Zum Inhalt der Seite

Über den Dächern.

Verfall.
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Sie verschwanden nie völlig.

Mit einem Keuchen zog Ezio an dem Armbrustbolzen in seiner Schulter, der dann auch schmatzend aus dem Fleisch glitt, und schmiss ihn zur Seite.

Dem Geräusch von Holz auf Stein keine Beachtung schenkend, nahm sich einen der Leinenstreifen, die sich schon vorsorglich in einer der kleinen Ledertaschen befanden und verband damit provisorisch die Wunde am Oberarm.
 

Dann lehnte er sich an die Fässer und schaute über die Brüstung. Von seiner erhöhten Position auf einem der Borgia-Türme, die über ganz Rom verteilt zu finden waren und von der Macht und dem Einfluss der Borgias kündeten, konnte er fast die ganze Stadt sehen.
 

Die Stadt, deren geheimer Wächter er nun war.
 

Seufzend machte er sich es noch etwas bequemer, um wenigstens für den kurzen Moment sich einmal erholen zu können, erholen von Mord und Tot und Intrigen.
 

Die gewaltige Kuppel des Pantheons fing für eine kurzen Moment seinen Blick, dann glitt er weiter über die Häuser und die engen Gassen Roms und dann verschwand die Szenerie vor seinem Auge und spritzendes Blut, fallende Körper und abgetrennte Gliedmaße erschienen vor seinem inneren Auge.

Dazu der durchdringende metallische Geruch des Lebenssaftes, der in seine Nase stieg, die Schreie der Verwundeten und Sterbenden, die in seinen Ohren erklangen, das Wissen, Leben ausgelöscht zu haben und ganzen Familien den Ernährer genommen zu haben …
 

Mit einem Kopfschütteln scheuchte er die Erinnerungen hinfort und versuchte, sich wieder auf das Jetzt zu konzentrieren.

Nur das Jetzt zählte, denn die Erinnerung brachte niemanden zurück, weder seine Familie, noch einen der unzähligen Wachen, die zwischen ihm und Cesare und Rodrigo Borgia standen.
 

Nein, er tötete nicht gerne, anders als andere.

Aber es war ein notwendiges Mittel, um zum Ziel zu gelangen.

Rache. Rache und die Auslöschung der Templer, allen voran die Borgia.
 

Nichts ist wahr, alles ist erlaubt.
 

Immer wieder rezitierte er diesen Grundsatz der Assassinen, um die Erinnerungen zu vergessen.
 

Aber sie verschwanden nie völlig, sie lauerten in den hintersten Ecken seines Geistes und kamen hervor, wenn er schwach war, verletzlich, unsicher.

Sie blickten ihn an, die Gesichter der Toten, und ihre Augen waren voller Vorwürfe, voller Wut und Hass, sie griffen nach ihm mit ihren blutüberströmten Armen, um ihn mit sich zu ziehen, um ihn zu einen von ihnen zu machen …
 

„No. Noch nicht.“, dachte Ezio und stand mit einem Ruck auf.

Der Moment der Erholung war vorbei, er musste wieder eintauchen in dieses Leben voller Tot und Verrat.
 

Ein letztes Mal blickte er über Roma.

Florenz, Venedig, sogar San Gimignano hatten ihm besser gefallen als diese Metropole. Die engen Gassen, die Wohnhäuser, die sich in die Schatten er großen Prachtbauten vergangener Tage drückten, von denen die meisten auch nur noch halb standen, dazu die Ruinen der alten Tempel und Gebäude, die sich durch die ganze Stadt zogen.

Es hatte etwas Verfallenes an sich, etwas düsteres. Es erinnerte an die alten Tage aber auch an die Gegenwart.

Verfall, er war nicht aufzuhalten.

Er zog sich durch das Leben und riss alles mit sich.
 

Sich von dem Anblick losreißend entzündete er die Fackel und warf sie genau auf die Fässer.
 

Dann sprang er.
 

Er streckte die Arme aus wie ein Vogel, frei im Fall, frei für diesen Augenblick, schaute weder nach vorne, noch zurück, fiel … und landete im gewaltigen Heuhaufen, der unter dem Turm aufgestapelt worden war, während über ihm das Dach auf der Turmspitze Feuer fing und die Banner der Borgias in Flammen aufgingen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Phoenixfedern
2012-09-03T20:48:32+00:00 03.09.2012 22:48
Erstaunlich, dass noch niemand ein Kommentar hinterlassen hat.
Ich finde deinen Schreibstil richtig gut. Die FF ist zwar nicht lang, aber dafür war ich bei jedem Wort dabei. Es hat mich einfach mitgerissen, die Gedanken und Gefühle von Ezio.
Und ich denke wie du, dass ihm das Töten alles andere als Spaß macht. Es ist in dem Sinne einfach eine Notwendigkeit.
Also von mir auf jeden Fall ein dickes Lob! Ich hoffe, dass ich noch mehr solcher One-shots von dir zu lesen bekomme ;)

lg
Mizu


Zurück