Zum Inhalt der Seite

Lily of the Valley

Finera-Sequel
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Lily of the Valley

Es war ein ungewöhnlich frischer Abend für Anfang Mai, doch Faith ließ sich nicht beirren und schaute sich den traumhaften Sonnenuntergang von ihrem Balkon aus an. Leider konnte sie dieses Naturschauspiel in den letzten Wochen und Monaten immer seltener in trauter Zweisamkeit erleben, da Joel viel für seine Karriere tun musste. An manchen Abenden verfluchte Faith sogar, dass Joel dem Willen seines Vaters gefolgt war und Bankmanagement studiert hatte. Anfangs war Joel nicht begeistert davon gewesen, doch mit jedem Semester machte es ihm mehr Spaß – wohl nicht zuletzt, weil er stets zu den besten seines Jahrgangs gehörte und am Ende seines Studiums sogar eine Auszeichnung erhielt.

Faith seufzte, stand auf und holte sich eine dünne Wolldecke aus dem angrenzenden Wohnzimmer. Ihr kleines Häuschen war nicht groß, aber sie mochte es. Es stand etwas abseits von der Villa der Familie Light auf deren Anwesen und die breite Allee, die hinunter zu dem Privatsee der Familie führte, war wie ein Sichtschutz. Früher war dies ein alter Stall gewesen, der irgendwann zu einer Dienstwohnung des Gärtners umgebaut worden war, doch schon lange lebten alle Angestellten mit in der Villa. Das kleine Häuschen bot gerade genug Platz für eine geräumige Küche, ein Wohnzimmer, ein Arbeitszimmer, Bad und das Schlafzimmer mit Balkon im oberen Stockwerk, aber Faith hatte sich auf den ersten Blick darin verliebt, woraufhin Joel es renovieren ließ und ihr zur Verfügung stellte. Es war ein offenes Geheimnis, das Faith mit Joels Eltern – besonders mit seinem Vater – nicht gut zurechtkam. Als sie es in der Villa nicht mehr aushielt, wollte sie zurück zu ihren Eltern nach Litusiaville ziehen oder sich eine Wohnung auf Honey Island nehmen, doch Joel drängte ihr damals das kleine Häuschen nahezu auf.

Als sie die Tür hörte, schaute sie auf. Ihr Gesicht erhellte sich, als Joel zu ihr auf den Balkon kam und ihr einen Kuss auf die Stirn drückte. „Es ist Freitag, wieso bist du schon so früh zurück?“

„Wir haben seit zwei Wochen nicht mehr gemeinsam zu Abend gegessen.“

„Ich habe schon gegessen.“ Etwas traurig zog Faith die Decke enger um ihre Schultern, machte ihm aber trotzdem Platz auf der gepolsterten Bank. Vor einem Jahr hatte sie ihre Pilotenausbildung beendet und flog seither in der Weltgeschichte herum, aber sie war trotzdem öfter Zuhause als Joel, der von morgens bis abends in der Bank seines Vaters schuftete. „Du kannst dir Spaghettisalat aus dem Kühlschrank nehmen, wenn du möchtest.“

Joel seufzte, nahm neben seiner Freundin Platz und drückte sie stumm an sich. „Hey, es tut mir leid. Ich bin ein schrecklicher Freund, das weiß ich. Lass uns ein Stück spazieren gehen, okay?“

„Aber der Sonnenuntergang…“, wollte sie protestieren, ließ sich von ihm jedoch zum Schweigen bringen. „Na schön, ich ziehe mir nur etwas über.“

„Geh doch so, wie du bist? Mit Decke, meine ich.“ Grinsend wich er ihr aus und ging zurück ins Haus, wo er auf sie wartete, damit sie gemeinsam losgehen konnten.

Von dem Haus führte ein schmaler Weg zu der Allee, die den See mit dem kleinen Bootssteg und die Villa miteinander verband. An den Seiten des Weges wechselten sich Pappeln und Birken miteinander ab und der Weg führte ein Stück bergab. Unten glitzerte der See am Waldrand in der Abendsonne und ein rotes Ruderboot lag angebunden an einen Holzpfeiler im Wasser. Es war wirklich schön hier und Faith kam gerne an diesen Ort, meistens gemeinsam mit Trixi oder doch wieder alleine.

„Wie wäre es mit einer Bootsfahrt?“

„Joel“, begann Faith und wollte ihn gerade darüber aufklären, dass sie so spät am Abend eigentlich nicht mehr rudern wollte, doch in seinem Blick lag so viel Entschlossenheit, dass sie ihren Mund wieder zumachte und stattdessen stumm nickte.

Der Steg knarrte unter ihren Füßen und man sah das Wasser unter den Holzplanken, wenn zwei der Planken unsauber aneinander gelegt waren. Kaum erreichten sie das rote Ruderboot, da stieß Faith einen überraschten Laut aus. „Oh mein Gott!“ Die Holzbänke des Bootes waren mit weißen Seidenkissen belegt, am Rand brannten ein paar weiße Kerzen, die einen angenehmen Vanilleduft verbreiteten, und überall standen und lagen Blumensträuße mit Maiglöckchen, Faiths Lieblingsblumen. Sie besaß sogar ein teures Maiglöckchenparfüm, das Joel ihr zum Jahrestag geschenkt hatte.

„Gefällt es dir?“

„Oh ja, sehr!“ Faiths türkisfarbene Augen leuchteten und sie ließ es sich nicht nehmen sofort einzusteigen. Wie lange Joel wohl gebraucht hatte, um dies hier zu arrangieren? Er hatte wirklich immer sehr viel in der Bank zu tun und ihr gerade an diesem Freitagabend so eine Überraschung zu machen… „Ich bin gerührt, das habe ich nicht verdient.“

Joel schien zufrieden, setzte sich ihr gegenüber und nahm die Ruder neben sich hoch, sodass Faith sehen konnte, dass er die Enden mit weißen Bändern, in die er Maiglöckchen gesteckt hatte, verziert hatte. Lächelnd ließ er die beiden Ruder durch die Halterung ins Wasser gleiten, löste das Tau vom Holzpfahl und ruderte langsam vom Ufer fort.

Faiths Herz klopfte wie wild, während sie ihn beobachtete und immer wieder an ihre Wangen fasste, die leicht gerötet waren. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann er sich das letzte Mal so viel Mühe mit einer Überraschung gegeben hatte. „Ich liebe dich“, flüsterte sie gerührt und beugte sich nach vorne, um seine Hand berühren zu können. Doch schnell ließ sie ihn wieder los, als sie merkte, dass sie seine Ruderarbeit damit behinderte.

„Spar dir das noch ein wenig auf.“ Mit leuchtenden Augen brachte Joel das Ruderboot genau auf der Mitte des Sees zum Stillstand und atmete tief durch.

„Was machen wir hier? Wieso halten wir an?“

„Gedulde dich einen Moment“, brachte er fast schon gequält hervor und warf ihr dennoch einen liebevollen Blick zu. In den letzten Jahren war Faith seiner Ansicht nach sogar noch schöner geworden. Ihr langes, türkisfarbenes Haar trug sie in einem lockeren Knoten hochgesteckt und an ihrem Hals baumelte noch immer die angelaufene Kette, die er ihr einst zu Weihnachten geschenkt hatte. Ebenso trug sie das kupferfarbene Armband mit dem Herzanhänger und die dazu passenden Ohrringe. Jedes Mal, wenn er sie so sah, wusste er, dass sie die Richtige für ihn war.

Nach einigen Minuten begriff Faith, worauf sie warten sollte. Die Sonne hatte sich so stark dem Horizont zugewandt, dass der Himmel in zarte Orange- und Rosatöne getaucht wurde, die wie Puder die Luft durchzogen und sich auf der glatten Wasseroberfläche spiegelten. Aus den Ufern und dem Wald flogen hunderte kleine Lichter – Glühwürmchen – auf das Wasser hinaus und umgaben das Ruderboot mit einer zauberhaften, romantischen Atmosphäre.

Sie traute sich kaum noch zu atmen, als Joel auf einmal im Boot vor ihr auf die Knie ging, ihre Hand nahm und sie voller Liebe anlächelte. „Du bist das Beste, was mir jemals passiert ist. Du bist der Anker in meinem Leben, du bist es, die mir jeden Tag ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt, ich möchte den Rest meines Lebens mit dir verbringen und deshalb möchte ich dich fragen, Faith Loraire, ob du meine Frau werden willst.“ Er hob ein weißes Kästchen hervor, öffnete es geschickt und zum Vorschein kam ein dünner Ring aus Weißgold, der mit einem einzelnen, weißen Diamanten besetzt war.

Sie schluchzte auf und Freudentränen rannen ihr die Wangen hinab, während sie sich zu ihm auf den Boden des Ruderboots fallen ließ und ihm um den Hals fiel. „Ja! Ja, ich will!“ Sie spürte seine Hände auf ihren Wangen, wo er die Tränen abwischte, dann schob er ihr den Verlobungsring auf den Ringfinger der linken Hand. Überglücklich strahlte sie ihn an und küsste ihn. „Ich liebe dich, Joel Light.“

„Ich liebe dich auch.“ Joel nahm das Gesicht seiner Verlobten in seine Hände und lehnte seine Stirn gegen ihre. Mit geschlossenen Augen atmete er ihren Duft und den Geruch von Maiglöckchen und Vanille ein.

Es war perfekt.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Dragonie
2014-04-27T14:26:10+00:00 27.04.2014 16:26
Oh nein, mir sind beim Lesen Tränen in die Augen gekommen~ *Schnell wegwisch um weiter lesen zu können*
Waaah, Du hast die Stimmung und die beiden Personen wunderbar beschrieben~ Ich kann den Sonnenuntergang or meinem geistigen Auge sehen, das Ruderboot mit den Blüten und den seidenen Stoff... oh~ Wie romantisch schön geschrieben! <3
Antwort von:  Kalliope
27.04.2014 17:43
Vielen Dank für deinen Kommentar. Es freut mich, dass dir die Stelle mit dem Sonnenuntergang so gut gefallen hat :)
Antwort von:  Dragonie
27.04.2014 20:02
Du hast den Augenblick superschön eingefangen, das hat mich gerührt~
Antwort von:  Kalliope
25.10.2014 16:38
Danke für das Kompliment :)
Von:  fahnm
2011-08-21T18:50:46+00:00 21.08.2011 20:50
Oh^^
Wie Süß^^.
*schwärm*
Super OS.^^
Antwort von:  Kalliope
19.03.2014 20:36
Danke :)
Von:  mudblood
2011-08-21T14:03:26+00:00 21.08.2011 16:03
Ahhh! Traumhaft (:

Also wirklich wunderschön und sehr süß.
Ich würde mich wahnsinnig über eine Fortsetzung freuen. x)
Antwort von:  Kalliope
19.03.2014 20:36
Das freut mich, vielen Dank :)
Von:  Yurippe
2011-08-21T12:52:43+00:00 21.08.2011 14:52
Oh, Finera ist also doch noch nicht am Ende! <3
Ich frag mich immer, wie das eigentlich ist in der Pokémon-Welt mit Reisen und Bildung. Hm...
(Und Joel im Anzug würd ich zu gern mal sehen. <3)
Faith als Pilotin finde ich cool, aber dass sie einfach so bei Joel eingezogen ist, wundert mich etwas.

Woah, das muss wirklich wunderschön sein. (*___*)
Das war wirklich, wirklich perfekt. So einen Heiratsantrag würde ich auch gern mal bekommen. Ich halte Faith zwar eher nicht für einen sentimentalen Menschen, aber zu dieser Gelegenheit darf es für jeden mehr Kitsch sein als sonst.
PERFEKT!
Antwort von:  Kalliope
19.03.2014 20:36
Ich denke, bei so einem Heiratsantrag darf jeder kitschig und sentimental werden :)


Zurück