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Missing Leonardo

Ezio/Leonardo, (Altaïr/Malik)
von

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Kapitel 2 - Gedanken

"Ezio, mein Junge, da seid Ihr ja! Wir dachten schon, es sei etwas schief gegangen, da Ihr nicht zu genannter Stunde hier wart!", rief Mario laut aus und kam mit weit ausgebreiteten Armen auf ihn zu. Schweigend ließ Ezio die bärenhafte Umarmung über sich ergehen. Sein Onkel legte seine riesigen Hände an seine Schultern und sah ihm noch einen Moment lang in die braunen Augen, ehe er sich seinem Freund Luigi und dessen Familie zuwandte.

"Ah, amico mio! Und die wundervolle Anetta! Pietro! Seid Willkommen, kommt herein, herein!", begrüßte er nun den Rest der geschlauchten Truppe, die gerade die Stufen zur Villa Auditore hoch gestiegen waren. "Ich hatte nie daran gezweifelt, dass mein Neffe euch heil hier her bringen würde."

Er zwinkerte Ezio zu.

Doch dieser erwiderte es nur mit einem angedeuteten Lächeln, ehe sein Blick wieder ins Leere abschweifte. Er war gerade nicht in der Stimmung für überschwenglichen Empfang, oder die Feier, die unumgänglich folgen würde.

Luigi warf ihm einen besorgten Blick zu. Nicht lange, aber lange genug, damit auch Mario merkte, dass etwas nicht stimmte.

"Was ist los, nipote? Ist etwas passiert?"

Ezio schüttelte ausdruckslos den Kopf.

"Nein, Onkel. Es ist alles in Ordnung, Ihr müsst Euch nicht sorgen. Es war nur ein anstrengender Tag und ich würde mich ganz gerne ein wenig ausruhen."

Es war nicht seine Stimme, die Mario stutzig machte, nein, sie klang fest und überzeugend. Es waren viel mehr Ezios Augen, die ihm verrieten, dass er nicht die Wahrheit sagte. Doch beließ er es fürs Erste dabei.

"Nun gut, dann geht, aber wir müssen später noch einmal reden.", flüsterte er ihm zu, dann wandte er sich wieder an Luigi und Anetta. "Aber ihr beide leistet mir doch noch Gesellschaft, meine Lieben, nicht wahr?"

Luigi nickte lachend, doch seine Frau sah besorgt zu ihrem Sohn.

"Ich weiß nicht... Pietro müsste schon lange im Bett sein!", führte sie nachdenklich an. Doch ihr Mann legte ihr beruhigend eine Hand auf den Unterarm und entgegnete voller Wärme: "Mia colomba, meinst du nicht auch, dass wir heute eine Ausnahme machen können? Nur dank Ezio hier sind wir überhaupt in der Lage unseren Sohn Schlafen zu schicken. Nicht auszumalen, was passiert wäre, hätte er nicht..."

Er ließ den Satz offen in der Nacht verklingen, um noch mehr Ausdruck hinein zu legen. Seine Frau nickte und ließ den Kopf hängen.

"Ja, du hast ja recht. Es ist nur, sieh ihn dir doch an, seine Augen fallen schon zu."

Ezio sah von Mann und Frau hin und her, dann betrachtete er den kleinen Pietro, dessen Augen wirklich schon halb geschlossen waren.

"Wenn Ihr erlaubt, signora, nehme ich ihn mit zu mir, dort kann er sich ausschlafen und bekommt von der Feier nichts mit. Ich werde selbst verständlich auf ihn aufpassen.", bot er sich an. Irgendwie verspürte er den Drang, den Jungen beschützen zu müssen. Sanft wuschelte er durch dessen dunkles Haar.

Anetta schien kurz zu überlegen.

"Aber Ihr wolltet Euch doch selbst ausruhen.", versetzte sie. Es schien, als suche sie nur nach eine Ausrede, um ebenfalls der Feier zu entkommen. Luigi hingegen sah Ezio zur Hälfte dankbar, zur anderen Hälfte flehend an. Er würde dieses Angebot nur zu gerne annehmen. Innerlich lächelte Ezio. Er verstand den Mann.

"Das ist schon okay, signora. Hauptsache für mich ist, dass es nicht so laut ist. Ich werde mich auch so ausruhen können."

Pietros Mutter dachte fieberhaft nach. Doch als ihr vermutlich keine weiteren Gegenargumente mehr einfielen, willigte sie ein.

"Grazie, Ezio, mein Freund. Wir verdanken Euch heute wirklich sehr viel.", sagte Luigi zum Abschied und umfasste Ezios Handgelenk. Dieser erwiderte den Gruß und ein wissendes Lächeln trat kurz auf seine Lippen. Als er jedoch zu sprechen begann, war es bereits wieder verflogen:

"Nichts zu danken, amico mio. Jeder Zeit wieder."
 

Ezio stieß die Tür zu seinem Zimmer mit einer Hand auf. An der anderen Hand hielt sich Pietro mit vor Erfurcht weit aufgerissenen Augen fest. Noch nie zuvor hatte er einen Fuß über die Türschwelle einer solch beeindruckenden Villa gesetzt. Und nun würde er gleich auch noch in die privaten Gemächer ihres Retters und seines großen Vorbildes sehen!

Ezio schmunzelte über die Naivität des Jungen.

Wie leicht er zu beeindrucken war!

"Na komm, Pietro. Lass uns gehen.", trieb er ihn weiter an. Den ganzen Weg bis hier hin war der Kleine immer wieder fasziniert stehen geblieben und hatte über Dinge gestaunt, die für Ezio alltäglich waren und er so stets daran vorbei ging, ohne ihnen besondere Achtung zukommen zu lassen. Immer wieder hatte Pietro gefragt, was Dies war, was Das war und wofür es gebraucht wurde. So war der eigentlich nicht lange Weg für Ezio schier unendlich geworden und er hatte erleichtert aufgeatmet, als sie seine Tür erreicht hatten.

Sanft schob er ihn durch die Tür und schloss diese hinter sich wieder.

Was hatte er sich nur dabei gedacht? Er wollte doch nur seine Ruhe haben. Und jetzt hatte er einen kleinen Quälgeist am Hals. Eigenverschuldet.

Er seufzte.

Jetzt standen sie vor der Leiter, die hinauf in das eigentliche Zimmer führte, und wieder kam der Kleine nicht aus dem Staunen heraus.

Das konnte ja eine lange Nacht werden!

Seit Anetta eingewilligt hatte, dass Pietro bei Ezio schlafen würde, war dieser urplötzlich hell wach gewesen. Unaufhörlich hatte er vor sich hin gebrabbelt und Ezio von einer bestaunenswerten Merkwürdigkeit, wie einer venezianisch verzierten Kommode aus Teakholz, zur nächsten gezogen.

Endlich war auch Ezio oben angekommen und streckte sich, ausgiebig gähnend.

"Bist du nicht mehr müde, Kleiner?", fragte er und kniete sich vor Pietro. Dieser schüttelte heftig den Kopf und rannte schon wieder los, um das Zimmer genau in Augenschein zu nehmen.

Der Assassine ließ den Kopf hängen. Das war ein Gegner, den er nicht besiegen konnte: Die Ausdauer und Unberechenbarkeit eines Kindes.

Ein Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass es nicht mehr viele Stunden bis zur Morgendämmerung waren.

Erschöpft ließ er sich auf sein Bett sinken und beobachtete das hin und her Huschen seines Besuchers.
 

Es klopfte leise an der Tür und Ezio sah auf.

Wer mochte das wohl sein? Es war bestimmt nur noch eine Stunde, bis der Morgen grauen würde...

Schwerfällig erhob er sich vom Bett, achtete jedoch darauf, so leise wie möglich zu sein. Er wollte den kleinen Pietro nicht wecken, der nun doch endlich schlief. Ezio hatte neben ihm liegen und als Kopfkissen dienen müssen, doch letzten Endes war der Kleine eingeschlafen.

Lautlos schlich sich der Assassine die Leiter hinunter zur Tür zurück. Doch noch bevor er diese öffnete, hörte er das Kichern eines Mädchens.

Ein wenig gereizt atmete er tief durch und zog die Tür auf.

Vor ihm standen drei leichtgekleidete Kurtisanen, die ihn aus verführerischen Augen anblickten und gurrten, nur von gelegentlichem Gekicher unterbrochen. Ezio konnte dich schon denken, wer die drei Mädchen angeheuert haben musste. Sein Onkel!

"Bello mio, dürfen wir reinkommen? Du wirst es nicht bereuen...", hauchte eines der Mädchen. Sofort kicherten die beiden anderen.

Die Erste schlang ihre Arme um Ezios Hals, ohne seine Antwort abzuwarten.

Ezio verstand sich selbst nicht. Normalerweise hätte er diese Gelegenheit mit einem riesigen Grinsen im Gesicht nur all zu gerne wahrgenommen. Er hätte alles stehen und liegen gelassen, um sich ein paar schöne Stunden mit den Mädchen zu machen. Doch heute wollte er es einfach nicht!

Stattdessen wollte er die drei Hübschen nur so schnell wie möglich wieder los werden, um weiter seinen Gedanken nach zu hängen. Während Pietro in seinem Bett schlief, hatte Ezio daneben gesessen und auf ihn aufgepasst.

Es war fast wie damals, als er neben Petruccios Bett gesessen und diesen beruhigt hatte, als dieser aus Furcht vor dem wütenden Gewitter nicht schlafen konnte. Lange hatte er die Hand seines Bruders gehalten und ihm Geschichten erzählt, über die Petruccio lachen konnte. Solange, bis er eingeschlafen war. Meistens war Ezio aber noch eine Weile neben seinem Bruder sitzen geblieben und hatte ihn lächelnd betrachtet.

"Pietro scheint Petruccio in vielen Dingen ähnlich zu sein", dachte der junge Auditore bei sich und lächelte schwach.

"Ah, unser Süßer will unsere Künste also doch selbst beurteilen", gurrte eines der Mädchen in Ezios Armen.

Erschrocken kehrte dieser in die Realität zurück. Er hatte die Kurtisanen vollkommen vergessen.

"Nein. Nein, heute nicht, meine Hübschen. Ich möchte nur noch schlafen", lehnte er freundlich ab.

"Oh, aber das kannst du doch. Lass uns nur machen, es wird dir gut tun!"

"Ihr versteht nicht. Ich möchte allein sein."

Mit diesen jetzt doch schroffen Worten knallte er die Tür zu und schlenderte zurück in sein Zimmer. In Gedanken war er schon wieder bei Petruccio.

Wie wäre es wohl gewesen, wenn er nicht...? Wenn er sein Leben hätte leben dürfen? Wie wäre er aufgewachsen? Was für ein Mann wäre aus ihm geworden?

Fragen über Fragen, auf die Ezio niemals eine Antwort bekommen würde. Eine stille Träne lief ihm über die Wange und sein Herz wurde schwer.

Niemals wieder würde ihm sein kleiner Bruder freudig strahlend entgegen rennen, wenn er nach Hause kam. Nie würde er ihm beibringen, wie man kämpfte. Niemals mehr würde er mit Petruccio sprechen können, würde nie wieder sein hohes Lachen hören, welches selbst Engel schmelzen ließ.

"Warum hat man dich mir genommen? Wieso wurde dein kurzes Leben schon beendet, noch bevor du wirklich leben konntest?", schrie er in seinen verzweifelten Gedanken.

Er hatte nie mit jemandem über den schmerzlichen Verlust seiner Brüder und seines Vaters geredet. Still ertrug er die Pein und ließ seine Gefühle nicht nach außen durch scheinen. Er wollte seiner armen Mutter und seiner Schwester helfen, doch das konnte er nur, wenn er selbst stark war. Niemand sollte ihn weinen sehen.

Doch die fast schon schmerzhafte Ähnlickeit zwischen Petruccio und Pietro ließ seine Verzweiflung und die Hilflosigkeit von damals wieder in ihm aufkommen. Es brachte ihn fast um!

Wie sollte er jemals wieder richtig leben können? Er war nun ein Assassine. Ein normales Leben gab es für ihn nicht mehr. Er musste stark sein für andere. Er musste das Credo erfüllen. Er musste tun, was man von ihm verlangte. Es gab kein richtiges Leben mehr für ihn!

Verzweifelt ließ er sich gegen die Wand sinken und weinte stumm vor sich hin. Zum ersten Mal seit all den Jahren konnte er die Tränen nicht mehr zurück halten. Sie brachen einfach aus ihm heraus.

"Was ist das denn für ein Leben?!", schrie eine Stimme in seinem Kopf.

Er lebte nur noch, um zu töten. Einen anderen Sinn hatte sein Leben nicht mehr. Die Templer trachteten nach seinem Leben, und doch hatten sie es ihm schon damals mit der Erhängung seiner Familie genommen.

Das wurde ihm jetzt umso schmerzlicher bewusst.

Ein Rache bestimmtes Leben war nicht lebenswert. Wieder rann eine heiße Flut von Tränen seine Wangen hinab und er schluchzte leise.

Er sehnte sich nach Liebe! Nicht die, die er kaufen konnte, bei den Frauen. Nein, er sehnte sich nach Wärme, nach Geborgenheit. Nach einem Zuhause, zu dem er gerne zurück kehrte, weil er wusste, dass er erwartet wurde.

Doch all das würde er nie bekommen, da war er sich sicher. Er war ein Assassine, ein Mörder. Es wäre viel zu gefährlich, eine Familie zu gründen. Ganz davon abgesehen, dass er kein guter Vater sein konnte. Niemals würde er jemanden dieser Gefahr aussetzen. Das war auch der Grund, warum er einst Cristina verlassen musste. Nun wusste er sie in der Obhut von ihrem Ehemann, der sie wirklich liebte und gut auf sie aufpasste. Zwar hatte ihm diese Entscheidung das Herz gebrochen, doch es war notwendig gewesen.

Und doch...

Er wünschte sich, es gäbe jemanden an seiner Seite. Seine Familie war zwar stets da, wenn er seelischen Beistand brauchte. Claudia brachte ihn zum Lachen mit ihrer fröhlichen Art und erinnerte ihn daran, dass das Leben weiter ging. Mario unterstützte ihn in jeder Lebenslage und war schon fast zu einem Freund geworden. Selbst seine arme Mutter legte ihm von Zeit zu Zeit die Hand an die Wange und gab ihm neuen Mut.

Doch das alles half Ezio nicht darüber hinweg, dass er sich einsam fühlte.

Mit einem schweren Seufzen erhob sich der Assassine und folgte dem Ruf der Nacht. Wann immer ihn Zweifel oder Trübsal überkamen, schlich sich Ezio auf das Dach der Villa. Die Höhe hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn, welche durch den Mondschein und den sanften Wind unterstützt wurde.

Mit der Hoffnung, die endende Nacht würde ihm auch dieses Mal den Verstand befreien, öffnete er leise das Fenster über dem Schreibtisch und verschwand, mit einem letzten Blick auf Pietro, hinaus in die Dunkelheit.



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