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Spuren im mexikanischen Sand

NCIS: Los Angeles
von

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Offene Fragen


 

Kapitel 02 – Offene Fragen
 

Die gute halbe Stunde, die es dauerte, vom OSP zum Tatort zu gelangen, verbrachten Kensi und Deeks in mehr oder minder einvernehmlichem Schweigen. Im Prinzip gab es auch nichts, worüber sie sich hätten unterhalten können, denn in Anbetracht des vermissten Kindes hatte jegliches zeitvertreibende Geplänkel zwischen ihnen seine Daseinsberechtigung verloren.

So nahm Deeks also wortlos hin, dass der Wagen die meiste Zeit über nur im Schritttempo über den Highway rollte – ein Tribut an das schlechte Wetter – und Kensi verkniff sich jeglichen Kommentar darüber, dass sie durch die City womöglich schneller am Ziel gewesen wären.
 

Als Deeks das Auto schließlich vor einem kleinen Haus im Stadtteil Huntington Park direkt hinter einem der LAPD-Chevrolets zum Stehen brachte, hatte es zumindest aufgehört, zu regnen.

Schon von Weitem konnte man die mit einer ausgiebigen Menge an Absperrband versehene Veranda erkennen, auf der eine junge Polizistin in der Uniform des Los Angeles Police Departments bereits ziemlich aufgeregt auf sie zu warten schien.

Kensi musste unwillkürlich mit den Augen rollen.
 

Eine Anfängerin, der Tag wurde ja immer besser.
 

Dicht gefolgt von ihrem Partner überwand sie rasch die erste Schicht Absperrband am Gartentor und beobachtete aufmerksam, wie die junge Polizistin ihnen mit einem strahlenden Lächeln entgegenkam.
 

„Guten Morgen! Ich bin Officer Heather Bailey vom Los Angeles Police Department. Sie müssen die beiden Agenten vom NCIS sein, die mir per Funk angekündigt worden sind“, begrüßte die brünette Frau die Neuankömmlinge und hielt Kensi ihre rechte Hand zum Händedruck hin.

Ein recht undefinierbares Gefühl von Übelkeit machte sich in Kensis Magengegend breit, als sie mit einem skeptischen Blick die vor Begeisterung schon fast überschäumende Heather Bailey musterte. Den bissigen Kommentar, der ihr schon auf der Zunge lag, schluckte sie allerdings noch einmal herunter.

Stattdessen setzte sie ihre professionellste Miene auf und ignorierte die Willkommensgeste ihres Gegenübers geflissentlich – was wohl die gleiche Wirkung hatte.
 

„Lassen Sie es uns kurz machen. Special Agent Kensi Blye, NCIS, Detective und NCIS-Liaison Officer Marty Deeks, LAPD“, stellte sie sich ohne einen weiteren Austausch der üblichen Höflichkeitsfloskeln vor und hielt der Polizistin anstelle ihrer Hand die Dienstmarke unter die Nase. Immerhin gab es zurzeit definitiv Wichtigeres, als sich mit einem übereifrigen Neuling zu beschäftigen, der den Ernst seines Berufes noch nicht verstanden hatte.

„Wir müssen uns hier umsehen.“
 

Das charmante Lächeln, das Officer Bailey zu ihrer Begrüßung aufgesetzt hatte, gefror augenblicklich zu Eis.

„Ja, natürlich … Agent Blye“, murmelte sie mit einem Ausdruck ehrlichen Entsetzens in den Augen und trat sofort zurück, um Kensi den Weg ins Haus freizumachen.

„Unsere gerichtsmedizinische Abteilung hat den Leichnam bereits zur Autopsie mitgenommen. Die Frau sah ja wirklich fürchterlich aus. So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen, und wissen Sie, ich habe mehrere Jahre in der Bronx gelebt, da …“

Ein kurzer, aber umso vernichtenderer Blick von Kensi genügte, um dem Wortschwall von Heather Bailey ein abruptes Ende zu verpassen.
 

„Verzeihung, ich bin neu hier … Sie wollen sich jetzt mit Sicherheit ungestört den Tatort ansehen, nicht wahr?“, entschuldigte sich die Polizistin sofort mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck, woraufhin Kensi ihr schlicht zunickte.
 

„Kensi, du kannst ja schon vorgehen, ich erledige noch schnell die Formalitäten“, meldete sich nun endlich auch einmal Deeks zu Wort, der mit einer Mischung aus unverhohlenem Erstaunen und Besorgnis das Auftreten seiner Partnerin beobachtet hatte.

Natürlich verstand er, dass dieser Fall nicht gerade einer von der alltäglichen Sorte war, aber dafür konnte ja die zugegebenermaßen zwar viel zu gut gelaunte, aber nichtsdestotrotz unschuldige Heather Bailey nichts.
 

Als Kensi also schließlich im Haus verschwunden war, wandte er sich mit freundlicher Stimme an die junge Beamtin.

„Also, wann genau haben Sie das Opfer entdeckt?“

Sofort schenkte Officer Bailey ihm ihre ganze Aufmerksamkeit und setzte nun ihrerseits ein zaghaftes Lächeln auf.
 

„Ich würde sagen, so gegen acht Uhr dreißig. Um sechs Uhr ging beim Police Department der Anruf einer Nachbarin namens Maggie Cole ein, die durch das Küchenfenster eine beträchtliche Blutlache gesehen haben wollte. Die Zentrale hat das zuerst für einen schlechten Scherz gehalten – ich meine, wer guckt denn schon bei seinen Nachbarn durchs Fenster – aber die Frau hat keine Ruhe gelassen. Daraufhin kam dann eine Streife hier vorbei und hat die Haustür aufgebrochen. Dabei haben wir dann auch den Leichnam entdeckt, der wirklich schlimm zugerichtet war. So viele Schüsse aus kurzer Distanz – da muss wirklich jemand Wut auf sie gehabt haben. Unser Gerichtsmediziner Dr. Johanson – wir nennen ihn alle Jo – hat gesagt, dass der Todeszeitpunkt von Emily Nicholls schon mindestens 48 Stunden zurückliegt.

Ich kann gar nicht glauben, dass ihr Mann und ihre Tochter so lange nichts davon mitbekommen haben, ich meine, sie wohnen doch alle im selben Haus, nicht wahr? Da muss das einem doch auffallen!“
 

„Sie werden vermisst“, antwortete Deeks ernst, nachdem Officer Bailey endlich einmal eine kurze Atempause gemacht hatte.

Er konnte nun gut verstehen, dass Kensi so unverfroren das Weite gesucht hatte.
 

„Oh, das erklärt natürlich … oh …“, stammelte die Polizistin und schlug sich die Hand vor den Mund – eine weitere Gelegenheit für Deeks, endlich auch einmal zu Wort zu kommen.
 

„Wie Sie jetzt sicher verstehen, ist Eile geboten. Ich benötige von Ihnen alle Tatortfotos, Unterlagen sowie den vorläufigen Autopsiebericht Ihres Gerichtsmediziners“, erklärte er der nun ziemlich bedröppelt aussehenden Heather Bailey, was sie zu tun hatte.
 

„Natürlich, Detective Deeks, ich werde mich sofort auf den Weg machen. Bin quasi schon weg. Auf Wiedersehen! Oh nein, halt!“
 

Officer Bailey war schon ein paar Schritte in Richtung des Streifenwagens gegangen, als sie noch einmal innehielt und zur Veranda zurückkehrte.

„Verzeihen Sie, das hatte ich völlig vergessen! Die Spurensicherung hat mir vorhin ein paar Tatortfotos als Ausdruck hergebracht. Sie dachten, dass Sie die gut gebrauchen könnten!“

Mit diesen Worten hob sie einen dünnen Stapel Papier von einer kleinen Blumenbank auf und drückte sie Deeks in die Hand.

„Also dann, auf Wiedersehen!“
 

Und schon eilte Heather Bailey erneut den Gartenweg entlang zu ihrem Streifenwagen. Als sie endlich um die nächste Straßenecke verschwunden war, seufzte Deeks erleichtert auf.
 

Was für eine Nervensäge!
 

Schließlich betrat er den Tatort durch die Haustür. Am Türrahmen flatterten die Fetzen des Absperrbandes lose im Wind, Kensi hatte es im Eifer des Gefechts kurzerhand mit ihrem Taschenmesser in tausend Einzelteile zersäbelt.
 

Das Erste, was Deeks drinnen sofort ins Auge stach, war ein riesiger Fleck getrockneten Blutes auf dem Teppich des Wohnzimmers. Weiße Kreidelinien markierten den Ort, wo noch vor ein paar Stunden der Leichnam von Emily Nicholls gelegen hatte.

Von seiner Partnerin war jedoch weit und breit keine Spur.
 

„Kensi?“, rief Deeks kurzerhand in den leeren Raum hinein, erhielt jedoch keine Antwort. Doch nur wenig später verriet ihm ein leises Poltern aus dem ersten Stock, wo sich die Agentin gerade aufhielt.

„Dann halt nicht …“, murmelte er schließlich achselzuckend und begann, sich umzusehen. „Schüsse aus kurzer Distanz, hm …“

Die wenigen Fakten, die ihm Heather Bailey geliefert hatte, gingen ihm durch den Kopf, während er die Schwarz-Weiß-Ausdrucke der Tatortfotos betrachtete und mit dem Raum verglich. Die Bilder zeigten ihm leider nur wenig – es waren hauptsächlich Gesamtaufnahmen des ganzen Zimmers, die ihm ohne eine vernünftige Qualität und Vergrößerung nicht viel brachten.

Auffällig war jedoch, dass die Schüsse zwar offensichtlich aus der Nähe abgefeuert wurden, die Spurensicherung allerdings keinerlei Hülsen oder ähnliche Gegenstände gefunden hatte.
 

Mit akribischen Blicken betrachtete Deeks den Raum, der – einmal abgesehen von dem Blut am Boden und den Kreidezeichnungen – eigentlich recht ordentlich aussah.

Es gab keine umgeschmissenen Stühle, keine zerbrochenen Vasen, kein am Boden liegendes Papier, das in irgendeiner Hinsicht auf einen Kampf deutete. Offensichtlich hatte Emily Nicholls sich zu keinem Zeitpunkt gewehrt.

Deeks‘ Blicke fielen auf eines der Bücherregale an der Wand.
 

Wenn der Angreifer nun hier gestanden hatte, dann …
 

„Na also“, murmelte Deeks, als sein geschulter Blick den schwarzen Einband eines Lexikons entdeckte, in dem eindeutig ein Einschussloch zu erkennen war. Rasch holte er die Latex-Handschuhe heraus und begutachtete seinen Fund.
 

„Was hat denn da draußen so lange gedauert?“, ertönte plötzlich Kensis Stimme ganz aus der Nähe und im nächsten Augenblick erschien das Gesicht der Agentin im Türrahmen.

„Kommunikationsprobleme“, gab Deeks wahrheitsgemäß zurück und wandte sich seiner Partnerin zu, den Blick immer noch konzentriert auf den Buchdeckel gerichtet. „Ich glaube, ich habe … oh, Mist!“
 

Er hatte gerade den Buchdeckel aufgeschlagen, um das eingeschlagene Projektil aus seinem Versteck ans Tageslicht zu befördern, doch zu seiner großen Verwunderung fehlte es.
 

„Was ist denn los?“, drängelte Kensi unruhig. Deeks reichte ihr das Buch.

„Irgendjemand war beim Aufräumen sehr gründlich“, erklärte er missmutig. „Keine Hülsen, keine Projektile in der Wand, gar nichts.“

Kensi nickte verstehend und beförderte das Buch in eine Beweismitteltüte.
 

„In den anderen Zimmern auch nicht“, erzählte sie. „Ich bin auch in den Schlafzimmern gewesen. Die Schränke des Vaters und des Mädchens sehen so aus, als hätte jemand in ziemlicher Eile die nötigsten Sachen zusammengepackt. Im Zimmer des Mädchens fehlen außerdem verschiedene Spielsachen und ein Kuscheltier.“
 

Deeks sah seine Partnerin erstaunt an, doch die war offenbar auf die kommende Frage vorbereitet und antwortete, noch ehe der Detective dazu kam, sie auszusprechen.

„Schau dir mal die Fotos im ganzen Haus an“, sie deutete auf mehrere Porträtfotos von Nancy Nicholls, auf denen das Mädchen in unterschiedlichem Alter, aber immer zusammen mit einem kleinen Stoff-Koala auf der Schulter abgelichtet worden war.
 

Deeks sah seine Partnerin grübelnd an. „Okay, also hat Nicholls entweder seine Frau erschossen und ist dann mit seiner Tochter abgehauen, oder …“

„… er kam nach Hause, sah das Blutbad und wollte sich und seine Tochter so schnell wie möglich in Sicherheit bringen“, vollendete Kensi den Satz für ihn und ließ ihre Blicke noch einmal durch den Raum schweifen.

„Ich befürchte, wir werden hier nichts mehr finden, was uns weiterbring. Hat deine ‚Kollegin‘ noch irgendetwas erzählt?“
 

Sofort verzog Deeks das Gesicht zu einer Grimasse.

„Sehr viel“, antwortete er sarkastisch, „aber leider nicht wirklich Fallrelevantes. Sie hat eine Nachbarin erwähnt, vielleicht weiß die irgendetwas.“
 

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Diese Hoffnung sollte sich jedoch nicht erfüllen.

Maggie, oder Margaret Cole stellte sich als grauhaarige Lady höheren Alters heraus, deren einzige Lebensaufgabe nach dem Tod ihres geliebten Ehemanns darin bestand, ihre Nachbarn zu beobachten und – wie sie es nannte – den ‚Frieden in der Nachbarschaft‘ aufrechtzuerhalten.

Und obwohl sie ein reges Interesse an den Lebensumständen der beiden Agents zu haben schien, konnten weder Deeks noch Kensi irgendwelche Informationen aus ihr herausbringen, die über die Tatsache hinausreichten, dass die Familie Nicholls ihr schon von Anfang an suspekt gewesen war.

Auf Deeks‘ Frage nach den Ursachen für diese Einschätzung antwortete sie mit einem ziemlich bissigen Spruch über seinen Kleidungsstil, woraufhin er Kensi die weitere Vernehmung übernehmen ließ und sich mit schweigender Beobachtung begnügte.

Mit einigem Fingerspitzengefühl gelang es Kensi schließlich doch noch, ein paar Beschreibungen der Familie Nicholls zu erhalten.

Ian Nicholls sei ein wahrer Bilderbuchvater gewesen, sie habe niemals einen Streit mitbekommen – was doch schon sehr verdächtig sei. Die Mutter kümmere sich rührend um das gemeinsame Kind, dessen einzige Marotte ‚dieses fürchterliche Kuscheltier‘ sei, das es quasi rund um die Uhr auf der Schulter herumtrug. Auch von außerfamiliären Streitereien wusste Maggie nichts, was ihr aber im Gegensatz zu den beiden NCIS-Mitarbeitern höchst seltsam vorkam.

Schließlich kenne ja jeder das Sprichwort „Stille Wasser sind tief.“ und zumindest die alte Dame war der festen Überzeugung, dass besonders in diesem Fall etwas an der Theorie dran war.
 

Als Kensi und Deeks schließlich nach getaner Arbeit (und mit den Bäuchen voller selbst gebackener Kekse) wieder zu ihrem Wagen zurückkehrten, waren sie fast genauso klug wie vorher.

Und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als wieder ins OSP zurückzukehren und zu hoffen, dass zumindest Sam mehr Glück gehabt hatte.



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