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Seele der Bibliothek

von

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Ruth lebte schon lange in Gernten. Wenn sie sich beschreiben müsste, würde sie sich als durchschnittliche Frau bezeichnen die gerne Jeans und Sweatshirts trägt. Ließ es die Zeit zu, dann setzte sie sich hin und fing an zu lesen. Sie liebte es in fremde Welten einzutauchen. Hatte sie ein Buch beendet, fand man sie meist am nächsten Tag in einem Buchladen. In Gernten gab es zwar auch eine Bücherei, allerdings war sie noch nie da gewesen. Jedoch würde dies sich zukünftig ändern. Sie lernte einen Mann kennen und sie verliebten sich ineinander. Michael war genau so wie Ruth sich einen Traummann vorstellte. Groß, sportlich und brachte einen zum Lachen. Er hatte ein markantes Gesicht und graue Haare, was ihn noch interessanter machte. Es stellte sich heraus, dass er der Leiter der Bibliothek war und über ihr wohnte. Er war für Ruth so perfekt, dass sie schon glaubte durch eine rosa Brille zu schauen und er nicht so war wie sie ihn sah.
 

Für das kommende Wochenende hatten sie einen Ausflug geplant, doch dies musste verschoben werden. Die rechte Hand von Michael hatte den Auftrag auf die Gerntener Buchmesse zu gehen und sich über neue Bücher zu informieren. Allerdings wurde er kurz vorher krank und Michael blieb keine andere Möglichkeit, als selbst hin zu fahren. Ruth war davon nicht begeistert, dennoch es war nötig, dass er fuhr. Aus diesem Grund versuchte sie erst gar nicht, ihn zum Bleiben zu überreden. Bevor er los fuhr, bat er ihr an bei ihm zu Hause zu übernachten. Dann würden sie sich wenigstens spät am Abend sehen.

Ihre Wohnung war sehr klein und hatte wenig Gemütlichkeit. Darüberhinaus war der Reiz, bei ihm zu übernachten so groß, dass sie sofort einwilligte. Außerdem gab er ihr den Schlüssel für die Bibliothek, damit sie sich die Zeit mit Lesen vertreiben konnte. Nach einem Abschiedskuss fuhr er schließlich los.
 

Wie erwartet, wurde es Ruth gegen Mittag zu langweilig. Im Fernseher lief nichts Interessantes und Hunger hatte sie auch nicht, was sie zum Kochen bewegen würde. Ihr Blick fiel auf den Bibliotheken-Schlüssel. Entschlossen griff sie danach und verließ, wie auf der Flucht, die Wohnung. Um in die Bücherei zu kommen, musste sie das Gebäude nicht verlassen. Wenn man die Wohnung verließ, führte eine Treppe in einen Vorraum mit zwei großen Türen. Die eine führte nach draußen und die andere in das Schlaraffenland jeder Leseratte.
 

Ruth öffnete die Tür mit einem quietschenden Geräusch und trat in den dunklen Raum. Michael hatte sie einmal herum geführt, doch an die Stelle, wo sich der Lichtschalter befand, konnte sie sich nicht mehr erinnern. Deshalb hieß es suchen. Langsam tastete sie sich an der linken Wand entlang. Es dauerte nicht lange und sie fand einen Knopf. Sie hoffte, dass es nicht der Knopf für den Feueralarm war. Einerseits würde sie dann jede menge Besuch bekommen und sie würde sich nicht mehr so verlassen fühlen. Andererseits würde es ziemlich teuer werden, was den Spaß so ziemlich hob.

Mit einem Klicken ließ sich der Schalter betätigen, doch es passierte nichts. Frustriert wollte Ruth gerade ihre Suche fortsetzen, da sprangen die Deckenlampen flackernd an. Erleichtert drehte sich Ruth zum Raum hin und versuchte sich einen Überblick zu schaffen. Ihr viel auf, dass neben der Eingangstür einen schrankartigen Kleiderständer stand. Hätte sie die rechte Wand für ihre Suche gewählt, wäre sie direkt dagegen gerannt. Schon bei der Vorstellung bekam sie Kopfschmerzen und sie schob den Gedanken bei Seite.
 

Auf der Seite, wo Ruth den Lichtschalter fand, lud die Theke zum Bücher ausleihen ein. Auch die vollen Bücherregale riefen nach Ruth und sie bekam richtig Lust in den fünfzehn Reihen zu stöbern. Manche Regalketten wurden von Tisch und Stühlen unterbrochen und boten Platz zum Lesen. Schilder an der Decke erleichterte die Orientierung zwischen den Gängen. Auf ihnen stand die Kategorie der Wälzer in dem Regal darunter und zeigten außerdem in die Richtung des Notausgangs.
 

Ruth steuerte auf die Kategorie ‚Fantasie‘ zu. Sie liebte Fantasie-Geschichten, da sie eine gute Abwechslung zur trockenen Realität waren.

Aus ihrem Augenwinkel erkannte sie einen menschlichen Schatten. Erschrocken wirbelte sie herum. An einem Tisch stand ein junger Mann mit braunen, gelockten Haaren und seltsam geschnittener Kleidung. Er sah aus, wie von einem Mittelaltermarkt.

Er schaute sie freundlich mit seinen grünen Augen an und kam auf sie zu. Aus Ruths Blick sprach Verwirrung und sie wusste für einen Moment nicht, was sie sagen sollt. Sie war mehr irritiert von seiner Aufmachung, als von der Tatsache, dass überhaupt noch jemand hier war.

Er reichte ihr die Hand und sagte: „seit Gegrüßt! Ich meine Euch hier noch gar nicht gesehen zu haben. Dürfte ich Euren Namen erfahren?“ Ruth nahm unschlüssig seine Hand entgegen. Sie erwartete, ein Handschütteln, doch er führte ihre Hand zu seinen Mund und küsste sie sanft. In ihrem Kopf herrschte immer noch ein Durcheinander und sie schüttelte ihn, als könnte sie so alles sortieren.

Somit kehrte teilweise ihre Fähigkeit zu Sprächen zurück und sie stotterte vor sich hin: „wer… wer… bii… wer bist du?“ Er ließ ihre Hand wieder frei und er strahlte förmlich nach dieser Frage. „Ich? Ich bin Herold und wohne hier.“ Falten bildeten sich auf Ruths Stirn, als sie ihn ungläubig anlinste. „Du hier wohnen? Ich dachte, hier gibt es nur eine Wohnung und da wohnt Michael.“

Er bestätigte, mit einem Nicken. Sie überlegte, jedoch konnte sie sich keinen Reim draus machen, wie er das meinte. „Du kannst doch nicht in der Bibliothek wohnen.“ Mit leicht schiefgehaltenen Kopf blickte er sie unschuldig an. „Warum nicht?“ „Das reicht mir jetzt! Ich rufe die Polizei!“ Mit diesen Worten wirbelte Ruth herum und lief mit schnellen Schritten zum Ausgang. Sie befürchtete von ihm aufgehalten zu werden und überlegte, wie sie dann handeln sollte. Immerhin sah er kräftig aus und wusste nicht, ob sie sich gegen ihn wehren könnte. Angst stieg in ihr auf und sie versuchte noch schneller zu laufen.

An der Tür schaute sie sich nochmal nach ihm um und blieb stehen. Jedoch war dieser Herold verschwunden und Ruth begann an sich zu zweifeln. Wo war er hin? Nirgends war etwas zusehen. War es nur eine Einbildung? Ob sie sich das nur eingebildet hatte, wusste sie nicht. Noch zweifelnd, ging sie wieder langsam zu den Regalen. Nichts war zu hören und eine weitere Tür konnte sie auch nicht finden. Wo war der Kerl her gekommen und vor allem wo war er jetzt?
 

Ruth ging weiter die Regale entlang und war immer noch auf der Hut, dass sie nicht doch noch, von dem Fremden, überfallen wird. Trotz allem fiel ihr auf, dass die Luft leicht staubig und nach altem Papier roch, was der Bücherei etwas Romantisches und Verträumtes verlieh.

Ein Notausgang war die einzige Tür die Ruth noch fand und sobald man diese öffnet würde der Feueralarm losgehen. Was dann passieren würde, hatte sie ja schon durchdacht und für zu teuer empfunden. Demzufolge ließ sie vom Öffnen dieser Tür ab, auch wenn sie gerne gewusst hätte, wohin sie genau führte. Dennoch konnte der junge Mann hier nicht das Gebäude verlassen haben.

Nach einer gewissen Zeit war es Ruth leid, weiter nach dem Kerl zu suchen. Die Polizei anzurufen, wäre jetzt wahrscheinlich auch unklug. Sie würden sich bestimmt über sie lustig machen. Von wegen: ‚Jungfer mit blondem Haar und blauen Augen hat Angst alleine in der Bibliothek zu sein und hätte gerne einen Beschützer‘! Den Gefallen würde sie den Polizisten nicht geben.

Schließlich wand sich Ruth wieder dem eigentlichen Grund ihres Besuches zu. Sie wollte sich ein Buch suchen, welches sich zum Lesen lohnt.

Wieder steuerte sie auf die Kategorie ‚Fantasie‘ zu. Dank der Schilder an der Decke, erreichte sie schnell die passende Regalreihe. Mit ihren flinken Augen überflog sie die Buchtitel und jeder spannende Titel wurde heraus gezogen. Sie blätterte dann ein paar Seiten um und wenn es auf dem Buchrücken eine Inhaltsangabe gab, las sie diesen.
 

So verschwanden die Wälzer nach und nach wieder im Regal und gerade als sie vertieft im Lesen war, tippte ihr jemand auf die Schulter. Erschrocken fuhr sie zusammen und sie drehte sich ruckartig um. Vor ihr stand wieder der Mann und lächelte sie an. „Wie ich sehe, haben Sie eine Leidenschaft für Fantasie-Bücher.“

Bevor Ruth irgendwas erwidern konnte, packte er sie am Arm und Ruth verlor das Buch aus der Hand. Er riss sie mit sich. „Ich möchte Euch was zeigen!“ Sagte er aufgeregt und plötzlich wurde es Ruth schwarz vor Augen.
 

Allein das Schwindelgefühl, zwang Ruth sich auf den Boden setzen, sonst wäre sie wahrscheinlich umgefallen. Herold merkte, dass es ihr nicht gut ging und ließ ihren Arm los. Er kniete sich besorgt neben sie und guckte sie wortlos an. Ruth hielt beide Hände vor ihre Augen, bis das Schwindelgefühl nachließ. Als es ihr besser ging, lugte sie zwischen ihren Fingern heraus.

Erschrocken, von dem was sie sah, öffnete sie den Mund und ließ die Hände in ihren Schoß sinken. Wo war sie? War sie noch in der Bibliothek? Alles um sie herum war verändert. Sie hatte erwartet, vor einem Bücherregal zu sitzen, der auf dem kalten Fliesenboden stand. Doch das Regal hatte offensichtlich Wurzeln, die in den Boden drangen und nach obenhin veränderte sich das Regal zu einem Baum mit richtigen Ästen und Blättern. Zwischen den Blättern konnte Ruth Sonnenstrahlen durchscheinen sehen, als wären sie im Freien. Ein leichter Wind wehte und ließ die Äste leicht mitwiegen, was ihre Befürchtung noch verstärkte.

Der Fliesenboden war auch verschwunden. Ihm wich ein Laubboden, der an manchen Stellen mit Moos überzogen und sonst mit trockenem Laub bedeckt war.

Unfähig sich zu bewegen, konnte sie nur fragen: „wo sind wir?“ Herold stand auf und strahlte sie an. „Wir sind noch am selben Ort wie vorher. Ich möchte dir nur einen anderen Teil der Bücherei zeigen.“ Zweifelnd blickte Ruth an den Regalen entlang. Sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden, aber sie konnte nichts zwischen den Bäumen, oder eher zwischen den Regalen, entdecken. Sie ließ sich von Herold auf die Beine helfen. In ihrem Kopf waren alle Gedanken völlig zerstreut. Das einzige was ihr klar war, dass sie niemals in der alten Bibliothek sein konnte. War das ein Traum? War sie eingeschlafen?
 

Wind kam wieder auf und wehte bunte Blätter von den Bäumen. Die Blätter flogen hoch in der Luft und schienen die Zwei zu umkreisen. Erstaunt schaute Ruth nach oben. Es sah wunderschön aus, wie sie im Wind tanzten. Beim näheren Hinsehen erkannte Ruth verblüfft, dass über ihnen keine Blätter mit dem Wind spielten, sondern winzige menschartige Wesen. Sie beäugten interessiert Herold und Ruth und winkten ihnen zu. Letztendlich verringerten sie ihre Flughöhe und umschwirrten die Beiden auf Augenhöhe. Fasziniert starrte Ruth die kleinen Geschöpfe an und hob ihre Hand. Eines von ihnen landete auf ihrer flachen Hand. Entzückt von dem kleinen Wesen, lächelte Ruth und beobachtete es. Es sah wirklich aus wie ein winziger Mensch. Nur hatte es spitze Ohren und hauchdünne Flügel, die in Regenbogenfarben schimmerten. Ihre Kleidung wurden aus Blütenblätter und Blättern von den Bäumen angefertigt. Die meisten waren blond und hatten blaue Augen. Dies ließ sie noch mehr wie kleine Püppchen aussehen.
 

„Wie heißt du?“ Die Stimme des Mädchens, auf Ruths Hand, klang fiepsig, aber trotzdem sehr deutlich. „Ich bin Ruth. Was bist du?“ Es schaute Ruth verwundert an und legte leicht den Kopf schief. „Ich bin eine Fee. Erkennst du das nicht?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, flog es plötzlich los. Mit einem „komm mit…“ und einer antreibender Handbewegung, forderte sie Ruth auf, ihr zu folgen.

Ruth wurde bewusst, dass sie träumte. Schließlich gab es keine Feen, auch wenn sie sich nicht mehr ganz sicher war. Ohne sich weitere Gedanken drüber zu machen, folgte sie dem Wesen. Herold tat es ihr gleich und lief knapp hinter Ruth. Im Gegensatz zu Ruth, schien er nicht verwundert über die Feen zu sein. Er schien sie sogar zu erwarten, aber Ruth bemerkte dies nicht.

Die Feen führten sie durch die Gänge. Ruth und Herold mussten aufpassen, dass sie nicht über Wurzeln stolperten oder an Ästen hängen blieben.

Sie erreichten das Gangende und kamen an eine Stelle, wo eigentlich eine Sitzecke stand. Sie traten zwischen den Baumregalen heraus. Vor ihnen lag eine Blumenwiese. In der Mitte der Wiese standen mit Moos bewachsene Steine und Ruth fand, dass die Form der Steine an Sitzpölstern erinnert. Jedoch brachte die Wiese Ruth so zum Staunen, dass sie nicht weiter darüber nach dachte. So eine schöne Blumenpracht hatte sie noch nie gesehen. Die Wiese sah aus wie ein Meer aus Blumen mit verschiedenen Formen und Farben. Überall flogen Feen und ihre Flügel glitzerten im Sonnenlicht. Das kann nur ein Traum sein!
 

Herold nahm ihre Hand und zog sie hinter sich her. Ruth ließ sich von ihm führen, ohne dass sie sich wehrte. Er lief mit ihr zu einer hochgewachsenen Blume und blieb stehen. Die gelbe Blüte war ca. 3 Meter hoch gewachsen und ragte in den blauen Himmel. Sie war noch geschlossen, aber schon jetzt atemberaubend.

Sech Feen flogen auf Ruth zu und schleppten einen, mit Blüten versetzten, Kranz. Sie setzten ihn auf Ruths Kopf. Das Gleiche taten sie auch bei Herold und riefen dann: „jetzt lasst uns feiern!“ Lachend sausten sie um die große Blume herum und drehten sich im Flug. Ruth konnte ihren Blick nicht von ihnen abwenden und beobachtete sie wie sie in der Luft tanzten. Das freudige Lachen und Tanzen steckte an und Ruth hüpfte freudig um die Pflanze herum.

Plötzlich merkte Ruth, wie die Feen auf die gelbe Blüte starrten und sie tat es ihnen gleich. Langsam schien es Bewegung in der Blüte zu geben und sie öffnete sich langsam. Ruth war wie erstarrt und fixierte mit ihren Augen die Pflanze. Kaum war sie leicht geöffnet, kam ein Schwarm voller winziger Feen heraus geströmt, die noch zierlicher waren, als die anderen. Erst jetzt wurde es Ruth bewusst, welches Fest die Feen feierten. Sie feierten ein Geburtenfest, da die Feen anscheint aus einer Blüte geboren wurden und das passierte gerade vor ihren Augen.

Aus ihrem Augenwinkel sah sie, wie Herold in die Hände klatschte und vor Freude jubelte. Trotz allem wirkte er, als hätte er solche Momente schon öfters erlebt, da er ziemlich gefasst wirkte.

Ruths Augen leuchteten wie Sterne. So was Schönes hatte sie noch nie gesehen oder geträumt. Aufregung schien bei den Feen aufzukommen. Jedoch kam die Aufregung nicht aus Freude, sondern Panik erkannte Ruth auf den kleinen Feengesichtern. Sie folgte ihre panischen Blicken und erspähte ein schwarzes, wolkenartiges Gebilde über dem Regalbaum, am anderen Ende der Allee. Ein Vogelschwarm vermutete Ruth als Erstes, aber als es näher kam, erkannte sie Gargoyle ähnliche Wesen. Die Feen flogen aufgeregt hin und her und versuchten sich zu verstecken. „Was ist da?“ Fragte sie Herold und er antwortete monoton: „das sind Gardyxions. Das sind kleine, bösartige Kreaturen, die es meist auf Feen abgesehen haben. Komm, wir verschwinden von hier.“ Herold nahm Ruths Hand und wolle sie mit sich ziehen. Mit einem Ruck riss sich Ruth von ihm los und brüllte verärgert: „WIR KÖNNEN SIE DOCH NICHT SCHUTZLOS DEN BIESTERN ÜBERLASSEN!“ Herold wollte noch etwas sagen, allerdings hatte Ruth sich schon von ihm abgewannt und suchte etwas um sich zu verteidigen. Das Einzige was sie fand, waren die Bücher, die sie werfen könnte. Trotzdem empfand sie die als unpassend, da sie mit ihnen auch die Feen treffen könnte und dass wollte sie auf keinen Fall. Also musste sie eine Waffe finden und wenn keine auf dem Boden lag, holte man sich eben eine vom Baum.
 

Mit flinken Griffen kletterte Ruth an einem Regal hoch. Oben angekommen, suchte sie den dicksten Ast, den sie erreichen konnte. Um den Ast brechen zu können, hängte sie sich mit ihrem ganzen Körpergewicht an das Geäst. Erst knackte es nur, aber dann brach der Zweig.

Ruth landete unsanft auf dem Boden, doch blieb ihr keine Zeit weiter über ihre schmerzenden Knie nachzudenken. Für einen Rasen, fand sie den Boden ziemlich hart. Diese Tatsache, schenkte sie nur kurz ihre Aufmerksamkeit, so merkte sie nicht, dass sie ihre Knie aufgeschlagen hatte.

Kaum stand Ruth wieder auf ihren Beinen, begannen schon die Schmerzschreie der Feen. Sofort stürmte Ruth los, um ihnen zu helfen. Es herrschte ein großes Durcheinander und Ruth hatte Schwierigkeiten die Gardyxions, und nicht die Feen, mit ihren Stock zu treffen. Um sie zu ärgern, zogen sie Ruth an den Haaren und machten sie so nur noch wütender. Ruth schwang ihren Ast hin und her und verpasste dem einen oder anderen braunen Gardyxion Kopfschmerzen. Manche stürzten sogar zu Boden und hatten Mühe ihre Fledermaus ähnlichen Flügel wieder zu straffen um sich wieder aufzurappeln. Doch egal wie viele Ruth auch traf, es schien immer mehr zu werden und die Schmerzschreie wurden immer lauter. Die Feen versuchten zu fliehen, doch die Biester, mit der grässlichen Dämonenfratze, waren schneller und packten sie an den zierlichen Flügeln, um sie zu verschleppen. Nur wenige konnte Ruth, mit einem zielsicheren Schlag, befreien.

Als Ruth gerade wieder eine Fee aus den Fängen eines Gardyxion befreit hatte, bemerkte sie, wie Herold ihr nur zujubelte, anstatt zu helfen. Fassungslos schaute sie in seine Richtung und keifte ihn an „DU KÖNNTEST MICH RUHIG EIN WENIG UNTERSTÜTZEN!“ Achselzuckend lächelte er und er antwortete „ach, ich finde, du machst das schon ganz gut.“ Mit einem fassungslosen Kopfschütteln wandte sie sich wieder den Flattermännern zu und versuchte sie in die Flucht zu schlagen.
 

Die Situation schien hoffnungslos. Ruth war kurz vom Aufgeben, als sie ein quietschen, gefolgt von Schritten, hörte. „Wie ich sehe, habt ihr auch ohne mich viel Spaß.“ Ruth drehte sich sofort nach Neuankömmling um. Schon an der Stimme erkannte sie, dass es Michael sein musste, der wieder zurück war. „Spaß??“ Ihre Stimme klang ungläubig und verrät ihre Fassungslosigkeit. Michael schaute ahnend zu Herold herüber und Herold grinste ihn schuldbewusst an.

Ruth wurde es plötzlich wieder schwindelig und sie klappte fast zusammen. Sofort war Michael an ihrer Seite und stützte sie. Die Umgebung veränderte sich wieder und sie standen in der alten Bibliothek. Ruth drückte Michael von sich weg und sie schaute verwirrt um sich. „Was passiert hier? Wie macht ihr das? Habt ihr mir irgendwas eingeflößt?“ Michael musste lachen und er verneinte mit einem Kopfschütteln. „Tut mir echt leid. Ich hätte dir von Herold erzählen sollen.“ Ruth musste sich erst mal setzen. Deswegen ging sie zur Sitzecke, wo eben noch die Felsbrocken standen, und ließ sich förmlich darauf fallen. „Was hättest du mir erzählen sollen?“ Michael ging, gefolgt von Herold, zu ihr und er kniete sich neben sie. „Hast du schon mal was von Gebäuden mit einer Seele gehört?“ Ohne zu antworten, blickte Ruth ihn skeptisch an und er fuhr mit seiner Erklärung fort. „Herold ist eine Art Seele dieser Bibliothek. Viele würden ihn als Geist bezeichnen. Wenn er einen mag, führt er ihn in eine Geschichte, die in eines dieser Bücher geschrieben steht. Ich habe es ihm verboten, aber wie du siehst, hört er nicht auf mich.“ Sie hörte ihm genau zu. Sie war unsicher, ob sie ihm glauben sollte und vor allem, ob sich das eben wirklich zugetan hatte. Ruth hob ihre Hand um sich eine Strähne aus dem Gesicht zu streifen. Überrascht spürte sie den Blumenkranz unter ihren Fingern und sie hob ihn von ihrem Kopf. Verstört starrte sie auf den Kranz und Michael legte seine Hand auf ihren Arm. „Manchmal kann es auch passieren, dass wir etwas mit in die Realität nehmen.“ Ruth wusste schon immer, dass es Dinge gab, die man logisch nicht erklären konnte. Trotzdem hätte sie nie gedacht, dass ihr so etwas passieren würde. Ruth saß bewegungslos da und Michael machte sich langsam Sorgen um sie. Er befürchtete, dass sie glaubte, verrückt zu werden. Er verstand sie, in der Hinsicht sehr gut, da er auch schon an diesem Punkt war.
 

Plötzlich stand Ruth auf und Michael schaute sie geschockt an. „Habt ihr ein Buch mit Drachen? Ich würde so gerne einen Drachen sehen!“ Ruth strahlte vor Begeisterung über das ganze Gesicht und Michael schaute sie überrascht an. Damit hätte er jetzt nicht gerechnet, trotzdem war er froh, dass sie so positiv reagierte. Herold dagegen grinste und nickte freudig. Daraufhin bekam Ruth wieder dieses Schwindelgefühl und sie freute sich auf das, was jetzt kommen würde…



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