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Adventskalender 2011

Eine Kurzgeschichtensammlung
von

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Türchen 1 - Taxiunternehmen Flügel

Stress, Stress und noch mal Stress. Den ganzen Tag nichts anderes. Maries Laune war schon seit den Morgenstunden im Keller. Erst kam sie dank des dichten Verkehrs zu spät, entdeckte dann mit Entsetzen, dass die faule Kollegin ihr einen riesigen Stapel unbearbeiteter Akten hinterlassen hatte, nur um gleich im Anschluss daran einen Rüffler vom Chef wegen eben diesem Berg liegen gebliebener Arbeit einzustecken. Die Welt war heute wieder mal so ungerecht.

Nachdem Marie es am frühen Abend endlich geschafft hatte, sich loszureißen, hetzte sie mit schlechter Laune durch die belebten Straßen der Innenstadt in Richtung der nächsten U-Bahn. Es war bitterkalt und regnete aus Strömen. Nicht viel hätte gefehlt und die dicken Tropfen hätten sich im Flug zu Schnee verwandelt. Marie zog ihren Schal tief ins Gesicht. Mürrisch murmelte sie in den dicken Wollstoff.

»Ah, ich will endlich nach Hause. Dieser ganze Tag ist eine Katastrophe. Vielleicht hätte ich heute Morgen gleich im Bett bleiben sollen.«

An einer roten Ampel trat sie ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Die Sohlen ihrer matten braunen Lederstiefel knirschten über nasse Kiesel und ihr Atem kondensierte in einer kleinen Wolke vor ihrem Gesicht. Ihr Blick schweifte gerade über die weihnachtlich geschmückten Geschäfte auf der anderen Straßenseite, als ein mächtiger, eiskalter Schwall Wasser Marie innerhalb eines Augenzwinkerns in eine getaufte Maus verwandelte.

»Sie rücksichtsloser, verdammter Rowdy! Verdammt noch mal!« Ihre Stimme war eher ein hohes Quieken, als sie dem Fahrer eines blauen Kombis hinterher brüllte, der soeben mit hohem Tempo durch eine tiefe Pfütze gerauscht war und Maries Unglückstag die Krone aufgesetzt hatte.

Zitternd vor Wut und Kälte blieb die junge Frau am Straßenrand stehen. Heiße Tränen liefen ihr übers Gesicht und tarnten sich unter den Regentropfen, die auf ihre Wangen fielen.
 

»Darf ich Ihnen behilflich sein? Sie sehen aus, als bräuchten Sie dringend eine Mitfahrgelegenheit.« Die freundliche tiefe Stimme kam von einem Taxifahrer, der eben vor ihr angehalten hatte.

»Sie sind völlig durchnässt«, stellte er nüchtern fest. »Kommen Sie. Steigen Sie ein, bevor Sie sich noch den Tod holen.«

Marie blickte ihn mit einer Mischung aus Verlegenheit und Misstrauen an. Auf der Karosserie war eine Werbefolie angebracht. Dort stand Taxiunternehmen Flügel und eine Telefonnummer.

»Es tut mir Leid, aber ich habe nicht genügend Geld dabei.«

Der Mann mittleren Alters lächelte Sie nur weiterhin an. »Das ist kein Problem. Aber machen Sie schnell, ich kann hier nicht lange stehen bleiben.« Mit einem Blick deutete er auf die Schlange, die sich bereits hinter dem stehenden Taxi gebildet hatte. Was soll’s, ging es Marie durch den Kopf. Ich will nur noch nach Hause. Sie schwang sich auf die Rückbank des Fahrzeugs und nannte ihre Adresse.
 

Ein paar Minuten später hielt das Taxi vor ihrer Wohnung. »Können Sie kurz hier warten, dann hole ich etwas Bargeld aus meiner Wohnung. Es wäre mir unangenehm…«

»Lassen Sie es gut sein, junge Frau. Es war mir ein Vergnügen, Ihnen zu helfen. Passen Sie auf sich auf und nehmen Sie nicht alles so schwer.« Wieder dieses warme, einnehmende Lächeln, das einem das Gefühl gab, wirklich alles würde gut werden.

»Sie sind heute mein rettender Engel gewesen! Vielen herzlichen Dank! Sie haben mir wirklich aus der Patsche geholfen!« Beinahe hätte Marie schon wieder angefangen zu weinen.

»Gern geschehen. Und vergessen Sie ihre Handtasche nicht!« Er hielt ihr die rote Umhängetasche über den Beifahrersitz. »Machen Sie’s gut! Vielleicht begegnen wir uns ja einmal wieder!« Er winkte und bückte sich dann, um im Handschuhfach zu kramen.
 

Marie ging zwar pitschnass, dennoch leicht beschwingt zur Haustür. Wenigstens ein gutes Ende hatte dieser miese Tag gehabt. Als sie nach ihrem Schlüssel wühlte, fiel ihr plötzlich etwas Weiches in die Hände. Sie zog es heraus und betrachtete erstaunt eine lange weiße Feder mit goldener Spitze. Reflexartig drehte sie sich nach dem Taxi um. Doch die Einfahrt war leer.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Evilsmile
2011-12-02T08:39:05+00:00 02.12.2011 09:39
(Gestern war ich zuuu müde, um noch einen vernünftigen Kommi dazulassen)
Hehehe, zuerst hab ich echt gedacht, der Taxifahrer hat andere Absichten! Aber dann ging ja doch alles gut aus (Seufz, wer wünscht sich nicht so einen Taxifahrer!) und du hast eine märchenhaft schöne vorweihnachtliche Geschichte geschaffen ^____^
Hm, wer weiß schon ob ein Wiedersehen ausgeschlossen ist?!
Ich bin schon wahnsinnig gespannt auf die anderen Türchen! ;D


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