Zum Inhalt der Seite

Gegen den Strom des eigenen Blutes

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Bonuskapitel 1 - Hammer und Nägel

Bonuskapitel 1 - Hammer und Nägel
 

„Du hältst das Ding als hättest du noch nie einen Hammer in der Hand gehabt“, erklärte Iwan mit einem breiten Grinsen. Er hatte diesen Satz so laut gesprochen, dass sich alle Umstehenden zu ihnen umdrehten.

Cass spürte ihre Blicke in seinem Nacken, wie sie ihn alle beobachteten. Gespannt und in der Hoffnung gleich von seinen Künsten bestens unterhalten zu werden. Dabei sollte das hier alles andere als Volksbelustigung sein. Das hier war ein ernst gemeinter Versuch, für sich und >seine Tochter< ein erstes, richtiges Zuhause zu schaffen.

„Ich hab das wirklich noch nie gemacht“, gestand Cass ein wenig verlegen.

Iwan schnaubte, lachte jedoch nicht. „Wie kommt das? Ich meine du musst doch irgendwas gelernt haben? Hat dir dein Vater gar nichts beigebracht?“

Cass schüttelte niedergeschlagen den Kopf.

„Du bist doch kein Kind mehr“, mischte sich Pjotr ein. Dieser stand an einen Bretterstapel gelehnt da und seine wilde, ungezähmte Haarmähne trotze dem leichten Wind in beachtlicher Weise.

„Als Mann musst du so was einfach können!“

„Wie denn, wenn er es nie gelernt hat“, warf Fjodor ein und klopfte Cass aufmunternd auf die Schulter.

„Pha“, kam es wieder von Pjotr. „Jeder Mann lernt solche Dinge. Selbst wenn er es nicht von seinem eigenen Vater lernen konnte, irgendjemand wird dich doch großgezogen haben. In jedem Dorf schnappt man doch so was auf. Also erzähl mir nichts!“

„Ich komme aus keinen Dorf“, mischte Cass sich jetzt wieder ein. Zwar wusste er nicht, was er genau als Verteidigung anbringen wollte, denn was konnte er jetzt schon sagen? Alle Antworten die ihm spontan einfielen, würden ihn verraten und alles andere wäre Lügen und er konnte nicht lügen.

„Sag mal, bist du etwa das Kind von einem reichen Schnösel, das noch nie einen Finger krumm gemacht hat?“ fragte Iwan und klang eben so neugierig wie angewidert. Als wäre ihm so ein Menschenschlag aus tiefstem Herzen zuwider. Wenn man die Zeit bedachte, in der sie lebten, wunderte so eine Einstellung aber auch nicht wirklich.

„Ich hatte mal ein Zuhause, einen Vater und viele Geschwister. Mein Leben war leicht und unbeschwert. Dann hab ich all das verloren und jetzt bin ich hier und muss erkennen, dass ich nie etwas gelebt habe…dass ich gar nichts kann. Ohne die Unterstützung und den Halt meine Familie musste ich nie etwas alleine erreichen, ohne sie bin ich ein Niemand.“
 

Betretenes Schweigen Folgte diesen Worten.
 

Fjodor reagierte als erstes, indem er Cass ein weiteres Mal auf die Schulter klopfte.

„Nicht so schlimm“, versicherte er dem unsicheren und während der Rede immer mehr in sich zusammengesunkenen Mann. Cass fühlte sich elend. Obwohl er mit keinem Wort gelogen hatte, machte ihm das Leben als Mensch doch mehr zu schaffen als vermutet. Vieles war ihm einfach fremd. Die normalsten Gewohnheiten riefen bei ihm Unverständnis hervor und jede täglich routinierte Arbeit war ihm unbekannt. Alles fühlte sich so anders an, so fremd. Als müsste er sich wirklich verstellen, nur um ein wenig Akzeptanz zu finden.

„Siehst du“, Fjodor machte eine ausschweifende Geste die das gesamte Dorf einzuschließen schien, „jetzt lebst du auf einem Dorf und ein Dorf ist wie eine große Familie. So wie deine damals. Man hilft sich und man verlässt sich aufeinander. Was der eine nicht kann, kann der Andere. Du und deine Tochter, ihr seit jetzt Teil dieser Familie. Ganz egal was früher war, jetzt ist jetzt und hier.“
 

Pjotr und Iwan nickten bekräftigend und unterstrichen dir kurze Rede mit kleinen „hört, hört!“ rufen.
 

*******
 

Der Himmel war von schweren, grauen Wolken bedeckt, die vom leichten, jedoch kühlen Wind getrieben über das Land zogen. Es waren die ersten Schneewolken, die auch den letzen, milden Sonnenstrahl verbargen, den der Herbst noch zu bieten hatte. Es wurde mit jedem verstreichenden Tag kälter und der Winter würde nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Der Wind zupfte an den letzten Blättern, die noch vereinzelt an den kahlen Bäumen hingen. Schwarz und tot wirken die sonst so majestätischen Bäume des Waldes, in dieser trüben, grauen Welt. Der Geruch von Schnee lag schwer in der Luft.
 

Eine Zeit in der man eigentlich die Gemütlichkeit und Wärme des eigenen Zuhauses wieder zu schätzen lernte und sich dick eingemummelt in warmen Fällen vor den Ofen setzte.

Doch nicht heute.

Heute war das ganze Dorf auf den Beinen. Das Geräusch von Sägen und das Hämmern auf blankem Holz klang im kühlen Wind getragen wie ein verspätetes Willkommen.
 

Alle waren hier, Männer, Frauen und Kinder.

Holzbretter wurden von den Kindern gebracht, von den Männern verarbeitet und die Frauen fertigten mit eifrigem Geschnatter Bettzeug für die neuen Dörfler an.

Mitten drin stand Castiel, ein paar Nägel im Mund kniete er auf der kalten Erden und hämmerte Brett für Brett an das Grundgerüst seiner Hütte. Er lernte schnell und darüber freute er sich. Er konnte tatsächlich etwas, das weit über das himmlische Wissen hinausging. Er saß hier im Dreck, arbeitete wie ein Mensch und doch störte es ihn nicht im Geringsten, denn er schuf etwas. Erschuf mit seinen eigenen Händen ein Haus, ein Zuhause.

Um ihn herum herrschte reges Treiben, alle Menschen hier halfen. Schufen mit ihm eine Bleibe und hießen ihn mit dieser Geste auf eine so tief gehende Art Willkommen, dass Cass richtig warm ums Herz wurde.

Vielleicht hatte er sich auch zu viele Sorgen gemacht, vielleicht würden ihn die Menschen wirklich so akzeptieren wie er war. Mit all seinen Schwächen und den vielen Wissenslücken. Vielleicht war das Leben als Mensch doch nicht so schlimm oder gar so schwer wie er befürchtet hatte. Gerade im Moment machte es ihm Spaß, gerade war er wirklich gerne Kiril.

Wenn Dean ihn doch jetzt nur sehen könnte…
 

*******
 

„Ich weiß gar nicht, wie ich euch danken soll…“

„Sei von jetzt an einfach Teil der Familie“, meinte Fjodor und lächelte. „Du trägst deinen Beitrag indem du das machst, was du am besten kannst.“

„Ich kann gar nichts am besten. Zumindest nichts was hilfreich für das Dorf wäre.“

„Aber, aber Kiril, red dir das nicht ein. Du wirst sehen was du alles hier lernen wirst. Bald denkst du ganz anders über dich.“

„Manchmal könnte man meinen, du seihst kein Mensch“, lachte Iwan.

„Ja, das würde erklären wie er ohne irgendwelches Wissen oder Geschick überhaupt so alt werden konnte!“ blökte Pjotr.

„Lasst ihn in ruhe!“ mahnte Fjodor und schob Cass Richtung Tür. „Lass sie reden, sie haben sonst nichts Besseres zu tun. Genieße die erste Nacht in deinem Zuhause.“
 

Und zum ersten Mal öffnete Castiel bewusst die Eingangstür und trat in die kleine Holzhütte. Sie bestand aus nicht mehr als einem großen Raum, doch das hier war sein Heim. Er hatte es mit Hilfe der Menschen gebaut und er würde hier unter ihnen wohnen.

Dieser Moment war auf seltsame weise sehr ergreifend für ihn. Als eine kleine, warme Hand nach der seinen griff und mit ihm zusammen das Werk betrachtete, war er stolz auf sich. Ja er freute sich sogar irgendwie auf die Zukunft, auf den morgigen Tag, auf die Herausforderungen des Lebens.

Hätte er dies alles mit Dean teilen können, wäre sein Leben ab diesem Moment perfekt gewesen. Aber das war ein Wunsch fern ab der Machbarkeit.

Dennoch schlug sein Herz voller Freude und obwohl so Menschlich, fühlte er sich gerade mehr wie ein Engel als früher. Als wäre ein Teil seines Glaubens zu ihm zurückgekehrt, nur reiner und ehrlicher.

Vielleicht, dachte Castiel, als er die Tür hinter ihnen schloss, vielleicht war es nicht wichtig ob Gott sich im Himmelreich aufhielt oder nicht. Vielleicht reichte es auch einfach zu wissen, dass er in den Herzen der Menschen hier lebte.

„Willkommen Zuhause.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  sonoka
2014-10-04T14:10:12+00:00 04.10.2014 16:10
habe deine FF jetzt durchgelesen und nun muss ich sagen ICH LIEBE DIESE FF!!!!!
das mit dean und cass finde ich so traurig das sie sich trennen mussten.
du hast einen sehr schönen schreibstil und deine kappis lassen sich wirklich sehr schön lesen :)
ich hoffe das du bald ein neues kappi veröffentlichst und würde mich dann über eine nachhicht freuen also hoffenlich bis bald.
LG Sonoka ^^


Zurück