Zum Inhalt der Seite

Gegen den Strom des eigenen Blutes

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Definition des Verlierens…

Kapitel 14.

Die Definition des Verlierens…
 

…obgleich es nur eine einzelne Schlacht war, änderte die Einstellung eines jeden Soldaten zum eigentlichen Krieg.

Cyriacs Leben war beendet und kürte die andere Seite als Sieger. Castiel hatte schon viele Schlachten geschlagen, darunter gingen auch viele an den Feind. Unzählige Auseinandersetzungen waren im Laufe der Jahrtausende verloren worden, doch immer hatte sich danach ein Erzengel erhoben und verkündet, dass mit einer verlorenen Schlacht der Krieg noch nicht beendet sei! Letzten Endes konnte man immer noch als Sieger das Schlachtfeld verlassen, wenn man nur nicht an dem einen Verlust festhalten und stattdessen eher nach vorne Blicken würde.

Heute waren erneut die Erzengel die Sieger, und würden ihre Truppen mit eben jenem Gewinn im Rücken bestärken.

Diese Schlacht hatten sie eindeutig gewonnen und obwohl nur ein kleiner Sieg demoralisierte es die Verlierer. Das auch noch in mehrerer Hinsicht, denn die andere Seite, der Feind, das war in diesem Falle die eigene Familie.
 

Cass bemühte sich dennoch redlich optimistisch zu bleiben. Schließlich war er noch hier, das Kind lebte – eine hörbare Tatsache – und Dean würde ihm… ihnen helfen, ganz egal was da kam.

Mit Dean an seiner Seite hatte er bereits einen Krieg gewonnen! Hatten einzelne Schlachten verloren aber letzten Endes doch den endgültigen Sieg errungen. Damals wie Heute hatte das Opfer gefordert. Viele waren gestorben, gute Menschen deren Verlust von ihren Freunden bedauert und gerächt worden war. Heute hatte ein weiterer Krieg ein neues Opfer gefordert.

Warum Cass dieser Tod selbst besonders nahe ging, schob er auf die kurze doch intensive Zeit mit Cyriac. Sie hatten sich nicht wirklich gekannt, aber dafür etwas geteilt was in ihrer Welt so selten und einmalig ist, das es unweigerlich Gefühle des Verlustes mit sich brachte.

So trauerte Castiel. Zwar hatte er nie den Tod eines seiner Geschwister mit Gleichgültigkeit bedacht. Immer war ein kurzer, aber stechender Schmerz mit dem Sterben einhergegangen. Dieses Mal war jedoch vieles anders.
 

Wenn er glaubte das ganze wäre mit dem entgegenstellen und dem kämpfen gegen Raphaels nächste Intrige getan gewesen, so hatte er diese Hoffnung nun endgültig eingebüßt. Das hier war keine von Raphaels üblichen, kleinen Boshaftigkeiten. Nein, das war ernst, das war groß, das war Krieg! Er war wieder im Krieg! Ein Blick auf Cyriacs toten Körper und diese Gedanken wurden traurige Gewissheit. Da er wieder nicht alle nötigen Informationen bekommen hatte, war es schwer voraus zu sehen was ihnen bevorstand.

Was daher jetzt oberste Priorität besaß, war zurück zu Dean zu kommen und Pläne für die Zukunft zu schmieden.
 

Cass nahm das Kind und bettete es in seine Arme. Streichelte ihm über den Kopf und strich eine widerspenstige Strähne schwarzen Haares zurück.

„Sei ruhig, weine nicht mehr“, sprach er behutsam und hätte er mehr Kraft zur Verfügung gehabt, er hätte dem Kind die Schmerzen abgenommen. Doch was ihm an bloßer Kraft fehlte, glich er mit den angeborenen Fähigkeiten eines Engels wieder aus. Seine warmen Hände beruhigten das Kind, seine angenehme Stimme klang malerisch, als er in der alten Sprache seines Volkes eine traurige Weise anstimmte. Seine Gnade, ob wohl sehr geschwächte hüllte sie beide in ein glimmendes, weißes Licht und eh sich Cass versah, war das Mädchen wieder eingeschlafen.
 

Langsam und gequält erhob sich Cass. Das alte Laub und die Feuchtigkeit der Höhle hatten seinem angeschlagenen Zustand nicht verbessert. Der mittlerweile vor Dreck strotzende Trenchcoat war durchnässt und auch seine Hose hatte das viele Wasser am Boden wie ein Schwamm aufgesaugt. Die Schmerzen welche ihm Sophus bei ihrer letzen Begegnung beigebracht hatte, meldeten sich und machten ihm das Gehen schwer. Kaum das er sich gerade halten konnte, drückte er das Kind wieder behutsam an seine warme Brust.

Als er sich in der Höhle – war es eine Höhle? – umsah, erkannte er keinen Ausgang. Nur eine schmale Öffnung in der Decke spendete das spärliche Licht in welchem Cass jetzt stand. Also würde er seine Engelsmagie gebrauchen müssen, um von ihr zu verschwinden.
 

Sein Blick löste sich von der Deckenöffnung und glitt zurück zu dem leblosen Körper auf dem Bett aus totem Laub. Er konnte Cyriac nicht einfach hier liegen lassen. Es war ihm irgendwie zuwider jetzt einfach zu gehen. Obwohl man einen Engel nicht bestattete, denn sie starben ja auf ganz andere Weise als es die Menschen taten. Zurück blieb lediglich die tote Hülle, das Leben darin, der Engel verschwand einfach. Löste sich auf, zerstob in tausende Funken und verschwand in der Ewigkeit des Äthers.

Cyriac aber war nicht als Engel gestorben und so blieb ein Körper zurück der nicht in die Hände ihrer Geschwister oder gar in die der Dämonen fallen dürfte. Nein, keine der beiden Seiten sollte etwas vom Tod Cyriacs erfahren. Es würde ihnen nur zusätzliche Informationen liefern mit denen sie ohne Zweifel zu arbeiten verstehen würden. Das wollte ihnen Cass nicht zugestehen. Er musste sich ja selbst dis dato die wenigen Informationen die er besaß mühsam zusammenglauben, das sollten ruhig auch die anderen tun.

Was bedeutete er würde mit Cyriac und dem Kind von hier verschwinden müssen. Genügend Kraft um die Grotte hier abzuschirmen besaß er momentan nicht. Auch würde der Weg durch das Äther früher oder Später einen Engel direkt hier her führen. So wie es ihm mit der Hilfe seines Bruders gelungen war. Schließlich standen Raphael für die Suche die ganzen himmlischen Armeen zur Verfügung und Zeit spielte für Engel ohnehin keine Rolle.

Also weg von hier und zwar sie alle.
 

Castiel sammelte erneut den dürftigen Rest seiner Magie. Ballte ihn in seinem Körper zu einem kleinen Ball und setzte sich dann neben seinen Bruder. Das Kind geschützt auf seinem Arm griff er nach der Schulter seines Bruders. Cass schloss die Augen, konzentrierte sich auf die geformte Magie und ließ sie wieder strömen. Die Höhle verschwand um sie herum, bog sich in alle Richtungen, verzerrte sich. Cass versuchte den vor ihm liegenden Weg in den vorbeihuschenden Schemen nicht zu verlieren, versuchte wach und bei Sinnen zu bleiben, als ihm auch das letzte bisschen Kraft verließ. Erschöpft viel er mit seinen beiden Passagieren zu Boden. Er wollte sich noch aufrichten, sehen wo sie sich befanden, doch er konnte es nicht mehr. Völlig ausgelaugt fielen ihm die Augen zu. Zog ihn die Regeneration tief in die Dunkelheit seines Bewusstseins. Kurz glaubte er noch eine Stimme zu hören, wollte sie sich einprägen, sich des Sprechers bewusst werden…Schwärze…
 

Er spürte eine Hand auf seiner Wange ruhen. Schmale Fingerchen strichen behutsam über seine warme Haut. Die Trance war noch nicht vollendet, seine Kräfte nicht vollständig wiederhergestellt doch erneut vernahm er eine Stimme. Wieder war sie ihm bekannt, unheimlich bekannt. Sie erinnerte ihn an jemanden, aber er vermochte beim besten Willen nicht zu sagen an wen. Sein Geist trieb noch immer in der wohligen Stille der Regeneration und eine innere Stimme drängte er solle weiter schlafen, sich erst ganz erholen.

Da vernahm Cass erneut die Stimme und dieses Mal war es ein Lachen. Kein freundliches oder gar ein gutmütiges. Nein, dieser Laut war herablassend und arrogant. Eine tiefe männliche Stimme, lachte sie über ihn? In Cass regte sich ein Instinkt der ihn vor drohender Gefahr warnte. Auf die mahnende Stimme hörend kämpfte er den nebligen Rest seiner Trance zurück und schlug unter gewaltiger Anstrengung die Augen auf.
 

Neben ihm lag das kleine Mädchen und kuschelte sich an seine Brust. Sie hatte offenbar seine Wärme gesucht und schmiegte sich an ihn. Ihre kleine Hand fuhr die Konturen seines Gesichtes nach und offenbar beobachteten die kleinen, dunklen Augen jede seiner Regungen.

„Ausgeschlaft? Fragte das Kind in einem so rührend unschuldigen Ton das Cass Herz unweigerlich warm wurde.

Die lachende Stimme aus seinem Traum war verschwunden, aber kaum angekommen in der Wirklichkeit konnte er sie zuordnen. Es war Sophus gewesen, den er gehört hatte. Vielleicht nicht real, sondern ein Widerhall aus dem Äther. Wenn Sophus etwas zu lachen hatte, dann war das ein verdammt schlechtes Zeichen. Deshalb hatte ihn wohl sein Instinkt geweckt. Warnend vor einer Gefahr die näher kam, der es zu entrinnen galt. Auch als ausgestoßener Engel – zu was ihm Raphael mit Sicherheit inzwischen gemacht hatte – besaß er noch genügend Engelskräfte um ein guter Soldat in diesem Krieg zu sein.

Sich wieder auf das besinnend, was getan werden musste erhob sich Cass. Prüfte ob sein Körper schon jede Bewegung mitmachen würde. Das Kind sah ihm zu, noch immer halb eingewickelt in die feuchten Tücher aus der Höhle.
 

Cyriacs Körper lag im spärlichen Gras. Erst bei Tageslicht schien das ganze Übel seines Bruders offensichtlich. Er war unnatürlich dünn, als hätte er sich die letzten Tage seines Lebens von nichts ernähren können. Ausgezehrt und ohne seiner Kräfte wirkte der zerbrechliche, menschliche Körper so gar nicht nach etwas dem einst ein Engel innewohnte. Geronnenes Blut klebte überall auf seiner Kleidung und erinnerte Cass an das kleine Glasfläschchen. Er bückte sich zu seinem leblosen Bruder und entnahm den kalten Händen die Phiole mit der Gnade. Sachte drehte er sie zwischen seinen Fingern und betrachtete sie lange. Sein Blick war versunken in dem Wirbel aus weißer Energie. Alles was von Cyriac noch übrig geblieben war, alles Leben was Gott ihm einst geschenkt hatte, die Essenz eines Engels, all das hielt er jetzt hier in seiner Hand. Wofür hatte Cyriac sie wohl aufbewahren wollen? Bedauern über den Tod seines Bruders mischte sich mit der Wut darüber, wieder kaum eine seiner Fragen beantwortet bekommen zu haben.
 

Als Cass sich aus der Hocke erhob, schob er die kleine Phiole in seine Innentasche. Dort würde sie sicher sein, bis er wusste was mit ihr zu tun war.
 

Erst jetzt wurde er sich seiner Umgebung bewusst. Nicht ganz da wo er eigentlich hin gewollt hatte, aber immerhin weit genug von der Höhle entfernt um nicht leichte Beute zu sein.

Sie waren auf dem Kamm einer Bergkette deren Gipfel noch die letzten Reste von Schnee zierten. Ein nahe gelegener Wasserfall rauschte und stürzte sich tosend den Abhang hinunter. Den Hang hinab kam weiter unten ein Stück Wald, dass am Horizont in Felder und Ackerland überging. Ein kleines Tal schloss an den Fluss, der sein Bett durch Wald und Wiesen grub. Aus dem Talkessel wehte der frische Wind den leichte klang einer Kirchturmglocke den Berg hinauf.

Cass war sich nicht sicher wo auf der Erde sich dieses malerische Fleckchen befand, doch schien es ihm als letzte Ruhestätte für seinen Bruder als angemessen. Obgleich dieser Gedanke ihm lächerlich vorkam, aber wenn sein Bruder schon wie ein Mensch gestorben war, dann sollte er auch wie einer begraben werden.

Obwohl hier oben wenig Erde für diesen Zweck zu finden war. Die wenigen Büschel Gras, welches aus dem steinigen Untergrund wuchsen, waren dürr und völlig ungeeignet. Also nahm er das Kind und ging Prüfend den Berg ein Stück hinab. Tatsächlich fand er schon bald eine Stelle, die sich als geeignet entpuppte.

Halbwegs Regeneriert nutzte er Magie um das Grab auszuheben. Es lag unter einem großen Lindenbaum in dem eine Unmenge Vögel ihre Lieder sangen. Das Leben hier an diesem Ort war zahlreich und stand in einem schönen Kontrast zu dem Toten, den er hier zu Ruhe bettete. Umgeben von der Schönheit und Ruhe, die ihr Vater einst geschaffen.
 

Das Kind saß am Stamm des großen Baumes und wühlte mit zunehmender Begeisterung in der aufgehäuften Erde. Natürlich entzog sich ihrem kindlichen Verständnis der Grund ihrer Anwesenheit und so genoss sie die frische Luft und die ungewohnte Umgebung.

Castiel hob den Körper seines Bruders hoch und trug ihn zu Grabe. Zwar hatte der Engel Bücherwissen über menschliche Begräbnisse, aber trotzdem viel es ihm schwer dem ganzen die entsprechende Note zu verleihen. Als er den Toten so in der kalten Erde liegen sah, wünschte er sich wirklich er hätte Blumen. Auch wenn die keinen nennenswerten Sinn erfüllten, schmückten sie doch dies einsame Bild und überschatteten die Kälte und auch die Einsamkeit. Jetzt verstand der Engel zum ersten Mal was Sterben für die Menschen wirklich bedeutete.
 

Eines Tages würde er Dean vielleicht auf dieselbe Art Lebewohl sagen. Dann läge der Körper des Jägers in seinem dunklen Grab und Cass wäre dann für immer allein. Ja, das bedeutete Sterben. Bisher hatte er diesen Gedanken nie bewusst zu Ende gedacht. Aber hier musste er all das an sich heran lassen. Ein weiterer Preis den er würde zahlen müssen, sollte er wirklich für immer an Deans Seite bleiben wollen.
 

Wie um seine beklemmenden Gedanken los zu werden, schüttelte Cass seinen Kopf. Ein freudiger Aufschrei ließ ihn zu dem kleinen Mädchen blicken. Es hatte in der Erde einen Regenwurm entdeckt und begutachtete das sich kringelnde Ding mit kindlicher Faszination. Ihre Hände waren schmutzig und die Erde klebte überall auf der Kleidung, in Gesicht und Haaren. Castiel ging zu ihr, hob das kleine Geschöpf auf seinen Arm und ging zurück zu dem offenen Grab.

Das Kind sah hinab auf die friedliche Gestallt, die mit auf der Brust gekreuzten Armen aussah, als würde sie nur schlafen.

Bestimmt würde das Kind nichts von alle dem verstehen, trotzdem fühlte sich Cass verpflichtet etwas zu sagen. Das gehörte zu Beerdigungen dazu, zumindest hatte er das gelesen.
 

„Dein Vater hat dich wirklich sehr geliebt. Wahrscheinlich wirst du dich wenn du älter bist nicht einmal an ihn erinnern können. Aber ich verspreche dir, ich werde dir von ihm erzählen. Heute jedoch nehmen wir erst einmal Abschied von ihm, denn wir werden ihn nie wieder sehen. Er ist endgültig von uns gegangen.

Unser Vater sagte uns einst, alles was Lebt würde eines Tages vergehen und darüber sollten wir nicht trauern. Wir sollten uns viel eher darüber freuen das es einst war, als zu bedauern das es jetzt nicht mehr ist. Früher glaubte ich diese Worte zu verstehen, doch was genau sie bedeuten wird mir auch erst Heute klar.

Dein Vater hat mir vieles gegeben worüber ich nachdenken muss. Er war stark und er war mutig und wollte stets das Beste für euch.

Ich hab ihm versprochen dich zu beschützen und dieses Versprechen werde ich einhalten.

Leb wohl Cyriac, in unseren Erinnerungen wirst du für immer weiter leben.“
 

Das Mädchen hatte die unangenehme Stimmung gespürt, die um sie herrschte. Trauer war ihr fremd, und Verlust etwas das sie nicht begreifen konnte. Sie wusste nur das ihr Papa da unten lag und das missfiel ihr. Er sollte hier oben sein, bei ihr und sie in den Arm nehmen so wie er das immer tat. Denn er war warm und an seiner Brust fühlte sie sich sicher und geborgen. Der fremde Mann der sie hielt war ihm zwar ähnlich, doch er roch anders, seine Stimme klang tiefer…er war einfach nicht ihr Papa. Aber warum lag ihr Papa da unten, schlief er? Wann würde er aufwachen und zu ihr kommen? Vielleicht könnte sie ihn ja wecken? Wenn sie nur zu ihm gelangen könnte.
 

Cass wollte bereits die aufgehäufte Erde ins Grab zurück schieben, als er das kleine Mädchen quengeln hörte. Sie streckte ihre kleine, Dreck verkrustete Hand aus und machte in der Luft eine Bewegung als wollte sie etwas greifen. „Daddy“ rief sie mit lauter Stimme. „Daddy auf wacht!“ forderte sie.

Mit einem mulmigen Gefühl beobachtete Cass die Szene. Dann griff er nach der Hand des Kindes und das kleine Gesicht wandte sich ihm zu. Große, dunkle Augen musterten ihn und machten diesen Augenblick noch schwerer für ihn.

„Dein Daddy wird nicht aufwachen. Er schläft hier und zwar für immer.“

„Nachhause?“

„Nein, wir können nicht nach Hause. Dein Zuhause existiert nicht mehr.“

„Daddy?“ sie blickte wieder in das Grab.
 

Castiel verstand nur zu gut wie es dem Mädchen gerade zumute war. Gut, er hatte die Hintergründe verstanden, aber auch er hatte seinen über alles geliebten Vater verloren. Das zu hören, es zu begreifen war wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. Nur langsam war die Nachricht damals in seinen Verstand gesickert und doch hatte er sich lange Zeit geweigert es auch wirklich zu glauben. Weil er es schlicht und einfach nicht hatte glauben wollen. Denn es hatte bedeutet, dass alles was er immer geglaubt hatte eine Lüge gewesen war.

Sein Vater liebte ihn doch, ihn und all seine anderen Kinder. Er hatte sie erschaffen, geschaffen um ihm und seiner Herrlichkeit zu diene und Castiel hatte diesen Lebenszweck genauso geliebt wie jeder andere Engel der Schöpfung. Gott zu dienen war ein Privileg und ihm war es zuteil geworden.

Wie jedes Kind hatte Castiel nie an der Liebe seines Vaters gezweifelt und hatte stets in seinem Namen gehandelt. Immer wartend gelobt zu werden und mit dem Bestreben den Wünschen und Vorstellungen des perfekten Sohnes zu entsprechen.

All dies war mit dem Verschwinden seines Vaters verloren gegangen. Gott hatte aufgehört sich um ihn zu kümmern, war verschwunden und hatte ihn in der Dunkelheit allein gelassen. Verängstigt und verletzt hatte sich Castiel einer Zukunft stellen müssen, die Leblos und ohne jede Hoffnung wirkte. Sein Vater war immer Innhalt seines Lebens gewesen und die bloße Vorstellung ohne ihn weiter machen zu müssen war schrecklich gewesen.

Doch es war ihm mit Deans Hilfe gelungen.
 

„Es ist schwer“, sagte er und musterte ebenfalls die Leiche im Grab. „Aber du wirst darüber hinweg kommen. Da ist jemand der dir dabei helfen wird. Er hat auch mir geholfen.“

Dann bewegte er mit einer schiebenden Geste die ganze Erde in das offene Grab. Ein leises Wimmern entrang sich der Kehle des Kindes, als ihr Vater unter der Decke aus Erdreich verschwand.

„Lebwohl“ flüsterte Castiel gegen den leichten Wind und dann drehte er sich um und ging.
 

Das Kind schaute über seine Schulter, reckte ihr Händchen zurück und begann zu weinen. Sie wollte nicht weg, nicht ohne ihren Vater.

„Daddy“ rief sie zwischen den Schluchzern doch der böse Mann der sie immer noch fest im Arm hielt blieb einfach nicht stehen! So verschwand die Stelle aus ihrem Blickfeld, an dem ihr Vater schlief. Was wenn er sie nicht finden würde sobald er erwachte? Dann wäre sie doch allein! Immer mehr Tränen bahnten sich ihren Weg, je weiter man sie von hier fort brachte.
 

*******
 

Dean wartete gespannt. Cass hatte sich am Telefon sehr kurz angebunden gezeigt. Den letzten Rest seines Weges hatte er mit unerträglicher Spannung hinter sich gebracht. Gewissenhaft darauf achtend, ob ihm wirklich niemand gefolgt war, spürte er den stechenden Blick des Engels nicht mehr auf sich ruhen. Ob das aber wirkliche Sicherheit bedeutete, vermocht er nur zu hoffen.

Jetzt bog er mit seinem Impala auf einen mit Kopfsteinen gepflasterten Parkplatz. Mittlerweile war es früher Morgen und die Sonne würde bald am Horizont zu sehen sein. Das erste leichte Glimmen der warmen Strahlen war bereits zu erkennen und durchbrach die sonst pechschwarze Nacht.

Die Luft war warm, als Dean aus dem Auto stieg. Gras und Löwenzähne sprossen zischen dem Kopfsteinpflaster und weckten einen ungepflegten Eindruck.
 

Als Cass angerufen hatte, da war Dean gerade auf einem leeren Highway unterwegs gewesen. Die nächste Ausfahrt hatte er ignoriert, ebenso die übernächste. Dann als eine staubige Ausfahrt auf eine Stadt verwiesen hatte, war er abgebogen.

Das Motel lag in einem ruhigen Gewerbegebiet am Stadtrand. Neonreklame wies auf 24 Stunden Check in hin und freie Zimmer.

So ging Dean gespannt, müde aber gut gelaunt auf ein blau gestrichenes Häuschen zu, dessen Putz bereits bröckelte und an manchen Stellen schon abgefallen war. Auf der schweren Holztüre stand Rezeption also drückte er sie auf und wurde von dem metallenen Piepen einer Türklingel begrüßt. Dir Rezeption selbst war ein kleiner, düsterer Raum in dem es nach Zigarettenrauch und billigen Duftbäumchen roch. Ein dicker Mann im Metallica T-Shirt und langen, schwarzen Haaren erhob sich von einem seufzenden Bürostuhl, legte ein Magazin in dem er geblättert hatte beiseite und musterte seinen späten Gast.

„Hey, ein Zimmer bitte“, grüßte Dean und angelte seinen Geldbeutel aus der Hosentasche. Der Mann hinter dem Tresen grunzte nur, gab ihm ein Klemmbrett und einen Kugelschreiber während er den PC aus seinem Bildschirmschonmodus holte.

„Wie lange wollen sie bleiben Mr.…?“ der Mann Zog das Klemmbrett heran, das Dean gerade ausgefüllt hatte und blickte auf den Namen. „Mr. Asada?“

Dean hob und senkte die Schultern. „Mal sehen, ein, zwei Tage bestimmt.“

Wieder erhielt er ein Grunzen als Antwort und der Mann gab die Daten in den Computer ein. Dann fasste er unter die Theke und holte einen Schlüssel aus der Schublade.

„Nummer 1“ verkündete er und blickte seinen Gast das erste Mal seit dieser zur Tür hereingekommen war, richtig an.

„Haben Sie noch Fragen?“

Dean verneinte.

„Gut, sollte was sein können sie jederzeit zu uns kommen. Es ist rund um die Uhr jemand für sie da. Ich bin Andy, also fragen sie ruhig nach mir.“ Das klang wenig ernst gemeint und eher routiniert als aufrichtig. Dean schenkte dem offensichtlich schlecht bezahlten Angestellten trotzdem ein Lächeln.

„Danke, schönen Tag noch Andy.“
 

Wieder an der frischen Luft fühlte sich Dean richtig glücklich. Müde, aber glücklich. Cass würde bald wieder an seiner Seite sein und bestimmt viele Informationen mitbringen. Das Warten auf eine Nachricht seines Engels hatte ihn wirklich sehr gebeutelt. Jetzt wusste er immerhin das Cass wohlauf war.

Die Tür von Nummer 1 war ebenso blau wie das Häuschen der Rezeption. Als Dean die Tür aufschloss und das Licht anmachte, verschlug es ihm glatt die Sprache. Die Ausstattung dieses Zimmers war in sämtlichen Blautönen gehalten, die er je gesehen hatte - und ein paar mehr. Die Farbe wirkte in dem kleinen Raum so erdrückend, dass er am liebsten gleich wieder kehrt gemacht hätte. Aber was spielte es letzten Endes für eine Rolle? Kein Motelzimmer gehörte zu den Räumen die man gerne bewohnte. Schließlich hatte er im laufe seines Jägerlebens schon viele solcher Zimmer gesehen. Manche waren nett, andere sogar gemütlich aber die meisten waren renovierungsbedürftig oder schlicht daneben. Wie das hier. Man hatte sich zwar an ein Motto beim einrichten gehalten, aber Blau war einfach kein Argument, auch wenn sie konsequent dabei gewesen waren.

Wieder mit den Schultern zuckend warf Dean seine Tasche auf die blaue Couch und schaltete die lackierte, dunkelblaue Klimaanlage ein. Die ging überraschend gut und als nächstes stellte er Bier in dem schrecklich hellblauen Kühlschrank kalt.
 

Eigentlich hatte er ja aufbleiben wollen, aber kaum hatte er sich in die türkisen Laken des alten Bettes gelegt, war er auch schon eingeschlafen. Der Müdigkeit ihren Tribut zollend, erwachte Dean erst als er das bekannte Geräusch von flatternden Flügeln vernahm. Aus alter Gewohnheit zog der sein Messer und überrascht das es bereits Tag hell war, blinzelte er gegen das grelle Licht. Seine Augen tränten und doch erkannte er die vertraute Gestallt.
 

Cass stand – wieder in sauberen Klamotten – im Zimmer. In einer Hand hielt er eine braune Tüte von der aus ein verführerischer Duft von glasierten Süßkram und Kaffee ausging und auf dem anderen Arme hielt er ein Kind. Dean wischte sich die Feuchtigkeit aus den Augen aber als er erneut hin sah, war da immer noch ein Kind auf den Armen seines Engels. Das kleine Mädchen von den Fotos sah ihn aus verweinten, dunklen Augen an.

Castiel streckte dem Menscheln die Tüte entgegen. „Guten Morgen Dean, hier ist dein Frühstück.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Stevielein
2012-08-07T09:29:25+00:00 07.08.2012 11:29
Ich liebe deine Schreibstil einfach und das ganze Kapi is einfach gut und auch traurig ^^
Bitte bitte schreib bald weiter, die Story ist einfach so schön und ich will doch wissen was zwischen Dean und Cass noch so passiert xD
LG


Zurück