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Grim's academy

Gleichgewicht der Elemente
von

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Zwischen Himmel und Hölle

~Aloha ihr Lieben!
 

Hier das erste Kapitel einer meiner beiden neuen Projekte, die neben "Gods & Monsters" starten werden. Ich hoffe wirklich sehr, dass ich euch für die Geschichte begeistern kann, und dass euch dieses erste Kapitel neugierig auf mehr machen wird.
 

Bin schon gespannt, wie es euch gefallen wird. Mit den liebsten Grüßen starte ich frisch ins neue Arbeitsjahr und wünsche euch wirklich viel Vergnügen mit dieser Geschichte ;)
 

LG

Galenhilwen~
 


 

Seine Schritte hallten durch das gut 15 Meter hohe Gemäuer, einen imposanten Flur gigantischen Ausmaßes, welcher, abgesehen von ihm, menschenleer war. Trocken kicherte er leise auf. Menschenleer... Zumindest war niemand außer ihm hier. Noch nicht. Es waren ohnehin nie viele Menschen in diesem beeindruckenden Gebäude... Doch im Moment waren es selbst für hiesige Verhältnisse enorm wenige. Hinter ihm hinterließen seine Füße kleine, schneeweiße Felder aus purem Eis, die nach ein paar Sekunden jedoch in tanzenden Eiskristallen in die Höhe schwebten, um sich schließlich im Nichts zu verlieren.
 

Der matte, aber weich fließende, schwarze Stoff seiner Robe wehte leicht mit jedem Schritt hin und her. Eine Kordel aus feinem, schwarzem Samt lag um seine Hüfte und hielt die Robe dort mit einem Knoten fest. Unter „normalen Umständen“ hätte er wohl gesagt, dass seine alles verhüllende Kleidung angenehm zu tragen wäre; warm und weich. Doch so genau konnte er es in Wirklichkeit nicht definieren. Eine große Kapuze bedeckte seinen Kopf und verbarg einen großen Teil seines Gesichts in nichtssagender Dunkelheit.
 

Zugegeben: er zeigte sein Gesicht nicht gerne. Er zeigte sich nicht gerne. Und das schon seit so unsagbar vielen Jahren. Wirklich viele. Viel bedeutete für ihn nicht etwa 10 oder 20 Jahre. Das waren vielleicht für einen normalen Menschen viele. Doch für ihn waren 20 Jahre nicht viel mehr als ein kurzer Lebensabschnitt; ein Augenblick in einer mittlerweile stattlichen Ansammlung hinter sich gebrachter Lebensjahre, die selbst dieses Bauwerk in seinem „Alter“ lächerlich gegen ihn wirken ließ. Alleine die Zeit selber schien älter zu sein, als er es war. Und nichts auf dieser Welt glich seinem Erscheinungsbild...
 

Nein. Er lebte schon seit hunderten von Jahren mit dieser Schmach, und er hatte es sich selbst zuzuschreiben. Eine Fehlentscheidung, die eine Strafe nach sich gezogen hatte, die sich keim Mensch auf diesem Planeten vorzustellen fähig war. Aber gut 500 Jahre waren auch eine lange Zeit, um sich mit der Situation zu arrangieren. Einerseits hatte er das. Wirklich. Weil er es MUSSTE. Er musste es akzeptieren, da er Regeln unterworfen war, die durch nichts zu ändern waren. Doch andererseits... Auch wenn er das nie vor anderen zugeben würde, aber er verabscheute es zutiefst. Es war nicht an ihm es zu ändern, doch er hasste es an manchen Tagen einfach. An Tagen, an denen seine einstige Menschlichkeit wie ein kleiner Funke in absoluter Dunkelheit in ihm zum Vorschein kam.... auch, wenn dieser ebenso schnell wieder ins Nichts verschwand, wie er daraus hervorgetreten war.
 

Geradezu erhaben schritt er auf eine große, schwere Tür zu. Unter seinen Füßen war der kalte Stein, aus dem die gesamte Akademie erbaut war, über die er die Direktion innehatte. Helle und dunkle Quadrate formten ein Rautenmuster unter ihm, das am Rand von dunklen Abschlüssen gesäumt war. Säulen, so breit wie drei Mann, wuchsen schier zur Decke empor, um sich parallel zum Gang in 10 Meter Höhe in filigran wirkenden Bögen miteinander zu verbinden und den Flur in 3 nebeneinanderliegende Abschnitte zu unterteilen.
 

In der Mitte schritt der verhüllte Direktor auf die schwere, dunkle Holztür zu. Zu seiner Linken und zu seiner Rechten verbargen sich Schmuckstücke, unter der niedrigeren Decke hinter den Säulen, und Zierwerke an den Wänden, die sich im Laufe der Jahrhunderte angesammelt hatten und von einer bewegten, wie beeindruckenden Historie dieser Akademie erzählten. Manche hatten einen persönlichen Erinnerungswert, andere jedoch waren nicht mehr als Lückenfüller. Nach so vielen Jahren hatte er auch das Interesse verloren, die einen von den anderen unterscheiden zu müssen oder zu wollen. Zeit war für ihn bedeutungslos geworden, jedoch auf eine unangenehme und quälende Art und Weise.
 

Dunkelheit verzehrte alles in diesem Bollwerk historischer Baukunst. Der dunkle Stein und die Schwärze, die sich nicht nur in jedem Winkel versteckte, sondern überall zu hausen schien, machten diese Hochschule zu einer Art Portal in eine längst vergangene Zeit. Grässliche Fratzen von Wasserspeiern schienen im Nichts der Dunkelheit auf ihre Beute zu lauern. Ein gottesfürchtiger Mensch würde diesen Ort wohl als absolut gottlos und als Tor zur Hölle bezeichnen. Die Akademie war wie eine reale Reise ins tiefste Mittelalter, gepaart mit all den klischeebehafteten Vorstellungen, die Menschen davon hatten, die an diesem Ort zur grausigen Realität geworden waren.
 

Nur an den Säulen, an denen der Direktor unmittelbar vorbei schritt, entfachten die dort angebrachten Fackeln eine Flamme, die ausreichend Licht spendete, ohne jedoch die Dominanz der Dunkelheit zu untergraben. Nicht, wie üblich, wurde der blanke Stein in einen warmen rot-orangen Ton gehüllt, sondern in ein ungesundes, fauliges Grün. Nervös flackerten die giftgrünen Feuer auf, wenn sich der Meister über dieses Bauwerk näherte, um hinter diesem wieder in den lauernden Schlaf zu erlöschen, bis die nächste Person ihre Position passieren würde.
 

Wer es nicht besser wusste, der hätte wohl diabolische Mächte oder absurde magische Phänomene dahinter vermutet, doch dem war keineswegs so. Er war kein Hexer oder Magier, kein Dämon und auch keine fiktive Figur übernatürlichen Ausmaßes. Er war Teil eines komplexen Geflechtes dieser Welt und gleichzeitig ein bedeutender Teil ihres Anfangs und wohl auch ihres Endes. Er war ein Hüter, ein Wissender und doch auch eine Art Schöpfer, ohne dabei über eine Kraft zu verfügen, die ihn unbesiegbar oder gar allmächtig machte.
 

Und Nichtwissende würden ihn in seiner Erscheinung und seiner geschätzten Akademie wohl auch als das personifizierte Böse bezeichnen, was natürlich Unsinn war. Die Menschen aber waren mit jedem Jahrzehnt einfältiger geworden, und arroganter. Eine Mischung, die sein Dasein noch unerträglicher machte, als es seine Strafe nicht ohnehin bereits tat. Doch es war nicht seine Aufgabe darüber zu urteilen, das wusste er nun. Es gefiel ihm nach wie vor nicht, aber er hatte es verstanden und gelernt. Und er wusste, dass es auch richtig so war. Nicht immer was das Richtige auch das Beste. Eine Lektion, die er sich hart hatte erarbeiten müssen, und für die er viel Lehrgeld gezahlt hatte...
 

Bedächtig hob er seine Hand, woraufhin sich die Tür zu öffnen begann, die seinen Weg bisher versperrt hatte. Der schwere, schwarze Stoff seiner Robe glitt bis zu seinem Ellbogen zurück und gab die Wahrheit frei, die sich unter der irdischen Hülle an Kleidung verbarg...
 

Blanke Knochen kamen zum Vorschein und erinnerten ihn, wie bei jedem Mal, an all die Zeit, die seit der Verkündung seiner Strafe vergangen war. Erinnerten ihn daran, dass er nicht nur eine Aufgabe, sondern eine kaum zu begreifende Verantwortung besaß, die ihn zwischen Raum und Zeit in einen Zustand des Wartens, des Behütens und des Handelns versetzte. Ein Zustand, der weit über das bloße Lehren von Schülern hinausging.
 

Langsam passierte er den mittlerweile geöffneten Durchgang und trat zunächst in absolute Finsternis.
 

Am Meisten jedoch erinnerte sein eigener Anblick ihn an die Tatsache, warum er bestraft worden war. Er kannte all die Bilder, die sich die Menschen von ihm machten und keines schmeichelte ihm wirklich. Entweder wurde er als Karikatur seiner Selbst verbildlicht, oder aber als unheilbringender Henker ohne Gewissen und Reue. Den Menschen fehlte schlicht die Vorstellungskraft, um zu verstehen was es bedeutete, wenn man aus nichts weiter als seinen eigenen Gebeinen bestand. Es war nicht witzig. Es war nicht einmal empathisch nachzuvollziehen. Es war, was ihn irgendwie doch wieder amüsierte, wenn er es so formulierte: die Hölle auf Erden.
 

Nach ein paar Schritten erhellte sich der Raum mit einem Mal, den er betreten hatte, während sich die Tür hinter ihm wieder schloss.
 

Lautlos seufzte er. Es war eine Folter, ohne die Fähigkeit existieren zu müssen, Dinge ertasten zu können. Weder der Stoff seiner Robe, noch Wind, Wetter, Berührungen oder irgendetwas auf dieser Welt würde ihm jemals wieder eine Sinneswahrnehmung geben können, wie es sich „anfühlte“. Oberflächen, Beschaffenheiten, Temperaturen... nichts wurde von ihm wahrgenommen. Und doch verursachte dieser Zustand eine emotionale Kälte in ihm, die ihn immer wissen ließ, dass er für seine Entscheidung von einst zu leiden hatte.
 

In der Mitte des gigantisch wirkenden Saals entzündeten sich giftgrüne Flammen an einer Art Kronleuchter, der aus massivem Holz gemacht war und einen Durchmesser von gut 5 Metern hatte. Wie ein Damoklesschwert thronte der schwere, hölzerne Ring über einem antiken Holztisch und vermittelte eindeutig das Gefühl klein und unbedeutend zu sein.
 

Auch dieser Raum wurde von den Säulen umschlossen, die einen Rundgang vom eigentlichen Saal trennten und an denen ebenfalls Fackeln hingen, die sich reihum nach dem Kronleuchter mit grünen Flammen zu schmücken begannen.
 

So bedächtig wie bisher schritt er auf die Mitte des Saals zu, wo er sich hinzusetzen und auf seine Kollegen zu warten gedachte.
 

Niemals wieder würde er die Wohltat einer Umarmung in ihrem vollen Ausmaß erleben und genießen dürfen. Nur sporadisch hielten verlebte Reste an Muskeln und Sehnen seine Knochen in ihrem anatomischen Gefüge. Nur marginal zeugten kleine Fetzen grauer Haut von der längst vergessenen Menschlichkeit, die sein Erscheinungsbild ausgemacht hatte. Nur mit Ironie war es zu bezeichnen, dass er das Antlitz erhalten hatte, welches die Menschen ihm nachsagten und mit Angst versehen hatten. Nur schwer war es zu ertragen, dass er nach dem imaginären Dämon aussah, dem man ihm fälschlicherweise zu sein unterstellte. Nur an Unmöglichkeit grenzend war es denkbar, seinem Anblick den göttlichen Funken zu entnehmen, aus dem er entsprungen war. Und unmöglich schien es den Meisten, ihm auch nur eine positive Eigenschaft zuzuschreiben.
 

Er war ein unumgänglicher und wesentlicher Bestandteil der Welt, die er beschützte und im Gleichgewicht zu halten verpflichtet war, die ihn aber zumeist als ungerecht, schrecklich und unnötig erachtete. Er war der Geächtete im Kreise seiner Kollegen, die von den Menschen weit mehr Gnade und Güte erfuhren als er. Sie alle hier wussten es wahrlich besser, und doch blieb der bittere Geschmack der Undankbarkeit immer in und um ihn, die ihm die Menschheit entgegenbrachte.
 

Langsam und betrübt ließ er sich auf einen der antiken Stühle gleiten, die um einen großen Tisch arrangiert und mit einem für Menschen angenehmen Polster versehen waren, welches mit feinem, weinrotem Samt bezogen war.
 

Vielleicht war es auch eine Spur Neid, die er empfand. Seit Jahren schon war er ohne Schüler. Im Moment hatten zwar so einige Lehrer ebenfalls keine, doch er war wohl die längste Zeit von Allen ohne einen möglichen Nachfolger geblieben. Immerhin, was ihn dann doch wieder ein wenig beruhigte, war er nicht der Einzige, der mit der Ausbildung eines wirklichen Nachfolgers erfolglos geblieben war. Sie alle versuchten es schon seit so vielen Jahren, doch keiner ihrer bisherigen Schüler hatte die kosmische Sphäre je erreichen können. Und nur die Zeit wusste, wann sie von ihrer Aufgabe und dieser Suche je erlöst werden würden. Mit jedem Tag mehr erfüllte ihn diese Tatsache mit Frust, was jedoch nicht das Schlimmste war...
 

Das mit Abstand Schlimmste war in Wirklichkeit die Abwesenheit der ganzheitlichen Existenz. Auch etwas, das ein menschlicher Verstand wohl nie zu begreifen fähig war; war die Menschen als zu abstrakt abtun würden...
 

Natürlich war es abstrakt. Abstrakt, und doch, für ihn und seine engsten Kollegen, so unsagbar natürlich. Die ganzheitliche Existenz war etwas, das mit irdischen Worten nicht zu beschreiben war; das mit irdischen Gefühlen oder Zuständen nicht zu vergleichen war; das mit irdischem Wissen nicht zu erfassen war; und das mit irdischem Bewusstsein nicht zu begreifen war. Denn es war nicht irdisch. Die Welt, die ihrem Schutz unterlag und in die sie verbannt worden waren, war ein kleiner Teil davon. Nur, wer einst die kosmische Energie dieser ganzheitlichen Existenz je erlebt hatte, der wusste, was sie war und was es bedeutete von ihr abgeschnitten zu sein.
 

Es war mehr, als nur das Gefühl nicht vollständig zu sein; als sich einsam und alleine zu fühlen; als gefoltert zu werden; als jeder psychische Schmerz es jemals sein könnte; und sogar als jedes Kind dieser Welt erfahren musste, wenn es seiner eigenen Mutter im Augenblick ihres Todes in die Augen blickte. Es war so viel mehr. Es war eher so, als schaue man sich selbst jeden Tag dabei zu, wie man innerlich mehr und mehr zu sterben schien, ohne es je wirklich zu können. Vielleicht kam die Vorstellung eines Fegefeuers diesem Zustand recht nahe, wenngleich nie ein Mensch dieses je zu verspüren hatte und sich deshalb niemand wirklich vorzustellen fähig war, was dieses kosmische Fegefeuer für Qual, Schmerz und Leid bedeutete...
 

Der antike Holztisch, an dem er nun saß, war massiv, rund und aus scheinbar einem Stück gefertigt. Der Direktor wusste noch vage, dass sie ihn einst aus einem Baum schlagen ließen, der von bedeutend imposanterer Größe war, als die weit verbreiteten Exemplare der heutigen Zeit. Seine geschätzte Freundin und Kollegin hatte dieses Meisterwerk gefertigt, welches mit feinsten Ornamenten verziert war, die in das einst weiche, frische Holz geschnitzt worden waren. Die Schöpferin wusste mit belebten Dingen einfach umzugehen, auch wenn ihr jedes Wesen und Ding naheging, das mit seinem Ableben in den ewig währenden Kreislauf aller Dinge zurückkehrte.
 

Ein Kreislauf, den sie einst aus der Ferne betrachteten und nun Teil davon waren, und gleichzeitig wieder nicht. Nicht fähig zu „leben“, nicht fähig zu „sterben“. Ein Harren in einer gefühlten Körperlosigkeit und in einem Zustand des Wartens auf etwas, von dem sie nicht sagen konnten, ob es jemals zurückkehren würde. Das Warten auf Godot (1). Das Spüren von Zeit, die doch nicht verstreichen wollte.
 

Sein Blick wanderte durch den Saal. Seine Tür war eine von vier Zugängen. Es gab eine Tür in jede Himmelsrichtung, und jede führte in einen von vier großen Trakten, deren Zentrum dieser Saal war. Er war das Zentrum der gesamten Akademie und das Refugium der Lehrer, die an ihr unterrichteten.
 

Da er Direktor war, sahen alle Trakte wie der aus, aus dem er gekommen war. Sie unterschieden sich lediglich in einem Detail voneinander, und zwar in den Türen. So war sofort für jeden zu erkennen, in welchem Trakt er sich befand. Seine eigenen Türen beispielsweise waren aus dunklem, massivem Holz, welches mit ebenso bedrückendem Eisen im Stein befestigt war und in den Angeln gehalten wurden. Er selbst war in ihrer Mitte dargestellt, von Schemen umgeben, deren grünliche Augen durch giftgrün leuchtende Steine zur Geltung gebracht wurden. Es waren Türen, die den Eindruck vermittelten, dass man besser nicht der Neugier nachgehen sollte erfahren zu wollen, was sich hinter ihnen verbarg. Doch in Wirklichkeit waren es Türen, wie alle anderen in dieser Akademie auch.
 

Das fulminante Gebäude war nach strengen Regeln erbaut worden und angeordnet. Das Zentrum war dieser Saal, der von den vier wichtigsten Trakten umschlossen war. Diese wiederum waren von einem weiteren Ring aus Trakten umschlossen, 5 an der Zahl, die mit den untergeordneten Bereichen besetzt waren. Den äußersten Bereich schließlich bildeten die diesen 5 Trakten untergeordneten Bereiche, derer es 7 gab.
 

So nüchtern betrachtet konnte man schnell dem Eindruck erliegen, dass es sich bei der Akademie um ein quadratisches Ungetüm aus Stein handelte, doch dem war nicht so. Sie glich viel eher einer düsteren Version eines Märchenschlosses.
 

Die Akademie war von einem dunklen Nadelwald eingeschlossen, von dem nicht einmal die Lehrer genau wussten, wo dieser lag. Sie hatten eher unkonventionelle Wege zu reisen und „in die Zivilisation“ zu gelangen. Der älteste Teil hob sich durchaus ein wenig vom Rest des Gebäudes ab, da dieser das Zentrum bildete und gleichzeitig über die Dächer der restlichen Hochschule ragte. Er war über Flure zu erreichen und lag in einem separaten Bau, welcher vom Rest der Akademie umschlossen wurde.
 

Gotische Elemente waren kaum zu übersehen, und prägten das äußere Erscheinungsbild immens. Nur hin und wieder wurde die alles verschlingende Schwärze des verarbeiteten Steins von dem ungesunden Grün des überall genutzten Lichts durchbrochen. Spitze steinerne Türmchen ragten überall drohend in den Himmel und überragten die winzig wirkenden Bäume um Längen.
 

Der äußerste Teil der Akademie fiel vor allem durch seine großzügigen Fronten aus Fenstern auf, die jedoch nicht weniger Schwärze mit sich brachten, als das Bollwerk im Kern der Anlage. Dennoch hatten die äußeren Bereiche durchaus etwas Prunkvolles an sich, wirkten sie in ihrer Bauart deutlich weniger schwermütig und unheimlich. Trotzdem passten sie hervorragend zum gotischen Zentrum, wenngleich ihre Flure, Säle und Zimmer nicht 15, sondern „nur“ 10 Meter hoch waren.
 

Ein plötzliches Geräusch ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken und merken, wie tief er eigentlich darin versunken war. Eine der drei anderen Türen öffnete sich. Es war eine helle und freundliche Tür, die zwar ebenso groß wie seine eigene war, aber weit weniger wuchtig und schwer wirkte. Helles Holz mit einer leicht rötlichen, filigranen Maserung bot eine große Fläche für die liebevollen Verzierungen, die diese Tür schmückten. Feinste Ranken, in einer gesunden, blattgrünen Farbe angemalt, erhoben sich vom Rest der Tür und zeugten von geduldiger und wahrhaft meisterlicher Arbeit. Auch die eingeschnitzten Lilien, die sich hier und dort als Erhebung vom Untergrund abhoben und in frischen, freundlichen Farben gestaltet waren, ließen klar und deutlich erkennen, zu wem diese Türen gehörten.
 

Die Frau, die aus der Dunkelheit der anderen Seite in den Saal trat war von einer atemberaubenden und einmaligen Schönheit. Es war nicht einmal ihr perfektes Aussehen, welches einem den Atem zu rauben fähig war, sondern viel mehr ihre anmutige und elfengleiche Präsenz, die sie wie eine Aura umgab. Für das ungeübte Auge sah sie aus, als sei sie gerade einmal Mitte 20, doch wer tief in ihre Augen blickte, der konnte die kosmische Weisheit und die göttliche Güte hinter dem satten Smaragdgrün erkennen, die ein überirdisches Funkeln zu besitzen schienen.
 

Die Tür schloss sich hinter ihr, sie trat ins Licht und er erhob sich höflich. Während sie an den Tisch schritt, ließ er seinen Blick prüfend über seine engste Vertraute gleiten. Sie war das absolute Gegenteil von ihm, in mehr als einer Hinsicht und weit mehr als nur rein äußerlich. Ihre samtig glänzenden und weich fallenden Haare reichten ihr bis knapp über den Po und schillerten in allen Variationen, die man sich von der Farbe grün nur vorstellen konnte. Ihr schlanker und wohl geformter Körper wurde von einem luftig fallenden Kleid aus Seide verhüllt, welches sich kaum ihre Haut zu berühren traute und von beiger Färbung war.
 

Das Seidengewand endete vorne knapp über ihrem Knie und verlor sich nach hinten in einer endlos wirkenden Schärpe, die jedoch nicht über den Boden streifte, sondern in hauchzarten Bewegungen darüber schwebte. Die Seide wurde an den Schultern über die Arme hinweg von einem leicht durchsichtigen Taft abgelöst und ließ einen vagen Blick auf die zarten Arme zu, die von ähnlich filigranen Ranken aus Silber geschmückt waren, wie sie auch an ihrer Tür zu sehen waren.
 

Wenn er selbst als Ausgeburt eines Dämonen betrachtet werden konnte, so war sie die personifizierte Göttlichkeit.
 

Ihre zierlichen Füße waren unbekleidet, am Knöchel aber von je einem Ring aus Gänseblümchen umspielt. Und, im Gegensatz zu seinen eisigen Schritten, hinterließen ihre Füße ein flüchtiges Aufbegehren gesunden Grases, welches sich nach einem kurzen Moment jedoch genau so in Wohlgefallen auflösten, wie es auch sein Eis zu tun pflegte.
 

Ein zutiefst liebevolles Lächeln zierte ihren vollen, zart rosa schimmernden Lippen, die im Schein der Fackeln leicht glänzten. Ohne auch nur eine Spur von Angst oder Abscheu schloss sie ihren Vertrauten in die Arme, als sie diesen erreichte, und sprach mit einer warmen, hellen und herzlichen Stimme: „Grim! Ich freue mich, dich zu sehen.“ Auch wenn sie wusste, dass er diese Umarmung nicht spürte, so wusste sie aber ebenso, dass diese Geste für ihn von großer Bedeutung war. Sie liebte Grim, wie sie jedes einzelne Lebewesen dieser Erde liebte. Und auch ein wenig mehr, denn etwas ganz Besonderes verband sie seit dem Tag ihrer Erschaffung, was sich auch in alle Ewigkeit nicht zerstören oder entzweien ließ.
 

Grim löste sich von der göttlichen Schönheit. Seine Stimme klang beinahe diabolisch und ein eisiger Hauch umgab sie: „Gaia, es ist mir immer wieder ein Rätsel, wie sehr du dich über meinen Anblick freust, wo wir am Morgen doch noch gemeinsam mit allen anderen den Unterricht vorbereitet haben.“ Ihr wundervolles Lächeln veränderte sich in keiner Weise: „Deine Anwesenheit fehlt mir aber zwischendurch, wie dir meine fehlt. Und 'er' uns allen...“ Der Verhüllte senkte den Kopf und nickte leicht. Ehe er jedoch zu einer Antwort ansetzen konnte, öffneten sich die beiden übrigen Türen.
 

Beide Durchgänge waren von einer eindeutigen Symbolik und Machart verziert. Auf der einen Tür erhob sich ein stilistisches Sonnensymbol mit geschwungenen Strahlen auf dem rötlich schimmerndem Kirschholz über die Grundfläche. Diese Sonne war so kunstvoll mit Farbe versehen worden, dass man tatsächlich denken könnte, sie brenne wirklich. Rot, gelb und orange dominierten diese Farbgebung.
 

Auf der anderen Tür war in einer ähnlichen Weise ein nach oben geöffneter Halbmond zu sehen. Das Ebenholz, aus dem sie gemacht war, war dunkel, beinahe schwarz, doch der Halbmond schimmerte in einem zarten mondgelben Ton, von hellen Steinen umgeben, die das dunkle Holz wie einen Nachthimmel wirken ließen.
 

Durch die Sonnentür trat ein jugendlich aussehender Mann, der, ähnlich wie Gaia, eine gewisse göttliche Ausstrahlung und Anmut besaß, jedoch bei Weitem nicht so ausgeprägt. Zumindest empfand Grim dies so, doch er war wohl durch seine Bindung zu Gaia voreingenommen.
 

Eigentlich war der Rothaarige, hinter dem die Tür sich wieder schloss, ein wunderschöner Mann, wenn man es objektiv betrachtete. Seine blutroten Haare besaßen einen goldenen Schimmer und reichten ihm bis zur Mitte des Rückens, obwohl sie zu einem ordentlichen Zopf geflochten waren. Auf seiner Stirn war eine ähnliche Sonne zu sehen, wie auf der Tür, lediglich bedeutend kleiner. Seine Augen strahlten in einem warmen Orange, welches von einem rötlichen Ring umrandet wurde. Ein goldenes Diadem mit einem funkelnden Rubin thronte auf seinem Kopf und gab ihm etwas königliches. Gekleidet war er in einen weichen Kimono, der das Muster eine Tigerlilie aufwies.
 

Durch die Mondtür war eine Frau in den Saal getreten, die ebenfalls viel schöner und anmutiger als der Durchschnitt war. Ihre Haare reichten beinahe bis zum Boden und schimmerten in einer farblichen Mischung aus silber, pastellgelb und hellblau. Auf ihrem Kopf saß ein silbernes Diadem, in welches ein strahlend blauer Opal eingefasst war.
 

Ihre Haut war blass, schier weiß, und ihre zierlich geschwungenen Lippen hoben sich durch die indigoblaue Schminke ab. Ihre Augen waren beinahe weiß, dennoch schimmerten sie in einem ganz leichten Blauton. Die junge Frau trug ebenfalls einen Kimono, der jedoch nachtblau und mit feinen, hellblauen Linien gemustert war.
 

Grim und Gaia begrüßten die beiden Ankömmlinge mit freundschaftlichen Umarmungen, ehe der Verhüllte auf die Stühle deutete und zu sprechen begann, nachdem sie alle Platz genommen hatten: „Ich danke euch für euer Erscheinen... Solarion...“ Er sah den Rothaarigen an, der ihm zunickte. „...Luna...“ Sein Blick wanderte zu der jungen Frau im Kimono, die ebenfalls mit einem Kopfnicken verdeutlichte, dass sie den Dank annahm.
 

Gaia übernahm das Wort und lächelte liebevoll in die Runde: „Eigentlich danke ICH euch drei für euer Erscheinen. Denn ich habe um diese Konferenz gebeten. Es gibt nämlich eventuell gute Nachrichten...“ Der Rothaarige, Solarion, sah seine Kollegin fragend, aber durchaus neugierig an: „Eventuell? Was meinst du damit?“ - „Nun, ich habe heute Nachmittag Nachricht von Kakashi erhalten...“ Aufgeregt presste Luna ihre Hände aneinander und sprach mit funkelnden Augen: „Sag nicht, dass er endlich ein paar neue Schüler ausfindig machen konnte?“
 

Auch Grim wurde hellhörig. Wenn Luna Recht hatte, dann würde endlich wieder Bewegung in ihre Akademie kommen. Geduldig und schweigend wartete er ab, bis seine Vertraute zu erklären begann: „Es sieht ganz danach aus, als habe er nicht irgendeinen Schüler gefunden... Sondern einen ganz Besonderen, weshalb auch die Schülerzahlen vermutlich im Allgemeinen so niedrig sind.“ Der Direktor keuchte aufgeregt: „Willst du damit sagen, dass endlich wieder ein Schüler meines Fachs aufgetaucht ist?!“ Gaia sah ihn an und nickte lächelnd: „Kakashi ist sich ziemlich sicher, dass es so ist. Er wollte nur noch ein paar letzte Tests machen, um ganz sicher zu sein.“
 

Erschöpft ließ Grim sich nach hinten gegen die Lehne sinken und seufzte leise. Man konnte hören, dass er froh und erleichtert war, und unter normalen Umständen wohl gelächelt hätte: „Das... ist fantastisch! Eine vollständige, kosmische Gruppe hat es viel zu lange nicht mehr gegeben! Hat Kakashi bereits Informationen verlauten lassen?“ Gaia nickte abermals und spürte die Erleichterung und die angenehme Aufregung, die auch Grim in sich spürte. Sie war glücklich, dass ihn diese Nachricht so ungemein in Verzückung versetzte. Immerhin war ihr Freund und Vertrauter schon viel zu lange über die ganze Situation für sie und die Akademie deprimiert gewesen. Endlich schien das Blatt sich zu wenden, auch wenn keiner von ihnen sagen konnte, ob sie dieses Mal eine geeignete Gruppe gefunden hatten.
 

Sie legte Grim eine Hand auf die knochige Schulter und schmunzelte: „In der Tat. Kakashi erzählte mir, dass die Aura deutlich zu spüren sei... und dass Nachforschungen ergeben hätten, dass diesen jungen Mann viele menschliche Verluste in seinem Leben begleitet haben. Auffällig viele.“ Während der Direktor nickte und über diese Worte nachzudenken schien, meldete Luna sich wieder zu Wort: „Sollen wir unseren Schülern schon einmal Bescheid sagen, oder sollen wir lieber noch warten, bis wir ganz sicher sind?“
 

Solarion legte seine Hand ans Kinn und knurrte nachdenklich: „Die Truppe ist sehr... lebhaft. Ich denke, dass wir erst sichergehen sollten. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir uns ansonsten eventuell mehr unnötiges Chaos schaffen, als wirklich nötig.“ Gaia nickte zustimmend: „Ich denke auch. Sie sind eben alle noch recht jung und haben teilweise eine beneidenswerte Energie.“ Grinsend sah Luna ihre Kollegin schelmisch an: „Vor allem DEIN Schüler... und Solarions. Ich kann mich bei meinem über übermäßige Kindlichkeit nun wahrlich nicht beschweren... ganz im Gegenteil.“
 

Der Rothaarige verdrehte die Augen: „Hör bloß auf... er ist ja wirklich lieb und herzensgut... aber manchmal würde ich ihm am Liebsten den Mund versiegeln, damit ich mal fünf Minuten Pause für meine armen Ohren habe...“ Gaia schmunzelte erheitert und schüttelte lächelnd den Kopf: „Die beiden sind wie Tag und Nacht, aber das müssen sie eben sein. Das wisst ihr doch. Sie ergänzen sich so gut, wie noch nie Schüler vor ihnen, die bei euch beiden Unterricht hatten. Und ich glaube, dass Grim einen sehr fähigen und ihm ähnlichen Schüler kriegen wird, wenn dieser ein richtiges Pendant zu meinem Schützling ist.“
 

Nun sah der Verhüllte wieder auf, stützte das Gesicht auf den Knochen seiner Finger ab, und kicherte leise: „Wisst ihr... wenn dem so ist, dann wird es wohl der perfekte Schüler sein... Absolut perfekt...“ Er sah seine Kollegen verheißungsvoll an. „Ich werde Kakashi gleich morgen auftragen, sich mit den Überprüfungen zu beeilen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass an der Sache mehr dran ist... Vielleicht haben wir dieses Mal Glück und kriegen tatsächlich eine... perfekte Gruppe zusammen...“
 

(1): "Warten auf Godot" ist ein Theaterstück von Samuel Beckett, in welchem 2 Hauptfiguren auf Godot warten, der jedoch bis zum Schluss nicht erscheint. Weitere Infos: http://de.wikipedia.org/wiki/Warten_auf_Godot



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Caliane
2012-05-03T19:45:49+00:00 03.05.2012 21:45
ich hab zwar erst 10 seiten gelesen, aber ich finde deinen schreibstil einfach großartig.
auch, dass du zu anfang nicht gleich verrätst, um wen es geht, hat mir mit am besten gefallen. :)
ich freu mich auf die nächsten seiten
LG Vivi


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