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Heartbeat

Kyman, Stenny, Creek, Tyde u. a. (KAPITEL 12 IST DA!!!)
von

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The Dark Angel: 3. Akt - All Hollows' Evening

Hallo, liebe Leser! Ja, ich habe es endlich geschafft, das neue Kapitel zu schreiben. Es tut mir sehr leid, dass es länger gedauert hat als sonst, aber das echte Leben hatte mich am Wickel und ich habe mich einfach nicht aufraffen können, mich an diese FF zu setzen. Dann habe ich mir einige der neuen Folgen angesehen (da hinkte ich nämlich hinterher), um meine South-Park-Batterien wieder aufzufüllen und tatsächlich wurde ich wieder inspiriert!^^ Nein, leider habe ich immer noch keinen Job, ich sammle immer noch Absagen und bin sehr frustriert, aber ich werde schon durchhalten! Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen!
 

An dieser Stelle ein Dankeschön an moonie-chan, die diese FF entdeckt und mir prompt für jedes Kapitel (oder fast jedes) ein Kommi dagelassen hat. Ich freue mich immer über Feedback (und ja, ich hätte Cartman sagen lassen sollen: "Leckt mich, Leute, ich geh' nach Hause!", aber ich habe einfach nicht daran gedacht...vielleicht finde ich mal anderswo Gelegenheit^^)!
 

Kapitel 10: The Dark Angel: 3. Akt - All Hollows‘ Evening
 

Glücklich ist, wer das, was er liebt, auch wagt, mit Mut zu beschützen. - Ovid
 

Eric schwamm in einem Meer aus Schmerzen. Das tagelange Stillsitzen in einer unnatürlichen Position, nur gelegentlich unterbrochen von Essens- und Toilettenpausen; die Wunde in seinem linken Bein, in der immer noch die Kugel steckte; das wiederholte Narkotisieren und schließlich die neue Verletzung, die sein Entführer ihm beigebracht hatte, weil er sich geweigert hatte, ihm Kyles Namen zu verraten - all das zermürbte ihn langsam. Seinen rechten Arm zierte jetzt ein tiefer blutiger Schnitt, den ihm der Killer mit seinem Jagdmesser zugefügt hatte. Als nächstes war seine Hand an der Reihe, da war Eric sich sicher.

„Mein guter Junge", erklang die Stimme seines Peinigers, „der Moment unserer vorletzten Sitzung ist gekommen. Ich werde dir heute meine wahre Kunst in all ihrer Pracht zeigen. Du wirst dich in ihrer Ausstrahlung verlieren, das verspreche ich dir! Wie fühlst du dich? Bist du aufgeregt? Bist du neugierig?"

„...Sie werden mir Ihre Opfer präsentieren, oder? Ihre Morde?"

Der Mann zog ein Gesicht wie ein Kleinkind, dem man seine Süßigkeiten weggenommen hat. Er stieß einen theatralischen Seufzer aus. „Wie gemein von dir, immer alles zu erraten. Ja, ich präsentiere dir meine Morde. Aber ‚Mord‘ ist so ein hässliches Wort. Ich bevorzuge Skulptur. Oder Werkstück. Oder Geniestreich. Du bist genau wie mein Lehrer, er wusste die Arbeiten meiner reifen Schaffensperiode auch nicht zu schätzen."

„Heutzutage ist jeder ein Kritiker. Ein Genie wird eben oft verkannt."

„...Dein Sarkasmus ist ekelhaft, Eric. Du befindest dich in einer verzweifelten Situation. Könntest du dich bitte dementsprechend verhalten?"

„..."

Das Lächeln des Killers verkrampfte sich ein wenig. „Du bist sehr mutig... und sehr stolz. Und sehr, sehr dumm. Glaubst du wirklich, dass dir noch jemand helfen kann? Wenn du erst tot bist, werde ich mich nach einem neuen Opfer umsehen... Dein rothaariger Freund, zum Beispiel. Er wäre ein dankbares Versuchsobjekt."

„Wenn Sie Kyle anfassen, bringe ich Sie um!!!"

„Wie amüsant. Du wirst dann schon längst hinüber sein, mein Lieber, unsterblich geworden als ein weiterer Teil meiner Sammlung. Und nun, beginnen wir unser Programm!"

Der Projektor warf das erste Dia an die Leinwand und Eric kniff automatisch die Augen zusammen. Er wollte sich keines dieser sicherlich grässlichen Bilder ansehen, wollte nicht wissen, was genau ihm noch bevorstand. Da spürte er kalten Stahl an seiner Schläfe.

„Ich würde dir empfehlen, es dir anzuschauen. Du möchtest doch nicht, dass wir diese Sitzung überspringen und gleich zum Höhepunkt kommen, oder?"

Er schluckte, seine Nerven bis zum Zerreißen gespannt, und öffnete die Augen. Vor seinem entsetzen Blick schwebte die Leiche einer jungen Frau mit blonden, zu Zöpfen geflochtenen Haaren, deren Arme über Kreuz gelegt worden waren. Die Finger der linken Hand hatte man zur Faust geballt, rechts gab es nur noch einen blutenden Stumpf. Sie trug ein weißes Kleid, auf das der Killer ein paar tote Schmetterlinge gesteckt hatte. Darum herum drapiert lagen Kindermalbücher und Buntstifte. Um ihre Stirn hatte man einen Kranz aus Stoffblumen geschlungen. Eric fragte sich, wer sie gewesen war, wer sie jetzt vermisste, wer um sie trauerte, und fühlte eine ungeheure Tränenflut in sich aufsteigen.
 

„Ich muss bei meinen Werkstücken natürlich immer schnell agieren, weil die Leichenstarre jegliche Veränderung der Position unmöglich macht. Deshalb zeichne ich vorher immer einen Entwurf, den ich dann in der letzten Session umsetze. Was sagst du?"

„...Sie... Sie sind krank! Krank und pervers!"

„Sei ein bisschen vorsichtiger mit deiner Wortwahl, ja? Wenn dich dieses Bild schon so aufwühlt, wie soll das erst bei den anderen werden? Es fehlen noch fünf und die musst du auch begutachten, um meine Kunst besser begreifen zu können."

„Ihre Kunst!? IHRE KUNST!?! Wenn es Ihnen von Anfang an nur um mich ging, warum haben Sie dann Menschen umgebracht, die mit Deets oder mir gar nichts zu tun haben!?!"

„...Ich musste üben. Außerdem ist die Sieben eine sehr symbolische Zahl. So hat Gott in sieben Tagen die Welt erschaffen, nicht wahr? Auch ich werde mein großes Werk am siebten Tag vollenden. Freust du dich nicht, Teil davon zu sein?"

„...Gott ruhte am siebten Tag, soweit ich mich erinnere. Das haut also mit Ihrer durchgeknallten Symbolik nicht ganz hin!"

„...Das ist ein unwesentliches Detail."

„...Und üben, he? Sie mussten üben, Leute zu ermorden!? Sechs Menschen sind tot - weil sie als Probematerial herhalten mussten!?!" Ein krampfartiges Schluchzen schüttelte ihn, Tränen liefen ihm über die Wangen. „...Ich hasse Sie!!! Sie und ein Künstler!?! Dass ich nicht lache!!! Sie... Sie sind ein Schwein!!! Ein krankes, perverses, widerliches Schwein!!! Sie sind ein Haufen Scheiße... nein, weniger noch als Scheiße!!!"

Zornig brachte er seinen Stuhl zum Kippen und er fiel wie beabsichtigt gegen den Projektor, der zu Boden krachte. Die Linse zerbrach und das schreckliche Bild erlosch. In der darauffolgenden Stille war nur Erics schweres Atmen zu hören, der Killer rührte sich nicht.

„Ich werde mich nicht von Ihnen fertigmachen lassen, klar!? Sie kotzen mich an und ich werde mir Ihren Dreck nicht weiter ansehen!! Sie werden für Ihre ‚Kunst‘ in der Hölle schmoren!! Das ist ein Versprechen!! Diesmal kommen Sie nicht davon!! Daran glaube ich!!"

Der Mann stellte den Stuhl auf, was Eric zum ersten Mal direkt zeigte, wie kräftig er war. Er wirkte nicht verärgert, sondern verblüfft.

„Du hast meinen Projektor kaputtgemacht", sagte er und sein Tonfall war fast respektvoll. „Du hast versucht, mich anzugreifen, du bis sarkastisch und beleidigend, trotz deiner Schuss- und Schnittwunde, du ruinierst meine Sitzung und verdammst mich... alle Achtung. Ich hatte nicht erwartet, dass du so ein schwerer Gegner sein würdest. Du hast Angst und du bist verzweifelt, aber ich kann deinen Willen nicht brechen. Du erstaunst mich wirklich. Ich sollte dich für deine Unverschämtheit töten, andererseits hatte ich noch nie so ein interessantes Opfer. Du bist ein ungewöhnlicher Mensch, Eric, daher gewähre ich dir eine Gnadenfrist. Weißt du was? Morgen ist Halloween. Ich könnte dir ein paar Süßigkeiten kaufen. Was magst du gern? Schokolade? Bonbons? Fruchtgummi? Kekse?"

„..."

„Jetzt strafe mich nicht wieder mit deinem eisigen Schweigen, mein Junge. Bedenke, es wird deine Henkersmahlzeit sein."

„...Ich mag Cheesy Poofs."

„Oh, du bevorzugst etwas Pikanteres? Gut. Ich nehme es dir zwar übel, dass du den Projektor zerstört hast, aber nun ja, du wirst mein bestes Werk sein und bist dessen auch würdig, da kann ich...nein, da sollte ich netter sein. Du darfst ein letztes Mal Halloween feiern, das ist doch schön! Dein mangelndes Kunstverständnis ist allerdings beklagenswert." Er zückte eine Spritze und lächelte. „Ruh dich aus, damit du fit bist."
 

***
 

Eric wurde Stunden später noch eine weitere Dosis Schlafmittel verabreicht und er kam erst wieder vollständig zu Bewusstsein, als er ein unerträglich gut gelauntes „Happy Halloween!" hörte. Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er in einer Bleihaube gefangen und der Schmerz in seinem angeschossenen Bein hatte deutlich zugenommen. Auch sein Atem ging schnell und flach. Ein schlechtes Zeichen. Hatte sich die Wunde entzündet?

„Ich sagte: Happy Halloween! Sei nicht so unkooperativ, Eric, hab‘ noch ein bisschen Spaß! Ich meine, du wirst nie wieder welchen haben, sobald ich mit dir fertig bin, nicht wahr? Und hier, wie versprochen, eine Portion Cheesy Poofs! Ich habe auch dekoriert! Wie findest du es?"

Auf dem Tisch, auf dem eine schwarze Tischdecke ausgebreitet worden war, standen tatsächlich eine Schüssel mit Cheesy Poofs und ein Glas Kürbissaft. Auf dem Boden waren erschreckend naturgetreue Spinnen und Schlangen aus Plastik verstreut und über die Glühbirnen hatte man künstliche Jack-O‘-Lanterns gestülpt. Normalerweise fand Eric sie lustig, aber nun erschienen sie ihm wie ein Reigen höhnisch lachender Gespenster mit unheimlichen Fratzen, die auf seinen Tod warteten. Er wollte nach Hause. Er wollte nach Hause zu seiner Mutter.
 

»Mom... wie geht es dir, ohne mich? Kommst du zurecht? Wenn heute Halloween ist, warst du fast zwei Wochen allein. Wie hast du das ausgehalten? Bist du zusammengebrochen? Wer hat sich um dich gekümmert? Wer hat dir dein Essen gekocht und das Haus geputzt? Machst du dir Sorgen um mich, wenigstens ein bisschen? Oder hast du dich ins Delirium gekifft? Wäre nicht das erste Mal. Und trotzdem... trotzdem hast du mich getröstet, wenn ich traurig war, hast auf mich aufgepasst...Warum konntest du nicht stärker sein? Du erträgst es nicht, allein zu sein, aber bin ich dir denn nicht genug? Bin ich nicht dein Sohn? Manchmal warst du streng mit mir, aber du hast mir so gut wie nie Grenzen gesetzt, hast mich wie deinen Freund behandelt, nicht wie dein Kind. Was kann ich denn tun, damit du dich nicht mehr so einsam fühlst? Du willst dich selbst nicht ändern, und ich soll alles schultern, was es zu schultern gibt. Wenn du nicht bereit bist, dein Leben in die Hand zu nehmen, kann ich dich nicht zwingen. Veränderung kommt von innen. Du bist kein schlechter Mensch, Mom. Im Gegenteil. Du bist freundlich und großzügig ...aber du bist auch schwach. Du läufst vor deinen Problemen immer nur davon! Und ich? Ich bin so... machtlos... und hilflos. Ich dringe nicht zu dir durch! Meine Vorwürfe sind wie ins Leere gesprochen, meine Wutausbrüche prallen an dir ab, nicht einmal, wenn ich kurz vorm Heulen bin, kriege ich mehr aus dir raus als ein ‚Ich brauche das, Poopsiekins‘ oder ‚Du verstehst das nicht, mein Baby‘! ‚Mein Baby‘... Dein ‚Baby‘ wird sterben, Mom. Wie wirst du das verkraften? Du erträgst es nicht, wenn dich einer deiner längerfristigen Lover verlässt und stürzt dich danach gleich in eine Sauforgie oder dröhnst dir sonst wie das Gehirn zu! Was wirst du erst tun, wenn man meine Leiche findet!? Was wirst du tun!?!«

„Was ist? Gefällt dir die Dekoration nicht?"

„...Sie ist... gruselig."

„Ah, wenigstens ein Zugeständnis! Ich werde jetzt rechts deine Handschelle lösen, damit du essen und trinken kannst. Und dann ist da natürlich noch mein Entwurf für dein Kunstwerk! Hier, sieh es dir an! Ich habe mir Mühe gegeben!"

Eric schüttelte seinen befreiten Arm, knabberte mechanisch ein paar Cheesy Poofs und starrte auf das Papier, auf dem eine sorgfältig schattierte Bleistiftskizze sein Ende zeigte. Er lag auf dem Boden, um ihn herum ein Kreis aus brennenden Kerzen, die schwarze Tischdecke war als eine Art Leichentuch drapiert und ein Messer steckte in seinem Herzen. Richtig, der „Right Hand"-Killer erstach seine Opfer. Das hatte er ganz vergessen. Und wie bei der jungen Frau, die er gesehen hatte, endete sein rechter Arm in einem blutigen Stumpf. Das Blut war das einzige auf dem Bild, das mit roter Farbe gemalt worden war. Vermutlich des künstlerischen Effekts wegen. Blut, ja. Blut. Moment mal.

„Warum blute ich!? Wenn ich tot bin, sollte es kein Blut mehr geben! Sie töten Ihre Opfer und schneiden ihnen danach die Hand ab! Warum ist da Blut!?"

„Wie aufmerksam du bist! Eine Verletzung, die nach Eintritt des Todes zugefügt wird, blutet im Regelfall nicht. Es stimmt, bei fünf meiner Werkstücke habe ich es so gehalten. Beim ersten und beim letzten jedoch nicht. Um der Symbolik der Sieben noch einen weiteren ästhetischen Aspekt hinzuzufügen, wollte ich meinen Werkzyklus mit einer blutigen Amputation beginnen... und ihn mit einer blutigen Amputation beenden."

Das nackte Entsetzen in Erics Gesicht amüsierte ihn. Er lachte. „Ja, mein lieber Junge. Das bedeutet, du wirst mitkriegen, wie ich deine Hand abtrenne. Das wird für dich sicher kein Vergnügen sein. Anders als ein Metzger, der ein Beil benutzt und einen einzigen Schlag benötigt, um Gliedmaßen zu zerteilen, werde ich dein Fleisch mit einem Messer schneiden. Eine herrlich qualvolle Methode. Für den Knochen werde ich allerdings ein Beil verwenden müssen, obwohl mir dieses rohe Instrument wirklich nicht sehr zusagt. Zum Schluss werde ich mein Messer in dein Herz bohren. Du musst verstehen, du bist das große Ziel meiner Rache. Ich kann es dir nicht erleichtern."

„Und die junge Frau!?! Warum musste sie diese Qual erleiden, wenn Sie sich an mir rächen wollen!? Sie war völlig unschuldig, genau wie die anderen!!!"

„Nur Säuglinge und sehr kleine Kinder sind ‚völlig unschuldig‘, mein Bester. Nein, sag nichts! Kinder können genau wie Erwachsene bemerkenswert grausam sein. Das reine Böse existiert, Eric. Ich spreche nicht von Dämonen oder dunklen Mächten, sondern vom Bösen in uns Menschen. Meine beste Freundin zum Beispiel. Sie war ein bezauberndes Mädchen, kam aus einer wohlhabenden Familie und hatte liebende Eltern, doch durch eine Laune der Natur waren in ihrem Erbgut Eigenschaften und Charakterschwächen zusammengeworfen worden, die in ihrer Kombination äußerst unglücklich waren. Als ihr kleiner Bruder geboren wurde, war sie krank vor Eifersucht - und so erstickte sie ihn in seiner Wiege. Sie erzählte mir triumphierend davon, wie einfach es gewesen sei. Das war in der vierten Klasse. Sie wurde lebenslänglich eingesperrt. Ich weiß noch, wie hübsch sie war, aber innen war sie... verfault. Es gibt Menschen, die so auf die Welt kommen, Menschen, die ohne Skrupel und ohne Gewissen geboren werden und an einer gefährlichen, grenzenlosen Eitelkeit leiden. Du denkst wahrscheinlich an jemanden, der sich zu viel auf sein Aussehen einbildet, wenn ich ‚Eitelkeit‘ sage, aber das meine ich nicht. Eitelkeit, echte, tiefgehende Eitelkeit ist etwas Furchteinflößendes. Ein Mensch von dieser Gesinnung denkt: ‚Warum sollte ich nicht alles haben, was ich will? Mir steht alles zu, weil ich eben ich bin!‘ Ihre eigene Person ist für sie das Maß aller Dinge. Familie, Freunde, Liebhaber, Kollegen, Fremde auf der Straße...das ist für sie ein und dasselbe. Mörder, insbesondere mehrfache Mörder, unterscheiden sich wie normale Menschen auch durch ihr Aussehen, ihre Persönlichkeit, ihre Herkunft und zusätzlich durch ihre Motive, ihre Ziele, ihre Methoden. Aber eines ist ihnen allen gemeinsam: Die Eitelkeit. Die absolute Überzeugung, dass sie das Recht haben, zu tun, was sie tun, weil sie es sind, die es tun."
 

„...Sie... Sie wissen, dass Sie das miteinschließt? Sie wissen, dass Sie krank sind?"

Der Killer verdrehte die Augen. „Eric, Eric, Eric. Begreifst du immer noch nicht? Ich bin nicht krank. Meine Entscheidungen werden mir von der Logik diktiert. Ich habe studiert, habe brav gearbeitet wie jeder andere anständige Bürger. Ich hatte weder eine tragische Kindheit noch war ich je das Opfer eines Verbrechens, von dem ich ein Trauma hätte davontragen können. Ich wurde, wie meine reizende Freundin aus der Grundschule, mit dem Bösen im Herzen geboren. Ich bin nur nach den Maßstäben derer krank, die über ein Gewissen verfügen, über Moral und Skrupel. Und nun iss auf und nimm einen letzten Schluck. Ich möchte anfangen."

Eric zitterte am ganzen Körper. Er wandte den Blick ab und aß so langsam wie möglich einen einzelnen Cheesy Poof nach dem anderen.

„Selbst jetzt noch versuchst du, Zeit zu schinden? Bravo. Nein, ernsthaft. Nicht viele Menschen besitzen eine solche Willenskraft. Dein Widerstand ist fantastisch. Dass du in deiner Lage diese Dinger überhaupt herunterbringst!"

»Es ist vorbei. Er wird mich foltern und töten. Ich werde sterben. Wer sollte mir noch helfen? Mom... was wird aus dir werden? Du bist eine miserable Mutter, aber ich liebe dich trotzdem. Wann habe ich dir das eigentlich das letzte Mal gesagt? Und Kenny? Bei wem sollst du dich auskotzen, wenn dich deine Eltern mal wieder wahnsinnig machen? Wer schaut sich mit dir zusammen ‚Glee‘ und den ganzen Musical- und Opernkram an? Wem wirst du jetzt deine ewig gleichen Sexgeschichten vorbeten? Und Stan? Wen sollst du mit Umweltvorträgen zuschwallen, wenn ich nicht mehr da bin? Mit wem wirst du über Soccer und Football diskutieren? Und warum habe ich dir nie gesagt, dass ich dich trotz deines dämlichen Hippiegetues verdammt gut leiden kann? Und du, Kyle? Mit wem wirst du streiten, dass die Fetzen fliegen? Wer wird deine selbstzufriedene Ruhe erschüttern? Wer wird dich herausfordern, wer dich zum Nachdenken bringen? Wohin wirst du gehen, was wirst du erreichen? Ja, ihr alle... ich werde nicht wissen, was ihr erlebt. Ich werde kein Teil eurer Zukunft sein. Werde ich euch fehlen? Ich jedenfalls vermisse euch jetzt schon. Ohne euch wird es in der Hölle sehr langweilig sein. Aber vielleicht kommst du mich ab und zu besuchen, Kenny, wenn du gerade mal wieder abgekratzt bist. Dann kannst du mir von Mom erzählen, und von Kyle, Stan und dir. Und von Butters, das wäre auch nett. Ob er es zum Broadway geschafft hat oder so. Komisch... ich war sicher, dass ich das Leben im Grunde hasse. Wie man sich täuschen kann...«
 

Unterdessen hatten Kyle, Stan und Kenny das Auto zwei Straßen entfernt geparkt, damit das Geräusch des Motors Owen Everett nicht alarmierte. Sie eilten so schnell durch die Dunkelheit, wie ihre Angst es erlaubte, angeführt von Kenny, der mit einer Sicherheit vorausschritt, die die beiden anderen beeindruckte und verwirrte. Außerdem schien er die Augen einer Katze zu haben und den Weg auswendig zu kennen, denn er geleitete sie zu ihrem Ziel, ohne auch nur einmal eine falsche Abzweigung zu nehmen. Die stillgelegte Fabrik ragte vor ihnen auf und bildete eine drohende Silhouette gegen den schwarzen Abendhimmel, das einzige Licht in ihrer Nähe stammte von einer alten Straßenlaterne, die beunruhigend flackerte. Die Hintertür war von Everett aufgebrochen worden und die drei Freunde tauschten einen entschlossenen Blick, ehe sie das Gebäude betraten. Sie fanden Eric und den Killer in der großen Arbeitshalle, wo sie Zeugen des Gesprächs wurden.

„Der Kerl... ist total irre", flüsterte Stan und seine Finger krampften sich unbewusst in Kennys Schulter. Kyle hielt sich die Hand vor den Mund, um Cartmans Namen zurückzudrängen, der ihm in Panik über die Lippen wollte. Sich vorzustellen, dass sein Rivale zwölf Tage in der Gewalt dieser... dieser Kreatur verbracht hatte! Er wirkte wie zusammengefallen, an seinem Arm prangte ein blutverkrusteter Schnitt und der Jeansstoff am linken Unterschenkel war dunkel verfärbt, als hätte er eine Flüssigkeit aufgesaugt. Auch Blut? Kyle hämmerte das Herz bis zum Hals hinauf.

„Bleibt hinter mir, alle beide!", raunte Kenny und der Ton seiner Stimme duldete keinen Widerspruch. „Dieser Mann ist einer von ihnen. Dem seid ihr nicht gewachsen."

„Einer von ‚ihnen‘? Wie meinst du das?"

Stan bekam keine Antwort. Kaltblütig verließ der Blondschopf ihr Versteck hinter einer der Farbmischmaschinen und platzte mitten ins Geschehen. Seine Freunde folgten ihm zögernd.

„Dein Spiel ist hier zu Ende, Everett!! Du wirst deinen Plan nicht in die Tat umsetzen!! Lass Eric frei und ergib dich!! Es wäre besser für dich!!"

Der Killer blinzelte irritiert und musterte die drei Störenfriede, die ihm so plötzlich seinen Spaß verdorben hatten. Der Schwarzhaarige in dem blauen Mantel fürchtete sich, bemühte sich aber, es sich nicht anmerken zu lassen. Interessant. Das war beachtlich. Der zweite Schwarzhaarige war vermutlich gar nicht schwarzhaarig, da er eine Perücke trug. Seine Gesichtszüge erschienen ihm bekannt, nur wo sollte er den Burschen unterbringen? Natürlich! Er hatte ihn vor einigen Tagen auf einer Fotografie gesehen! Das war der Rotschopf, Erics besonderer Freund! Ebenfalls ein ungewöhnlicher Typ - er fürchtete sich auch, aber seine Miene verriet in erster Linie Zorn und Abscheu. Was den Blonden betraf, an dem war irgendetwas... seltsam. Er riskierte eine große Klappe wie jeder vorlaute Bengel, aber da lag eine Autorität in seinen Worten, ja, in seiner gesamten Haltung, die ihn merkwürdig berührte. Und was noch viel wichtiger war: Er hatte keine Angst vor ihm. Warum nicht?

„...Jungs?!" Erics Stimme schnappte fast über, sie schwankte zwischen Unglauben, Erschrecken und Erleichterung. „Was macht ihr hier!? Wollt ihr mich retten, oder was!? Ist die Polizei bei euch!? Warum höre ich dann keine Sirenen!?!"

„Wir brauchen keine Polizei", sagte Kenny und es klang wie eine Drohung. Everett hätte beinahe laut aufgelacht, doch irgendetwas im Tonfall des Jugendlichen schnürte ihm die Kehle zu. Dieser armselige Grim-Reaper-Verschnitt hatte etwas an sich, das ihm den Schweiß ausbrechen ließ. Als Kenny auf ihn zuging, holte er seinen Revolver hervor und schoss zweimal. Die Kugeln trafen ihn in die Brust, hielten ihn allerdings nicht auf.

„Aber... aber... aber was...!?"

„Ich bin neugierig, Owen." Kenny öffnete den langen Umhang, unter dem seine ausgefranste Jeans und ein weißes Shirt zum Vorschein kamen, das zwei immer größer werdende Blutflecken verunzierten. „Nachdem du mich getötet hast - was hast du als nächstes vor?"

Damit berührte er seine Brust, die Kugel wurden wie von einer unsichtbaren Macht herausgezogen und fielen zu Boden. Die Wunden schlossen sich in Sekundenbruchteilen, seine Hand schnellte vor und legte sich auf die Stirn des Killers, der stand wie paralysiert.

„Und jetzt, Owen, werde ich dir eine kleine Frage stellen. Ich werde dabei bis in deine Seele blicken, also antworte wahrheitsgemäß. Bereust du?" Der Mann gab eine Art Röcheln von sich und rührte keinen Muskel mehr. „Stan. Nimm ihm den Schlüssel für die Handschellen ab. Er befindet sich in seiner linken Hosentasche."

Stanley gehorchte. Er begriff nicht das geringste und war eigentümlich fasziniert von den Handlungen seines Freundes. Er löste die Handschelle und stützte Eric, der sehr geschwächt war und sich kaum auf den Beinen halten konnte.

„Los, Kumpel. Wir gehen nach Hause."

Dieser einfache Satz trieb dem Quarterback erneut die Tränen in die Augen. Er lächelte Stan, Kenny und zuletzt Kyle an, der schüchtern zurück lächelte.

„Ja. Lasst uns nach Hause gehen."
 

Dieser kurze Moment der Unachtsamkeit genügte Everett, um sich aus der Trance zu befreien. Er zückte sein Jagdmesser, rammte es Kenny in den Bauch und schlitzte ihn auf.

„Ich... bereue... nicht!!"

„KENNY!!!" Der junge Mann stürzte auf die Knie, Blut lief ihm aus dem Mund.

„Hast du wirklich geglaubt, ich ließe mich von so einem High-School-Bengel fertigmachen!? Ich weiß nicht, wer oder was du bist, aber niemand, hörst du, niemand wird mich daran hindern, meine Rache auszukosten und meinem großen Idol denjenigen zu opfern, der ihn an die Polizei verraten hat!!"

Er wollte sich auf Eric stürzen, doch Kyle warf sich dazwischen. Er fixierte den Killer, indem er durch eine Hebeltechnik kontrollierten Druck auf sein Ellbogengelenk ausübte. Die Bewegung entgegen der anatomisch vorgesehenen Bewegungsrichtung führte bei Everett zu einem stechenden Schmerz und das Messer entfiel ihm. Er begann, sich wie eine Schlange zu winden und schaffte es, sich Kyles Griff zu entziehen.

„Zurück zu dir, mein Bester! Wo waren wir stehen geblieben?"

„Schluss jetzt, Sie Wahnsinniger!! Es ist nicht Cartmans Schuld, dass Deets geschnappt wurde!! Er hatte nichts damit zu tun!! Ich habe ihn verraten!! Ich habe der Polizei seine Adresse genannt!! Ich bin der, den Sie wollen!!"

„...Du...?" Everett kicherte. Ein beklemmendes kleines Kichern, das bei allen, die es hörten, eine Welle der Übelkeit hervorrief. Die nächsten Sekunden verdichteten sich für Eric zu einem Alptraum. Er sah den Revolver blitzen, registrierte halb, wie Stan ihn losließ, um den Killer zu attackieren, gewahrte Kyles blasses Gesicht und seine angstgeweiteten Augen, spürte das schmerzhafte Pochen in seinem Bein und sprang mit einem gewaltigen Satz vorwärts, wie er es oft bei seinen Touchdowns tat. Ein Schuss ertönte.

„CARTMAN!!!"

„Hey, was sagt man dazu, Jude? Ich hab‘ deinen Arsch gerettet!"

Alles drehte sich um ihn. Der Boden sackte unter ihm weg und er fiel gegen Kyle, der ihn geschickt auffing. Irgendwas stimmte nicht. Er betastete vorsichtig seine linke Körperseite. Ein süßlich-metallischer Geruch drang ihm in die Nase.

„...Das... ist Blut, oder? Wow. Ich hab‘ eine Kugel für dich abgefangen, Jude. Das ist fast zu kitschig, um wahr zu sein, wenn ich mich nicht wie ein Schwein auf der Schlachtbank fühlen würde. Was musstest du auch deine blöde Klappe so weit aufreißen?"

„Cartman...!! Du Trottel...!! Was hast du nur gemacht?!"

„Ich hab‘s dir doch gesagt... Für einen Menschen, den ich liebe, würde ich alles tun. Sogar für ihn sterben, wenn es sein muss. Und ich liebe...!"

Er konnte nicht weitersprechen, ein grauenvoller Schmerz durchzuckte ihn und er schrie auf. Kyle riss einen Teil seines Laborkittels in Streifen und wickelte sie als provisorische Verbände um Erics Körper. Dann zog er sich die Perücke vom Kopf und drückte das dichte Haarknäuel gegen die Wunde, in der Hoffnung, die Blutung damit zu stillen.

Stan kämpfte inzwischen mit Everett. Der Killer war über ihm, hatte seine kräftigen Hände um seinen Hals gelegt und würgte ihn. Aber nicht lange. Jemand packte ihn am Kragen seines Jogginganzugs und schleuderte ihn gegen eine der Maschinen.
 

„Ruft den Notarzt. Ich erledige den Bastard."

„Kenny...!"

„...Du... du lebst noch!? Wie ist das möglich!? Ich habe... ich habe dich aufgeschlitzt!! Deine Gedärme lagen draußen!! Du müsstest tot sein!! Aber deine Verletzung ist einfach... weg!? Wieso... wieso bist du nicht tot!?!"

„Tja, ich bin nicht tot. Oder sagen wir, nicht mehr. Warum? Nun, Owen, ich will offen sein: Ich habe mich immer und immer wieder dasselbe gefragt, aber die Antwort bekam ich erst an meinem dreizehnten Geburtstag. Für dich ist es keine gute Antwort, soviel ist sicher."

Er faltete die Hände wie im Gebet und schloss die Augen.

„Im Namen des Herrn!!"

Aus Kennys Rücken wuchs ein Paar großer schwarzer Flügel. Sie hüllten ihn komplett ein und ein gleißendes Licht erstrahlte. Als sich die prachtvollen Schwingen öffneten, erschien eine schwarzgekleidete Gestalt vor den fassungslosen Menschen in der Halle. Schwarze Stiefel, die am oberen Rand mit einer gezackten Silberborte geschmückt waren. Eine schwarze Hose, die die Figur betonte und darüber ein knöchellanger schwarzer Mantel, dessen Ärmel in silbernen Gelenkschützern endeten. Der Oberkörper war sichtbar, zusammengehalten wurde der Mantel in der Taille von einem breiten silbernen Schmuckgürtel. Um den Hals hing ein schwarzes Lederband mit einem silbernen Kreuz. Kennys Zopf hatte sich gelöst und sein langes blondes Haar fiel frei auf die Schultern. Vervollkommnet wurde sein Äußeres durch die langstielige Sense in seiner rechten Hand und natürlich die Flügel.

„...Ich wusste ja, dass Kenny anders ist als wir... aber so anders? Heilige Scheiße...", murmelte Eric und grinste.

„Sprich nicht, Cartmann, das strengt dich viel zu sehr an! Und deine Stirn wird heiß, du bekommst Fieber! Ruh dich aus, bis der Krankenwagen da ist!"

„Was denn, kein Kommentar zu Kennys Hokuspokus?"

Kyle zuckte die Achseln. „Ich wohne in South Park, ich habe schon eine Menge verrückten Kram erlebt. Das hier ist vergleichsweise harmlos. Aber es ist dafür ziemlich cool."

Er versuchte, aufmunternd zu lächeln, doch es gelang ihm kaum. Die Blutung schien nicht aufhören zu wollen und Cartmans bleiches Gesicht war schmerzverzerrt. Kyle streichelte seine Wange und sprach über Football, um ihn bei Bewusstsein zu halten.

„Das... das sieht tatsächlich so ähnlich aus wie mein Goth-Outfit", erklärte Stan mit kindlichem Erstaunen. Kenny war attraktiv, aber in dieser Form besaß er eine geradezu einschüchternde Schönheit. Etwas Betörendes, Unwirkliches war im Spiel.
 

„...Wer... wer bist du!?"

„Wer ich bin, Owen?"

Seine Stimme war gefährlich ruhig. „Ich bin der Fürst der Schwarzgeflügelten Engel, der Anführer der Krieger Gottes. Ich entscheide über das Ende eines Sterblichen und gewähre Heil oder Verdammnis. Asche zu Asche und Staub zu Staub. Mein Name bedeutet ‚Wem Gott hilft‘. Ich bin der Engel des Todes. Ich... bin Azrael!"

„...Engel des Todes...?!"

„Spreche ich vielleicht undeutlich? Ich bin hier, um dich zu richten und deine verdorbene Seele ins Fegefeuer zu verbannen. Ich habe sie mir angesehen, und glaub mir, das war kein schöner Anblick. Du bist einer von ihnen, den Gebrandmarkten. Gebrandmarkte werden mit einem unsichtbaren Zeichen geboren, das nur Engel erkennen können. Es handelt sich um jene Menschen, die vom reinen Bösen beherrscht werden. Menschen wie deine kleine Freundin Deborah, die ihren Bruder umbrachte. Sie wird in drei Jahren an Lungenkrebs sterben, falls es dich interessiert. Das heißt, so wird die offizielle Diagnose lauten. Einer meiner Mitstreiter wird ihr einen Besuch abstatten. Möglicherweise auch ich persönlich, da sie sich einbildet, dem Tod entgehen zu können. Wenigstens bist du in diesem Punkt klüger als sie."

„Ein unsichtbares Zeichen? Wie... schmeichelhaft."

Azrael war zutiefst angeekelt. Die unverhohlene Befriedigung in der Stimme des Gebrandmarkten widerte ihn an. Wie die meisten von ihnen betrachtete er es als Würdigung seiner Person, als etwas, das ihn von gewöhnlichen Menschen abhob.

„Genug! Lass uns überprüfen, ob du es noch so schmeichelhaft findest, wenn du es spürst!"

Er schulterte die Sense, streckte die Hand aus und der Killer schrie auf. Irgendetwas schien ihm grausige Schmerzen zu bereiten. In heller, wilder Panik riss er sich die Jacke vom Leib und zerrte sein Hemd aus der Hose. Über seinem Herzen glühte ein Brandzeichen, dessen heiße Linien ihm die Haut versengten. Der Buchstabe „P" in altertümlicher Schrift.

„Was ist das!?!"

„Das Zeichen. P für ‚peccatum‘. Sünde. Nun zu deinem Urteil." Azraels Stimme klang plötzlich, als würde sie von einem Lautsprecher verstärkt.

„OWEN EVERETT, DEINE SEELE IST EIN VERSTÜMMELTES, GIERIGES MONSTRUM!!! DU HAST KEINEN FUNKEN MENSCHLICHKEIT IN DIR!!! DU WIRST FÜR ALLE EWIGKEIT IM FEUER DER HÖLLE SCHMOREN UND DIE QUALEN DEINER OPFER TAUSENDFACH ZURÜCKZAHLEN!!! IN NOMINE PATRI...!!!"

Der Engel hob seine furchteinflößende Sense und die Erde begann zu beben. Im Boden klaffte ein Riss, der sich in Richtung Everett ausbreitete. Der Mann versuchte zu fliehen, doch der Riss folgte ihm unbeirrt wie ein Raubtier.

„...ET FILII...!!!"

Der Riss weitete sich unter seinen Füßen zu einem Abgrund. Gnadenlose Hitze empfing ihn, Lava brodelte blubbernd nach oben. Aus der geschmolzenen Masse brachen gigantische Dornenranken hervor, die den kreischenden Everett umwickelten. Im Angesicht seines Untergangs war er nur noch ein wimmerndes Nichts.

„...ET SPIRITUS SANCTI!!!"

Die Sense fuhr hernieder. Meterhohe Flammen loderten auf und verschluckten ihn. Als sie wie ein Strudel in den Abgrund hinab wirbelten, stieß ein schwarzes, schleimiges Etwas, das mit einem Menschen nichts mehr gemein hatte, einen markerschütternden Schrei aus und verschwand. Der Boden glättete sich von selbst. Hinterlassen hatte das Inferno nur den reglosen Körper des Killers.

„Amen", sagte Azrael, während er auf die wertlose Existenz hinuntersah, die er ihrer gerechten Strafe zugeführt hatte.
 

„Ich verstehe nicht... Was ist passiert? Wurde er nicht... Warum ist sein Körper noch da?"

„Ich habe seine Seele in die Hölle geschickt, Stan, nicht seinen irdischen Leib. Seine offizielle medizinische Version lautet Herzschlag."

„Du meinst, dieses schwarze, scheußliche Ding war... war seine Seele!?"

„Ja. Ich sagte doch, dass es kein schöner Anblick war. Gut, dass ich rechtzeitig fertig geworden bin, der Krankenwagen müsste jede Sekunde hier eintreffen."

Er umfasste das silberne Kreuz, es leuchtete kurz auf und im nächsten Moment stand Kenneth McCormick wieder unter ihnen. Keine Minute zu früh, denn Sirenengeheul zerstörte die abergläubische Stille, die sich auf die vier Freunde herabgesenkt hatte und ein Notfallteam polterte in die Fabrik. Eric erhielt eine Erstversorgung und wurde auf einer Bahre in den Krankenwagen geschoben. Einer der Fahrer informierte die Polizei.

„Ihr könnt ruhig mitkommen, Jungs", bemerkte die leitende Notärztin. „Sergeant Yates wird schon bei euch anklopfen, wenn er euch braucht - mit anderen Worten, nicht vor morgen. Steigt ein, ihr seht sehr erschöpft aus."

„Vielen Dank, Ma‘am."

Sie kletterten ins Auto und fuhren mit Blaulicht zum Hell‘s Pass. In der Notaufnahme scheuchte man sie sofort in den Wartesaal, der wohl wegen Halloween wie leergefegt war. Aber das konnte auch damit zusammenhängen, dass das Hospital keinen besonders guten Ruf genoss. Wie auf der Polizeistation gab es auch hier nur eine geringe Anzahl wirklich kompetenter Fachkräfte. Zwei davon schienen der Arzt mittleren Alters und die wie aus dem Ei gepellte Krankenschwester zu sein, die nach einiger Zeit zu ihnen kamen. Vermutlich waren sie beide neu. Neue Leute von außerhalb waren meist kompetent, hielten es nur leider nicht allzu lange in South Park aus.

„Sie sind Kyle Broflovski, Kenny McCormick und Stan Marsh? Freut mich. Ich bin Doktor Bradford, der neue Oberarzt. Ihr Freund, Eric Cartman, hat zwei Schusswunden davongetragen, sowie eine Schnittverletzung. Die erste Schusswunde am linken Unterschenkel wurde ihm bereits vor mehreren Tagen zugefügt und hat sich vor kurzem entzündet, daher das beginnende Fieber und die flache Atmung. Er befindet sich im Anfangsstadium einer Sepsis."

„Ist das schlimm?"

„Kommt darauf an, was Sie unter ‚schlimm‘ verstehen, Mr. Marsh. Sie kennen die Diagnose ‚Sepsis‘ vielleicht eher unter dem Ausdruck ‚Blutvergiftung‘, der fachlich zwar falsch, aber allgemein bekannt ist. Nach Herzinfarkt und Aids ist sie die dritthäufigste Todesursache. Die zweite Kugel ist in den Bauchraum eingedrungen und wird nicht leicht zu entfernen sein. Ich kann Sie jedoch beruhigen, das Geschoss hat keine lebenswichtigen Organe verletzt und die Infektion am Bein ist auch noch nicht lebensbedrohlich. Wenn Mr. Cartman nach der OP, auf die wir ihn gerade vorbereiten, gut auf die Antibiotika anspricht, sollte seiner Genesung nichts im Wege stehen. Was mir ein wenig Sorgen macht, ist der Blutverlust. Er hat eine extrem seltene Blutgruppe und ich weiß nicht, ob dieser Saftladen genug Konserven AB negativ vorrätig hat." Er hüstelte verlegen. „Habe ich das Krankenhaus einen ‚Saftladen‘ genannt?"

„Das verschafft Ihnen bei uns nur Pluspunkte, glauben Sie mir."

„...Ich... ich könnte Ihnen helfen, Sir!"

„Sie, Mr. Broflovski? Inwiefern?"

„Ich habe Blutgruppe AB negativ."

„Ist das Ihr Ernst? Nun, warum eigentlich nicht? Eine Rückversicherung für den Notfall kann nicht schaden. Wie alt sind Sie?"

„Siebzehn."

„Oh. Nun, dann bräuchte ich eine schriftliche Genehmigung Ihrer Eltern."

„Warum? Ich dachte, Blutspenden ist bei uns ab sechzehn Jahren erlaubt!"

„Das hängt vom jeweiligen Staat ab. In Colorado müssen Sie achtzehn sein - oder siebzehn, mit einer schriftlichen Genehmigung des Erziehungsberechtigten."

„...Wie soll ich das machen!? Meine Eltern wissen nicht mal, dass ich hier bin! Sie denken, ich bin auf unserer Schulparty!"

„Schwester Morris wird sich darum kümmern. Es soll ja auch nur für den Notfall sein und Ihre Eltern werden doch sicher Verständnis dafür haben, dass Sie einem Freund helfen wollen. Es ist schließlich nicht gesagt, dass wir Ihr Blut brauchen werden. Schwester Morris wird Ihre Eltern benachrichtigen, sie kommen her und dann unterschreiben sie das Formular."

„Sie kennen meine Mutter nicht...!"

„Ich kann die Schwester bitten, Ihren Vater zu verlangen. Wäre Ihnen das lieber?"

Kyle nickte und folgte der Krankenschwester zum Empfangszimmer. Doktor Bradford kehrte zu seinem Patienten zurück und Stan und Kenny verblieben allein im Wartesaal. Sie saßen sich gegenüber und schwiegen.

„..."

„..."

„...Also... du... bist ein Engel?"
 

Die schönen Lippen des Blonden verbreiterten sich zu einem melancholischen Lächeln. „Ja und nein. Die korrekte Bezeichnung für das, was ich bin, ist ‚Astralwirt‘. Ich bin der menschliche Träger einer Engelsseele."

„...Hä?"

„...Oh Mann, wo genau soll ich anfangen? Sagt dir der Ausdruck ‚Höllenportal‘ etwas?"

„Hat das was mit dem ‚Schlund der Hölle‘ zu tun?"

„Das ist das gleiche. Jedenfalls: Es existieren insgesamt 666 Höllenportale auf der Erde, durch die Dämonen in unsere Welt gelangen können. Dabei kann nicht jedes Portal von jeder Art von Dämon benutzt werden. Das erste Höllentor ist zum Beispiel kaum größer als ein Taschenkalender und nur winzige Dämonen mit sehr wenig Macht benutzen es. Sie sind keine Gefahr, sondern treiben nur Schabernack mit den Menschen - die Autoschlüssel verstecken, die Milch überlaufen lassen, das Klo verstopfen, solche Sachen. Würde ein mächtiger Dämon versuchen, die Erde durch dieses Portal zu betreten, würde es kollabieren. Es könnte dem Druck der magischen Aura nicht standhalten. Je höher die Nummer des Tores ist, desto leichter können Dämonen mit stärkeren Kräften bei uns eindringen und weit mehr Schaden anrichten als ein verstopftes Klo - Unfälle, bei denen Tiere oder Menschen sterben, Überschwemmungen, Brände, Erdbeben. Das bedeutet nicht, dass jede Katastrophe automatisch auf einen Dämon zurückzuführen ist, aber in fünfzig Prozent der Fälle ist es so. Die mächtigsten Dämonen, die Stürme, Fluten oder Infernos von apokalyptischen Ausmaßen hervorrufen können, verwenden natürlich die sieben mächtigsten Portale, Nummer 660, 661, 662, 663, 664, 665 und 666. Von diesen ist nur Nummer 666 stark genug, um Satan und seinen Sohn durchzulassen, ohne in sich zusammenzufallen. Es ist auch das größte aller Tore."

„...Wow. Und du behauptest, Dämonen steigen regelmäßig hinauf zur Erde, um uns das Leben zu vermiesen? Sollten wir dann nicht schon längst von ihnen überrannt worden sein?"

„Nein. Jedes der Portale hat einen himmlischen Wächter, der die ungebetenen Gäste wieder in die Unterwelt zurückschickt, wenn sie zu übermütig werden. Er kann es auch versiegeln, allerdings nur für einen Zeitraum von dreimal neun Tagen, und danach muss er sechsmal sechs Tage warten, bis er es wieder tun darf. Das hängt mit dem Gleichgewicht von Gut und Böse zusammen - und mit dem Vertrag zwischen Gott und Satan, der da besagt, dass nur eine bestimmte Anzahl von Dämonen innerhalb eines Jahres ein Portal passieren darf und außerdem die Immunität der Wächter garantiert. Soll heißen, keiner der Dämonen darf sich beschweren, wenn er von einem der Engel konfrontiert wird. Er hat sich ohne Gegenwehr zurückzuziehen. Sollte er versuchen, den Wächter zu töten, ist sein Leben verwirkt."

„...Kann man denn einen Engel auf Dauer töten?"

„Du meinst, weil ich immer wieder auferstehe? Ja, es ist möglich. Die Astralkräfte eines Engels sind in seinen Flügeln gespeichert. Werden sie abgeschnitten, wird seine Verbindung zu Gottes heilender Macht unterbrochen und die Selbstheilung setzt nicht ein. Ein Engel kann zwar ohne Flügel überleben, aber er wird durch ihren Verlust sterblich und müsste in einem Krankenhaus versorgt werden wie jeder normale Mensch. Er kann somit auch sterben wie jeder normale Mensch. Natürlich reicht es nicht, nur einen Flügel abzuschneiden, es müssen beide sein."

„Aha. Interessant."

Stan zerbrach sich den Kopf, was er als nächstes fragen sollte. Er kam sich ungeschickt und dumm vor. Kennys ungewohnt ernste, würdevolle Ausstrahlung und das wissende Lächeln ließen ihn irgendwie größer und imponierender wirken, obwohl er in seinem schäbigen Kostüm steckte. Und seine Augen, die ihn unverwandt anstarrten... was sahen sie in ihm? Blickten sie in seine Seele, wie bei Everett? Bei diesem Gedanken fühlte sich Stan mehr als unbehaglich. Die Vorstellung, seine Seele könne nackt und ungeschützt der unergründlichen Tiefe dieses Blicks ausgesetzt sein, ließ ihn schaudern. Er wandte das Gesicht ab.

„Stan?"
 

Er hörte, wie der andere sich bewegte. Kenny sank vor seinem Freund auf die Knie und legte eine Hand an seine Wange. „Du zitterst, Stan. Hast du... hast du Angst vor mir?"

„Ich... ich weiß es nicht. Das ist alles ein bisschen viel." Er lachte gekünstelt. „...Ich kenne dich seit meinem dritten Lebensjahr, Ken. Ich war mir sicher, zu wissen, wer du bist. Aber jetzt... na ja, jetzt bist du so... anders. Irgendwie. Ich kann es nicht richtig erklären, es ist einfach..."

„Fürchtest du, dass ich in deine Seele hineinschaue?"

„...Ja."

„Nein. Ich kann das nur, wenn ich deine Stirn berühre und mich konzentriere. Bitte hab‘ keine Angst, Stanley. Ich würde niemals ohne deine Erlaubnis in deine Seele blicken."

Der Ältere war unfähig zu antworten. Er sah das goldene Haar, die kecke Nase, den makellosen Mund... und diese reinen, himmelblauen Augen, die ihn unter das unwiderstehliche Joch ihres Zaubers zwangen. Fast gegen seinen Willen fiel ihm der Kuss wieder ein, den sie beim Flaschendrehen getauscht hatten. Er erinnerte sich an die Wärme dieser Lippen...

„...Warum sind deine Flügel und deine Kleidung eigentlich schwarz? Weil du der Engel des Todes bist?" Kenny stand auf und setzte sich neben Stan.

„Es hat damit zu tun. Es gibt mehrere schwarzgeflügelte Engel, zum Beispiel elf weitere Engel des Todes, zwölf Engel der Rache, sechs Engel der Bestrafung, einige Engel des Schreckens, die gezielt Verbrecher verfolgen, ein paar Engel der Vernichtung..."

„Okay, die schwarzgeflügelten Engel sind also für die unangenehmen Sachen zuständig?"

„Genau. Wir führen auch den Titel ‚Krieger Gottes‘ im Gegensatz zu den weißgeflügelten Engeln, die sich die ‚Hüter Gottes‘ nennen und über die Schöpfung wachen. Sie besitzen die Gabe, andere zu heilen, können jedoch niemanden verletzen oder töten, während wir verletzen und töten, aber nicht heilen können. Die einzigen weißgeflügelten Engel, die das Recht genießen, sowohl Leben als auch Tod zu bringen, sind die sieben Engel des Himmlischen Gerichts: Metatron, Sandalphon, Camael, Michael, Raphael, Gabriel und Uriel. Uriel ist offiziell der Engel der Vollstreckung, deshalb gilt er als mein direkter Vorgesetzter. Ich selbst bin ein Seraph, ein Engel des Ersten Ranges, Erster Chor. Das heißt, Azrael ist ein Seraph."

„Das verstehe ich nicht. Du bist doch Azrael, oder nicht?"

„Ich bin sein Astralwirt, ein Mensch, der mit einer Engelsseele geboren wurde. Meine Aufgabe ist es, eines der Höllenportale zu bewachen. Je mächtiger das Portal, desto mächtiger sind die Dämonen, die es passieren können und desto mächtiger ist auch der Engel, der es beschützt."

Stan musterte ihn von der Seite und eine dunkle Ahnung beschlich ihn.

„...Ken. Du lebst in South Park. Du... du willst doch nicht etwa andeuten, dass...!?"

„...unter unserer Stadt das 666. Höllenportal vor sich hin schwelt? Nein, warum auch, bei dem ganzen surrealen Mist, der hier stattfindet? Und dass der Sohn Satans ausgerechnet bei uns zur Schule geht, ist ein unglücklicher Zufall!"

„Ach du Scheiße...!"
 

„Ich will es dir erklären. Engel können nur für einen begrenzten Zeitraum auf Erden wandeln, nämlich drei Tage: Einen im Namen von Gott Vater, einen im Namen von Gott Sohn und einen im Namen des Heiligen Geistes. Nun sind die Portale aber Schnittstellen zwischen der Menschenwelt und der Hölle und müssen ständig im Auge behalten werden. Um es also einem Engel zu ermöglichen, länger als drei Tage die Sphäre der Sterblichen zu besuchen, ohne ihm gleich die Flügel abzuschneiden, werden Körper und Seele des Engels, der als Wächter ausgewählt wurde, voneinander getrennt. Der Körper wird in Kristall eingeschlossen und für dreimal drei Menschengenerationen in der ‚Halle der Wächter‘ im Neunten Himmel verwahrt. Das ist sozusagen die ‚Jobdauer‘. Die Seele wird zur Erde geschickt und vereint sich dort mit ihrem Astralwirt, jenem Menschenkind, das ausersehen wurde, der nächste Wächter zu sein. Das Kind ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren, die Mutter befindet sich erst im dritten Monat. Und bevor du fragst - dreimal drei Menschengenerationen sind dreimal neunundneunzig Jahre. Heilige Dreifaltigkeit und so, deshalb ist die drei eine sehr wichtige Zahl und jedes Vielfache von ihr auch. Nach dem Tod des ersten Astralwirts wird ein neues Kind erwählt und das Ganze beginnt von vorne. Stirbt der dritte Astralwirt, kehrt die Seele in den Himmel zurück und ein anderer Engel übernimmt für die nächsten dreimal drei Menschengenerationen die Aufgabe, Portal XYZ zu bewachen. Du siehst, ich bin zwar Azrael, weil ich mit seiner Seele geboren wurde, aber ich bin trotzdem zuerst und vor allem Kenny McCormick! Meine Erinnerungen sind die von Kenny McCormick! Über Azraels Leben weiß ich nichts, außer den Dingen, die Gott mir erzählt hat... mit dem ich übrigens telepathisch verbunden bin, falls ich das noch nicht erwähnt habe."

„Ehrlich? Cool! Aber was meinst du mit ‚Tod des Astralwirts‘? Du bist doch unsterblich, du kommst immer wieder!"

„Das ist richtig, doch meine Dienstzeit hat ein Ende, sobald ich neunundneunzig bin. Meine Engelsseele wird einen ziemlich rüstigen und weitgehend gesunden Großvater aus mir machen, ja, aber eben einen Großvater. Ewige Jugend besitze ich nicht. Ich werde alt werden und sterben, wie jeder Mensch. Darauf freue ich mich schon."

„Du freust dich darauf?"

„Logisch. Ich möchte mein Leben leben - und dann möchte ich irgendwann die Augen schließen und für immer einschlafen. Glaubst du etwa, es macht mir Spaß, überfahren, verbrannt, geköpft, gefressen, aufgespießt, gevierteilt, erschlagen, zerquetscht, erschossen, gehängt oder erwürgt zu werden!?! NEIN!!! Ich fühle die Schmerzen, jedes - verdammte - Mal!!! Ich habe Gott einmal gefragt, warum ich das ertragen muss. Er sagte, dass ich einige meiner Todesfälle den Dämonen zu verdanken hätte, die den Frieden zwischen Himmel und Hölle sabotieren wollen und deshalb die Wächter attackieren. Vor meinem dreizehnten Lebensjahr war ich noch nicht offiziell ‚im Dienst‘ und konnte meine Kräfte nicht nutzen, und so mussten sie keine Strafe fürchten. Die ‚Leben verwirkt‘-Klausel bezieht sich auf vollwertige, eingeweihte Astralwirte, nicht auf kleine Kinder. Seit ich als Azrael erwacht bin, hat das fast aufgehört, ich sterbe jetzt meistens aus dem Grund, aus dem alle Astralwirte hin und wieder abkratzen."

„Und der wäre?"

„Ich nehme den Tod eines anderen auf mich. Stell dir vor, ein Mädchen droht überfahren zu werden. Geschieht das im Wirkungskreis eines Astralwirts, wird der Astralwirt, selbst wenn er kilometerweit von dem Ort des Unfalls entfernt ist, im selben Moment über die Straße gehen und an ihrer Statt sterben. Ich bin der mächtigste amtierende Astralwirt, mein Wirkungskreis ist ganz Colorado. Anfang September wurde ein fünfjähriger Junge in Denver unter einem Strommast begraben, doch er überlebte, nur leicht verletzt. Ich hatte nicht so viel Glück."

„Du bist für ihn gestorben?"

„Ja. Für ihn... und viele andere."
 

Sie schwiegen eine Weile, bis Stan leise sagte: „Du bist der tapferste Mensch, den ich kenne. Ich wusste schon immer, dass du etwas Besonderes bist."

Kenny wurde rot. „Mach keine Witze!"

„Mache ich nicht. Du bist ein Held, Ken. Ich habe nie über den Tod nachgedacht, während du schon so oft auf unzählige schreckliche Arten gestorben bist!" Er griff nach seiner Hand. „Und nun erfahre ich, dass du als Krieger Gottes die Welt vor dem Bösen verteidigst! Ich weiß nicht, ob ich den Mut und die Kraft hätte, diese Verantwortung zu tragen - noch dazu mit diesem tödlichen Handicap und all den grausamen Schmerzen, die damit verbunden sind!" Er führte die Hand an seine Lippen und küsste sie sanft. „Du bist wundervoll, Ken."

Kenny glotzte wie hypnotisiert auf seine Hand, sein Herz begann zu rasen. Stans saphirblaue Augen fesselten ihn und seine Worte brachten etwas in ihm zum Klingen. Auch nachdem er von Gott über seine Funktion aufgeklärt worden war, hatte er sich nie als einen Retter der Welt empfunden, sondern nur als Menschen mit einer... nun, reichlich abgefuckten Bestimmung. Und jetzt hatte ihm einer seiner besten Freunde gesagt, dass er ein Held war.

„...Stan..."

Es rumpelte, die Tür zum Wartesaal flog auf und ein nach Atem ringender Gerald Broflovski stolperte herein. „Ist Kyle nicht bei euch? Da kriege ich vor zehn Minuten einen Anruf, mein Sohn, den ich sicher auf der Schulparty wähnte, teilt mir mit, dass er im Krankenhaus ist und den entführten Eric Cartman gefunden hat und gerne eine Blutspende abgeben will und ob ich nicht schnell die Genehmigung unterschreiben könnte...!! Was soll das heißen, er hat Eric gefunden!? War der nicht angeblich in der Gewalt eines Serienkillers!? Der Junge hat den Verstand verloren, jawohl! Er kann froh sein, dass seine Mutter gerade in der Badewanne sitzt und ich mich davor drücken konnte, ihr das alles zu erzählen! Ist ihm klar, dass Sheila uns einen Kopf kürzer machen wird!?"

„Dad? Hier bin ich!"

Gerald schoss herum und fuchtelte wild mit den Armen. „Da bist du ja, du Nagel zu meinem Sarg! Bist du des Wahnsinns fette Beute, auf eigene Faust ein Entführungsopfer zu suchen!? Weißt du, was deine Mutter dazu sagen wird!? Ich sage dir, was sie sagen wird: ‚Wo ist der verdammte Bengel, damit ich ihm den Hals umdrehen kann?!‘ Und danach wird sie ihn mir umdrehen!"

„Dad, wenn du damit fertig bist, Randy Marsh 2.0 zu spielen - nichts für ungut, Stan - , dann lies bitte dieses Formular und unterschreib."

„Warum willst du ausgerechnet für Eric Cartman Blut spenden? Ihr seid keine Freunde!"

„Doch. Ich meine, wir sind keine richtigen Freunde, das stimmt schon, aber wir sind... etwas. Außerdem hat er sich zwischen mich und eine Kugel geworfen, okay? Ich will ihm helfen!"

„Er... er hat was!?"

„Er hat sich zwischen mich und eine Kugel geworfen", wiederholte Kyle, den Blick gesenkt.

»...Cartman, du Blödarsch! Was fällt dir ein?! Du warst verletzt, du hattest Schmerzen, und trotzdem...! Scheiße...! Du hast die Wahrheit gesagt! Du liebst mich wirklich! Das ist so verrückt... völlig verrückt! Ich meine, im Ernst... wie kannst du dein Leben für einen Kerl riskieren, der dich verabscheut!? Du bist ein Idiot! Idiot... Idiot... Idiot...!!«

Gerald betrachtete seinen Sohn, sah die zusammengepressten Lippen, die bebenden Schultern, die geballten Fäuste. Wortlos nahm er ihm das Formular aus der Hand, las es aufmerksam durch und unterschrieb. „Eric muss dich sehr gern haben."

„Ja. Er hat mich...sehr gern."

„Das ist... unerwartet."

»Oh Dad, du hast ja keine Ahnung...!«

Kyle eilte zu Schwester Morris, um ihr die Erlaubnis zu zeigen und die Blutspende durchführen zu lassen. Er kam sich vor wie ein Gefäß, das bis oben hin mit Scham und Schuld gefüllt war. Cartmans Liebe nicht zu bemerken und aufgrund ihrer Vergangenheit nicht an sie zu glauben, war eine Sache. Aber sie aus dieser Überzeugung heraus gegen ihn zu verwenden, ihn bloßzustellen, war boshaft und falsch. Umso mehr, da Cartman die Tiefe seiner Gefühle heute bewiesen hatte. Er war bereit gewesen, für ihn zu sterben.

„Ich liebe dich, Kyle. Ich brauche dich, so, wie Pflanzen den Regen brauchen. Du bist meine Luft zum Atmen, die Sonne an meinem Himmel. Du machst alles besser - du machst mich besser. Du hast mir meine Fehler, meine Schwächen, meine Irrtümer und meine Dummheiten aufgezeigt. Du hast mir ein Gefühl eingeflößt, das ich vorher nicht kannte, ein Gefühl, das begonnen hat, mich zu verändern. Du hast mein Herz zum Leben erweckt."

Er war bereit gewesen...

...für ihn zu sterben...!
 


 

Ja, damit wäre Kennys Geheimnis gelüftet, er ist ein Engel bzw. Astralwirt, der in Gottes Diensten steht und die Dämonen in South Parks hauseigenem Höllenschlund in Schach hält. Ich möchte mich an dieser Stelle für die langen Erklärungen entschuldigen, aber seit Kenny als Mysterion enthüllt wurde, habe ich gehofft, dass mit der Idee "Kenny kann nicht sterben" noch mehr passieren würde. Die Coon-Trilogie zeigt ja, dass Kennys Freunde immer wieder vergessen, dass er stirbt, was sehr viel besser funktioniert hätte, wenn das in früheren Staffeln auch so gewesen wäre (ich denke da an eine Episode, wo Kenny aus dem Nichts wieder in die Szene pufft, direkt vor Cartmans Nase, und Cartman sagt ganz unbeeindruckt: "Hi, Kenny."). Andererseits würde es erklären, warum alle so fertig sind, als er in "Kenny Dies" wirklich für immer sterben soll... Das Problem ist, dass Kennys Tode vorher nichts weiter waren als ein Running Gag, und einen Running Gag im Nachhinein zu etwas komplexerem zu machen, ohne dass es Widersprüche gibt, ist schwer. Ich habe lange über Kennys "Anderssein" nachgedacht und diese Lösung gefiel mir am besten. Sie ist etwas ausführlich geraten, aber ich mag keine halbgaren Sachen und offengelassene Fragen. Ich hoffe, dass es für Euch spannend und interessant war und bedanke mich für Eure Aufmerksamkeit! *verbeugt sich* Bis zum nächsten Mal!



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  MoonlightWhisper
2014-03-23T20:17:13+00:00 23.03.2014 21:17
WoW. Die Idee mit Kenny ist einfach großartig :)
Ich liebe deinen Schreibstile und freue mich mehr von dir zu lesen.
Bitte schreib schnell weiter ;)
Von:  -Nox-
2014-03-20T15:03:55+00:00 20.03.2014 16:03
*~* Ich muss Moonie unter mir glatt zustimmen. Wie immer ein großartiges Kapitel. Mir gefielen die Gedanken von Cartman sehr gut. Und ich bin auch immer noch begeistert davon in welcher Art und Weise du Kenny Sterben eine Sinn gegeben hast. (ich wäre niemals auf so eine Idee gekommen). In den Situationen zwischen dem Wahnsinnigen und Cartman hatte ich wirklich Gänsehaut. Es ist großartig geschrieben, wirklich unglaublich! Man fühlt sich direkt in das Geschehen mit einbezogen und kann mit den Charakteren SO DAMN gut mitfühlen~
Was hab ich mich gefreut das es weiter ging~ Du bist n großartiges Schreiberlein und ich genieße jedes Wort welches du zu einem Satz formst~
Weiter so!
Von:  Moonie-chan
2014-03-18T11:56:18+00:00 18.03.2014 12:56
.... *////*
Wow!! Ich hab es gleich gelesen, als ich entdeckt hatte, dass es ein neues Kapitel gibt!
Ich finde es gut, dass du versucht hast, Kennys ewigem Sterben einen Sinn zu geben - und da in South Park wirklich ständig irgendwelche abgedrehten Dinge passieren, fand ich das auch nicht allzu hochgegriffen!

Kyle und Cartman...was soll ich sagen? *///* Es ist perfekt XD Bei Cartmans Gedanken über seine Mutter hab ich fast geheult :'D Echt jetzt. Voll peinlich *drop*

Und OMG!! Danke, danke, danke, dass du mich am Anfang des Kapitels erwähnt hast!! *////* Als ich es gesehen habe, bin ich vor Glück innerlich voll ausgerastet (Peinlicher Moment Nr. 2 XD")! Ich hab mich sooo krass darüber gefreut, weil ich gesehen habe, dass du dich darüber gefreut hast und genau das war meine Intention :)
Danke nochmal! Das hat mir echt den Tag versüßt!
Und danke für das tolle Kapitel!
Mach weiter so! Ich bin wirklich gespannt darauf, wie es weitergeht! >///< Kann es kaum erwarten!


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