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Kaltherzig

von

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the mind-reading witch

Die fünfzehnmeterhohe Steinmauer, mit oben herausragenden Eisenpfählen und Efeu überwucherten Steinblöcken, war nicht annähernd so eindrucksvoll, wie man vielleicht glauben mochte. Sie diente lediglich zur Abschreckung von Menschen und anderem übernatürlichen Gesindel, die es auf Vampire abgesehen haben mochten – und außer Werwölfen gab es nur sehr wenige davon –, doch wenn einer der Dorfbewohner nicht gerade Todessehnsucht, eine lange Leiter und Übung in Akrobatik hatte, so würde es niemand auch nur wagen das Grundstück zu betreten.

Bei den Übernatürlichen wurde es natürlich kniffliger. Vampire konnten keine Bannzauber bewirken oder Magie jeglicher Art ausüben, daher blieb unsere einzige Chance der physische Kampf ums Überleben.

In meinen fünfhundert Jahren, war ich bereits zwei Wesenheiten begegnet, die weder Mensch noch Wolf waren, und beide hatte ich nur knapp überlebt. Nephilime und Hydras waren keine zu unterschätzenden Gegner.

Doch dank meiner Wenigkeit, und die einer geschulten Soldatengruppierung, wurde die Grenze ausreichend gut überwacht.

Einige konnten noch so gut ausgebildet sein, es gab immer Tote. Ob nun Vampir oder Werwolf – es spielte keine Rolle. Wir waren nur die Schachfiguren meiner Schwester, und sie war eine meisterhafte Spielerin.

Nebel kroch über den grasbewachsenen Boden, der alle zwei Meter von einem großen Kreuz aus Holz durchstoßen wurde. Die Gräber der Königsfamilie. Vor Jahrhunderten waren wir ein großer Clan gewesen; gespalten in drei Familien – del Mar, Guazatti und Winchester. Wir hätten alle beisammen bleiben können, wenn eine Gruppe von Königsschlächtern – eine vampirische Meuterbande, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, alle aus der königlichen Familie auszulöschen – uns nicht verraten hätte, und damit begonnen hatte, ihre eigene Armee zu erschaffen. Sie hatten einen Weg gefunden Tiere zu verwandeln.

Dieser Tag war unser aller Untergang. Die Geburt der Werwölfe.

Mit einem kurzen Abstoß sprang ich auf die Mauer und ging sofort in Habachtstellung. Es roch nach Blut. Und Wölfen.

Ein Knurren stieg in meiner Kehle auf. Ich sprang von der Mauer und schlich in den Wald, der sich hinter der Grenze erstreckte wie ein Meer aus hölzernen Riesen und somit das Revier der Werwesen markierte.

Von weitem konnte ich Vampire ausmachen, die versuchten ihre Beute einzukreisen und sich dabei nicht gerade geschickt anstellten. Wie Trolle, trampelten sie über jeden Zweig und verursachten immer währende Knack-Laute.

Durch die Bäume, die mir lästigerweise im Weg standen, konnte ich nicht genau erkennen um wie viele von ihnen es sich genau handelte, aber das war auch unwichtig. Ich würde die Wachposten nun ohnehin ablösen; sollten sich diese doch im Schloss nähren und mich meiner Einsamkeit überlassen, die mir wie ein zweiter Schatten folgte.

Ich hielt mich in den dunkelsten Schatten die die Nacht zu bieten hatte, als ich mich den Jägern näherte und mit zusammengekniffenen Augen die Szene beobachtete.

Drei Vampire. Zwei Wolfsjungen, kaum älter als zehn. Ein wahres Festmahl für meine Brüder und Schwestern.

Aber Wolfsjungen waren tabu, denn es würde die Wölfe nur unnötig provozieren und die derzeitige Lage noch aufheizen. Wie ein Waldbrand, würde ein kleiner Funken schon genügen, um alles in meterhohen Flammen aufgehen zu lassen.

Ein Krieg wäre der einzige Ausweg – aber das Ende für beide Rassen.

Die drei Vampire, zwei davon hatten dunkles, der andere hellblondes Haar, fletschten schon gespannt die Zähne und lauerten, wie die Vorboten des Todes, den beiden Junge mit den wilden Lockenmähnen auf und ließen ihre Augen bedrohlich aufglühen. Eines der Wolfskinder, mit funkelnden dunkelgrünen Augen, fauchte und stellte sich mutig vor den Kleineren, der sich mit tränenüberströmtem Gesicht geduckt hielt.

Beide waren noch jung. Zu jung, um als Vorspeise für Vampire zu enden.

In dem Moment, als der hellblonde Vampir auf die Jungen zusprang, wurden diese von mir an den Kragen gepackt und in die Höhe gehoben. Meine Bewegungen waren so schnell gewesen, dass selbst die gewandelten Vampire bei meinem Anblick noch blasser wurden.

„Na? Genug gespielt?“, fragte ich in klirrend kaltem Tonfall und fixierte das Trio ungnädig. „Wachablösung. Verschwindet.“ Meine Stimme ließ keinen Widerspruch zu und die beiden Dunkelhaarigen wichen ehrfürchtig vor mir zurück, doch der Hellhaarige, der sich scheinbar für den Anführer hielt, knurrte mich nur verachtend an.

„Das ist unsere Beute.“ Die Worte waren nur ein Flüstern, aber unmissverständlich.

Meine Lippen wurden schmal bei dieser Respektlosigkeit. „Ich sagte, Ihr sollt verschwinden“, wiederholte ich und ignorierte die strampelnden Leiber, die ich noch immer festhielt.

„Lasst unsere Beute los!“, zischte er nun lauter, zog einen Dolch aus seinem Gürtel und rannte in geradezu selbstmörderischer Absicht auf mich zu.

Ich seufzte über die Dummheit so mancher gewandelter Vampire und war gleichzeitig überrascht, dass er keine Ahnung zu haben schien, wen er da herausforderte. Es würde ihm rein gar nichts nützen, wenn er mit einem Zahnstocher auf mich losging. Wunden reinblütiger Vampire heilten innerhalb weniger Sekunden, deshalb war es auch so schwer gewesen unsere Familien umzubringen.

Die Tatsache allein, dass ein Wesen der Nacht einen Dolch bei sich trug, war völliger Irrsinn. Er musste wohl erst kürzlich gewandelt worden sein, doch warum war er dann an der Grenze postiert? Hatte ihn meine Schwester für entbehrlich gehalten?

Es war mir gleich – wenn er nicht gehorchte, würde er ohnehin nicht lange Leben, also zog ich seine Qualen auch nicht in die Länge, sondern warf die Wölfe hoch in die Luft und nutzte diese Gelegenheit um meinem Angreifer in tödlicher Absicht den Kopf abzureißen. Meine Augen glühten rot, als der leblose Körper zu Boden plumpste und der Kopf nur wenige Meter entfernt landete.

Ich fing die beiden schreienden Gören auf, die von ihrem haarsträubenden Flug kehrt machten, und warf den übrig gebliebenen Vampiren einen giftigen Blick zu. „Wenn ihr es noch einmal wagen solltet, meinen Worten nicht zu gehorchen, werdet ihr genauso enden wie er.“ Ich deutete mit einem Nicken auf den kopflosen Leib. Mit dem Fuß rollte ich ihnen den Kopf zu. „Nehmt den hier mit und richtet meiner Schwester, eurer Königin, einen schönen Gruß aus.“

Die Vampire waren verschwunden wie der Blitz, als sie erkannten, wen sie so erzürnt hatten und ließen mich mit den beiden Wölfchen alleine. Endlich. Ich setzte die beiden stillschweigend ab und ignorierte das Fauchen und Brüllen, mit dem sie mich zu erschrecken versuchten. „Denkt ihr etwa, ich habe Angst?“, fragte ich sie mit hochgezogener Augenbraue.

Der Kleinere, mit den hellbraunen Augen, warf seinem Begleiter einen höchst verwirrten Blick zu und wich einen Schritt zurück. Dieser schien genauso ratlos zu sein, wie er selbst.

„Und jetzt wundert ihr euch, dass ich euch nicht umbringe“, riet ich.

„Sie liest unsere Gedanken. Sie ist eine Hexe“, hauchte der Ältere mit weit aufgerissenen Augen und ballte seine kleinen Hände zu Fäusten. Der Kleine wimmerte bei dieser Aussage und vergrub sein pausbäckiges Gesicht im Rücken des anderen.

Ich lachte über diese Unverfrorenheit, aber ich würde ihnen ihre Illusionen nicht rauben. Je mehr Angst sie vor mir hatten, desto schneller würden sie lernen, dass man mit Vampiren nicht spaßen konnte.

Ein lang gezogenes, schrilles Heulen ertönte in der Ferne und ließ alle Anwesenden erstarren. Ein Kälteschauer kroch mir den Nacken hinauf. Jemand rief nach den Jungen. Besser, wenn diese Personen nicht in die Nähe der Grenze kamen, oder mich gar an der Seite der Welpen sahen. Ich war gerade nicht auf einen Kampf aus.

Ich wollte meine Ruhe haben, in diesem stillen Wald. Beunruhigt machte ich den Wolfsjungen Platz und sprang auf den schmalen Ast eines Baumes. „Schnell, lauft zu euren Eltern“, säuselte ich wie der Teufel in Person. „Und spielt in Zukunft woanders. Zu diesen Zeiten ist es sehr gefährlich hier draußen.“ Ich zwinkerte den beiden noch einmal zu und rannte wieder zurück zur Steinmauer. Binnen weniger Sekunden war ich wieder an Ort und Stelle, als hätte ich diesen Platz in den letzten fünfhundert Jahren nie verlassen.

Mein erkaltetes Herz wurde schwer bei dem Gedanken. Ich mochte diesen Ort nicht – hier stand man stets an vorderster Front und man hatte keine andere Wahl, als um sein Leben zu kämpfen. Entweder man starb im Kampf gegen die Werwölfe oder man wurde von den Vampiren hingerichtet, weil man die Wölfe auf das Grundstück der Königin gelassen hatte. Egal wie man es auch drehte und wendete, die Berufung eines Grenzwächters brachte nur Unheil mit sich. Wenn man an einen Ort postiert wurde, dann meistens auf ewig.

Im Grunde hatte ich es ganz allein meiner königlichen Abstammung zu verdanken, lebend wieder ins Schloss zurückkehren zu dürfen. Andere hatten da weniger Glück.

Während eines solchen Zeitraumes, wie ich ihn erdulden musste, wurden Gefühle stumpf. Ich fühlte weder Freude, noch Hass, einfach gar nichts. Ich blieb leer und kümmerte mich einfach um meine Aufgaben, doch irgendwann konnte selbst ich mir nicht mehr einreden, dass der Krieg zwischen den Rassen irgendeinem Nutzen diente.

Warum also kämpfte ich? Warum blieb ich?

Ich wusste es nicht. Wahrscheinlich lag es daran, dass diese Personen, die ich kaum kannte und mir im tiefsten Inneren meiner Seele furchtbare Angst einjagten, die einzigen Lebewesen waren die mich akzeptierten wie ich war. Reinblütig. Gefährlich. Durstig.

Und vollkommen allein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  sasuken
2014-03-23T22:15:26+00:00 23.03.2014 23:15
Ich will auch was vom Werwolf erfahren naja super geiles kappi weiter so ^^ :*
Von:  Rapsody
2013-09-09T21:27:55+00:00 09.09.2013 23:27
Wahnsinn. Ich durchblicke Rebecca noch nicht ganz, aber das ist auch gut so.
Du lässt zu, dass man sie kennen lernen will und sie gibt immer nur ein kleines bisschen von sich Preis.
Super.
Ich freu mich weiter zu lesen.

LG
Von:  Enyxis
2013-06-21T18:25:51+00:00 21.06.2013 20:25
Rebecca ist einfach ein unglaublicher Charakter! Ich finde sie einfach nur total klasse.
Dein Schreibstil gefällt mir gut und auch die Handlung ist wirklich interessant!
Freue mich auf die nächsten Kapis ^^
Von:  blacksun2
2012-02-13T14:40:09+00:00 13.02.2012 15:40
das Wort zum Montag und zu Kapitel 2 ist *trommelwirbel*, *Posaunenchor*:
SPITZE

das ich das ganze noch mal lese, obwohl ich weiß, was passiert ist schon ein eindeutiges Zeichen, wie gut es mir gefällt
das schafft man auch nur, wenn man einen super Ausdruck und eine mitreißende Story kreiert

glg


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