Daniel?“, fragte ich nach und er nickte. Ich zuckte mit den Schultern.

„Klar. Ich habe ihn hier kennengelernt, weil ich öfters hier Tea-To-Go kaufe, das heißt, er wird nichts unternehmen, was mir nachträglich erscheint. Er kennt den Rest ja durch mich.“

„Also bekommst du keine Probleme?“

„Nope“, antwortete ich. Außerdem hatte er uns das ja auch gerade erst versprochen, oder? Zacchary wirkte erleichtert, was mich in gewisser Weise erheiterte. Machte er sich Sorgen um mich? Ich wollte erst lächeln, doch das Gespräch vom ZOB holte mich ein und ich wurde schlagartig ernst.

„Zacchary, hör mal –“, setzte ich wieder an, doch er wischte meinen Satz mit einer Handbewegung beiseite und sagte:

„Zac reicht vollkommen. Und wir reden jetzt nicht darüber, wieso du fremdgegangen bist, okay?“

Ich nickte, beinahe zu eindeutig erleichtert darüber. Mir war es nur recht, mich nicht erklären zu müssen. Zac beugte sich wieder vor und flüsterte:

„Wir sind hier, weil du etwas wissen solltest, korrekt?“

„Korrekt“, erwiderte ich und er nickte ernst. Dann nahm er endlich einen Schluck aus seinem Pappbecher. Ich beobachtete ihn und versuchte auszumachen, was er mir vielleicht sagen wollte. Doch ich fand nichts. Also wandte ich mich meinem Tee zu und wärmte meine Finger daran. Mein Blick ruhte dabei auf Daniel, der sich hinter der Theke auf einen Barhocker gesetzt hatte und in einer Zeitschrift blätterte.

„Also. Ich erklär es dir nur einmal, deswegen musst du gut aufpassen.“

Ich nickte und sah ihn bereitwillig an. Er fixierte mich aus seinen Augen heraus und schien eine Bestätigung zu suchen. Er fand sie wohl, denn er sagte:

„Freitagabend, als wir … du weißt schon, da habe ich dir leider mein Legat übertragen.“

„Ach, so einfach geht das?! Zack! Übertragen?!“, murmelte ich erstaunt und er schüttelte den Kopf.

„Ich muss beim Sex unachtsam sein, um mein Legat zu verlieren. Und das war ich Freitag. Daher konnte dieser Transfer überhaupt erst stattfinden.“

„Du sagst also, dass du vorher … genauso wie ich jetzt … zaubern konntest?“

„Es ist nicht direkt zaubern, eher so etwas wie Magie ausüben.“

„Und das ist nicht das Gleiche?“, erwiderte ich schnippisch und er schnaubte belustigt. Dann erhob er sich, griff nach meiner Hand und zog mich hinter sich her aus dem Laden. Daniel winkte uns zwinkernd nach und ich hob zum Abschied meinen Becher. Zac neigte leicht den Kopf. Dann gingen wir Hand in Hand die Straßen zum ZOB entlang. Ich ließ mich führen – nach Hause konnte ich eh nicht wegen diesen komischen Typen. Apropos!

„Mich verfolgen seit Montag so düstere Typen. Vier Stück!“, warf ich Zac vor und er fuhr zu mir herum.

„Also doch!“

Er hatte es also schon geahnt. Wir beeilten uns und kamen schon bald am ZOB an. Dort warteten wir weitere zehn Minuten auf den Nachtbus. Ich fragte meinen Begleiter immer wieder, was nun Sache war, doch er blieb stumm. Auch im Bus sagte er kein Wort und ich murrte beleidigt, während mein Blick an den Häuserfassaden hing, an denen wir vorbeifuhren. An der Fabrikstraße verließen wir das Gefährt und eilten durch die dunklen Straßen, jeder mit seinem Becher in der Hand. Zacs Blick huschte unaufhörlich umher. Er war unruhig und das machte mich nervös, doch ich sagte nichts, denn ich wusste, wie es sich anfühlte, von diesen seltsamen Typen verfolgt zu werden. Mein Begleiter zog mich auf den Eingang des Gebäudes zu, das ich erst letzten Samstag so überhastet verlassen hatte und ich erinnerte mich voller Scham an den Luxus, der dort auf uns wartete und auch an meine furchtbaren Klamotten. Deswegen verlangsamte ich meinen Schritt, was mir einen verwirrten Blick von Seiten Zaccharys einbrachte, doch ich sagte bloß:

„Ich sehe echt scheiße aus.“

Er lachte und antwortete mir, obwohl seine Augen immer noch suchend umherwanderten, heiter:

„Na und? Das sehen wir alle einmal!“

„Aber meine Kleidung!“, wollte ich aufbegehren und wedelte mit der Hand umher, die nicht seine hielt. Deshalb schwappte auch mein Chai Tea über den Deckel und ich fluchte. Er war nicht mehr heiß, aber dennoch hinterließ das Getränk einen Teefleck auf meiner Hotpants. Zac lachte immer noch.

„Ist doch egal, ich leih dir einfach was von mir und dann musst du dich auch nicht mehr schämen … Was du ja tust, dank deines seltsamen Geschmacks.“

„Das ist nicht mein Geschmack! Ich bin in Panik geraten, als vor meinem Wohnungsblock diese seltsamen Typen standen, die mich schon Montag attackiert haben! Da habe ich einfach nach irgendwas gegriffen und –“, maulte ich, doch Zac unterbrach mich bestimmt:

„Erklär mir das oben genauer!“

Dann tippte er einen Zahlencode in das Türschloss ein, bevor er eine Karte in den Schlitz schob und noch einmal einen anderen Code wählte. Erst jetzt schnappte die Tür leise auf und wir traten hindurch. Er verstaute seine Karte und zog die Tür hinter uns zu – er war sogar so vorsichtig, das manuelle Schloss mit einem Schlüssel zu betätigen und den Riegel vorzulegen. Das hatte er Samstag aber nicht getan, erinnerte ich mich und schaute zu ihm hoch. Sein Blick hing noch an der Straße außerhalb, daher konnte ich ihn lang genug beobachten, um zu realisieren, dass er sehr nervös war. Seine Muskeln waren bis aufs Äußerste angespannt und ich schluckte. Wenn selbst er Angst hatte, was hatte ich dann diese Woche für ein Glück gehabt?

„Alles in Ordnung?“, rang ich mich dazu durch, zu fragen. Er fuhr zu mir herum und lächelte beruhigend, doch seine Augen lächelten nicht mit. Mit einem letzten Blick zog er mich das Treppenhaus hoch. Als wir oben ankamen, wandte er sich an die Tür rechts von uns – so wie Freitag auch, dabei gab es auch links eine. Wir schlüpften in die Wohnung, die er noch einmal extra verriegelte, bevor er erleichtert ausatmete und seine Uniformjacke auf die Barhocker rechts von uns schleuderte. Ich legte meinen Anorak vorsichtig dazu und stand nun wieder schüchtern genau dort, von wo ich Samstag verzweifelt hatte entkommen wollen. Mir entfuhr ein Seufzer und Zac drehte sich zu mir um. Seine erhobene Augenbraue verbarg nicht das schelmische Glitzern in seinen Augen. Ah! Kein Wunder, dass er mir gefällt!



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