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An Ghealach Docher

Du kannst ihm nicht entkommen!
von

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Kapitel 21

Ein neuer Freund?

Cara nua?
 

Am nächsten Tag war ich pünktlich, wie jeden Morgen, bei den Ställen und wie ich es erwartet hatte, war Kendall bereits da und tauschte die Leiter gegen eine neue aus. Auch ein anderer Mann war bei ihm, ich war einer von den Feldarbeitern, doch konnte ich mich nicht an seinen Namen erinnern.

Nervös sah ich ihnen dabei zu wie die Teile der alten Leiter hinaus auf den Karren getragen wurden - auf dem das getrocknete Blut sich an dem abgebrochenen Ende befand - welches dem Wolf tief verwundet hatte. Wie es ihm wohl ergehen mochte? Sollte ich Kendall von dem Vorfall erzählen oder lieber für mich behalten? Doch sicher wusste er davon. Wer konnte diese Blutflecke ignorieren? Im Stall roch es stark nach frischem Stroh wenn man hinein ging, doch glaubte ich dennoch, einen Hauch von dem metallischen Geruch des Blutes zu riechen.
 

Nach einer Stunde, in der ich mich bereits um dem nahegelegenen Schweinestall gekümmert hatte, präsentierte mir Kendall die neue Leiter und bat mich einmal hinaufzusteigen um sie auszuprobieren. Kaum war ich ein paar Sprossen hinaufgeklettert, spürte ich das Kendall mir folgte.Oben bei den Schafen angekommen, folgte mir Kendall auf dem Fuß und ich fühlte seinen Atem in meinem Nacken. Meine Nackenhaare stellten sich sogleich auf.
 

„Allison. Bist du dir wirklich sicher das du gestern nichts gesehen hast?“, raunte er hinter mir und als ich mich zu ihm drehte sah er mich eindringlich an.
 

„Kendall....?“
 

„Du musst dir keine Sorgen machen, ich werde dich nicht für verrückt halten. War hier jemand oder etwas im Stall gestern?“, drang er weiter in mich ein.
 

„Äh...“, ich war nicht sicher was ich ihm antworten sollte. Egal was er vermuten mochte, ich befürchtete dennoch das er mich nicht ernst nahm oder gar das Jagd auf den Wolf gemacht würde. Natürlich müsste der Wolf umgehend getötet werden, schließlich hatte er es schon einmal versucht an die Schafe heran zu kommen, was die merkwürdige Konstruktion dieses Stall glücklicherweise verhindert hatte, und doch . . . Ich wollte nicht das ihm etwas zu leide getan wurde. Er hatte mir nichts angetan, vielleicht gehörte er zu den Hunden, die hier überall frei herumliefen, auch wenn er sehr groß geraten war. Wohl war ein Elternteil von ihm ein mächtiger Wolf.
 

„Allison, bitte... sag mir was du gestern gesehen hast.“
 

„Nun ja, ich glaubte etwas gehört zu haben und dachte das du es bist. Aber als ich mich dem Stall näherte und hineinging, sah ich nur die kaputte Leiter und sah das Blut, mehr weiß ich nicht“, antwortete ich ihm und versuchte seinem starrenden Blick nicht auszuweichen. Warum nur war es ihm so wichtig? Er sah mich an als ginge es mehr als um ein Tier das es auf die Schafe abgesehen hatte.
 

„Du hast nichts entdecken können?“, fragte er noch einmal nach und sah mir tief in die Augen. Diesem Blick würde ich nicht mehr lange standhalten können.
 

„Nein. Nichts.“
 

„Nun gut. Es tut mir leid wenn ich dich etwas verschreckt habe, aber... weißt du, hier... nun wir müssen gut auf unsere Tiere achten, wir können es uns nicht leisten einige von ihnen zu verlieren. Tu mir den Gefallen und gehe das nächste Mal nicht ohne weiteres in einen Raum wenn du nicht sicher bist was dort ist.“
 

„Warum? Im schlimmsten Fall wäre es ein Wolf, aber sie haben Angst vor uns Menschen.“
 

„Hör einfach auf mich, bitte Allison“, bat er eindringlich und ich nickte, ehe ich den Blick senkte. Diese Augen waren so bohrend.
 

Den ganzen Tag über fühlte ich mich nicht wohl in meiner Haut. Ich hatte Kendall wirklich gern, doch heute erstach er mir förmlich den Rücken. Jeden seiner fragenden Blicke konnte ich spüren in meinem Rücken, wenn er glaubte ich bemerke es nicht. Offensichtlich beschäftigte ihn die Sache noch immer. Wenn ich ihm aber nun die Wahrheit beichten würde, täte er mich für immer als Lügnerin ansehen und ich wollte nicht das dem Wolf etwas geschah. So hielt ich tapfer durch und schon bald neigte sich dem Tag seinem Ende zu und Kendall fuhr mich mit dem Karren zurück zum Frauenturm.
 

Ehe unser üppiges Abendmahl bevorstand, wusch ich mich an einen der Wasserschüsseln in unserem Gemeinschaftsraum und zog mir ein frisches Kleid über. Noch immer war es ungewohnt, das wir mehr Kleider besaßen als bis jetzt für mich gewohnt war, man sie regelmäßig waschen konnte und nicht mit abgestandenen Schweißgeruch herumlaufen musste. Während sich die anderen bereits im Salon aufhielten und mit knurrendem Magen auf das Essen warteten, öffnete sich leise die Tür und Aileen kam herein.
 

„Hat dir schon einmal jemand gesagt wie schön du bist?“, sagte sie mit einem sanften Lächeln, kam auf mich zu und öffnete mir den Zopf um meine langen Locken mit einer Bürste in Ordnung zu bringen.
 

„Nein“, sagte ich wahrheitsgemäß und ich spürte wie mir die Röte in die Wangen schoss.
 

„Tust du tatsächlich. Als du zu uns kamst, warst du noch so blass und dürr, aber nun siehst du wohlgenährter aus und hast eine gesunde Farbe. Die Augenringe sind auch verschwunden und die furchtsamen Augen. Du wirkst um einiges jünger.“
 

„Danke“, nuschelte ich peinlich berührt und zog mein Kleid über den Kopf, nachdem sie mir die Haare geflochten hatte.
 

„Hast du nicht Lust mit uns später noch in die Schenke zu gehen?“
 

„Ähm, ich weiß nicht. In Wirtshäusern fühle ich mich nicht so wohl, weißt du...“
 

„Ach komm schon, oder willst du etwa allein hier herum sitzen?“
 

„Aileen?“, lenkte ich vom Thema ab.
 

„Ja?“
 

„Ich war gestern mit meiner Aintin auf dem Friedhof und dort... hab ich Kayla gesehen. Vor einer Frauenstatue. Weißt du wer sie war?“
 

„Ähm... weißt du, ich weiß es nicht so genau, aber es ist kompliziert. Was verwundert dich so sehr daran? Obwohl wir ja auch oft glauben das sie sicherlich keine Träne verlieren würde, wenn einer ihrer Lieben sterben würde“, lachte Aileen. „Sie ist die ernsthafteste Frau die ich je in meinem Leben kennengelernt habe.“
 

„Glaubst du das Kayla und Radulf... glaubst du das sie sich näher stehen?“, fragte ich neugierig und versuchte aber meine Stimme neutral klingen zu lassen.
 

„Ja, tatsächlich tun sie das, nur wissen wir nicht was dahinter steckt. Ich habe gehört das sie ein Paar waren, aber das wundert mich nicht. Sie sind beide sehr störrisch und verschwiegen und nicht gerade die Nettesten. Wenn du mich fragst passen sie wunderbar zusammen. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann das sie Gefühle zulassen und sich verlieben könnte.“
 

„Sie waren ein Paar? Und nun nicht mehr?“, hakte ich nach. Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. Doch konnte ich sie nicht sofort einordnen. Irgendwie wollte und konnte ich Kayla, der dummen Pute, keinen Mann gönnen. Ob er nun ein Esel war oder nicht. Allerdings würde ich wohl in den nächsten Tagen mir die Statue genauer ansehen.
 

Aber eines gab es noch was mich beschäftigte. Zum einen hoffe ich das Kendall mir die Lüge geglaubt hatte, und zum anderen...
 

… frage ich mich wie es dem Wolf erging.
 

Das Schloss, das Städtchen, die Felder, der Friedhof, dieses Areal war sehr groß und barg viele Orte an denen man sich sicherlich verstecken konnte. Allerdings frage ich mich doch wie eine so große Bestie ungesehen hier herumlaufen konnte. In meinem Dorf hätten die Männer sich einen schweren Wettkampf geliefert, ein Jeder in der Hoffnung als der Sieger in der Schlacht gegen die Bestie herauszugehen und seinen Kopf über dem Kamin zu hängen. Aber hier schien niemand Notiz davon zu nehmen und wieder denke ich an die gut erzogenen Hunde, die überall in der Stadt zu finden waren.
 

Ob ich Aileen danach fragen sollte? Aber sicherlich würde sie mich für verrückt halten, würde mich schalten und glauben das mir die Sinne schwinden. Doch vielleicht irrte ich mich. Wer sich ängstigte, konnte so manches Mal Dinge sehen, die nicht der Wahrheit entsprachen. Sicherlich kam er mir nur so groß vor in dem schummrigen Licht.
 

Die restlichen Tage vergingen ruhig, obgleich mir Kendall immer wieder einen merkwürdigen Blick zuwarf, wenn er glaubte ich merke es nicht. Die Sache mit der kaputten Leiter, die von einem oder etwas Unbekannten zerstört worden war, schien ihn nicht loszulassen. Obgleich ich manchmal das Gefühl hatte, das er der Sache selbst nicht so viel Bedeutung beimaß, sondern eher... meine Ansicht davon.
 

Manchmal wenn es bereits dunkel war, wenn wir mit dem Karren zurückfuhren und die Büsche und Sträucher raschelten – einmal glaubte ich auch das es so war, ohne das der Wind wehte – überkam mich die Angst vor der Bestie und war kurz davor gewesen Kendall etwas zu erzählen. Doch als ich die kühle Abendluft in meine Lungen gesogen hatte, ließ mich etwas inne halten, das ich nicht benennen konnte.
 

Den darauf folgenden Sonntag, an meinem freien Tag, lief ich wieder mit meiner Aintin und dem süßen Tearlach zum Friedhof. Während sie sich um das kleine Blumenbeet vor dem Grab ihres Schwiegervaters kümmerten, kam ich nicht umhin die schöne Statue, vor der ich Kayla erblickt hatte, immer wieder anzusehen. Sie zog mich wie magisch an - wie eine Biene, die vom süßen Duft einer üppigen Blumenwiese gelockt wurde - und ehe ich es mich versah, stand ich bereits vor ihr. Sie war so schön.
 

Blumenranken waren über den Sockel gewuchert und schlingen sich um die Füße der hübschen jungen Frau. Erstaunt sah ich mir die feine Steinmetzarbeit an. Das Gesicht, die Haare, die Falten des Kleides, alles war so liebevoll und detailliert nachgebaut worden. Wäre sie nicht durch das raue Wetter hier in Schottland mit Schmutz und einer leichten Schicht Moos bedeckt hätte sie ein weißer Engel sein können. Ihr Gesicht wirkte nicht versteinert, als befände sich tatsächlich leben in ihr. Für einen Moment glaubte ich sie gleich zwinkern oder lächeln zu sehen. Sie war so anmutig und blickte direkt zu mir hinunter, in meine Augen. Die großen Augen, die vollen Lippen. Die reinste Vollkommenheit, selbst Olivia war ein Löwenzahn gegen diese Rose.
 

Wie es ihr wohl ergangen war in den letzten Wochen? Ich hoffte das sie an einem dieser elenden Kerle geraten war, wie man ihn mir aufzwingen wollte. Ein hurender, dummer Esel mit Pickeln und Warzen im Gesicht. Soll sie ein Gör nach dem anderen gebären, ihre schöne Figur verlieren und so fett werden wie das dickste Schwein in ihrem Stall. Nun wo die Dunklen Wächter sie in Frieden ließen würde es allen besser ergehen.
 

„Wem wünscht du gerade die Pest an den Hals, Liebes?“, fragte mich meine Aintin plötzlich neben mir stehend. Erschrocken sprang ich einen Schritt zur Seite und stieß mich hart an der Kante des Sockels. Schmerz lass nach, so schnell hatte man einen blutigen Ellbogen.
 

„Ich hab nur... also... diese Statue, ich fand sie das letzte Mal schon so schön und wollte sie mir genauer ansehen“, erklärte ich während ich mir die Schürfwunde am Ellenbogen zuhielt.
 

„Ja, aber deinem Blick nach zu urteilen hast du an jemand bestimmtes gedacht. Du warst in unserem Dorf, nicht wahr? Bei deinem Onkel?“, fragte Iseabail sanft und zog für sie offensichtlich ganz gewöhnlich ein Streifen Stoffleinen aus ihrem Korb und verband meine Verletzung.
 

„Nein, aber keine schlechte Idee. Ich hatte an Olivia gedacht und gehofft das sie es schlimm getroffen hat. Mit einem wie Arren, von dem ich dir erzählt hatte.“
 

„Säubere die Wunde wenn du zurück im Turm bist. Was Olivia angeht, kann ich es mir lebhaft vorstellen“, lächelte sie, wurde aber sogleich wieder ernst. „Gib dich nicht solchen rachsüchtigen Gefühlen hin. Verzeih ihr ihre dumme, kindische Art und lass das alte Leben hinter dir. Auch sie hatte es nicht leicht, sie trug eine schwere Last auf ihren Schultern. Von ihr wurde erwartet eine sehr gute Partie zu machen um somit ihre Familie aus der Geldnot zu verhelfen. Sie waren nicht so vermögend wie du dir vielleicht immer vorgestellt hast. All ihre Hoffnung hatten sie in ihre hübsche Tochter gesteckt, denn wäre sie in Lumpen und mit zerschundenen Händen von der harten Arbeit herumgelaufen, hätte kein besser gestellter Mann sie beachtet. Einen Sohn aus gutem Hause sollte sie für sich gewinnen und wurde bei jeder Möglichkeit und Festivität Männern vorgestellt, und glaub mir, sie waren nicht immer so jung und hübsch wie dein Dylan. Ihre Eltern wollten und werden sie verheiraten und ihr Mann wird sehr wahrscheinlich so alt sein wie ihr eigener Vater und bereits eigene Kinder haben, bei der sie die Erziehung übernehmen muss, was nicht leicht sein wird, wo sie kaum jünger sein werden als sie selbst.“
 

„Du meinst sie wird....“
 

„Bei einem alten geilen Bock landen, der sich nicht dafür schämt seine kaum verstorbene Gattin durch ein Kind zu ersetzen. Und er wird sie bekommen, ob es Olivia sein wird oder eine Andere. Hat er das Geld, hat er die Frauen. So ist nun mal unser Los in dieser Welt, Allison. Wir müssen an unsere Familien denken und müssen uns hinter einem Mann stellen, wenn wir wollen das es uns gut ergeht“, seufzte meine Aintin traurig.
 

„Ich werde nie heiraten. Selbst wenn ich nicht hier leben würde, in diesem finsteren Paradies, ich würde versuchen mich selbst durchzuschlagen. Selbstständig.“
 

„Mein Kind, sei nicht so verbittert. Du wirst einen guten Mann finden den du lieben wirst und ihm Kinder schenken. Du wirst deinen Weg gehen und dein Schicksal erfüllen, du wirst sehen“, lächelte sie mich aufmunternd an.
 

Ich konnte nur an Radulf denken, diesem dummen Esel.
 

„Nein, ich will keinen Mann.“
 

„Das sagst du jetzt so einfach. Aber er wird kommen, ob du nun willst oder nicht, gegen die Liebe hat noch niemand ein Mittel gefunden. Und wärst du nicht hier, könntest du dich nur mit Hurerei durchschlagen und selbst da stündest du unter dem Fittichen eines Hurenwirts.“
 

Am liebsten hätte ich ihr aus Sturheit entgegnet, das ich mich als Wanderhure durchgeschlagen hätte. Doch natürlich würde ich das niemals tun. Der Gedanke war mir zu wider unter stinkenden, fetten Männern zu liegen. Opfer eines jeden übermütigen Bettleres oder Räuber zu werden. Unfreiwillig musste ich nun an meinem Uncail denken und unliebsame Bilder schlimmer Erinnerungen rauschten vor meinem inneren Auge vorbei. Ob ich wohl jemals die Berührungen eines Mannes genießen könnte?
 

„Denk nicht mehr daran“, sagte Iseabail nur. Die Gute, sie wusste immer was ich dachte. Zärtlich strich sie mir über den Rücken, drückte mich kurz an sich und rief Tearlach zu sich, der ein paar Gräber weiter begonnen hatte zu spielen. Immer wieder hatte er sich hinter eines der Steine oder Holzkreuzen versteckt und gerufen: Máthair, such mich. Such mich!
 

„Wir gehen jetzt wieder zurück. Isst du heute Abend bei uns? Es gibt einen leckeren Hähnchenbraten. Eine schöne fette, alte Henne, habe ich in den Morgenstunden erst gerupft.“
 

Da konnte ich unmöglich widerstehen. Ein Essen mit meiner geliebten Aintín und ohne bissigen Kommentaren von dieser unerträglichen Mackenzie. Wie lange ich noch auf dem Friedhof saß konnte ich nicht sagen, unaufhörlich hatte ich auf die Statue gestarrt und war in Gedanken versunken. Wieder musste ich an meine Familie denken und wie es ihr wohl so ergangen war, was mir die Tränen in die Augen trieb. Es war einer meiner wenigen Gefühlsausbrüche, die sich nicht kontrollieren ließen und mich immer überkamen wenn ich gerade allein war.
 

Mit geröteten Augen und schniefender Nase beruhigte ich mich einige Zeit später und bemerkte das die Sonne bereits im Begriff war unter zu gehen. Eilig raffte ich mich auf und lief den breiten Trampelpfad entlang. Ich musste mich beeilen, doch war mir klar das ich die Stadt nicht mehr rechtzeitig erreichen würde. Aber ich brauchte mir keine Gedanken machen, ich wusste das dieser Ort größtenteils ummauert war, auch wenn ich die Mauer nie entlang gegangen war.
 

Meinen Cape um mich geschlungen und die Kapuze über meinen Kopf gezogen lief ich eiligen Schrittes voran. Ich konnte mir nicht helfen, aber ich hatte das Gefühl beobachtet zu werden. Bald bin ich aus dem kleinen Wald draußen, bald würde ich am Rand einer Wiese ankommen und in der Ferne die Lichter der Stadt und des Schlosses sehen.
 

Jedoch war mir nach kurzer Zeit nicht mehr so wohl zumute. Die letzten violetten Wolken waren am weiten Horizont zu sehen, während am hohen Himmel die ersten Sterne zu sehen waren. Aber nicht die aufkommende Dunkelheit war der Grund für meinen Unmut. Sondern das unverkennbare Gefühl eines starrenden Blickes auf mich. Irgendjemand beobachtete mich und nicht zu wissen auf wen ich hier draußen stoßen könnte, beunruhigte mich. Zügigen Schrittes lief ich weiter, sah immer wieder von links nach rechts, jedoch ohne meinen Kopf zu sehr zu drehen. Mein Verfolger sollte nicht merken das ich ihn bemerkt hatte oder mich fürchtete.
 

Da!
 

Da war etwas. Ein Knacken? Ein Rascheln? Ich lief schneller, doch es kam mir immer näher. Als ich einen Schatten im Augenwinkel zu erkennen glaubte, nahm ich buchstäblich die Beine in die Hand und rannte. Adrenalin schoss durch meine Adern und ließ mich schneller rennen, als ich es unter normalen Umständen je gekonnt hätte. Todesangst überkam mich und so sah ich nicht den tiefhängenden Ast, der weit in den Pfad hineinragte. Mein Schopf schrammte hart an dem Ast vorbei und durch den stechenden Schmerz war mir bewusst das ich sicherlich einige Haare gelassen hatte, doch das war völlig unwichtig.
 

Plötzlich stolperte ich, als ich meinen Fuß in den Hufabdruck eines unserer prächtigen Zugpferde setzte, welcher in der Mittagssonne getrocknet war. Hart stürzte ich auf den Boden und rollte über die Wurzeln eines Baumes. Von einer riesigen Welle aus Schmerz überwältigt blieb ich mit offenen Mund steif darauf liegen, während ein stummer Schrei in die Nacht glitt, als mir die Luft aus der Lunge gepresst wurde. Ich versuchte mich aufzurichten und Sauerstoff in meine Lungen zu saugen. Kaum war mir das gelungen, was sehr anstrengend war, da mir die Rippen und der Rücken schmerzte und mir selbst das Atmen erschwerte.
 

Da!

Wieder ein Schatten. Nach anfänglicher Furcht in der ich glaubte mir zerspringe das Herz vor Furcht, erkannte ich das es nur sehr klein war. Neugierig lief es auf mich zu und schnüffelte an mir. Ein Frischling – ein Wildschweinjunges. Und wo ein Frischling war, konnte die Bache nicht weit sein. Im Wald konnte man auf einen Wolf treffen, aber nichts war so gefährlich als eine Mutter die glaubte ihr Kind sei in Gefahr. Wildschweine waren große kraftstrotzende Tiere und ihre Stoßzähne fanden leicht das weiche rohe Fleisch in dem sie ein Loch bohren konnten.
 

Kaum konnte ich mich auf meine Knie aufrappeln, brach die Bache bereits wie eine Furie aus den nächst gelegenen Büschen und kam direkt auf mich zu. Durch die Angst war der Schmerz für einen Augenblick vergessen, und ich konnte mich auf meine Füße stellen. Ich lehnte mich an den Baum, schloss die Augen und wartete auf den unerträglichen Schmerz den sie mir zufügen würde. Doch der stellte sich nicht ein.
 

Stattdessen brach ein weiteres Tier aus den Büschen und sauste nur wenige Zentimeter an mir vorbei um die Bache abzufangen. Es war groß. Riesig. Es war zu dunkel um im dem Getümmel mehr erkennen zu können, doch schnell war die Bache mit ihrem Frischling verscheucht. Auch konnte ich das Quieken der anderen hören, eine kleine Horde hatte sie bei sich, die sie wohl in den Büschen versteckt hatte. Eilig verschwanden sie hinter den grünen Zweigen und ich atmete erleichtert die Luft aus. Doch kaum beruhigte sich mein Herz, der in den letzten Minuten einen Marathon hinter sich gebracht hatte, beschleunigte sich wieder sein Rhythmus.
 

Dort stand es, das große Ungetüm. Grün leuchtende Augen blickten in meine und er tapste auf mich zu. Der Wolf!

Mein Herz rutschte mir hinunter, der Angstschweiß lief mir den Rücken hinunter. Ob es der selbe war den ich von der Leiter befreit hatte, die ihn aufgespießt hatte? Mein Atem ging stoßweise, ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Ich drückte mich an den Baumstamm, machte mich klein, obgleich mir bewusst war, das mich die wenigen Zentimeter mehr nicht vor dem monströsen Wolf retten konnten. Als sähe ich alles langsamer, kam er auf mich zu und ich erwartete jeden Augenblick seine gebleckten Zähne zu sehen, und seinen faulen Atem nach Kadaver in meinem Gesicht zu spüren, bevor er mich in Stücke reißt.
 

Da war er, sein fauliger Atem. Seine feuchte Nase streifte meinen Hals, meine Wange. Doch der tödliche Biss wollte einfach nicht folgen. Ob er es wohl noch so lange hinaus zögerte um seine Lust zu steigern? Ich wimmerte und flehte, betete zu Gott um ein Wunder. Die Chancen das ich erhört wurde, waren schwindend gering und mir wurde schlecht vor lauter Angst. Aber auf einmal hatte ich ein komisches Gefühl, etwas Vertrautes. Der schwarze Wolf begann meine Wangen zu lecken, als wollte er meine Tränen wegwischen. Es erinnerte mich an unseren lieben Hund auf dem Hof.
 

Unsicher öffnete ich die Augen. Träumte ich? Nein, tatsächlich stand ein ungewöhnlich großer Wolf, dessen Kopf mich überragte vor mir und leckte mir mein Gesicht. Ich kann nicht mehr sagen wie lange wir uns anstarrten, aber es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Es war etwas an ihm das mich magisch anzog. War er es? Im Mondlicht sah er dem Wolf sehr ähnlich, dem ich im dämmrigen Stall begegnet war, aber in der Nacht waren bekanntlich alle Katzen grau. Wieso nur fraß er mich nicht? Vielleicht erinnerte er sich an mich und das ich ihm geholfen hatte?
 

Er trat an meiner Seite, drückte seinen Kopf unter meinen Arm und bedeutete mir mich an ihm festzuhalten, damit er mich wieder hochziehen konnte. Vorsichtig legte ich meine Arme um seinen Hals und er half mir auf, in dem er seinen Kopf hob. Sein Fell war sehr weich und am liebsten hätte ich meine Hände darin rein gekrallt. Dann sah er mich kurz an und lief den Pfad entlang. Bewundernd sah ich ihm nach, aber dann blieb er stehen und blickte sich nach mir um. Er ruckte mit seinem Kopf in Richtung der Lichter und bat mich so ihm zu folgen.
 

Den ganzen Weg entlang liefen wir Seite an Seite. Nun merkte ich wie groß er wirklich war. Sein Wiederrist reichte an meine Schulter und würde er den Kopf hoch erhobenes Hauptes tragen, so würde er mich um wenige Zentimeter überragen. Mir war bewusst das ich nicht die Größte unter den Frauen war, aber dennoch hatte er eine ungewöhnlich große Größe für einen Wolf. Immer wieder warf ich ihm neugierige Blicke zu, wie auch er, was eine äußerst merkwürdige Situation war. Am Rande der Stadt, hinter einem Haus blieb er stehen und sah mir in die Augen. Weiter konnte er nicht gehen, sonst würde man ihn wohl jagen. Er stupste mit seiner Nase auf meine Brust, dort wo mein Herz sich befand, leckte mir einmal über den Mund und ging. Schnell war er in der Dunkelheit verschwunden und nachdem ich glaubte mich zusammenreißen zu können um normal zu wirken als wäre nichts passiert, ging auch ich meinen Weg zu meiner Aintín, die mich sicherlich bereits zum Essen erwartete.

 



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