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Der Stalker meines Herzens

Sesshoumaru xx ??
von

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Die Stellenanzeige in den Abgrund

Je länger dieser Flug dauerte, desto mehr hegte ich Zweifel daran, dass ich wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Eigentlich wusste ich nichteinmal, ob ich wirklich studieren wollte, aber leider hatte ich mich mal wieder von meiner Schwester so lange bequatschen lassen, bis sie mir ihre eigene Philosophie eingetrichtert hatte: Studiere, denn wer nicht studiert, dessen Leben führt zu nichts.

Doch wollte ich tatsächlich studieren? War ich wirklich glücklich mit dieser Entscheidung?

Lange Rede kurzer Sinn: Ich hatte mich schlussendlich für die Wirtschaft entschieden. Ich wusste noch nicht so ganz, was mich erwarten würde, doch dieses Thema interessierte mich sehr. Und mit dem Wissen, dass ich mir an dieser Universität aneignen wollte, stand mir am Ende jede Firma offen, vorrausgesetzt, dass ich nicht selbst eine gründen wollte.

Was meine Schwester allerdings wohl nicht beabsichtigt hatte war, dass ich nicht einfach zuhause im guten, alten England geblieben war, sondern mit all meinem Hab und Gut die Reise nach Japan antrat, an die Universität des Fürsten des Westens, einem der vier großen Daiyoukai, unter dessen Herrschaft auch mein Vater Großbritannien regierte.

Eigentlich - so war mir auf dem Flug klar geworden - benutzt ich das Studium eher dafür aus meinem Elternhaus zu verschwinden. Und als leckeren Nebeneffekt würde ich im Anschluss ausgesorgt haben, oder nicht?

... War das das richtige Motiv, um solch ein Studium zu beginnen? Nur: was sollte ich sonst mit meinem Leben anfangen?

Und wer weiß, vielleicht stellte sich ja heraus, dass das Richtige für mich war...

Immerhin wurde ich angenommen! Ich hatte auf den perfekten Notendurchschnitt zugearbeitet, um einen Platz zu bekommen und siehe da, nicht einmal auf eine Warteliste hatte man mich gesetzt. Die Universität nahm nur die Besten der Besten auf und daher fühlte ich mich geehrt, dass sie mich nicht abgewiesen hatten, denn als begabt sah ich mich nun wirklich nicht an, ganz im Gegenteil. Das Abitur hatte ich nur mit hartnäckigem Pauken überstanden, wenn ich nichts getan hätte, wäre ich vermutlich eine Schülerin des unteren Durchschnitts geworden.

An dieser Stelle unterschied ich mich enorm von meiner perfekten Schwester, die nie etwas hatte tun müssen und der alles in den Schoß fiel. Der Höhepunkt war gewesen, als sie in den dämonischen Zweig des britischen Königshauses der Menschen einheiratete (auch wenn diese Familie in der Welt der Dämonen nichts bedeutete).

Doch egal, um sie ging es nicht, das musste ich mir immer wieder sagen. Ich war so sehr damit beschäftigt gewesen ihr nachzueifern und sie vielleicht doch eines Tages zu übertrumpfen, dass ich alles andere aus dem Blick verlor, einschließlich meiner eigenen Person.

Ich seufzte und sah aus dem runden Fenster des Flugzeugs. Verdammt, die ersten fünf Stunden hatte mir mein dämonischer Hundeschwanz so dermaßen wehgetan, dass ich beinahe ausgeflippt wäre – warum wussten die Menschen eigentlich immer noch nicht von uns? Ständig musste man sich verstecken! – und jetzt, nach 15 Stunden - wir würden bald landen - war ich mir nicht mal mehr sicher, ob er überhaupt noch mit meinem Körper verbunden war. So taub wie er war hätte ich es nicht mal geglaubt, dass es ihn noch gab, wenn ich ihn nicht um mich herum ausgebreitet hätte wie eine Decke. Zu allem Überfluss durfte ich mir auch die strafenden Blicke der Umsitzenden antun, da ich einen (für sie eindeutig) echten Pelz trug. Dazu kamen die Kommentare der Reisebegleiterinnen, dass ich doch bitte dieses – scheußliche – Fell in der Gepäckablage unterbringen sollte...

Ich schlug mein Buch zu und griff umständlich nach dem Rucksack über mir. Der Signalton und das rote Lämpchen sprangen an und baten alle Passagiere darum sich hinzusetzen, anzuschnallen und die Tische für die Landung hoch zu klappen.

Ein weiterer Dong und der Kapitän gab selbige Anweisungen auf Japanisch und auch auf Englisch noch einmal durch.

Nun, die Sprache war wohl das Einzige, weshalb ich mir keine Sorgen machte. Dämonen verstanden von Natur aus alle Sprachen dieser Welt und konnten sie auch selbst sprechen. Verständigungsschwierigkeiten würde ich also nicht bekommen, doch was das Heimweh anging...

Ich dachte schon jetzt an meine Airedaleterrier-Hündin Alisha, die ich hatte zurück lassen müssen.

Dazu mein Vater, meine Mutter und meine Schwester...

Die übrigens auch noch schwanger war...

Und ich? Ich hatte nicht mal einen Verehrer oder der gleichen! Wie sollte ich bloß diese Maßstäbe, die sie mir setzte, aufholen?

Ich seufzte und ließ die Schnalle des Gurtes einschnappen, blickte dann wieder unter mir aus dem Fenster. Die Wolken lichteten sich und der Flugplatz von Itami kam in Sicht.

In wenigen Minuten würde ich da unten stehen – endlich wieder Boden unter den Füßen (!) – vermutlich kurz die wiedergewonnene Erde küssen und mich dann auf den Weg in die Berge weiter nördlich machen, in denen das Alte Schloss des Herrn der westlichen Dämonen stand.

Auf einer gewissen Ebene musste ich gestehen, dass ich aufgeregt war an solch einen Ort zu gelangen. Es gab genau vier Großmeister unter den Dämonen: der Herr des Nordens, des Ostens, des Südens und des Westens. Sie repräsentierten außerdem die vier größten Dämonenrassen und hatten ihre Untergeordneten Fürsten überall auf der Welt. Mein Vater selbst, Fürst der Dämonen von Britannien, sprach von unserem obersten Fürsten nur in den höchsten Tönen und ich wurde auserwählt an seiner Universität zu studieren! Nicht meine Schwester, ich war es gewesen. Eine kleine Errungenschaft im ewigen Kampf gegen sie, wenn auch eine, die Segen und Fluch zugleich war.

Ich schielte hinüber auf den Platz neben mir, wo eine Frau versuchte ihre Kinder zum Stillsitzen zu bewegen, dann ging auch schon ein Ruck durch das Gefährt und die Reifen setzten auf. Ich sah Gebäude an mir vorüber schießen - langsamer und immer langsamer wurden sie - dann Bog das Fahrzeug um eine Ecke und nahm seine Parkposition ein.

Hier sah alles so viel anders aus als zuhause in Britannien. Es ging schon damit los, dass hier nicht Asiaten als Einwanderer und Touristen auffielen, sondern ich. Mit einem Mal wurde mir flau im Magen bei dem Gedanken, gleich einen Fuß hinaus setzen zu müssen. Ich war nur froh, dass ich nicht ohne jeglichen Kontakt hier her kam.

Vor Jahren bereits hatte ich die koreanische Fürstentochter der Hundedämonen, Len, auf einer Auslandsreise mit meinem Vater kennen gelernt. Sie war ein paar Jahre älter als ich und mir damit im Studium um einige Semester voraus, doch ich liebte sie so sehr, wie meine Freundinnen, die ich in Europa zurückgelassen hatte.

Endlich ließen die Stewardess uns gehen. Bevor ich aufstand schlang ich meinen rot-braun gelockten Schwanz um Schulter und Hüfte und holte dann mein restliches Handgepäck aus der Ablage.

Mit einem überraschten, etwas verwirrten Blick stoppte ein europäischer Geschäftsmann und ließ mich vor sich in die Schlange treten, die hinaus drang. Unter den noch immer empörten Blicken der Stewardess – ihre Wut hatte sich wirklich über all diese Stunden gehalten – stieg ich die Stufen des Gangway hinunter, in einen Bus und fuhr mit diesem Shuttle hinüber zu dem Gate an dem ich ankommen sollte.

Wortlos ignorierte ich die Blicke der Umstehenden und marschierte zur Gepäckausgabe um kurz darauf fluchtartig mit meinen drei Koffern zu entkommen.

„Myleen!“, brüllte es mir bereits entgegen als ich noch gar nicht durch die Sicherheitsschleusen hinaus getreten war.

Das war ein Fest! Wer sich bisher nur über mich gewundert hatte ergötzte sich nun an dem Anblick meiner Freundin Len, die ihren eigenen, schneeweißen Schwanz wie einen zweiten Mantel um beide Schultern trug.

Sie rauschte auf mich zu und verneigte sich kurz, ehe wir uns in die Arme schlossen.

„Ich finde es klasse, dass du endlich hier bist!“, verkündete sie voller Ernst und verdrängte mich auch schon von meinem Gepäckwagen – ich wusste gar nicht mehr wo ich den aufgegabelt hatte – und schob mich und eben diesen auf eine weitere junge Frau zu. Auf den ersten Blick hätte ich nicht sagen können ob sie ein Dämon war oder nicht, doch sie hatte definitiv eine ähnliche Ausstrahlung wie wir.

Sie sah so wenig asiatisch aus wie ich, auch und ihre kleine Stupsnase zuckte kurz, als wir näher kamen.

„Darf ich vorstellen: Alexia.“, stellte Len uns vor. Sie ist aus Kanada. Hat vor zwei Jahren das Stipendium bekommen, als ich anfing.

„Freut mich!“, erklärte sie unsicher und reichte mir eine Hand.

„Mich auch... Darf ich fragen was...“

Sie lächelte. Die Beklemmung schien sie langsam zu verlassen.

„Ich bin ein Kaninchen.“

Ich lachte verstehend, sie blickte gespielt gequält. „Und deswegen sollten wir langsam weiter, mein Schwänzchen tut weh! Wenn es weiter so eingeklemmt wird, stirbt es ab und ihr könnt es pflücken wie einen Apfel.“

Len lachte leise und schob ihr einfach einen meiner Koffer zu, den Alexia bereitwillig annahm.

Die anderen zwei teilten wir untereinander auf, brachten den Wagen dorthin, wo er auf weitere Benutzung warten sollte, und verließen den Flughafen.

„Und wie kommen wir jetzt ins Gebirge?“, fragte ich Len weiter. Ich kannte mich hier immerhin nicht aus.

„Wir nehmen den Bus dahinten bis zur nördlichsten Stadtgrenze und laufen von da an. Gerne auch etwas schneller, im Wald sieht uns ja keiner.“

Ich nickte. Natürlich, das war einleuchtend. Ich folgte also Alexia und Len zu dem Linienbus, der bereits an seiner Haltestelle stand und stieg mit ihnen ein. Wir suchten uns drei Plätze und machten es uns gemütlich. Die Fahrt würde lange dauern.

„Aber weißt du was deine Anwesenheit toppt?“, fragte Len aufgeregt.

„Ich bin zwar ein Dämon aber nicht allwissend.“

„Sollte das nicht eigentlich ein Widerspruch sein?“, fragte Alexia kichernd.

„Schon möglich?“, ich grinste sie an.

„Hey, ich habe immer noch was zu erzählen!“, fuhr Len uns mit einem lachend-empörten Tonfall dazwischen und sah wieder zu mir auf. „Unsere Analysis-Dozentin hat erzählt, dass der Herr des Westens in diesem Semester an die Universität zurückkehren wird!“

Die Türen schlossen sich und der Bus fuhr an.

„Wie, zurückkehren?“

„Er hat wohl die letzten drei Jahre in Washington verbracht.“, erklärte Len mir. „Arbeit mit der Firma. Aber dieses Semester kehrt er zurück und wird sogar wieder einige Kurse übernehmen. Aber für die bist du noch nicht weit genug mit dem Studium.“, sie zwinkerte mir zu.

„Hab ich kein Problem mit.“, versicherte ich ihr grinsend.

„Was denn? Bist du kein bisschen neugierig auf unseren höchsten Fürsten? Hallo, Myleen, aufwachen! Gerade du als Prinzessin unter den Hundedämonen musst doch Interesse haben! Er ist die beste Partie in unseren Ländern.“

Ich schüttelte den Kopf über sie.

„Lass gut sein, Len. Unser Herr hat beinahe das gesamte Mittelalter aktiv miterlebt! Wenn er eine Fürstin an seiner Seite haben wollen würde, dann hätte er sich bereits eine geholt.“

Meine Gegenüber zuckte nur mit den Schultern.

„Dann halt nicht.“, meinte sie nur und beließ es bei diesem Thema.
 

Etwa eine Stunde später liefen wir bepackt mit drei Koffern durch den Wald, abseits der Wege um möglichen Wanderern aus dem Weg zu gehen, und erreichten schließlich den Trampelpfad, den kaum ein Mensch fand und verschlungen zwischen den Bäumen zu der alten Festung des Herrn des Westens führte.

Vor vielen Jahren, als der Meister begann sein Geld mit Geschäften in der Menschenwelt zu verdienen, baute er seine einstige Hochburg am Rand eines inaktiven Vulkans zu einer Universität für Dämonen aus, die unter seiner Herrschaft lebten; Sprich aus all jenen Ländern, in denen Hundedämonen als Fürsten in seinem Namen regierten.

Wir blieben kurz stehen um den Anblick dieses Prachtbaus aus alter Zeit aus einiger Entfernung zu bewundern. Eine schwarze Wolke hing tief, es würde wohl bald regnen, doch es sollte keine fünf Minuten mehr dauern, bis ich in meinem Zimmer im Wohnheim stand.

„Los jetzt! Ich will aus dieser Hose raus!“, zeterte Alexia und rieb sich ihren Steiß, wo vermutlich ihr Kaninchen-Schwänzchen saß. Len lachte leise und lief wieder los, wir folgten ihr.

Die Tore standen weit auf, Wachen, wie sie früher üblich waren, gab es keine mehr. Vielleicht lag das aber auch nur daran, dass der Fürst noch nicht anwesend war. Auf dem Hof herrschte ein reges Treiben. Studenten und Dozenten, Professoren und Doktoranten liefen durcheinander, warum konnte ich nicht sagen. Ich wusste nichts über den Alltag an der Uni.

Eine andere Dämonin lief an uns vorüber, scheinbar war sie auch gerade erst angekommen. Sie lief an dem Hauptgebäude vorbei, unter einem kleinen Torbogen hindurch in einen zweiten, angrenzenden Teil der Burg.

„Zum Wohnheim bitte hier entlang.“, bat Len und lief schon wieder so schnell weiter, dass ich sie zwischen all den anderen Leuten fast aus den Augen verloren hätte.

„Ist das hier immer so unruhig?“, fragte ich.

„Nein, keine Sorge. Heute Abend ist die Begrüßungsfeier für die Erstsemester. Das ist alles.“

„Ah ja...“

„Ja, da werden lustige Spiele gemacht.“

Au weia, ich ahnte genau worauf das hinauslaufen sollte. Immer wenn Len etwas als lustig empfand, dann mussten sich andere zum Affen machen. Das hieß für mich: Ich würde an diesem Abend Kopfschmerzen vortäuschen und mich schön brav in meinem Zimmer verbarrikadieren.

Wir betraten eine steile Wiese, die hinunter führte zu einem stillen See. Um ihn herum ragten Felsen in die Luft, in die Türen gehauen waren, verbunden mit Terrassen; Dies war das Wohnheim der Studenten.

„Ich habe deinen Schlüssel schon geholt!“, erklärte Len triumphierend und stieg in einen Fahrstuhl, der uns hinauf brachte auf die höchste Ebene der Zimmer. Sie lief so schnell, dass mir gar nicht viel Zeit blieb die Aussicht von hier oben zu genießen. Dabei war das Bild des glitzernden Kratersees und des Gläsernen Speisesaals dahinter wirklich faszinierend.

Len riss eine Tür auf.

„Hier, das ist es.“, sie betätigte den Lichtschalter und gab so den Blick frei auf ein einfaches Bett – ohne Matratze, die musste ich mir noch besorgen – einen Schrank, ein Regal und einen Schreibtisch mit Stuhl. Die Einrichtung war sehr spartanisch, ganz anders als das, was ich von zu Hause aus unserer Villa gewohnt war. Rechts ging eine Tür ab zu einem kleinen Bad, daneben war ein Kühlschrank und eine Küchenzeile.

„Entschuldige bitte, wenn ich so hetze, aber ich muss heute noch zum Büro des Präsidenten.“

Und mit Präsident meinte sie natürlich den Großfürsten.

„Was willst du denn da? Ich dachte er kommt erst in den nächsten Tagen? So habe ich es verstanden.“

Sie hopste nervös von einem Fuß auf den anderen.

„Ja schon, aber spätestens heute sollten die Bewerbungen bei ihm eingehen.“

„Bewerbungen? Für was?“

„Vor einigen Tagen kam eine Rundmail an die höheren Semester, dass er einen Protegé sucht. Jemanden aus dem Wirtschaftsbereich, den er sich für sein Firmenimperium heranziehen kann. Es gibt ein gewisses Gehalt, Praxiserfahrung... aber damit kannst du leider nichts anfangen. Ein Erstsemester hat nicht die nötige Erfahrung für den Job.“

Ich lächelte verstehend.

„Ja, das denke ich auch.“, erklärte ich ganz ehrlich. „Ich muss mich vorerst einleben.“

Len grinste. Alexia sah zwischen uns hin und her, doch ihr liebes Lächeln brach niemals ab. Verschwiegen war sie jedoch auch weiterhin. Viel hatte ich aus ihrem Mund bisher nicht gehört.

„Cool, dann bin ich mal wieder weg und lass dir deine Zeit zum Einräumen!“, sie winkte mit beiden Händen, dann sprang sie mich plötzlich an und klammerte sich an meinen Hals. „Ich freue mich ja so, dass du da bist!“

„Ich mich auch!“, das tat ich wirklich! Ich hatte mit einem mal ein verdammt gutes Gefühl bei dieser ganzen Studiengeschichte.

„EIn herzliches Willkommen auch von mir. Ich freue mich, dass du da bist! Unbekannterweise...“, erklärte Alexia verlegen und stellte sich neben Len.

„Danke!“

Wir schwiegen kurz, dann nahm Len wieder ihre Beine in die Hand.

„Ok, ich muss dann. Kommst du, Alex?“

Das Kaninchen nickte brav und folgte ihr hinaus.

Ich atmete zufrieden lächelnd aus und sah ihnen durch eine der beiden Scheiben neben der Eingangstür hinterher, bis sie bei dem Fahrstuhl waren. Sie drehten sich noch einmal um, als sie sich unterhielten, winkten mir noch einmal lächelnd zu und stiegen dann in die Kabine.

Als die schweren Türen sich hinter ihnen geschlossen hatten drehte ich mich wieder herum und ging zurück zu meinem Gepäck.

Mein erster Griff war so vorhersehbar, wie das Amen in der Kirche: Ich öffnete meinen Rucksack und zog den Laptop heraus, den mir meine Mutter zum Abschied geschenkt hatte, klappte ihn auf und schaltete ihn ein.

Ein weiterer Griff in die Tasche und ich fischte das Lan-Kabel hervor. Kurz gewartet, alles eingesteckt und ich konnte mich über meine Universitätsdaten in das Internet einloggen.

Ich war keine drei Sekunden drin, da klingelte bereits mein Skype-Account.

Ich seufzte frustriert und sah auf den Bildschirm. Meine Schwester, also nahm ich an.

„Hi, Marylou.“, begrüßte ich sie.

„Weißt du wie spät es gerade bei uns ist?“

Ich sah auf die Uhr.

„Etwa fünf Uhr morgens.“, verkündete ich. „War das alles, was du wissen wolltest? Dein Computer hat selbst eine Uhr, weißt du?“

Sie lachte.

„Nein! Das wollte ich nicht von dir.“, sie kicherte weiter. „Ich will wissen wie es dir geht! Bist du gut angekommen? Hast du dich schon eingelebt? Wie ist dein Zimmer?“

„Wie soll ich mich denn schon eingelebt haben?“, fragte ich verwirrt amüsiert. „Ich habe gerade vor zehn Minuten das erste Mal mein Zimmer betreten!“

„Und da bist du sofort Online gekommen? Braves Mädchen!“

„Natürlich, ich habe doch gehofft, dass du mich um fünf Uhr morgens anrufst!“

„Weiß ich doch! Immerhin liebst du mich!“

Ich lachte.

„Brauchst du deine Dosis an Liebesbekundungen?“

„Ich bin schwanger! Ich nehme alles an Zuwendung, was ich bekommen kann!“

Ich seufzte.

„Ok, was willst du wirklich?“

„Meckern, weil du meinen PC angelassen hast bevor du gefahren bist.“

„Hab ich das? Entschuldige bitte. Aber konnte das nicht warten? Oder hättest du mir das nicht als E-Mail schreiben können?“

„Nein!“

„Nein?“, verwundert sah ich zu dem Computer, wenn wir auch keine Bildübertragung gestartet hatten.

„Du hast außerdem dein Mailpostfach offen gelassen.“

„Na toll, hast du meine Post durchschnüffelt?“, das war ja mal wieder so klar. Ich liebte sie, natürlich, unendlich sogar, aber dass sie mich dauernd bemuttern musste seit sie schwanger war, war nervig.

„Da war eine E-Mail von deinem Universitätspräsidenten, dem Meister selbst.“

„Was?“, sie hatte also wirklich meine Nachrichten durchwühlt.

„Ja, er sucht nach einem Protegé für sich. Einen Studenten der Wirtschaft, der Wirtschaftsinformatik, Informationsmanagement... irgendwas in dem Dreh.“

Für einen Moment vergaß ich vollkommen die Empörung über ihr Verhalten. Wieso war diese Mail an mich gegangen? Len hatte doch gesagt, dass sie nur an ältere Semester ging...

„Die habe ich nicht gesehen.“, erklärte ich.

„Ja, sie war auch in deinem Spamfolder gelandet. Du solltest was an deinem Filter machen! Egal, jedenfalls hattest du doch erst überlegt ein Dualstudium zu beginnen. Der Fürst bietet so etwas an! Mit Aussicht auf einen festen Arbeitsplatz danach. Bewirb dich!“

Ich machte ein ablehnendes Geräusch und schüttelte überflüssiger Weise den Kopf.

„Ich habe davon schon gehört, ja. Len hat es mir gerade erzählt. Aber sie meinte, dass dieses Stellenangebot explizit an höhere Semester gerichtet war.“

„Hier in der Mail steht nichts davon. Mach sie doch mal auf!“

Ich seufzte und setzte mich an den Schreibtisch um dieser Aufforderung nachzukommen.

„Ich würde es an deiner Stelle einfach mal versuchen! Pfeif drauf, was Len sagt! Die will vermutlich nur die Stellung ihrer Familie hinauf treiben. Ihr Vater hat in letzter Zeit viel an Respekt verloren.“

„So? Das wusste ich noch gar nicht!“

„Ja, es ging wohl darum, dass er Geld unterschlagen hat oder so. Egal. Bewirb dich! Bis heute Abend... Also bei Euch heute Abend.“

Ich seufzte unschlüssig.

„Ich glaube nicht, dass ich eine Chance habe! Ich habe doch keinerlei Erfahrung!“

„Gerdas das wollen die meistens. Einen Zögling, den sie formen können! Vertrau mir! Oder was meinst du, warum teilweise überaus begabte Schüler nicht an einer Schauspielschule angenommen werden? Viele von ihnen haben schon ihren eigenen Stil gefunden und das wollen diese Schulen nicht. Sie wollen Leute, die sie Formen können! Und Len... Len wird nur ihre Stellung retten wollen.“

„Jetzt Zweifel mal nicht an Len, ja? Die wird die Stelle ja wohl nicht wollen, um sich an den Meister ranzuschmeißen!“

Marylou schwieg.

„Du weißt genauso gut wie ich, dass es einem Dozenten verboten ist etwas mit seinem Studenten anzufangen. Und Len freut sich bereits auf die Kurse mit ihm, die sie dieses Jahr belegen wird.“

Marylou schwieg weiter.

„Na gut.“, fauchte sie mich da plötzlich an. „Du musst wissen was du tust! Ich wollte dir ja nur helfen!“

Augenblicklich hatte ich ein schlechtes Gewissen sie so abgesägt zu haben.

„Mary...“

„Nö, kein Bock mehr! Mach was du willst.“

„Ist gut, ich werde...“, weiter kam ich nicht. Sie legte einfach auf.

Super, jetzt hatte ich es wieder geschafft, dass sie sich aufregte. Dabei war sie doch schwanger...

Ich seufzte, schloss Skype und öffnete die E-Mail des Großfürsten.

Sie hatte Recht. Die Rundmail war adressiert an alle Studierende. Und nirgendwo war eine Eingrenzung in der Anzeige mit Bezug auf die Semesteranzahl.

Ich seufzte.

Sie hatte mich wieder soweit.

Ich tat wieder das was sie wollte.

Ich bewarb mich für diese Stelle.

Ich tat es wie immer für sie, damit sie zufrieden mit mir war.

Wie sie das nur immer schaffte...

Doch bis heute weiß ich nicht, ob ich ihr dafür danken soll, dass sie mich wieder dazu brachte zu tun was sie verlangte, oder nicht. Die Folgen waren eine Mischung aus Horror und absoluter Hingabe an Gefühlen...

unverhofftes Wiedersehen

Ich wanderte mit den Augen über meinen Bildschirm, hinauf zu der Menüleiste des Wordprogramms und wählte "Drucken".

Als sich mein Gerät ratternd in Bewegung setzte und die Daten, die es zu Papier bringen sollte förmlich aus meinem PC saugte, stand ich auf und ging hinüber ins Bad.

Noch immer waren die Schränke und Ablagen vollkommen leer. Ich hatte die letzten fünf Stunden seit ich hier war, damit verbracht die Bewerbung zu formulieren.

Ich wusste, dass ich noch irgendwo eine gute Mappe hatte und meine Kopien der Zeugnisse hatte ich sowieso bei, doch nun musste ich erst einmal das Make-Up in meinem Gesicht loswerden.

Ich hatte es schon wieder total vergessen, dass ich vor dem Antritt zu meinem Flug dick die Hautcreme aufgetragen hatte, die meine Clanzeichen verdecken sollten. Wie ich daran allerdings nicht mehr hatte denken können, war mir schleierhaft. Immerhin versteckten Alexia und Len ihre auch unter Tonnen von Bräunungscreme, aber irgendwie hatte ich das nicht wahrgenommen.

Ich griff also in meinen Kulturbeutel, immerhin der war schon von meiner Tasche zu seinem Bestimmungsort gewandert, und begann damit die Paste von meinem Gesicht zu schrubben, solange bis der senkrechte, dunkelrote Streifen von meinem Scheitel über die Nase und die kleine Ellipse unter dem linken Auge wieder zu sehen waren.

Ich schmiss das von weiß nach beige gefärbte Tuch ersteimal auf den Waschbeckenrand – ich hatte noch keinen Mülleimer – und marschierte zurück in mein Zimmer, wo der Drucker inzwischen wieder in den Standbymodus gewechselt hatte.

Schnell unterschrieb ich Anschreiben und Lebenslauf, kramte eine Mappe heraus und verstaute die Bewerbung, gemeinsam mit einer Kopie meines letzten Zeugnisses und einem Nachweis über die Einschreibung an dieser Uni, in ihr.

Das Schwerste jedoch war heraus zu finden wo diese Bewerbung eigentlich hin sollte.

Len hatte mir schon Monate zuvor erzählt, dass sämtliche Dozenten und Mitarbeiter der Universität in den Häusern rings um die Festung herum wohnten oder aber, wie auch unser Meister, gegenüber dem Wohnheim in dem alten Gebäude, das früher einmal der Harem des Fürsten gewesen war – wieso er diesen vor so vielen Jahren aufgelöst hatte wusste allerdings niemand.

Doch was nutzte mir zu wissen wo das Schlafzimmer des Präsidenten war? Ich konnte ihm ja schlecht meine Bewerbung als Nachtlektüre auf das Kopfkissen packen, oder?

Ich rief im Internet die Homepage unserer Universität auf und fand nach einigem hin und her schließlich eine Kontaktanschrift mit Weiterleitung an den Präsidenten. Es stand kein Name dabei, lediglich sein Titel, was wohl daran lag, dass niemand seinen Namen kannte. Nur wenige Personen hatten dieses Wissen, doch es gehörte sich eh nicht, ihn mit etwas anderes anzusprechen als "Herr" oder "Meister". Doch wenigstens fand sich hier auch eine Raumnummer im A-Gebäude.

Nur wo befand sich das?

Irgendwie fühlte ich mich verloren! Wie sollte ich mich hier bitte zurecht finden, ohne fremde Hilfe? Ich kannte bisher nichts als den großen Platz im Hof und den Weg von dort hier her in mein Apartment. Also wie sollte ich...

Mir fiel ein, dass ich gemeinsam mit meinen Unterlagen für die Universität auch einen Lageplan von eben dieser bekommen hatte.

Hektisch sprang ich von meinem Stuhl und fiel wie ein Raubtier über meinen Rucksack her.

Vielleicht wäre es einfacher gewesen Len zu fragen, ob sie mir sagen konnte wo ich meine Bewerbung hinbringen sollte, doch ich hatte das dumme Gefühl, dass die mir das alles wieder ausreden würde und ich konnte nicht verleugnen, dass ich während des Schreibens ein so gutes Gefühl bekam, dass ich dachte ich wäre demnächst ein Hund mit Flügeln. Es war, als könnte ich alles schaffen und wenn sie es mir ausredete, würde ich vermutlich diese Freiheit im Bauch verlieren.

Nein, ich musste das irgendwie alleine hinbekommen.

Mit einem freudigen Aufschrei zog ich das Blatt – welches inzwischen total zerknittert war – unter einem Buch und meiner Federtasche hervor, beschwert von einer inzwischen leeren Brotbüchse, und begutachtete es.

Gebäude A, es fiel mir wieder ein, ich hatte es bereits gesehen. Es war das große Haus direkt gegenüber des Haupttors, indem sich vermutlich früher der Thronsaal und das Audienzzimmer befanden.

Achtlos stopfte ich den Zettel in meine Hosentasche, griff nach den fertig gepackten Unterlagen und marschierte zur Tür, Schuhe an und los.

Auf dem Hof war es inzwischen fast nicht mehr möglich voran zu kommen, so dicht drängten sich die Studenten. Von einer Bühne schallte laute Musik, auch wenn keine Band darauf herum sprang, und an verschiedenen Ständen drängten sich die Massen, um an alkoholische Drings oder einen Imbiss zu kommen.

Ich bahnte mir meinen Weg zum Hauptgebäude, sprang auf die Stufen und lief eilig hinauf. Ich war mir ziemlich sicher, dass Len irgendwo in der Nähe war und wenn sie mich sah, dann hatte ich keine ruhige Minute mehr, zumal ich eigentlich gar nicht hier sein wollte. Peinlichkeiten wollte ich aus dem Weg gehen und dazu war ich verdammt müde, wie mir langsam klar wurde.

Ich ging durch die offene Tür in das Gebäude hinein und stand bereits vor der ersten Flügeltür – früher der Thronsaal. Er war vor einigen Jahren zum größten Hörsaal der Universität umgebaut worden.

Links und rechts daneben erkannte ich Pinnwände mit verschiedenen Ankündigungen und Suchanzeigen und der Gleichen mehr, aber auch ein Lageplan des Campus und des Gebäudes.

Ich marschierte zu dem Gebäudeplan und suchte nach der Nummer des Büros, das ich als das des Inu no Taishou identifiziert hatte.

Als ich es entdeckt hatte, lief ich auch sofort los, auf zur Treppe und immer weiter hinauf, bis ich schließlich den richtigen Flur erreicht hatte. Inzwischen lief mir kein Student mehr über den Weg. Scheinbar waren die höher gelegenen Räume, wo mehr Büros als Studienräume lagen, weniger frequentiert.

Ich lief den Gang entlang, vorbei an mehreren Türen, bis ich endlich vor dem Büro stand.

Gott, war ich was von blöd gewesen!

Ich hätte mir eigentlich Denken können, dass ich hier falsch war.

Es gab gar keinen Briefkasten. Nirgendwo in der Nähe war so ein doch recht praktischer Einrichtungsgegenstand auszumachen.

Ich seufzte.

Was sollte ich nur machen?

Sollte es daran scheitern?

Ich spitzte die Ohren und konzentrierte all meine Sinne auf die Tür vor mir, doch es war zwecklos. Wie nicht anders zu erwarten befand sich dahinter keine Dämonenseele.

Verloren und ergeben blickte ich auf meine Bewerbungsmappe hinunter und begrub diesen Höhenflug, den ich bis gerade eben noch empfunden hatte.

„Kann ich dir helfen, Mädchen?“, hörte ich eine krächzende Stimme von rechts.

Überrascht sah ich mich um, doch da war niemand.

„Hier unten!“

Noch viel verwirrter sah ich hinab und erblickte einen alten Krötendämon, mit einem gewaltigen Haufen an Heftern.

Bewerbungsmappen.

In meinem Hirn ratterte es.

„Verzeiht mir bitte.“, bat ich höflich und verneigte mich ehrfürchtig.

Der Kröterich sah auf die Mappe in meiner Hand und dann wieder zu mir auf.

„Du willst eine Bewerbung abgeben.“, schlussfolgerte er korrekt.

Ich nickte.

„Ja, aber ich weiß leider nicht wo. Ich bin erst vor einigen Stunden hier angekommen.“

„Eine Erstsemester!“

Er schien weniger abwertend darüber, als ich geahnt hatte, eher überrascht.

Diese Reaktion machte mich wieder nervös. Ich interpretierte, dass er vermutlich der Meinung war, ich wäre nicht geeignet, da ich noch keinerlei Erfahrungen hatte. Himmel, wie peinlich mir das alles war. War ich doch vermessen gewesen mir eine Chance auszumalen?

„Wirtschaftswissenschaften.“, erklärte ich ihm.

„Würdest du die Schlüssel von der obersten Mappe nehmen und mir aufmachen?“, er ging nicht weiter darauf ein.

Ich tat daher was er wollte und hielt ihm die Tür auf, damit er den Stapel mit den Unterlagen – der beinahe größer war als er – herein tragen konnte.

„Deinen Clanzeichen nach zu urteilen kommst du aus Europa.“, bemerkte er mit Augenmerk auf den roten Schönheitsfleck unter meinem Auge. „ Frankreich? Kroatien?“

„Großbritannien.“

„Abstammung?“

War das denn wichtig?

„Mein Vater ist Phelan, Fürst der Dämonen von Großbritannien, meine Mutter Edona, Fürstin von Großbritannien, Prinzessin von Albanien.“

Er blinzelte kurz. Blinzelte noch einmal.

„Eine Prinzessin?“

Nachdenklich sah er mich an. Es sah beinahe aus als versuchte er sich an etwas zu erinnern, doch dann schob er den Gedanken beiseite und streckte mir eine seiner dreigliedrigen Hände entgegen.

„Gib mir die Bewerbung.“

Eilig kam ich dieser Aufforderung nach, beinahe zu eilig.

Mehr oder weniger interessiert blätterte er kurz durch.

„Du gibst ziemlich spät ab.“

„Ich weiß, entschuldigt bitte. Ich bin, wie gesagt erst im ersten Semester und meine Schwester hat mich gerade eben auf die Stellenausschreibung aufmerksam gemacht. Die E-Mail ist wohl in meinem Spamfolder gelandet.“

Er schielte mich aus einer Mischung von Belustigung und Unglauben an.

„Und du bist sicher, dass du dich bewerben willst?“

„Ja!“, diese Antwort kam selbst für mich überraschend und sehr schnell.

Als würde ich ihm ein Schwert auf die Brust setzen sah er mich an.

„Gut, dann werde ich deine Bewerbung weiterleiten. Ich denke morgen oder übermorgen melde ich mich bei dir.“

Ich verneigte mich, plötzlich wieder etwas unsicherer, bedankte mich artig und verschwand so schnell es ging - nicht zu letzt, weil ich nicht unbedingt in den Tumult auf dem Hof geraten wollte.
 

„Egal! Heute bist du ausgeschlafen und deine Migräne ist weg, also werden wir heute Abend etwas unternehmen!“, beschloss – oder eher befahl – Len.

Ich schielte zu Alexia hinüber, die eifrig nickte, als sie diesen Blick bemerkte.

„Und was?“, fragte ich weiter und griff nach einem kleinen und einem großen Topf. Wir waren in die Stadt gefahren um mir gewisse alltägliche Einrichtungsgegenstände zu besorgen, die ich dringend brauchte.

„Das lass mal meine Sorge sein! Lass du dich einfach nur überraschen.“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Na wenn du meinst...“

„Oh ja, das meine ich! Ich habe außerdem noch eine Überraschung für dich! Du wirst Augen machen!“

Was das wohl wieder war? Wie ich Len kannte eine Tafel Schokolade.

„Ach halt, Moment, das geht ja gar nicht!“

„Was geht nicht?“, fragte ich verwundert und nahm eine Packung mit einfachem Besteck von Alexia entgegen, das sie für mich ausgesucht hatte.

„Ich kann heute nicht, fürchte ich.“

„Warum?“

„Ich habe heute Morgen einen Anruf von Jaken-sama erhalten. Scheinbar ist der Herr vergangene Nacht zurückgekehrt. Heute sind die Bewerbungsgespräche.“

„Ach so, na dann...“

Und damit war ich mir sicher: Den Job konnte ich vergessen.

Aber wenigstens konnte mich niemand anmachen, ich hätte es nicht versucht!

Ich schob meinen Wagen aus der Küchenabteilung heraus und hinein in die der Teppiche.

„Ich denke ich werde den Job bekommen.“, erzählte Len weiter.

„Definitiv! Niemand wäre besser geeignet als du!“, pflichtete Alexia ihr bei und trat an einen roten Teppich heran um ihn zu befühlen.

Ich folgte ihr und strich über die weichen Fransen.

„Also strengt euch an, vielleicht kann ich euch dann einen Job anbieten.“

„Das wäre sehr gut!“, erklärte ich ihr lächelnd und suchte dann nach dem Preisschild von dem Teppich vor mir.

„Myleen, dein Telefon klingelt!“

Verwundert sah ich zu Alexia auf, dann bemerkte ich es auch. Das Vibrieren war in der Jackentasche nicht zu spüren, aber da dudelte definitiv „Red Flag“ von Billy Talent vor sich her.

Ich griff nach dem Gerät und sah auf das Display. Die Nummer kannte ich nicht.

„Wartet ihr kurz auf mich?“, fragte ich und drückte bereits ohne eine Antwort abzuwarten auf annehmen. Rein aus Gewohnheit ging ich einige Schritte weiter und verschwand hinter einer Reihe von Metallkörben in denen die aufgerollten Vorleger gelagert wurden.

„Myleen Carter“, stellte ich mich mit meinem Decknachnamen in der Menschenwelt vor – ich konnte ja nicht wissen, ob es sich um einen Werbeanruf handelte (Dämonen trugen keine Nachnamen).

„Guten Tag, Prinzessin Myleen, ich bin Jaken, wir haben uns gestern unterhalten.“

Ich horchte auf.

‚Ich habe heute Morgen einen Anruf von Jaken-sama erhalten‘, erinnerte ich mich an Lens Worte. Er rief an wegen meiner Bewerbung!

„Ich erinnere mich, ja, guten Tag, Jaken-sama.“

„Es geht um deine Bewerbung.“, kam er sofort auf den Punkt. „Unser Fürst würde dich gerne heute um sechs Uhr in seinem Büro sprechen.“

Ich blinzelte kurz verblüfft.

„Kannst du das einrichten?“, ich hörte aus seiner Stimme, dass es mehr eine hohle Phrase war, dies zu fragen. Er erwartete, dass ich zustimmte und eine andere Chance würde er mir auch nicht zusprechen.

„Selbstverständlich. Heute Abend um sechs Uhr. Ich werde da sein.“

„Sehr gut. Dann wünsche ich dir noch einen guten Tag.“

„Danke, guten Tag, Jaken-sama.“

Es kam kein weiteres Wort, er legte einfach auf.

Ich spürte die Aufregung und Freude mein Rückenmark hinauf klettern, aber auch Nervosität.

Was sollte ich nur anziehen?

Ich sollte auf gar keinen Fall einfach in Jeans und Pullover dort auftauchen...

„Myleen, können wir weiter?“, rief Len hinüber, die mitbekommen hatte, dass ich das Telefon nicht mehr am Ohr trug.

Ich fuhr herum.

„Ja, entschuldigt bitte.“, grinsend kam ich wieder herüber, musterte aber irritiert den Inhalt meines Wagens, als ich nach dem Gestell griff. „Was soll das denn?“

„Ich habe dir einen Teppich ausgesucht!“, erklärte Len. „Der rote dort, ich finde der passt so schön zu dir. Vor allem zu deiner Fellfarbe!“

Sie strich über meine Rute.

Ich nickte lächelnd.

„Da könntest du wohl Recht haben.“

Das auch ich zum Vorstellungsgespräch geladen war, erwähnte ich lieber nicht.
 

Pünktlich eine viertel Stunde vor meinem Termin verließ ich mein Apartment und Schloss die Tür hinter mir ab. Zum Glück hatte ich irgendwo unter meinen Sachen noch einen hellgrauen Damen-Hosenanzug gefunden, der – obwohl er schon etwas älter war – noch immer passte!

So marschierte ich also staksend auf hohen Absätzen hinüber in das Hauptgebäude und die Treppe hinauf. Ich wusste ja inzwischen wo das Büro war.

Zu meiner großen Überraschung war die Tür nicht verschlossen und ich spähte vorsichtig hinein. Hinter dem großen Schreibtisch des Vorzimmers hockte der Krötendämon vom vergangenen Abend - Jaken - über einem Buch und folgte gelangweilt den Zeilen.

Ich strich noch einmal das Fell meines Schwanzes über meiner linken Schulter glatt – so glatt es eben ging bei gelocktem Fell – kontrollierte mit einer flüchtigen Geste die korrekte Position meiner Haare und zog den ineinander gedrehten Zopf über meine Schulter.

Dann endlich, nachdem ich noch einmal durchgeatmet hatte, betrat ich das Zimmer und klopfte kurz an.

Flüchtig deutete ich eine Verbeugung an und sah auf.

„Du bist früh!“, stellte Jaken fest. „Eine Bewerberin ist gerade noch drin.“

„Ich bin gerne zu früh, als das Risiko einzugehen zu spät zu sein.“, erklärte ich ihm und trat näher.

„Das ist lobenswert! Warte bitte noch einen kleinen Moment und setz dich dort hin.“, bat er und wies auf ein Stuhlpaar unter dem Fenster.

Ich nickte, bedankte mich artig und kam dann der Aufforderung nach.

Geduldig setzte ich mich auf eine der hölzernen Sitzflächen und spähte aus dem Fenster, als ich plötzlich eine überraschte Stimme neben mir ausmachte.

„Myleen?“

Ich drehte den Kopf in ihre Richtung und erkannte Len, die gerade hinter sich die Tür zum Büro schloss.

„Was machst du denn hier?“

Na super. Musste sie unbedingt erfahren, dass ich mich auch beworben hatte? Ich konnte es ja nicht leugnen, wie sah das denn aus vor Jaken-sama?

Ich hatte eigentlich nicht die Erfahrung für das alles, das war es, was mir in den letzten Stunden durch den Kopf gegangen war, ich würde mich einfach nur komplett zum Vollidioten machen. Und so würde es auch noch meine einzige Freundin hier erfahren.

„Na ja, ich... Bin dem Rat meiner Schwester gefolgt und habe mich ebenfalls beworben.“, erklärte ich ihr, was sie nur zum höflichen Gekicher brachte. Wären wir alleine gewesen, dann wäre es wohl schallendes Gelächter, dem war ich mir sicher.

„Glaubst du wirklich, dass du das Zeug dazu hast?“, fragte sie mit einem liebevollen Unterton, als wollte sie ein kleines Kind trösten, das gerade schmerzlich herausgefunden hat, dass Bügeleisen heiß sein können.

„Vielleicht? Ich kann es doch probieren, oder nicht? Probieren geht über studieren.“

Sie lachte, dieses Mal weniger gehemmt als zuvor.

„Ja, da hast du wohl recht. Aber ich würde mir an deiner Stelle nicht zu viele Hoffnungen machen. Dieser Job ist mehr was für Fortgeschrittene wie mich.“

Ich presste kurz die Lippen zusammen und schwieg dazu.

„Aber wenigstens hast du ein paar Erfahrungen gemacht in Bewerbungen verfassen und gleich auch in Bewerbungsgesprächen, nicht wahr? Das wirst du sicher noch oft brauchen.“

„So etwas ist immer nützlich.“, versicherte ich ihr und nickte.

„Na dann, viel Spaß da drin. Und sei nicht allzu enttäuscht, wenn es nicht klappt, ja?!“, sie drückte mich kurz, so fest wie immer, und marschierte mit einem selbstzufriedenen Lächeln hinaus.

Ich seufzte.

Sie hatte ja Recht. Was wollte ich eigentlich hier?

Doch zum Umdrehen war es nun zu spät, oder?

Ich schielte zu Jaken hinüber, dessen Augen noch immer zwischen der Tür, durch die Len verschwunden war, und mir hin und her sprangen.

Ich sah förmlich wie es zwischen seinen Ohren zu rattern begann.

Vermutlich hatte ich mit diesem Auftritt sowieso alle Karten verspielt. Ich hatte zwar versucht nichts Bewertendes über den Job zu sagen, aber vermutlich konnte man mir das alles trotzdem so auslegen, dass ich eigentlich keine Lust auf ihn hatte.

Irgendwo am Rande bekam ich mit, dass Jaken über eine Sprechanlage mit dem Großfürsten kommunizierte, doch dass es um mich ging bemerkte ich erst, als der Krötendämon plötzlich aufsprang und mich ansprach.

„So, Myleen, darf ich dich nun bitten mir zu folgen?“, er wies auf die angrenzende Tür zum Bürö des Meisters und stapfte dann, egal ob ich ihm folgte oder nicht, zu eben dieser hinüber.

„Da du eine Prinzessin bist werde ich dich wohl nicht darüber aufklären müssen, wie du dich in Gegenwart unseres Herrn zu verhalten hast.“

Er öffnete einfach die Tür. Ich senkte den Blick, trat ein und vollführte einen tiefen Knicks, die Äquivalente zur Verbeugung in meinem Land. Wie es Sitte war begrüßte ich ihn nur damit, auch als Zeichen meines eigenen Standes.

Kurz war es still.

„Myleen?“, es klang nicht wie eine Feststellung, er klang überrascht.

Verwirrt und vor allem entgegen der Etikette, hob ich den Kopf und blickte in die honiggoldenen Augen des Mannes hinter dem Schreibtisch, der sich gerade erhob, mich aber weiter anstarrte, als wäre ich ein Geist.

„Du, Sesshoumaru? Aber...“

Ich wusste nicht, dass meine Zufallsbekanntschaft von der Hochzeit meiner Schwester unser Herr des Westens war...

die erste Begegnung

etwa vier Jahre zuvor:

Meine Gedanken verschwanden aus dem hier und jetzt, als mein neuer Schwager vor dem Altar zu sprechen begann. Ich fasste die kleine, schmale Handtasche fester – in der es gerade zu vibrieren begann – und ließ meinen Blick über die Anwesenden in meiner Sitzreihe schweifen. Da ich direkt am Rand saß, hatte ich zum Glück nur meine Mutter neben mir. Sie drehte gerade ihren Kopf zu mir und lächelte glücklich, vermutlich hoffte sie, dass sie mich so ebenfalls aufheitern konnte, doch für so viel Glückseeligkeit hatte ich keinen Nerv. Gütig wie sie war, überhörte sie einfach das leise Summen meines Handys aus meiner Tasche und sah dann wieder nach vorn, wo nun meine Schwester mit ihrem Ehegelübde begann. Ich sah an meinem Vater neben ihr vorbei und über den Gang hinweg, zu der Mutter und dem Bruder des Bräutigams.

Als romantische Musik einsetzte, während sie sich die Ringe ansteckten, konnte ich nicht verhelen, wie genervt ich von dieser Situation war und blickte hinauf zu den Bunten Fenstern über mir.

Ich war in einem Teufelskreis gefangen: Mies drauf, deswegen ein schlechtes Gewissen gegenüber meiner Schwester... und darum nur noch aggressiver. Zum Glück redete mich bisher noch keiner an - mit den meisten Gästen konnte ich ohnehin nichts anfangen, mit Ausnahme der Trauzeugin auf Seite meiner Schwester, doch die war nicht hier bei mir.

Ich hatte keine Lust auf dieses Getue. Ich hatte keine Lust auf Romantik und Kitsch, es war mir einfach zuwider! Dabei hatte ich mich die letzten Tage so auf die Hochzeit gefreut. Meine Mutter hatte extra ihren Schneider kommen lassen, um mir ein neues Ballkleid anfertigen zu lassen. Ein Traum aus weißer Spitze und roter Seide im Fischschwanzstil und mit Knitteroptik, Schulterfrei und edlem Bolero. Und obwohl ich mich so wohl in diesem Kleid fühlte - so wohl wie die Prinzessin, die ich nun mal war - und stolz auf das Outfit war, wie ein Sportler mit seiner Goldmedaille, so konnte ich es doch nicht genießen.

Der Grund war der Kerl, der mir ununterbrochen SMS schrieb. Klar, er würde aufhören zu schreiben, wenn ich es nur endlich unterlassen würde, ihm zu antworten, aber es ging einfach nicht! Es war ein Zwang... Ich wollte nicht riskieren mir später anhören zu müssen, dass ich ihn ignoriert hätte.

Dieser Wolf... dieser... oh Gott, ich hasste ihn so sehr, wie ich ihn liebte!

Er kam nur zu mir, wenn er was von mir wollte. Er... benutzte mich dauerhaft um gute Noten zu bekommen und sich dabei noch zu amüsieren, doch obwohl ich das alles wusste waren meine Gefühle einfach zu stark.

Ich liebte ihn so sehr, dass mir sogar meine Familie vollkommen egal war... die Verlobung meiner Schwester hatte ich nur verpasst, weil er mich eine Woche nachdem er mich – mal wieder – für eine andere verlassen hatte ins Kino einlud.

Er war ein Dämon von niederem Rang, nur ein Wolf aus dem Volk, nicht mehr. Er stammte noch nicht einmal aus Großbritannien. Und ich war eine Prinzessin. Mein Vater hätte mich fast einen Kopf kürzer gemacht, als ich ihn das erste Mal nach Hause brachte.

Doch was sollte ich tun? Er war alles was ich wollte. Er war meine große Liebe, auch wenn ich dafür alles aufgeben musste.

Aber ich wusste natürlich, dass es blöd wäre das zu tun. Ich wusste, dass ich es öfter bereuen würde, als mich dafür zu beglückwünschen, doch ich war ihm mit Haut und Haar verfallen. Gab es gegen solch eine krankhafte Besessenheit eine Medizin?

Nun, wenige Wochen nach der Hochzeit meiner Schwester sah ich ihn schon nicht mehr so häufig, bis der Kontakt ganz verebbte, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Bis dahin war ich ihm hoffnungslos verfallen.

Erschrocken sah ich mich um, als plötzlich alles klatschte, legte peinlich berührt mein Täschchen auf meinem Schoß ab und tat es den restlichen Anwesenden gleich. Meine Schwester küsste ihren frisch gebackenen Gemahl.

Sollte ich nicht eigentlich ebenso glücklich darüber sein, wie unsere Eltern? Doch ich war es nicht.

Es war vermessen so von mir zu denken – heute sage ich mir: Ich war sechzehn! Ich war mitten in der Pubertät! Ich war (und bin noch immer) eine schwierige Person, mit der nur wenige auskamen – doch ich spürte die Wut darüber in mir aufsteigen, dass sie glücklich sein durfte und ich nicht. Er leugnete mich vor unseren Klassenkammeraden, obwohl sie alle wussten, dass wir was am Laufen hatten.

Er war einer derjenigen, der den Ton angab, wenn sie über mich lästerten, was nicht selten war. Sie hielten mich für hässlich, dumm und aggressiv. Ich war verhasst unter ihnen... doch ich versuchte meine Depression darüber mit dem Gedanken in Schach zu halten, dass sie einfach nur neidisch auf mich waren. Immerhin hatte meine Schwester damals mit gleichaltrigen in der Schule dasselbe Problem gehabt. Wir haben uns beide nur mit Leuten angefreundet, die weit aus älter waren als wir.

Warum mussten uns... mussten mich unsere Eltern auch auf eine normale Schule für Dämonen schicken? Beinahe jeder andere Fürst organisierte Privatunterricht und achtete darauf, dass sein Kind nur standesgemäße Freundschaften pflegte.

Mein Vater brauchte sich da nicht zu wundern, dass ich mich in einen normalen Dämon verliebt hate! War es dann nicht seine Schuld? Immerhin hatten sie mich damals nicht aus der Schule rausgenommen als der Psychoterror stärker wurde! Nicht mal dann, als der beste Freund meines Wolfes mich in seinem Namen mit Morddrohungen bombardierte. Sie taten es als impulsives Verhalten pubertierender Kinder ab.

War es denn nicht ihre Schuld, dass ich so war, wie ich war?

Ich gab ihnen zumindest die Schuld.

Auch die Schuld daran, dass ich jetzt hier sein musste!

Zum Glück war das alles gleich vorbei und ich konnte mich in mein Hotelzimmer zurückziehen, während die anderen feierten.

Meine Mutter stupste mich an: „Komm, Leenchen, wir müssen raus!“, wies sie mich an und zog mich bereits auf die Beine. Ich verkniff mir jedes Wort. ICH musste gar nichts, außer ganz dringend von hier verschwinden. Ich kniff die Augen zusammen und mahlte mit den Zähnen, warf einen scharfen Blick auf den nun angeheirateten Teil der Familie und wandte mich dann nach rechts um meiner Mutter hinaus zu folgen.

Was war ich doch für ein Ekel! Wie konnte ich nur an diesem Tag so schlecht gelaunt sein? Wieso wartete ich nur darauf, dass mich irgendjemand dumm anmachte, damit ich ihm eine reinwürgen konnte? Was war ich nur für ein grausamer Dämon! Wie konnte ich Marylou das nur antun?

Ich reihte mich neben meiner Mutter vor dem Eingang auf und ließ es über mich ergehen, dass ich dem älteren Bruder meines Schwagers, sowie Marylous Schwiegermutter die Hand schütteln musste.

Es folgte die Trauzeugin meiner Schwester und meine Großmutter auf mütterlicher Seite, dann setzte ich mich etwas ab.

Die Menge war so groß, dass es nicht weiter auffiel, als ich in die hinterste Reihe trat.

Ich wollte endlich die Nachricht auf meinem Telefon abrufen!

Ich quetschte mich durch die anwesenden Lords und Ladys, egal an welchen Ecken und Enden ich auch immer anstieß. Es war mir so egal, was für einen Eindruck ich hinterließ. Ich war mir fast sicher, dass ich eh früher oder später aus dieser Familie verstoßen werden würde.

Am Rande bekam ich mit, dass mir weiter hinten irgendjemand freiwillig Platz machte, um sich dann wieder, ohne daran Anstoß zu nehmen, dem Eingangsportal der Kirche zuzuwenden, wo meine Schwester gleich mit ihrem Mann heraus kam.

Ich öffnete den Knopf meiner roten Tasche und holte mein Handy heraus. Mit einem Schwung klappte ich es auf wählte „lesen“...

„Ich habe dich verdammt gerne, aber ich verstehe dich einfach nicht, dafür hasse ich dich, du Schlampe“

Ich schüttelte den Kopf. Was war das denn schon wieder für eine Logik?

Dieser Mistkerl! Am liebsten würde ich einfach nur das Telefon von mir wegschleudern und lautstark schreien, aber ich befürchtete, dass das nur noch mehr Aufsehen erregen würde.

Ich unterdrückte ein saures Knurren und sah zu dem Paar, das unter Applaus, Glückwünschen und fliegenden Rosenblüten zu dem alten Trabi Kübel lief – meine Schwester liebte diese alten Sachen und wollte deshalb dieses Auto als Hochzeitswaagen. Doch ehe sie einstiegen blieben sie noch einmal stehen und sahen sich um. Mein Schwager strich liebevoll über den prallen Babybauch Marylous und küsste sie lange und lächelnd.

Der Applaus schwoll an, sie sahen sich voller liebe an. Das trieb mir erneut Zorn und Frustration in den Körper. Zusammen ergaben sie beißende Tränen, die mir in den Augen brannte.

Er öffnete ihr die Fahrerseite – sie trug schon immer die Hosen in dieser Beziehung – und stieg dann seinerseits auf der Beifahrerseite ein. Gefolgt von seinem Bruder, der mit der Fotografin in seinem silbernen Mercedes hinterher fuhr, verließen sie den Vorplatz der Kirche.

Als aufgeregtes Geschnatter um mich herum anfing und alles voller gut gelaunter Adliger war, da war ich mir darüber im Klaren, dass nicht viel fehlte, damit mein wahres ich ausbrach. Der Hund in mir riss bereits an seiner goldenen Kette und knurrte ohrenbetäubend.

Dieses Gefühl verlieh dem Satz „Du hast auf den Hochzeitsbildern deiner Schwester rote Augen.“ eine ganz neue Bedeutung.

„Leenchen, komm, wir müssen los!“, erneut trat meine Mutter an mich heran. „Wir fahren jetzt alle zu dem Schlosshotel. Kaffee und Tee trinken.“

Ich sah zu ihr.

Ihre gute Laune und die Freudentränen in ihrem Gesicht wichen Besorgnis.

„Reiß dich bitte zusammen, Myleen.“, flüsterte sie und nahm meine Hand. „Wenn wir im Hotel sind, kannst du dich zurückziehen.“

Mutter, sie war die einzige, die mich – egal was sie tat – immer unter Kontrolle halten konnte. Sie war die Einzige, die mir das Gefühl gab, dass mich jemand verstehen konnte.

„Mir ist das alles zu... harmonisch! Um es mit Jago aus Aladdin zu sagen: „So viel Glück auf einem Haufen ist doch pures Gift!““

Sie schnaubte traurig und schüttelte den Kopf.

„Ach Leenchen, nur noch ein paar Minuten. Reiß dich bitte zusammen. Und dann setzen wir uns hin und du sagst mir was los ist.“

Ich sah zu ihr hinunter – sie war etwas kleiner als ich. Ich spürte, wie sich in mir Frieden ausbreitete. Sie wusste, wie sie mich beruhigte. Allein ihre Anwesenheit vertrieb die Schatten in meiner Seele.

Ich sah von ihr auf zu den übrigen Gästen um uns herum.

Ein paar sahen zu uns hinüber und schnell wieder weg, wandten sich ab und gingen.

Was hatte ich nur getan? Ich hatte sie schon wieder blamiert. Jeden einzelnen meiner Familie hatte ich enttäuscht.

Was war ich nur für ein Scheusal!

Ich wollte weinen. Wie konnte ich nur? Was würde mein Vater nur davon denken?

Ich schielte zu ihm hinüber.

Dort stand er, mit einem Hundedämon einer anderen Art. Sie unterhielten sich, er sah zu mir.

Als unsere Blicke sich trafen – die meines Vaters und meine – übermannte mich wieder die Wut.

Ich wusste schlagartig, dass er schlecht von mir sprach. Er lästerte immer über mich. Er behandelte mich immer wie ein wertloses Stück Nichts, wenn er in Gesellschaft war.

Ich konnte diesen Mann nicht leiden. War ich früher ein absolutes Papakind gewesen, so sorgte er heute bei mir nicht nur für Brechreiz, sondern auch für blanken Zorn, da konnte er tun was er wollte. Ich wusste jedoch damals noch nicht wieso es so war. Meine Mutter erzählte es mir erst Jahre später. Ich wusste nur, dass auch Mama anfangs auf seiner Seite war, doch schlagartig vor drei Jahren zu mir überlief.

Ich erklärte es mir so, weil ich ihm androhte zurückzuschlagen, wenn er noch einmal die Hand gegen mich erhob.

Ich hasste diesen...

Es gab einfach keine Beschreibung.

Bekam er was von meinem plötzlichen Zorn mit, so verdeckte er es gut. Er lächelte uns zu und nickte, dann verabschiedete er sich von seinem Gesprächspartner und trat an uns heran.

„Können wir dann?“

In diesem Moment fuhr unsere Limousine bereits vor.

Ich stieg vor meiner Mutter ein, damit ich nicht neben meinem Vater sitzen musste (darauf achtete ich immer peinlichst genau) und so fuhren wir dann zu dem Schlosshotel hoch oben in Schottland, wo wir die Vermählung meiner Schwester feiern wollten.

Ich versuchte während der Fahrt alles so gut es ging zu ignorieren und wurde ich doch einmal angesprochen, dann tat ich unbeteiligt. Ich war noch nicht so gut darin meine Launen zu verbergen, wie ich es vier Jahre später sein sollte, doch ich machte Fortschritte, auch wenn mein alter Herr dennoch Zähneknirschend aus dem Wagen ausstieg, als wir angekommen waren.

Was danach passiert, weiß ich kaum noch. Ich ließ den Tee und den Kuchen über mich ergehen, bei dem ich beinahe mit dem Bruder meines Schwagers aneinander geriet und von seiner Mutter getadelt wurde, und verzog mich danach schnurstracks in Richtung meines Zimmers, wo ich bis spät abends brauchte, um mich abzureagieren. Ich lief auf und ab, ärgerte mich darüber, dass ich mein Tanzkleid zu Hause hatte liegen lassen und spielte sogar auf meinem Notebook Knights of Honor.

Zum Abend holte mich meine Mutter zum Essen hinunter. Da ich inzwischen vermutlich als asozial galt, sprach mich lieber niemand mehr an und ich fand es gut so, wenn ich auch gestehen musste, dass ich traurig wurde, als ich das endlich realisierte.

Ich wollte dort weg.

Ich hatte seit der SMS während der Trauung nichts mehr von meinem Wolf gehört. Und ich bezweifelte, dass er sich vor dem nächsten Schultag noch einmal bei mir meldete, es sei denn er musste sich körperlich austoben und hoffte, dass ich mich mit ihm treffen würde.

Als schließlich eine kleine Jazzkapelle auflief, um den Abend und die Nacht mit Musik zu füllen, nahm ich meine Beine in die Hand und ging wieder.

Dieser Tag war so grauenhaft gewesen, ich wollte nur noch aus meinem Kleid raus, unter die Dusche und mich dann unter der Bettdecke verkriechen.

Ich verließ den Tanzsaal durch den Speisesaal, durchquerte den Salon und lief die Treppe hinauf. Ich war noch nicht ganz oben angekommen, da bog ein Schatten um die Ecke, ich rannte hinein. Schnell griffen zwei Klauenhände nach meinen Armen und hielten mich gerade noch so fest ehe ich die marmornen Stufen hinunter fallen konnte.

Mein Herz raste, als ich verstand wie kurz davor ich gewesen war mir den Kopf aufzuschlagen. Der Schock löste eine in Wut getränkte Kurzschlussreaktion aus.

„Könnt Ihr denn nicht aufpassen?“, fauchte ich den perplexen Mann an und schob ihn von der Treppe weg. Erst dort, in sicherer Entfernung zu den Stufen, beruhigte sich mein Herz wieder. „Das Scheißding hier ist hunderte von Metern breit und Ihr rennt einfach in mich hinein!“

Eine Übertreibung, ganz so breit war die Treppe doch nicht, aber Schock und Wut ließen mich alles andere vergessen.

Ich sah in das Gesicht des Fremden.

Wen zum Geier schrie ich da eigentlich an? Es war der Mann mit dem sich mein Vater vor der Kirche unterhielt. Er war ein Hundedämon wie ich, doch definitiv weit über 500 Jahre alt.

Er besaß kein Merkmal im Gesicht, dass auf einen bestimmten Kontinent schließen ließ, so wie mein Schönheitsfleck unter dem Auge, denn diese Male entwickelten sich erst vor rund fünf Jahrhunderten bei Neugeborenen, basierend auf der Umgebung und der Nahrung, die sie bekamen.

Doch abgesehen davon war der Mann wichig, immerhin war er hier auf einer Fürstenhochzeit und das sicherlich nicht als Kellner. Doch das alles war mir egal. Auch wenn ich mich zwischenzeitlich halbwegs beruhigt hatte, so hatte ich nun endlich jemanden, der mir auf die Zehen getreten war.

„Verzeih mir bitte.“, sprach er ruhig, beinahe gütig.

„Das heißt „VERZEIHT mir bitte, Prinzessin!“ oder Herrin, was auch immer Euch genehmer ist.“, meckerte ich ihn voll. „So etwas Unerhörtes habe ich noch nicht erlebt!“

Ich wischte seine Hände von meinen bloßen Armen und den imaginären Staub von dem Stoff, in den ich gehüllt war.

Als ich hoch sah blickte er verwirrt, aber auch nachdenklich.

„Was ist? Habe ich vielleicht Ketchup im Ausschnitt oder warum gafft Ihr so?“

Er zögerte, ehe er sprach.

„Ihr solltet besser gelaunt sein am großen Tag Eurer Schwester, Myleen, Prinzessin von Großbritannien.“

„Wie bitte? Wie soll ich gut gelaunt sein, wenn Ihr versucht mich umzubringen? Könnt Ihr eigentlich sehen oder seid Ihr blind? Augen im Kopf habt ihr zumindest.“

Er zog amüsiert einen Mundwinkel hinauf und den Kopf zurück.

Es schien ihn nicht zu stören wie ich ihn behandelte. Was mich nur noch mehr anheizte. Ich wollte mit jemandem streiten! Ich wollte eine Auseinandersetzung!

„Ich sehe sehr gut, vielen Dank.“, erklärte er belustigt. „Sonst hätte ich doch eine Schönheit wie Euch nicht vor dem Sturz bewahren können.“

Wie bereits einige Stunden zuvor schüttelte ich ungläubig den Kopf.

„Wie jetzt...“, brachte ich wenig Damenhaft hervor.

Eigentlich hätte mich das noch mehr aufregen sollen, doch nach diesem Satz war mir jeder Wind aus den Segeln genommen.

„Ich hoffe ich habe Euch nicht erschreckt.“

Ich antwortete nicht, starrte nur in diese goldenen Augen.

Er sah mich abwartend an, bis ich meine Zunge wieder fand. Noch ehe ich zu sprechen begann wurde ich rot.

„Nein, doch, schon, ein wenig... Es geht schon wieder. Habt Dank.“, ich machte einen kurzen Knicks. „Bitte verzeiht meine ungehaltene Art.“

Ich wollte schnellst möglich an ihm vorbei, als er mich erneut daran hinderte.

„Wollt ihr wirklich schon gehen, Prinzessin? Es ist der Tag Eurer Schwester.“

Ich sah ihn überrascht an, dann hinunter in den Salon aus dem ich kam und wo sich die herrschaftlich gekleideten Fürsten tummelten. Einige sahen zu uns auf.

War mir das peinlich!

Ich schluckte.

„Nun... ja. Wie Ihr es bereits gesagt habt, Herr, es ist der Tag meiner Schwester und ich mache ihn nur kaputt.“

„Ja, ich sah Eure roten Augen vor der Kirche.“, erklärte er. „Und wie Ihr Euch so rüde benommen habt. Es scheint keine gute Nachricht gewesen zu sein, die Ihr in während der Zeremonie bekommen habt.“

Ich wurde noch röter im Gesicht.

„Ich weiß, ich bin eine Schande für unsere Familie.“, flüsterte ich leise und senkte den Blick.

„Ihr seid eine junge Dämonin, Myleen. Es sei Euch gestattet.“

Ich schüttelte den Kopf.

„Da seid Ihr der Einzige, der so denkt.“, ich sah hinunter in die Menge. Es schienen noch mehr zu sein, die sich für uns interessierten. „Sie reden über mich und darüber was für eine schreckliche Person ich bin.“

Er drehte sich wieder mit dem ganzen Körper zu mir – stand er doch eben noch seidlich zu mir, als ich an ihm vorbei wollte.

„Ihr seid paranoid, Prinzessin.“

Normalerweise würde mich dieser Satz aufregen, doch nun wurde ich traurig. Ich wollte hier nicht mehr sein. Ich wollte nirgendwo mehr sein...

„Bitte, lasst mich Euch auf einen Drink einladen.“, bat er und reichte mir eine Hand.

„Ich bin erst sechszehn, ich darf noch nicht trinken.“, verkündete ich.

„Ach ja, ich vergaß. Dann vielleicht einen Milchshake?“

Ich wusste nicht, ob das neckend gemeint war oder er nur per Zufall eines meiner Lieblingsgetränke erwischt hatte, oder es gar wusste, doch ich sah ihn an und war gewillt anzunehmen.

„Verzeiht wenn ich frage, doch ich kann Euch nicht einmal zuordnen! Wer seid Ihr?“, fragte ich irritiert.

„Du weißt nicht wer ich bin.“, wiederholte er verstehend, als würde das so einiges erklären und sprach leiser, als wollte er, dass die anderen Dämonen weiter unten uns nicht verstehen konnten. „Nun, Prinzessin, dann nennt mich Sesshoumaru. Vorausgesetzt Ihr nehmt das Angebot eines vertraulicheren Umgangs an.“

Sesshoumaru. Den Namen hatte ich noch nie gehört. Hatte er ihn sich nur ausgedacht?

Ich wusste damals nicht, dass er weit über uns allen stand. Ich wusste nicht, dass er unser oberster Fürst war, der Herr aller westlichen Dämonen. Kannte ich ihn doch nur von seinem Titel her, doch nicht vom Namen, so wie alle ihm untergebenen Dämonen. Gesehen hatte ich ihn auch noch nie.

Doch gleich wer er war, er tat mir leid, als ich seiner Bitte schließlich nachkam und seine Hand nahm. Er hackte sie unter seinen Arm und stieß gegen den Pelz meines Schwanzes.

„Darf ich?“, fragte er noch einmal und löste sich von mir, lockerte den kunstvollen Schwung, den mein Fell um mich herum machte und legte ihn mir, wie seinen eigenen auf der einen Seite über die Schulter, sodass er ihn nicht mehr behinderte.

„Darf ich das denn? So tragen ihn nur Männer...“, flüsterte ich. „Das ist nicht standesgemäß.“

„Darüber machst du dir noch Sorgen?“, fragte er und hackte meine Hand wieder unter seinem Arm ein.

Stimmt, das war lächerlich von mir.

Ich hatte Vieles an diesem Tag getan, das nicht standesgemäß war.

So ließ ich mich von ihm die Treppe hinunter führen und in eine andere Welt, in der es keine Probleme gab.

Im Nachhinein ist es verblüffend, dass ich dort noch nicht begriff wer er war, doch er versuchte den meisten Gesprächen aus dem Weg zu gehen und niemand sprach ihn mit seinem Titel an, nur mit „Mein Herr“ oder „Meister“, was - zugegebener Maßen - schon verdächtig genug war.

Doch ich war zu blind um es zu erkennen und so verabschiedeten wir uns nach einigen Stunden mit einem zuversichtlichen: „Auf bald, mein Freund“...

Doch es vergingen Wochen, Monate und Jahre und ich vergaß ihn beinahe.

So gut er mir auch gefiel, so neugierig ich auch auf diesen Sesshoumaru war, meinen Wolf konnte er mir selbst in diesem charmanten paar Stunden nicht aus dem Kopf und dem Herzen vertreiben.

Blumen bei Nacht

Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein, mit Sicherheit! Sesshoumaru konnte unmöglich unser höchster Fürst sein. Ich wollte es nicht glauben und ich konnte es auch nicht. Denn wenn dem so war, dann hatte ich meine Familie vollkommen entehrt. Sicher, er besaß kein Mal, welches ihn einen bestimmten Kontinent zuwies, was durchaus für ein ähnliches Alter wie das unseres Meisters sprach, doch war ich mir sicher, dass eben dieser Herrscher mich bei meinem Verhalten niemals ungestraft hätte davonkommen lassen. Ich versuchte mein Gewissen damit zu beruhigen, das er nur ein Angestellter des Fürsten war. Doch wie falsch ich damit lag erkannte ich, als Jaken-sama neben mir begann zu schimpfen: „Wie kannst du es wagen den großen Meister bei seinem Namen zu nennen?“

Die Situation war weitaus schlimmer als ich es mir hätte vorstellen können. Ich hatte es nicht nur gewagt, den Herrn der westlichen Dämonen zu beschimpfen, ich wusste auch noch wie er hieß und hatte ihn bei diesem Namen genannt, ohne zu wissen wer er war. Was war ich auch so dumm gewesen, einfach irgendeine wahllose Person unter den Gästen zu beschimpfen und meinen Zorn an ihr auszulassen. Dass das nach hinten losgehen musste, war doch klar.

Entgeistert starte ich ihn an.

„Jaken, lass sie in Frieden, das hat schon seine Berechtigung.“, er kam um seinen Schreibtisch herum. Dann wandte er sich an mich. „Ich hätte nicht gedacht dich hier wiederzusehen.“

Ich schluckte schwer, wusste ich doch nicht, wie ich mich nun noch verhalten sollte.

„Antworte doch, Mädchen!“, zeterte der Kröterich neben mir, doch ich konnte nicht. Ich konnte nichts weiter tun, als in die honiggoldenen Augen meines Gegenüber zu starren.

„Jaken, geh!“, befahl er ihm monoton. Grummelnd kam er dieser Aufforderung nach und schloss die Tür hinter sich.

Schweigen kehrte in dem Büro des Fürsten ein.

Was sollte ich nur sagen?

Sidenote: Spätestens jetzt hatte ich das Vorstellungsgespräch vergeigt. Von einer Person in der Position für die ich mich beworben hatte, erwartete man sicheres Auftreten.

Egal was also kam, schlimmer konnte ich es nicht mehr machen und zu verlieren hatte ich auch nichts mehr.

Als sich einer von Sesshoumarus Mundwinkel nach oben zog wich ich fast zurück. Ich konnte nicht mehr als ihn anzustarren.

Er schüttelte den Kopf und ehe ich mich versah lag eine seiner Klauenhand auf meiner Schulter. Er drehte mich zum Schreibtisch und führte mich dann zu dem Besucherstuhl davor.

„Wach wieder auf, Myleen, ich bin noch immer der Gleiche.“

„Das sagst du so einfach!“, fuhr ich ihn reflexartig mit hoher, quietschender Stimme an. Schlagartig war ich dankbar dafür, dass er mich angesprochen hatte, denn das löste das Band um meine Zunge. Dafür jedoch gaben meine Knie nach und ich sackte auf dem Stuhl nieder, den er mir zugewiesen hatte.

„Entschuldige, Sesshoumaru, aber das muss ich erst einmal verdauen.“

Zufrieden setzte er sich mir gegen über und verschränkte die Finger vor seinem Bauch. Belustigt sah er mich an.

„Wenigstens redest du wieder, ich dachte du hättest dir die Zunge abgebissen.“

„Das hätte ich lieber machen sollen!“

Er schnaubte amüsiert und sah zum Fenster.

In meinem Kopf zählte ich nach und nach alle Vergehen auf, die ich damals vor vier Jahren begangen hatte. Maßregelung, Beschimpfung, Beleidigung... gab es eigentlich etwas, weshalb er mich nicht hätte umbringen lassen dürfen?

Ich spürte eine Migräneattacke in meinen Kopf steigen und rieb mir die Augenbrauen.

„Au man...“

Sein Blick lastete auf mir, doch er sagte nichts.

Ich atmete tief ein, versuchte die pulsierende Ader unter meinen Haaren zu verbergen und sah wieder auf.

Sein Blick war ernst.

„Ich hätte nicht erwartet dich hier wiederzusehen.“

„Danke, gleichfalls. Damit wäre die Überraschung bei uns beiden.“

„Dein Vater hat dir gestattet her zu kommen?“

Ich zog die Augenbrauen zusammen. Was eine seltsame Frage.

„Natürlich, warum sollte er nicht?“

Er sah mich kurz an, hinter seiner Stirn schien es zu arbeiten, doch dann kam er wohl zu einem befriedigenden Ergebnis.

„Natürlich, warum sollte er auch nicht.“

Ich sah ihn an, er blickte zurück.

Erneut kehrte schweigen ein.

„Warum hast du dich beworben?“, fragte er. Es kam mir vor, als versuchte er mit seinem Starren in meinen Kopf zu gelangen.

„Du hast den Job angeboten und ich dachte es wäre eine gute Gelegenheit. Ich studiere Wirtschaft, oder sagen wir, ich will damit beginnen. Warum also nicht neben dem theoretischen lernen praktische Erfahrungen sammeln? Ich finde dieses Konzept sehr sinnvoll. Nichts geht über praktische Erfahrung.“

„Du wolltest dich nicht bewerben.“, stellte er fest, ehe ich nach meinem Monolog wieder Luft holen konnte.

„Was? Wie kommst du darauf?“

„Ganz einfach: Du wusstest nicht wer ich war und wer dich hier erwarten würde, nur, dass du deinem oberster Fürsten begegnen würdest. Und doch hältst du dich nicht an die Etikette, die mir gegenüber eingehalten werden müssen, Beziehungsweise deinem Stand entsprechend gewesen wären.“

Ich schwieg. Es war klar auf was er anspielte.

Der Schwanz, der nur über der linken Schulter lag, so, wie er selbst ihn dort hinterlassen hatte. Ich atmete einmal tief durch.

„Da hast du wohl Recht. Ich trage ihn seit der Hochzeit so. Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, dass ich darauf gar nicht mehr achte.“

Der kurze Schein eines Lächelns huschte über sein Gesicht.

„Nun, dann will ich mal nicht so sein. Also noch einmal, Myleen, warum hast du dich beworben.“

„Das sagte ich bereits.“

Er sah mich wohl wissentlich an. „Ich kam zwar nur ein paar Stunden in den Genuss deiner Gesellschaft, doch ich weiß genug, um mir sicher zu sein, dass dir solch ein Fehler nicht unterlaufen wäre, wenn es dir ernst wäre.“

Ich seufzte.

„Ernst war es mir durchaus, doch auch Len hat recht: Ich weiß nicht, ob ein blutiger Anfänger wie ich dafür geeignet ist.“

„Len?... Len... Ach ja, die koreanische Prinzessin, die gerade hier war. Sie hat gute Voraussetzungen, ja, doch ich schwanke noch.“

„Bei dem was du suchst durchaus notwendig.“

Ich wusste, dass der letzte Satz vorlaut war. Von meinem Vater hätte ich mir wieder etwas anhören können...

Doch Sesshoumaru schien das nicht zu stören. Ich wusste nicht, ob das generell so war, oder einfach nur an mir lag.

„Wie sieht es mit dir aus, Myleen, wärst du bereit mich auf Reisen zu begleiten? Das oftmals über Tage hinweg?“

„Selbstverständlich.“

Er beugte sich vor.

„Und was ist mit deinem Wolf?“

Was hatte das mit dem zu tun?

„Ich habe seit fast dreieinhalb Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm. Aber was hat er damit zu tun?“

„Ich wollte nur vermeiden, dass er möglicher Weise Einfluss auf dein Verhalten nehmen könnte.“

Zweifelsohne dachte er dabei an die Hochzeit zurück. Solch ein Benehmen konnte ich mir als sein Protegé in der Firma nicht mehr leisten.

Ich seufzte.

„Verzeih, wenn ich dich beleidigt habe an dem Tag. Wenn ich gewusst hätte wer du bist, dann wäre alles anders gewesen...“

„Darum geht es mir nicht, Myleen. Das war ein interessanter Abend und ich würde ihn nur ungerne anders haben.“

Dankbar lächelte ich ihn an und er lehnte sich wieder entspannt zurück.

„Und ich denke in nächster Zeit kann ich dich dann öfter auf einen Milchshake einladen.“

„Ha, ha, ha, sehr lustig.“, äffte ich.

Wieder schwiegen wir, doch die Situation war wesentlich entspannter als noch vor einigen Minuten.

„Nun denn“, sagte er schließlich und erhob sich, ich folgte ihm. „Ich habe noch weitere Bewerber heute Abend.“

„Ja, natürlich.“, ich nickte verstehend mit der Andeutung einer kleinen Verbeugung.

„Ich melde mich bei dir.“

Dieser Satz rief mich schlagartig zurück in die Realität in der ich gerade einen potenziellen Chef vor mir hatte. Und mit einem Schlag wurde mir wieder klar, wie peinlich diese ganze Situation doch war und auch, dass ich den Job niemals bekommen würde.

Ich nickte einfach nur verstehend und vollführte noch einmal einen Knicks, dann ging ich.

Jaken hinter seinem Schreibtisch im Vorzimmer sah mich mit seinen großen Glubschaugen an, doch sagte nichts. Ein Mädchen, offenbar ein Halbling der Fuchsdämonen, richtete sich mit einem schlag gerade in Stuhl auf und rutschte aufgeregt hin und her.

Ich lächelte.

Oh weh, bewarben sich denn nur weibliche Dämonen bei unserem Fürsten?

Schelm dabei wer Böses denkt!

Ich wandte mich an Jaken.

„Verzeiht mir mein Auftreten, Jaken-sama.“, ich deutete eine kleine Verbeugung an. „Ich wünsche Euch noch einen angenehmen Abend.“

„Euch ebenfalls, Prinzessin.“

Ich schenkte ihm ein Lächeln und verließ dann das Vorzimmer.

Ich hatte die Schwelle noch gar nicht richtig überschritten, da sprang mich plötzlich eine Gestalt an.

„Und? Wie lief es?“, fragte Len aufgeregt und zog mit an den Schulter weiter zu Alexia, die wie immer einfach nur brav vor sich her strahlte.

„Ach, wie du schon sagtest, die Hauptsache ist das erlangen von Erfahrungen.“

Len lachte ausgelassen und zupft an den langen Hasenohren ihrer Freundin.

„Ja, das dachten wir uns schon!“, stellte sie fest und beobachtete amüsiert, wie die kanadische Dämonin ihre Ohren mit einem gespielt beleidigten Flunsch wieder richtete.

„Ja, darum dachten wir, dass wir dich auf einen Drink in die Unibar einladen.“, erklärte sie dabei.

„Das ist eine tolle Idee.“, obwohl ich mir nicht sicher war, ob das wirklich ernst gemeint war.

Ich musste mit irgendjemanden über die Sache mit Sesshoumaru reden und eigentlich ging das nur mit meiner Mutter, denn sie musste wissen wer der Mann gewesen war, mit dem ich damals den Hochzeitsabend verbracht hatte.

Doch Alexia und Len konnte ich schlecht erzählen, dass ich den Fürst des Westens privat kannte.

Das war einfach zu absurd und unglaublich... Ich glaubte es ja selbst kaum!

Sie führten mich über den Hof, durch das Tor, hinunter zum Kratersee und in die Mensa.

Obwohl es bereits so spät war und das Semester noch gar nicht richtig begonnen hatte, war es brechend voll. Laute Musik hallte durch den Raum, der nur schummerig beleuchtet war. Überall redeten die Dämonen durcheinander und quetschten sich durch den vollends überfüllten Raum.

Sie schienen sich wohl zu fühlen, ich fragte mich wieso. Ich mochte es nicht so überladen. Es war so laut und stickig. Ich wollte nur wieder raus, aber ich riss mich zusammen, für die beiden Dämoninnen, die mich quer durch die Menge zum Tresen führten.

„Normalerweise bekommst du hier nur Kaffee und Eis und vielleicht eine Pizza.“, erklärte Len und winkte den Barkeeper heran, um drei Longdrinks zu bestellen.

„Aber das ist tagsüber. Eigentlich mehr wie ein Imbiss, ein Bistro oder so. Warmes Essen bekommst du dahinten.“, Alexia, plötzlich im Redefluss – gerade ihr schien die Menge gut zu tun – wies auf die Rollläden in der Wand, hinter denen sich vermutlich die Essensausgabe und die Küche befanden. „Aber Abends bekommst du nur noch hier Essen und Trinken. Normalerweise erst ab sechs, aber diese Woche schon ab fünf.“

Ich nickte dem Kaninchen zu und sah mich um.

Normalerweise dachte ich immer alles und jeder würde mich beobachten, doch hier war es irgendwie anders. Es war zu voll, als das eine einzelne Gestalt hervorstechen konnte. Vielleicht war es in einer größeren Menge doch nicht so unangenehm.

„So, einen Sex On The Beach für jeden.“, Len balancierte zwei riesige Gläser um ihre eigene Achse und drückte sie uns in die Hände. Dann nahm sie den dritten und hob ihn hoch.

„Also, auf ein erfolgreichen neues Semester für uns alle, einen guten Einstieg für Leenchen und einen grandiosen Job für mich!“

„Du bist sehr zuversichtlich!“, stellte Alexia lachend fest und stieß mit ihr an.

„Warum auch nicht, das Ganze ist mir auf den Leib geschneidert!“

„Da hast du wohl Recht.“, pflichtete sie in ihrer ewigen Loyalität bei und trank einen Schluck.

„Len, meine Göttin!“, brüllte auf einmal eine Stimme zu uns herüber – ein seltsamer Geruch folgte – und im nächsten Moment gesellte sich ein männlicher Hundedämon, vermutlich von der Rasse Mops, zu uns. Eindeutig aus China stammend war er gerade mal so groß wie Len und ich, die wir nun wirklich nicht gerade weit über den Erdboden ragten.

Es war seltsam. Ich war nur männliche Dämonen gewohnt, die weitaus größer waren als ich. Aber gut, das hier war Asien, nicht Europa. Doch zusammen mit seiner fülligen Masse wirkte er beinahe schon grausam gedrungen.

„Gang, mein göttlicher!“, begrüßte Len ihn und umarmte ihn kurz.

Ich warf einen Blick zu Alexia, die grinsend diesen erwiderte und kurz mit den Augenbrauen zuckte.

Ich sah wieder zurück und blickte sofort in die tiefdunklen Augen des neuen Dämonen.

Er lächelte freundlich.

„Leenchen, darf ich vorstellen: Das ist Gang, ein Sprössling eines chinesischen Adelsgeschlecht. Gang, das ist Myleen, Prinzessin von Großbritannien.“

„Ja, ja, ich weiß wer sie ist!“, erklärte er, fast schien er aufgeregt. Er löste sich von Lens Seite und griff nach meiner Hand.

Wild begann er sie zu schütteln. Ein seltsamer Mann...

„Es freut mich sehr deine Bekanntschaft zu machen!“

„Danke, gleichfalls!“

Er grinste breit und freudig.

„Gang ist im Studierendenrat tätig!“, erklärte Len hinter ihm.

„Oh, ja, genau.“, es schien als hätte sie ihn aus einer vollkommen anderen Welt zurückgeholt. Er lachte verlegen. „Wenn du irgendwelche Probleme mit deinen Professoren oder so hast, dann wende dich einfach an mich.“

„Mach ich!“, versicherte ich ihm, doch um ehrlich zu sein war er mir unangenehm. Es war seine Ausstrahlung, zu aufdringlich, und dass er immer noch meine Hand hielt war dabei nicht gerade förderlich.

Plötzlich schaltete Alexia sich ein. Sie griff nach der Hand, die immer noch in der von Gang lag und zog mich dichter zu sich.

„Hast du noch Hunger, Leenchen?“, fragte sie mich über die Lautstärke der Musik hinweg. „Die machen hier eine Wahnsinns Salamipizza, aber Len mag die nicht und ich schaffe keine Ganze!“

Dankbar für diese Ablenkung atmete ich erleichtert aus und nickte zustimmend.

„Klar, ich bitte darum!“

„Alles klar, dann bleibt ihr hier und esst in Ruhe, ich muss schnell Len entführen. Ein paar Ankündigungen für die Fachschaft. Aber wir sind gleich wieder da, ja?“, Gang zog ein schwarzes, sehr dickes Portmonai hervor. Er zog einige Yen heraus und stopfte sie mir in die Hand. „Das Essen geht auf mich!“

Er zwinkerte mir zu und verschwand dann mit der koreanischen Prinzessin.

Ich schluckte schwer, als ich ihnen hinterher sah.

„Was zum Geier war das denn für einer?“, fragte ich Alexia, die mir gerade das Geld aus der Hand fischte und dem Kellern hinter der Bar zuschob.

„Ein einfach nur verdammt unangenehmer Zeitgenosse, aber sehr nett.“

„Aufdringlich beschreibt es eher!“

„Ja, so ist er. Aber keine springt auf ihn an. Er erzählt gerne von seinen ganzen Eroberungen, aber um ehrlich zu sein glaube ich ihm nicht eine einzige Geschichte davon.“

Ich schnaubte verstehend.

„Aus offensichtlichem Grund.“

„Er ist ja sehr nett, aber seine Körperhygiene ist einfach nur daneben. Dazu noch dieses aufdringliche Art... Er wohnt außerhalb, aber ich habe ihn einmal zur Klausurenzeit bei mir auf dem Boden schlafen lassen. Nie wieder! Ich schwöre es dir! Behaart wie ein Bär, von Seife keine Ahnung und ich bin morgens immer mit Kopfschmerzen aufgewacht, weil er einfach so einen grausamen Dunst absondert... Schlimm! Ich habe eine Woche nach seiner Abreise gebraucht, damit es wieder nach mir roch.“

„Oh Gott... Ich meine ich hatte ja auch eine schwierige Phase mit Schweißproduktion und alles, aber das war in der Pubertät.“

„Tja... Aber ich hoffe für dich, dass du niemals zu Len gesagt hast, dass sie dich verkuppeln soll, sie wird es als erstes mit ihm versuchen.“

Ich stockte.

Jegliche Wärme kroch aus meinem Gesicht.

Alexia sah mich verwundert an, dann fiel der Groschen.

„Du Arme.“, sie legte mir einen Arm um die Schulter.
 

Spät Abends schloss ich endlich die Tür zu meinem Zimmer auf und schlüpfte hinein.

Was ein Tag.

Aber zum Glück war Len ohne diesen Gang zurückgekehrt.

Sie lies sich trotzdem nicht davon abbringen die restliche Zeit, die wir miteinander verbrachten, nur von ihm zu reden und was für ein Lieber er doch war...

Gut, ich ließ es über mich ergehen. Sie würden schon beide merken, dass Gang nicht mein Fall war.

Ich wollte gerade damit beginnen meine Bluse aufzuknöpfen, als es an der Tür klopfte.

Verwundert ging ich zu ihr hinüber. Ich trat von der Stufe hinab und schob die Gardine des langen, schmalen Fensters rechts daneben beiseite.

Ein Mann im schwarzen Anzug stand davor. Ein Knopfkopfhörer steckte in seinem Ohr, daran das gekringelte Kabel. Er erinnerte mich an die typischen Security-Leute bei mir zu Haus, vermutlich gehörte er zu den Wachen Sesshoumarus.

Sein Blick schwang um zu mir und er begann zu lächeln, nickte mir aufmunternd zu.

Schnell öffnete ich die Tür.

„Was kann ich für Sie tun?“, fragte ich verwundert, da streckte er mir einen riesigen Strauß Blumen entgegen.

„Was zum?“

„Diese Blumen wurden gerade für Euch abgegeben, Myleen von Britannien.“

Vermutlich war der Lieferant ein Mensch, weshalb er nicht herein gelassen wurde.

„Für mich?“, unsicher was ich davon halten sollte, nahm sich den Strauß an und blickte von oben in ihn hinein.

Er war bunt bestückt mit den verschiedensten Blumen in den unterschiedlichsten Farben. Und dort unten, zwischen einer weißen und einer roten Blüte, steckte eine kleine Karte.

„Ich wünsche noch einen angenehmen Abend, Prinzessin.“, er verneigte sich und ging dann wieder.

Verwundert sah ich ihm nach und schloss dann die Tür hinter mir.

Schnell fischte ich das Stück Pappe hervor und klappte es auf.

„Ich freue mich sehr, dass du hier bist.“

Als wollte ich meinen Kopf wie eine magische Billardkugel benutzen schüttelte ich ihn und hoffte auf eine Antwort, von wem das gekommen sein sollte.

Und eine Antwort kam auch.

„Len, du bist ein verrücktes Huhn!“, stellte ich laut lachend fest und suchte eine Vase für den Strauß, der mit Sicherheit nur von meiner koreanischen Freundin stammen konnte.

Wer den Job bekommt

Ich wurde davon wach, dass eine Studentin in hohen Hacken über den Flur stakste.

Wirklich gut geschlafen hatte ich nicht, denn obwohl die Wohnungen in den Fels gehauen waren und zwischen jeder Partei damit dicker Stein vor dem gröbsten Schütze, waren die Wohnungen dennoch sehr hellhörig.

Nebenan hatte jemand gegen Mitternacht lautstark zu singen begonnen und sich dabei selbst auf einem Instrument begleitet – vermutlich war sie eine Musikstudentin – über mir kam ein Pärchen spät aus der Unibar und die Frau hatte ebenso hohe Schuhe angehabt wie die, die mich jetzt aus dem Schlaf riss. Einige Etagen tiefer begann alle paar Stunden das Bett im unverkennbaren Rhythmus gegen die Wand zu schlagen.

Spätestens nach dieser Nacht war mir klar woher das Klischee kam, dass Studenten nur saufen und Sex hätte.

Doch was sollte ich machen? Ich würde mich schon daran gewöhnen. Ich würde mich auch nicht mitten in der Nacht mit den anderen anlegen.

Jedenfalls riss mich nun jemand aus dem Schlaf, der stampfend mit hohen Hacken über den Flur stolzierte. Denn so klang es. Es könnte aber auch daran liegen, dass ich einfach nur verdammt sauer wegen dieser Ruhestörung war.

Ich schlug mir mein Kissen ins Gesicht, knirschte mit den Zähnen und warf es dann beiseite, sodass es gegen den Schrank schlug und auf dem Boden liegen blieb.

Ein Blick auf meinen Wecker verriet mir, dass ich nicht böse auf diese Studentin sein sollte, sondern eher dankbar!

Meine erste Vorlesung sollte um zehn Uhr beginnen und das war bereits in fünfzehn Minuten.

Ich warf meine Bettdecke zur Seite und sprang förmlich auf die Füße.

Ich hatte keine Zeit mehr mich großartig herauszuputzen, also musste ich meine zerzausten Haare notdürftig zusammen stecken, was irgendwie an ein verlassenes Vogelnest erinnerte, und stieg schnell in eine alte, abgegriffene Jeans und zog die Bluse vom Vorabend an.

Ich hoffte inständig, dass die nicht nach Schweiß roch – immerhin konnte ich mich nicht selbst riechen – und ich so den Tag überstand, ohne, dass über mich geredet wurde. Wenigstens diesen einen!

Zu guter letzt sammelte ich noch Block und Stift ein, zu mehr hatte ich auch keine Zeit mehr.

Neuer Rekord: Anziehen und fertig machen in ganzen sieben Minuten.

Ich beglückwünschte mich, denn nun sollte ich es doch noch bis zum Vorlesungssaal schaffen, und öffnete die Tür. Prompt stand ich Alexia gegenüber, die gerade aus der Richtung ihres eigenen Apartments kam.

Erschrocken schrie sie auf und sprang auf die Brüstung des Ganges, hinter dem sich der tiefe Abgrund des erkalteten Vulkans befand.

Ich lachte.

„Du bist wirklich ein Kaninchen.“

„Wirklich? Ich dachte ich hätte mir ein Kostüm angezogen.“, bemerkte sie und stieg von dem Geländer hinab. „Was hast du denn? Eine Bombe im Badezimmer oder was?“

„Die Vorlesung beginnt gleich.“

Sie sah auf die Uhr.

„Wir haben noch mindestens zwanzig Minuten Zeit.“

„Was? Aber ich denke...“

„Nicht denken, Leenchen!“, sie lachte. „die Vorlesungen sind für zwei Stunden eingetragen, aber denkst du wirklich, dass die so lange brauchen? Die fangen für gewöhnlich viertel nach um an und enden neunzig Minuten später. Mach dich also locker.“

„Man, danke, dass die Information jetzt schon kommt.“

„Du hast nicht gefragt!“, erklärte sie neckisch und streckte mir die Zunge heraus.

„Hey!“, hallte eine Stimme zu uns hinüber. Verwundert sah Alexia über das Geländer hinweg und hinunter auf die Wiese vor dem See. Mitten auf dem Weg hinaus auf den Hof, umflossen von der strömenden Menge der anderen Studenten, stand Len und schrie zu uns hinauf.

„Kommt ihr jetzt bald mal? Oder muss ich die Security auf euch hetzen?“

„Wir kommen!“, rief Alexia zurück und prompt hatte ich Mitleid mit meinen Nachbarn, die jetzt noch nicht raus mussten.

„Komm lieber, die macht das wirklich...“, erklärte Alexia und schob mich weiter. Ihr Gesicht schien aus einem einzigen Kapitel zu zitieren: Erfahrungswerte.

So stieg ich also mit ihr in den Fahrstuhl hinab und nach der üblichen Begrüßung und dem schlängeln durch die Cliquen auf dem Hof öffnete sich vor mir der erste Vorlesungsaal. Weit hinab sah man. Der Raum war leicht Muschelförmig angelegt und besonders die Plätze weiter mittig waren bereits ausgebucht.

„Kommt, die Jungs halten uns Plätze frei!“, drängte Len und lief weiter, ich folgte einfach - die Ausmaße des Saals konnte ich auch später noch bestaunen.

„Welche Jungs?“, fragte ich interessiert.

„Nur ein paar Freunde.“, erklärte Len. Sie schienen für sie nebensächlich zu sein, doch für jemanden wie mich, der auf der Suche nach einem Partner war, war diese Information mehr als ineressant.

Als ich die fünf Kerle allerdings bemerkte, die aufsahen, als Len näher trat, ging dieser Gedanke auch sofort wieder flöten. Ich war nicht der Typ dafür, jemanden ungeniert zu mustern um zu überlegen, ob ich was von ihm wollen könnte oder aber nicht. So sah ich weg, blickte auf meine Schritte in dem engen Gang der klappbaren Holzsitze, darauf aufpassend, dass ich nicht gleich über meine eigenen Füße stolperte.

Irgendwann blieb Len stehen und begann lautstark mit ihnen zu schäkern, sodass ich mich wunderte, dass sich niemand umdrehte. War mir das peinlich!

Doch zum Glück war es im Allgemeinen so laut hier im Raum, dass es vermutlich niemand mitbekam.

Dieses Mal gab sich Len auch nicht mehr die Mühe ihrer guten Erziehung nach zu kommen und mich vorzustellen.

So klappte ich einfach meinen Sitz herunter und setzte mich darauf. Durch die Jungs in meinem Nacken fühlte ich mich jedoch unwohl, aber wenigstens war Alexia da, die scheinbar auch nicht sehr viel mit ihnen am Hut hatte.

„Die erste Veranstaltung ist meist nicht so wichtig.“, erklärte sie mir. „Ein wenig organisatorischer Kram und eventuell eine kleine Einführung, was behandelt wird.“

„Dann ist ja gut.“

Auf der anderen Seite von mir ließ sich schließlich auch Len fallen, klappte den Tisch vor ihr herunter und positionierte, immer noch lachend über irgendwas, was der Kerl hinter ihr gesagt hatte, den Laptop direkt vor ihrer Nase.

Ich rollte mit den Augen.

„Du nun wieder!“, meinte ich nur. Warum war es mir nur so klar gewesen, dass ihre erste Amtshandlung darin bestehen würde, sich auf ihren Computer zu konzentrieren?

„Na was denn? Denkst du, dass ich vor Langeweile sterben will.“

Ich lachte, Alexia ebenfalls.

„Glaube mir, Leenchen, in spätestens zwei Wochen machst du das genauso. Was meinst du wie ermüdend es ist, diesen Leuten die ganze Zeit zuzuhören? Und in vier Wochen gehst du gar nicht mehr zu den Veranstaltungen. Das macht fast keiner. Die Kurse dünnen immer weiter aus, je älter das Semester ist.“

Ich schüttelte den Kopf.

Was für eine Arbeitseinstellung. Ich konnte mir das ehrlich gesagt noch nicht vorstellen, so sehr wie sich der Saal immer mehr füllte und füllte und irgendwann beschlich mich die Angst, dass ich vielleicht sogar im falschen Raum war...

Doch dem war natürlich nicht so, ebenso wie ich zu viel Vertrauen in den Arbeitseifer meiner Kommilitonen gesteckt hatte, doch das bemerkte ich erst Wochen später, als nur noch halb so viele in der Vorlesung saßen.

Vorne stieg nun ein Halbdämon auf das Podest und begann frohen Mutes seine Lehrstunde, während Len neben mir Online Poker spielte gegen Spieler aus der ganzen Welt.

Ich versuchte so viele Informationen aufzusaugen wie es ging. Es war wirklich nichts Stoffrelevantes dabei, doch immerhin gab er Hinweise zu der Klausur am Ende des Semesters und wo wir Hilfe für die Vorbereitung herbekamen.

Neben mir jubelte Len, als sie mit nur einem paar Vieren einen scheinbar hohen Pott gewann.

Da fiel mir wieder etwas ein: Die Blumen vom Vorabend.

Ich grinste vor mich hin und gluckste leise.

„Egal was du schluckst: Nimm weniger oder gib mir was ab.“, warf Alexia neben mir ein, die ebenso wie ich zuhörte, ganz anders als Len.

„Ich nehme nichts!“, versicherte ich ihr. „Mir ist nur gerade was eingefallen. Hi, Len“

„Hm?“, machte sie wenig interessiert und gab eine Summe ein mit der sie bluffen wollte.

„Danke übrigens für die Blumen.“

„Gern geschehen!“, erklärte sie und sah mich an. „Aber was für Blumen meinst du bitte?“

Verwundert zog ich die Augenbrauen zusammen.

„Hast du mir keine Blumen kommen lassen?“

Sie lachte.

„Entschuldige, Leenchen, aber du bist nicht gerade mein Typ. Ich bin hetero, weißt du?!“

„Ich habe ja auch nicht gesagt, dass da so etwas stand wie: „Ich liebe dich“!“

„Gab es eine Karte dabei?“, fragte Alexia und zog damit meine Aufmerksamkeit wieder auf sich.

„Ja.“

„Und was stand drin?“

„Ich freue mich sehr, dass du hier bist.“

Alexia zog die Augenbrauen hoch.

„Ach, vermutlich sind die von Gang.“, erklärte Len gelangweilt von der Seite.

„Von Gang?“

Plötzlich schüttelte sich alles in mir. Ich konnte nicht glauben, dass ich so abwertend von einer Person denken könnte obwohl ich sie nicht kannte, doch die Nachricht, dass sie von diesem Mops sein könnten, weckte dann doch den Wunsch in mir sie zu verbrennen, so schön sie auch waren.

„Aber woher soll der denn bitte wissen, wo sie wohnt?“, fragte Alexia von der anderen Seite und rettete mich damit vor der Idee gleich nach Hause zu rennen und ein Lagerfeuer auf dem Boden zu veranstalten.

„Ganz einfach: Ich habe ihm die Apartmentnummer gesagt!“, erklärte Len grinsend.

„Was?“, entfuhr es Alexia und mir zeitgleich.

Prompt war es still.

„Meine Damen, wollen sie etwas zu dem Thema beitragen?“, rief unser Dozent hinauf.

Schlagartig saß ich gerade, doch versank augenblicklich in meinem Stuhl. Alexia neben mir tat dasselbe, schüttelte allerdings dabei den Kopf.

Ich sah mich um. Einige vor uns hatten sich umgedreht und sahen uns an. Erst als sie merkten, dass wir sie ebenfalls beobachteten, drehten sie sich schnell wieder weg.

„Warum hast du das getan?“, fragte ich Len.

„Ganz einfach, er wollte sie haben!“

Ich konnte es nicht fassen, was ich da hörte!

Am liebsten hätte ich sie angschrien!

Ich schloss die Augen und zählte bis zehn. Ein Klischee, dachte ich immer, doch es half tatsächlich, zumindest mir.

Wenigstens hatte sie ihm nicht meine Handynummer gegeben. Das hoffte ich zumindest.

Wie konnte man nur Kontaktdaten einfach so weiter leiten...

„Du gefällst ihm.“, hörte ich Len neben mir.

„Wem?“

„Gang! Er findet dich ganz toll!“

Ich atmete einmal tief durch und sah von ihr wieder nach vorne.

Bleib ruhig, Myleen, fang jetzt nicht an zu schreien oder der Gleichen.

„Er will unbedingt mit dir ausgehen.“

Schön für ihn, ich wollte und würde es jedoch nicht tun.

„Ach je, das sollte ich dir eigentlich gar nicht sagen! Vergiss es schnell wieder, ja?“, bat sie mich wieder lachend und wandte sich erneut ihrem Computer zu.

Ich sah hinüber zu Alexia. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie mich mitfühlend an. Damit war es wohl amtlich, die Blumen kamen von Gang. Was ein Mist. Ich fand sie so schön! Doch nun würde ich sie nicht mehr lange besitzen, dessen war ich mir sicher.

Ich ließ meinen Kopf auf die Tischplatte vor mir sinken, als mich etwas am Hinterkopf traf.

„Was zum...?“, fragte ich und griff mir in die Haare.

„Warte, ich mach schon.“, Alexia wühlte in meinem struppigen Nest. Verwundert blickte Len uns an, dann lachte sie und sah nach hinten.

„Man ihr Spinner, hört auf mit Papier nach uns zu werfen!“

Die Jungs fingen ebenfalls an zu lachen.

„Wir waren das nicht!“, erklärte einer entrüstet.

„Du musst mal deine Haare bürsten.“, erklärte Alexia. „In dem schwarz und rot ist es auch so schon schwer genug was zu finden, und dann die Locken erst. Zum Glück ist das Ding hier weiß.“

Sauer, denn sie war sich sicher, dass die Jungs anfingen uns aus lauter Langeweile zu bewerfen – was ein Kindergarten! – schlug sie mit der flachen Hand auf meinen Block und hinterließ dabei ein sauber gefaltetes Stück Papier.

Murrend lehnte sie sich wieder zurück und verschränkte die Arme.

Len hingegen wendete sich wieder an den Laptop, doch nicht ohne einen letzten Augenaufschlag an die Missetäter hinter uns.

Genervt stützte ich den Kopf auf eine Hand und nahm den Zettel zwischen zwei Finger.

Wo war ich hier nur hinein geraten? Das war ja schlimmer als meine Abiturabschlussklasse.

Während ich das Stück so zwischen meinen Fingern drehte, bemerkte ich schwarze Schatten auf ihm.

Verwundert schob ich die Augenbrauen zusammen und betrachtete sie genauer. Es waren Linien, auf der Innenseite des Knäuels.

Interessiert suchte ich einen Anfang und faltete ihn auseinander.
 

ICH BIN NICHT GANG
 

Alexia neben mir bewegte sich und beugte sich zu mir hinüber.

„Ich bin nicht Gang?“, fragte sie leise verwirrt. Ebenso ratlos sah ich zu ihr.

„Habt ihr was gesagt?“, fragte Len mehr oder weniger interessiert, immer noch in ihr Pokerturnier vertieft.

„Nein, alles in Ordnung.“, versicherte ich ihr.

Alexia drehte sich herum, ich tat es ihr gleich, doch niemand beachtete uns. Niemand stach aus der Menge, was in diesem gigantischen Vorlesungssaal eh nahezu unmöglich war.

„Was habt ihr denn?“, fragte Len und folgte unseren Blicken. „Macht ihr euch Gedanken wer hier mit Müll wirft? Das sind die Spinner hinter uns.“

„Hey, Len, wir waren das wirklich nicht!“, versicherte noch einmal einer von ihnen, doch dieses Mal packend Ernst und mit leicht beleidigtem Unterton.

Ich faltete den Zettel wieder zusammen und schob ihn in meine Hosentasche.

Schnell bedeutet ich Alexia nichts darüber zu sagen. Sie nickte verstehend.

Vermutlich würde Len einen riesen Aufstand deswegen anzetteln, doch eine Frage blieb noch immer: Wenn es Len nicht war, die die Blumen bestellte, und auch Gang nicht, wer war es dann?

Ich sah mich noch einmal um, blickte auch hinauf zu den Ausgängen, doch dort war niemand. Keine Person gab es, die auffällig war.

Ich wurde erst aus meinen Gedanken gerissen, als sich plötzlich die Menge um mich herum bewegte, und schließlich auch Len ihr Stromkabel einrollte.

Ich packte meine Sachen und erhob mich schnell, ebenso wie Alexia. Sie sah mich nicht an, sie sagte auch kein Wort. Nur Len hinter mir begann erneut mit den Jungs zu schimpfen, die langsam wirklich sauer wurden.

„Lass es doch gut sein, Len!“, bat ich sie so mehr oder weniger genervt über diesen Tumult und folgte Alexia aus der Reihe.

„Wenn du meinst...“, Len zuckte mit den Schultern. „Ich treffe mich jetzt mit Gang und Vivien, kommt ihr mit?“

„Mathe!“, meldete sich Alexia sofort und stieg die Treppen hinauf zu den Ausgängen.

„Ich auch!“, stellte ich fest, woraufhin Alexia mich endlich wieder anlächelte.

„Na wenn ihr nicht wollt, euer Pech.“

„Hey, wir haben nun mal auch Veranstaltungen!“, erklärte ich angegriffen.

„Ach komm, Mathe, erste Vorlesung, das ist doch schwachsinnig.“

Ich wollte gerade zu einer passenden Antwort ansetzen, als Alexia mir schon dazwischen funkte.

„Du weißt doch, dass ich im letzten Semester durchgefallen bin! Ich muss das noch mal alles machen! Und du weißt selbst, wie schwer das ist! Leenchen sollte von Anfang an da hinterher sein.“

Len rollte mit den Augen, da begann mein Telefon zu klingeln.

Ich zog es aus der Hosentasche, eine unbekannte Nummer.

Schnell gab ich ihnen ein Zeichen, dass sie mich entschuldigen sollten, ich müsste ran gehen, also trat ich einen Schritt beiseite und nahm das Telefonat an.

„Myleen Carter“, stellte ich mich wie immer vor.

„Prinzessin, der ehrenwerte Herr des Westens wünscht euch unverzüglich in seinem Büro zu sehen.“

„Einen Moment bitte...“, ich hatte Jakens Stimme sofort erkannt, doch jetzt noch in das Büro des Fürsten gehen? Wie viel Zeit blieb mir noch bis ich zu Mathe musste? Eine knappe halbe Stunde. Das sollte doch reichen, oder nicht? „Ich bin sofort da.“, erklärte ich ihm.

„Vielen Dank, Prinzessin.“, damit legte er auf.

„Was ist los?“, fragte Alexia und trat an mich heran. Ich sah mich um. Die Treppe hinauf konnte ich noch gerade so das lange Haar von Len ausmachen.

„Kannst du mir einen Platz frei halten?“

Alexia lachte.

„Das brauche ich nicht.“

„Wieso?“

„Weil wir heute gar kein Mathe haben.“

„So?“

„Wusstest du das nicht? Die erste Vorlesung ist er am Donnerstag. Keine Ahnung warum.“

„Und warum bist du dann nicht...“

„Gang.“

„Ach so, ja...“

„Also, was machen wir?“

„Ich muss kurz ins Büro des Präsidenten. Kommst du mit?“

„Der Meister will dich sehen?“

„Ja, weiß der Teufel warum.“

Ich wandte mich nun eben jener Treppe zu, die auch bereits Len hinaufgestiegen war.

„Warte, die Treffen sich im Lichthof auf einer Couch. Von dort aus kann man die Treppen gut sehen, lass uns lieber den Aufzug nehmen.“, bat Alexia und zog mich an der Hand mit sich durch die Massen, die immer noch aus und in den Saal flossen und dann durch eine Glastür hindurch.

Prompt standen wir vor dem Aufzug, sie betätigte ihn. Wir schwiegen, bis er sich öffnete.

„Wenn die Blumen nicht von Gang waren, von wem dann?“, fragte sie mich da.

„Ich weiß es beim besten Willen nicht.“

Wir stiegen ein.

„Kennst du jemanden hier, außer Len?“

Sesshoumaru, doch das konnte ich ihr ja schlecht sagen.

„Nein, niemanden.“, erklärte ich ihr, als die Türen der Kabine sich auf der anderen Seite, als die, in die wir eingestiegen waren, wieder öffneten.

„Glaubst du, du hast... naja, du weißt schon...“

„Was?“

„Einen Stalker?“

„Nein, eher einen heimlichen Verehrer“, ich tat mysteriös. „Und noch nicht einmal das ist wahrscheinlich.“

„Eine Prinzessin ist sicher sehr beliebt...“

„Nein, glaub mir. Nicht unbedingt. Vielleicht hat sich auch nur irgendjemand geirrt.“

Ich klopfte an die Tür zum Vorzimmer und Büro vom Jaken und ignorierte ihre zweifelnden Blicke. Ich glaubte ja selbst nicht an einen Irrtum. Dazu kam der Zettel einfach zu gezielt.

„Herein!“, hörte ich die Stimme des Kröterichs von innen und so öffnete ich die Tür.

„Prinzessin, das ging schnell.“

„Ich war gerade im Gebäude.“

Er nickte.

„Und was kann ich für dich tun, Mädchen?“

„Gar nichts, danke. Ich würde nur gerne auf Myleen warten, wenn das ginge.“

Jaken nickte und wies sie an, an dem kleinen Tischchen am Fenster Platz zu nehmen. Doch weiter beschäftigte er sich mit ihr nicht, drückte nur auf einen Knopf seiner Gegensprechanlage.

„Prinzessin Myleen für Euch, Herr.“

In dem Moment wurde auch schon die Tür des Büros aufgerissen und Sesshoumaru stand vor mir mit einem Telefon am Ohr.

Er lächelte mir zu und wies mich mit einer kurzen Kopfbewegung an einzutreten. Von Alexia schien er keine Notiz zu nehmen.

So stieg ich also über die Schwelle und in den Raum hinein. Dann schloss sich die Tür.

Ohne ein weiteres Wort beendete Sesshoumaru sein Telefonat und warf das Gerät mehr oder weniger unsanft auf seinen Schreibtisch.

Dann drehte er sich zu mir um... und stutzte.

„Alles in Ordnung, Myleen?“

„Ja, ich glaube schon.“

„Lass mich raten, Len.“

Ich sah ihn verblüfft an.

„Ich war gerade in eurer Vorlesung.“, er schüttelte den Kopf. „Ich war sehr überrascht, sie machte auf mich einen besseren Eindruck, als sie zum Gespräch hier war.“

Er war in der Vorlesung?

Hatte er mir vielleicht...

„Warum warst du dort?“

„Ich wollte mir ein Bild von meinen Favoriten machen. In ihrer Arbeitsweise, in ihrem Umgang mit anderen...“

Ach so, ich verstand. Damit begrub ich den Gedanken, dass er derjenige war, der mir diesen Zettel an den Kopf schmiss. Doch vielleicht wusste er wer...

„Hast du jemanden gesehen, der mit einem Zettel nach mir geworfen hat?“

„Einen Zettel?“, fragte er amüsiert. „Ich wusste nicht, dass Zettelchen schreiben in der Uni noch Mode ist wie in der Schule.“

„Ja, dumm oder? So ein Kindergarten streckenweise.“, gab ich lachend zu.

Schade, er wusste wohl von nichts.

„Also, Sesshoumaru, was willst du von mir?“, fragte ich ihn und versuchte möglichst unbeschwert zu lächeln, doch die Frage nach dem Sender dieser Blumen ließ mir wenig Ruhe.

Er lehnte sich an seinem Tisch und stützte die Hände darauf.

„Ich würde dir gerne den Job geben, wenn du ihn denn noch willst.“

„Mir?“

„Na sicher!“, er nickte. „Ich gebe zu, dass es mir nicht gerade leicht gefallen ist. Prinzessin Len hatte sehr gute Voraussetzungen, doch da sie ihr Studium nicht ernst zu nehmen scheint und keinerlei Feingefühl im Umgang mit anderen Personen besitzt, würde ich den Job gerne dir anvertrauen. Du hast dich im Vergleich zu früher sehr verändert.“

„Ehrlich? Klasse!“, ich freute mich wirklich und für eine Sekunde vergaß ich sogar mein eigentliches Problem.

„Und was soll ich jetzt machen?“

Er gab mir ein Zeichen heran zu treten und drehte sich dabei selbst herum. Auf seinem Tisch lagen verschiedene Papiere.

„Das ist der Vertrag, wenn du einwilligst, dann stelle ich dich auf die Zeit deines Studiums als persönliche Assistentin ein, danach als zweite Geschäftsführerin. Ich nehme dich überall mit hin und du wirst von mir lernen. Ich führe dich in die Firma ein. Während deiner Probezeit bekommst du ein festes Gehalt und anschließend überschreibe ich dir Anteile. Das wird dein Gehalt mehr als verzehnfachen.“

„Wirklich? Aber das ist ja...“

Erst nach und nach verstand ich meine Situation in der ich gerade war, doch ich wusste, dass es noch wenigstens einen Tag dauern würde, bis ich es ganz verstand.

„Du kannst es dir gerne noch überlegen, wenn du willst.“

„Ja... ich meine Nein! Definitiv nicht.“

Er lachte leise.

„Dann will ich jetzt ein Autogramm von dir.“

Er reichte mir einen Stift und wies auf ein Feld.

Ich nahm ihn sofort an und unterschrieb in meinem unendlichen Übermut, ohne auch nur im Entferntesten nachzulesen, was dort stand. Wozu auch? Ich vertraute Sesshoumaru.

„Und wie machen wir das jetzt mit den Veranstaltungen?“

„Du leistest einfach nur deine Unterschrift, dass du da warst, und wenn du nicht da warst, dann musst du bei mir gewesen sein und gearbeitet haben.“, erklärte er. „Klausuren sind hinfällig. Aber pass trotzdem gut auf. Ich weiß genau welche Veranstaltungen du besuchst und dieses Wissen, dass ihr dort erwerbt, werde ich mit dir in der Praxis weiter vertiefen.“

„Natürlich! Ich Enttäusche dich nicht!“

Er nickte erneut und reichte mir eine Karte.

„Meine Nummern gebe ich dir schon einmal mit und Jaken hat draußen einen Ordner für dich und weitere Unterlagen. Mit dem meisten Zeug darin kannst du noch nichts anfangen, aber das lernst du schon. Ich würde dich dann nur darum bitten, Morgenmittag hier zu sein. Dann weise ich dich in das System ein. Und nimm dir am Wochenende nichts vor, wir fahren Freitagnacht nach Tokio, dort werde ich dich dem Vorstand vorstellen.“

Aufmerksam beobachtete ich ihn, als er mir diese Anweisungen gab. Brav nickte ich hier und da.

„Na dann, auf gutes Gelingen, Prinzessin.“

Ich verneigte mich kurz.

„Oh, Entschuldigung!“, schnell änderte ich die Bewegung in einen Knicks.

Er schüttelte nur den Kopf über mich. „Was machst du heute noch?“

„Draußen wartet Alexia auf mich. Wir werden vermutlich zusammen vor einem Kommilitonen flüchten.“

„Vor wem denn?“

„Gang, er ist ein adliger aus China, soweit ich weiß.“

Er nickte wissend.

„Ja, der Mops aus dem Studierendenrat. Eine seltsame Person.“

„Oh ja!“

„Und was hatte das mit dem Zettel auf sich?“, fragte er weiter.

Ich sah ihn schräg an.

„Warum interessiert dich das?“

„Du hast mich danach gefragt, also scheint es dir wichtig zu sein.“

Ich dachte nach.

„Ich weiß nicht wie wichtig es ist. Ich kam gestern nach Hause und habe Blumen bekommen. Anonym, aber sie haben mich sehr gefreut. Ich dachte erst, dass sie von Len kommen, aber Len wusste von nichts und meinte, sie seien von Gang. Und auf dem Zettel, den ich vorhin meinte, stand wiederrum: Ich bin nicht Gang.“

Mit ehrlicher Verwunderung sah er mich an.

„Seltsam.“

„Du sagst es.“

und der Stalker ist...

„AH“

Unwillkürlich machte ich einen Schritt zurück, als Alexia plötzlich auf dem Gang auf mich zu hüpfte und meine Hände ergriff.

„Ernsthaft?“, fragte sie freudig und machte springend ihrer Rasse alle Ehre.

„Definitiv, ich habe den Job!“

Ihre Freude und ihre Jubelschreie darüber waren echt, um das zu merken musste man keine großen empathischen Fähigkeiten besitzen.

„Das ist ja so cool!“, lachte sie weiter. „Ich habe wirklich nicht gedacht, dass der Herr jemandem den Job gibt, der rein gar keine Erfahrung hat!“

„Ich auch nicht, um ehrlich zu sein.“

Sie kicherte.

„Komm, das müssen wir sofort Len erzählen!“

Sie riss mich mit sich, doch ich hielt sie auf.

„Bist du dir sicher, dass wir zu Len wollen, um ihr das zu sagen?“

„Natürlich! Warum nicht?“

Ja warum eigentlich? Ich konnte ihr ja schlecht sagen, dass ich Len das nach Möglichkeit verheimlichen wollte. Nicht, dass es schlimm wäre ihr das zu sagen, ich hatte mehr Angst vor der Reaktion.

Alexia schüttelte den Kopf.

„Was nun?“

„Na ja, sie ist doch gerade bei Gang...“

„Ach ja...“, murmelte Alexia. Ich wusste inzwischen, dass sie eigentlich kein Problem damit gehabt hätte ihm zu begegnen, aber sie verstand mein Problem an der Sache: War er doch scheinbar an mir interessiert, doch absolut nicht mein Fall...

„Was machen wir dann?“

„Erst mal zu meinem Zimmer, ich muss das Ding hier loswerden!“, erklärte ich ihr und hielt den riesigen, dicken Ordner hoch, den mir Jaken in die Hand gedrückt hatte. Er selbst hatte das Gerät fast nicht tragen können, so groß war es.

„Gut, fangen wir da an und arbeiten uns nach oben durch!“

Ich lachte.

„Sehr gute Philosophie!“, bestätigte ich und so liefen wir hinaus aus dem Hauptgebäude, in den alten Garten der Festung und hinein in das Wohnheim.

Ich ließ Alexia in mein Apartment.

„Was schwebt dir vor? Mehr was im kleinen Kreis, oder wollen wir es mit der gesamten Universität zusammen feiern?“

Ich lachte peinlich berührt.

„Bitte, keine Feiern! Ich habe noch nicht einmal richtig angefangen und die Probezeit dauert sechs Monate! Lass uns das solange verschieben, bis ich komplett mit allem fertig bin!“

Sie schob ihre Schuhe in eine Ecke und lief tiefer in den Raum hinein.

„Man, hier sieht ‘s aus! Kannst du keine Ordnung halten?“, fragte sie belustigt.

„Nein, aber das ist nicht der Punkt: Ein Genie liebt das Chaos!“

„Ach, du bist Chaostheoretiker?“

Ich steckte ihr die Zunge heraus, sie tat es mir nach.

Grinsend ließ sie sich auf meinen Stuhl sinken, während ich den Ordner auf meinem Bett ablegte.

„Ich weiß nicht ob ich dich beneiden, oder bemitleiden soll!“

„Beides vermutlich.“, erklärte ich und drehte mich zu ihr herum. „Also, wir müssen neunzig Minuten hinter uns bringen, Len glaubt ja, dass wir Mathe hätten, was tun?“, fragte ich sie. Dann beobachtete ich die Szenerie in die sie sich gesetzt hatte genauer. Irgendetwas war anders. Irgendetwas war neu.

„Ich weiß noch nicht.“, meinte Alexia aufrichtig. „Shoppen?“

Da fiel es mir auf.

Eine längliche Schachtel lag neben ihr auf dem Schreibtisch. Ein buntes Band, kunstvoll gebunden, war um es herum gewickelt. Ein Kärtchen lag unverkennbar darauf.

„Leenchen?“

„Alex... Hast du das da mitgebracht?“, fragte ich und nickte zu dem Ding hin.

Verwundert sah sie sich um.

„Was denn?“, fragte sie. Sie hatte nur den Fußboden abgesucht.

„Das da, vor meinem Laptop.“

Verwirrt blickte sie auf den Tisch. Einige Sekunden verharrte sie so, dann rutschte sie von dem Tisch weg und sah mich entgeistert an.

„Ich war das nicht! Ehrlich!“

Doch ich sah gar nicht erst zu ihr, beachtete sie auch nicht weiter, ging hinüber zu der Schachtel und beugte mich darüber.

Vorsichtig rollte sie mit ihrem Sitz wieder näher und lugte an mir vorbei.

„Was ist das?“

„Ein Geschenk...“

„Ein Geschenk? Von wem?“

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, also zog ich einfach nur die Karte hervor und faltete sie auf.

„Ich wünsche dir alles Glück für diesen neuen Job. Ich bin mir sicher, dass du ihn geschickt meistern wirst. Ich hoffe, dass dir dieses kleine Geschenk eine Hilfe bei deinen neuen Aufgaben sein wird.“, las sie laut vor.

„Es ist wieder von ihm...“, hauchte ich.

„Der Blumenstalker?“, flüsterte Alexia.

Ich nahm die Schachtel, streifte das Band herunter und öffnete sie.

„Wow“, entfuhr es Alexia bei dem Anblick dessen, was uns da entgegen funkelte. „Eines lass dir gesagt sein: Dein Stalker hat nicht nur Stil, er ist auch noch verdammt reich!“

Ich schluckte.

Eine Uhr, eine ungeheuer kostbare Uhr, das war es, was mir entgegen blinkte. Sie tickte leise. Sehr leise, kaum hörbar, selbst für einen Dämon. DAs gesamte Gehäuse und das Armband selbst waren golden, besetzt von unzähligen, zarten Steinen. Weitere von eben letzteren bildeten dicht aneinander gedrängt das Ziffernblatt, auf dem die einfachen, schwarzen Zeiger kreisten. Nur die vier Hauptziffern waren farblich abgehoben. Den Rest musste man sich erdenken.

Ich hörte wie Alexia schwer schluckte und nach einem der weiteren Zettel griff, die innerhalb der Schatulle lagen.

Ein Echtheitszertifikat.

„Oh mein Gott“, hauchte sie. „Es sind Diamanten und das Gehäuse ist mit purem Gold überzogen.“

„Diese Uhr ist mehrere tausend Dollar wert!“, murmelte ich.

„Wer ist das, der dir diese Geschenke macht?“, fragte Alexia aufgebracht.

Doch mich interessierte das gar nicht mehr. Hektisch stopfte ich das Ding zurück in ihre Schatulle, schmiss achtlos das Zertifikat dazu und schob es unter den nächsten Haufen Papier, raus aus meinem Blickfeld.

„Wie kam er hier herein?“, heulte ich los und sah mich um. Alexia neben mir sprang aufgescheucht in die Höhe.

„Ich weiß es nicht!“, versicherte sie mir. „Aber vielleicht ist er noch hier...“

Schweigend sahen wir uns an. Ihr Gesicht war wie ein Spiegelbild von meinem eigenen. Kalkweiß waren wir. Als hätte irgendwo eine Startschusspistole geknallt schossen wir beide zur Wohnungstür. Ich riss sie auf und...

„Wieso habe ich nur gewusst, dass ihr zwei Biester hier seid?“, hörte ich die gespielt empört klingende Stimme von Len, die uns breit angrinste. „Ich wollte gerade klopfen!“

„Alles in Ordnung?“, hörte ich eine weitere Stimme von weiter unten. Eine Dämonin derselben Rasse wie Jaken stand hinter ihr, ebenso wie...

Oh nein, nicht Gang verflucht noch mal!

Len ging nicht weiter auf die Frage ihrer kleinsten Begleiterin ein.

„Ihr habt mich ganz schön geleimt, das war nicht fair von euch!“, erklärte Len. Ich sah zu Alexia. Wir hatten ehrlich gesagt wesentlich größere Probleme als Len. Oder sagen wir: Ich hatte diese Probleme, aber das würde die Koreanerin nicht interessieren, dachte ich mir zumindest. Ich konnte mir vorstellen wie es in ihr brodelte vor Zorn, da wir sie so angelogen hatten.

„Wir wollten euch nur zum Essen abholen.“, erklärte Gang, der vollends auf mich fixiert war.

„Ich habe ehrlichgesagt keinen Hunger.“, erklärte ich abwehrend und sah zu Alexia.

„Ich auch nicht.“, murmelte sie.

„Ach quatsch, nur weil ich euch erwischt habe? Ich bitte euch!“, Len schien das wirklich als eine Folge schlechten Gewissens zu sehen und verzieh uns darum, was wir ihr angetan hatten.

So hackte sie sich bei je einem von uns ein, als wollte sie uns eben auch dieses beweisen.

Alexia zog schnell noch die Tür hinter sich zu, ehe sie uns schon weiter zerrte, ihre Begleiter beachtete sie gar nicht weiter. Scheinbar waren nun wieder wir angesagt.

Was auch immer sie uns gerade erzählte – oder sagen wir eher mir gerade erzählte, denn es schien um Gang zu gehen – ich hörte nicht zu. Aufmerksam sah ich mich um, beobachtete jede einzelne Person, der wir auf unserem Weg begegneten.

War einer auffällig? Beobachtete mich jemand...

Das war schwer zu sagen je dichter wir an die Mensa kamen. Es wurde immer voller, immerhin war es tiefste Mittagszeit, aber scheinbar hatten wir den großen Ansturm auf die Essensausgabe verpasst, es stellte sich niemand mehr an die gewaltige Schlange an, die hier wartete endlich einen Teller gereicht zu bekommen.

„Hey!“

Erschrocken schreckte ich hoch. Ich dachte schon, dass ich Ärger von Len bekommen würde, die nun endlich herausgefunden hatte, dass ich ihr gar nicht zuhörte, doch dem war nicht so. Sie hatte jemanden entdeckte...

Sie zog uns weiter zu einem freundlich grinsenden jungen Mann, mitten in der Reihe, weiter vor uns.

Dreist schob sie sich in die Menge.

„Joan, du isst mal ausnahmsweise hier?“

Ich erkannte ihn als einen der Kommilitonen aus meiner Vorlesung vor etwa einer Stunde.

„Oh entschuldige bitte.“, mit gesenktem Blick künstelte Len eine sehr damenhafte Verbeugung hin.

Verwundert, sah ich zu Alexia, die aber zuckte nur die Schulter.

Joan vor uns lachte.

„Hör auf damit, Len. Du machst deine Freundinnen ganz verlegen!“, er sah erst zu Alexia, nickte ihr zu – sie kannte ihn ja bereits – dann sah er zu mir. „Ich bin Joan von Norwegen. Len führt sich so seltsam auf weil...“

„Ach ja!“, platzte es aus mir heraus, als es mir wieder einfiel. Mutter hatte mir von ihm erzählt. „Du wurdest vor kurzem zum Fürsten erhoben.“

Er nickte lächelnd.

„Sehr gut, Myleen von Großbritannien.“, sein Lächeln wurde weicher, aber irgendwie auch vertrauter. „Es ehrt mich, dass du von mir gehört hast. Wirklich!“

Len sah etwas hektisch zwischen uns hin und her, dann fuhr sie plötzlich dazwischen.

„Joan, was gibt es denn heute?“

„Keine Ahnung, aber ich nehme die Reispfanne mit Huhn. Wollt ihr euch auch anstellen?“

„Ja, wir stehen auch an.“, berichtigte Len.

„Hey, entschuldige mal bitte!“, hörte ich da eine Stimme hinter mir. Als ich mich herum drehte blickte ich in die glühend gelben Augen eines Schlangendämons. „Die Reihe ist hinten, verstanden? Ihr könnt euch nicht so einfach vordrängeln!“

Ich zog meinen Arm aus Lens Ellenbogen und wollte mich gerade entschuldigen, als sie mir dazwischen fuhr.

„Du einfacher Bauerntrampel hast nichts zu melden, verstanden? Du weißt wohl nicht wer wir sind!“

Entsetzt sah ich sie an, dann zu Alexia – deren Nase weit gehoben war und deren Augen ein abwertendes Stechen angenommen hatten – und ebenso erschrocken sah ich dann zu dem Schlangendämonen, der nur verwirrt von ihr zu mir sah.

„Entschuldige bitte.“, sprach ich ihn ruhig an. „Es war nicht unsere Absicht uns vorzudrängeln, wir wollten nur kurz „hallo“ sagen.“

Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als er mich fixierte, doch ich hatte keine Zeit mehr näher darauf einzugehen, blickte nur in ein ängstlich, schockiertes Gesicht von Alexia und in den wütenden Ausdruck in Lens Augen.

„Also ich gehe nach hinten.“, verkündete ich. „Es gehört sich nicht sich vorzudrängeln.“

Erklärte ich ihr.

Joan ließ einen erfreuten Ton hören.

„Dann schließe ich mich dir gerne an, Myleen.“, erklärte er und verließ seine Position in der Reihe um mit mir nach hinten zu gehen.

Len folgte mir nun notgedrungen, jedoch nicht ohne einen weiteren Spruch an den Schlangendämon zu richten.

Als wir so nun also wieder Stellung am Ende der Reihe bezogen und Joan Gang und die kleine Dämonin an seiner Seite begrüßt hatte, lenkte ersterer unser Thema auf etwas anderes. „Und? Was ist bei euch interessantes passiert seit der Vorlesung heute Morgen?“, fragte er, mehr an mich gewandt als an die anderen und strich sich über seinen tief schwarzen Dämonenschwanz, der über seine Schulter hing.

„Also Myleen und Alexia haben mich ganz schön reingelegt!“, erklärte Len ihm lachend. „Haben die mir doch glatt weismachen wollen, dass sie Mathe haben, obwohl das heute noch gar nicht stattfindet!“

„So, so!“, entgegnete Joan.

„Ja, aber das Beste kommt erst noch!“, jubelte Alexia los.

Erschrocken sah ich zu ihr.

Alexia grinste über beide Ohren.

„Ratet mal, wer den Job beim Meister bekommen hat!“

Ich spürte förmlich, wie sich Lens Körper anspannte, und das obwohl wir keinen weiteren Körperkontakt mehr zueinander hatten.

„Leenchen!“

„Hey!“, rief Gang von hinten begeistert – er hatte uns, Gentleman wie er war, vorgelassen – und klopfte mir auf die Schulter. „Komm, dreh dich mal um und lass dich umarmen!“

Ich öffnete gerade den Mund um dankend abzulehnen, als Joan mir eine Hand auf die Schulter legte.

„Das klingt doch gut!“, sprach er ruhig, als würde ... es ihn nicht überraschen?

„Ja, klasse, Leenchen!“, Len lächelte mich breit an. „Das ist wirklich eine tolle Neuigkeit!“

Erleichtert fiel mir ein Stein vom Herzen. Sie war mir also nicht böse.

Ich grinste sie dankbar an und dass Gang mich vor zehn Sekunden noch um eine Umarmung gebeten hatte, hatte ich zum Glück wieder vergessen und er fragte auch nicht noch einmal danach.

Joan strich sich sein schwarz-braunes, langes Haar aus der Stirn und lachte leise.

„Ich jedenfalls, Myleen, wünsche dir alles Glück für diesen neuen Job.“

Diese Worte durchfuhren mich wie ein Blitz.

Schnell sauste mein Kopf zu ihm herum, doch er sah nicht zu mir, sondern fischte an seinem Vordermann vorbei, um sich ein Tablett und Besteck zu angeln.

„Glück“, wiederholte Len und lachte. „Glück braucht man nicht, wenn man Vitamin B hat.“

Verwundert blickte ich nun wieder zu ihr. Vitamin B... Beziehungen... Wusste sie etwa von mir und Sesshoumaru?

„Was denn?“, fragte sie und lachte weiter ausgelassen. „Ist doch so, oder nicht?“

„Wovon redest du eigentlich?“

„Ach komm, tu doch nicht so! Dein Vater hat neulich zu seinen eh schon zehn Prozent Anteile an der Organisation weitere zehn gekauft und ist damit nun, nach dem Herrn, derjenige, der am Meisten dort zu sagen hat!“

„Mein Vater hat Anteile an der Organisation?“

Sie lachte nur noch lauter.

„Ach komm, das wusstest du doch ganz genau! Nur darum hast du dich doch beworben, oder? Weil du wusstest, dass du den Job bekommst. Der Meister hätte dir doch andernfalls nie diesen Job gegeben.“

Nein, ich wusste nicht, dass mein Vater Anteile besaß. Er hatte mich auch gar nicht auf die Anzeige aufmerksam gemacht, sondern Marylou. Allerdings musste sie das gewusst haben. Immerhin redete Vater dauernd mit ihr über Finanzen und sehr gerne auch über sein Amtsgeschäft... Er redete generell mehr mit ihr als mit unserer Mutter Beispielsweise.

„Leenchen kann machen was sie will, gefeuert wird sie nicht werden, weil sie Papi im Vorstand zu sitzen hat.“

Ich sah von ihr zu Alexia, die mich mit eingefrorener Miene ansah.

„Ach was.“, schaltete sich da Joan wieder ein. „Ich bin mir sicher, dass sie den Job bekommen hat, weil der Herr sie als geeignet betrachtet. Er wird sich doch nicht in die Geschäfte hineinreden lassen!.“

Er nickte aufmunternd und gab mir das Tablett und das Besteck, das er gerade ergattert hatte.

Forschend blickte ich in seine rot-braunen Augen hinauf...

Kündige!

Leise schloss ich die Tür hinter mir. Meine Mundwinkel zuckten hinauf, erst einer, dann der zweite, dann fing ich kindlich an zu kichern und sprang beschwingten Schrittes tiefer in mein Apartment. Er war es. Kein Zweifel, definitiv! Joan von Norwegen, er musste der Typ sein, der mir die Blumen geschickt hatte und die Uhr. Nur er konnte es gewesen sein, ich wusste nicht wieso, bis vor wenigen Augenblicken hatte ich ihn noch gar nicht gekannt, doch er hatte sich verraten, in dem er seine eigenen Botschaften während des Essens zitierte.

Ich spürte ein wohliges Kribbeln in meinem Magen, warf meine Schuhe achtlos in eine Ecke und betätigte den Hauptschalter meines Computers. Es war erst Dienstag, meine erste Woche hier an der Uni und schon hatte ich einen absoluten Traummann kennen gelernt.

Ich warf mich aufs Bett und grinste die Decke verliebt an. Jetzt stellte sich nur noch eine einzige Frage: Wie konnte ich es einfädeln, dass er es zugab?

Ihn einfach ansprechen?

Ich lief rot an und krallte mir mein Kopfkissen. Fest presste ich es mir ins Gesicht und stöhnte freudig erregt hinein. Lachend kugelte ich mich auf meiner Matte herum.

Doch nicht nur, dass der vermutlich attraktivste Dämon der Welt auf mich stand, nein, Len hatte sich nach einer Stunde schmollen und spitze Sprüche spucken scheinbar auch damit abgefunden, dass nicht sie den Job bei Sesshoumaru bekommen hatte, sondern ich.

So unsicher ich am Sonntag bei meinem Flug nach Japan auch noch gewesen war: Inzwischen hatte ich das Gefühl, dass ich alles schaffen konnte. Alles was ich wollte würde ich in Japan bekommen, ich musste es mir nur greifen. Es war mehr als klug gewesen so weit ab von Europa neu zu beginnen! Definitiv!

Ich fühlte mich wie ein Gummibärchen auf Ecstasy, ich wollte wie in einer Gummizelle herum hüpfen vor Glück, so hätte ich beinahe den Anruf auf meinem Handy verpasst.

Auf allen vieren robbte ich über das Bett zurück zu meiner Tasche, landete mit einem Hechtsprung neben ihr und angelte nach dem Gerät. Mama.

„Hi!“, flötete ich ihr entgegen.

Es blieb einige Sekunden still in der Leitung.

„Hast du irgendwas geraucht?“, fragte sie alarmiert.

„Man, Mama, nun versau mir doch nicht meine gute Laune! Was gibt es denn?“

„Nichts, ich wollte nur mal hören was du so treibst?“

„Ach, nicht viel…“, ich grinste in mich hinein.

„Marylou hat mir erzählt, du hättest sie mal wieder schlecht behandelt?“ Nette Umschreibung, aber wenigstens wusste ich nun den Grund für ihren Anruf.

Ich seufzte: „Madame hat am Sonntag hier angerufen um mich anzumeckern, dass ich versehendlich ihren Computer angelassen habe.“

„Das kann doch noch nicht alles gewesen sein!“

„Nein, außerdem war mein Postfach offen…“

Meine Ma machte ein alarmiertes Geräusch.

„Oh nein, sag mir nicht, dass dein alter Wolfsfreund wieder mit seinem Terror beginnt! Ich war so froh, als das alles beendet war.“

„Nein, keine Sorge. Aber sie hat trotzdem einfach meine Mails durchschnüffelt, aber dabei hat sie etwas wichtiges im Spam gefunden. Ein Stellenangebot vom Herrn des Westens. Sie wollte, dass ich mich augenblicklich bewerbe, weil die Frist an dem Abend ablief. Ich habe sie lediglich darauf hingewiesen, dass ich für den Job nicht geeignet bin und das hat sie mir übel genommen.“

„Du hast vollkommen Recht, Leenchen, der Job ist nichts für dich.“

„Ach ja?“

„Natürlich…“

„Warum das?“ Meine Mutter schwieg, also redete ich weiter. „Habt ihr etwa Angst, dass ich euch Schwierigkeiten mache? Dass ich die Familie in Verruf bringe?“

„Ach Quatsch, meine Süße, das bildest du dir nur schon wieder ein! Keiner denkt so über dich!“

„Ach nein? Dann rede mal mit deinem Mann darüber!“

„Myleen, was redest du dir nur schon wieder ein? Dein Vater liebt dich…“

„Ach ja? Dann hier etwas um ihm einen Herzinfarkt zu versetzen: Ich habe den Job! Heute Mittag habe ich bei unserem Fürsten den Vertrag unterschrieben.“

„Was?“, nun war meine Mutter wirklich überrascht… oder vielleicht auch eher beunruhigt… „Warum wissen wir davon nichts?“

„Weil ich keine Lust darauf hatte, dass du alle fünf Minuten nachfragst, wie denn der Stand der Bewerbung ist?“

„Dein Vater ist im Vorstand. Der Herr hat nichts davon gesagt, dass er dich ausgewählt hat. Noch nicht einmal, dass du dich beworben hast…“

Ich schwieg.

„Also hat Vater tatsächlich Anteile an der Firma?“

„Selbstverständlich. Er hat einen Teil von Lens Vater aufgekauft, der die Organisation verlassen musste.“

„Was? Warum?“

„Korruption und Veruntreuung, soweit ich weiß.“

Damit wurde auch mir so einiges klar.

„Aber egal, das tut nichts zur Sache.“, redete Mutter weiter. „Ich möchte, dass du den Job wieder kündigst.“

„Warum sollte ich das tun?“, fragte ich sie verwirrt und sauer.

„Wie soll ich dir das erklären… Unser Fürst ist… nun ja… seit einigen Jahren nicht mehr ganz bei sich.“

„Also auf mich wirkt er vollkommen in Ordnung, so wie vor vier Jahren. Warum hat sich eigentlich von euch keiner dazu berufen gefühlt mir zu sagen, dass ich den ganzen Abend von Marylous Hochzeit mit unserem Lord zusammen war?“

„Anfangs dachten wir du wüsstest wer er war und dann haben wir uns zum Schweigen entschieden. Zu deinem eigenen Schutz.“

„Mein Schutz? Warum? Wenn er mich hätte töten wollen, dann hätte er es schon lange getan. Im Gegenteil, er nannte mir damals sogar seinen Namen.“

Mutter schwieg erneut.

„Bitte, Liebling, kündige.“

„Warum?“

„Weil…“ – „Gib sie mir!“, Vater verlangte im Hintergrund nach dem Telefon. Einige Sekunden war es ruhig, dann hörte ich seine Stimme: „Na meine Süße?“

„Nichts da, "Süße", warum sollte ich kündigen? Der Job ist das Beste, was mir hätte passieren können!“

„Wenn du einen Job willst, dann gibt es noch unzählige andere Möglichkeiten, aber bei unserem Fürsten wirst du kündigen, hast du mich verstanden?!“

„Nicht, ohne dass ihr mir einen triftigen Grund genannt habt.“

„Das hat deine Mutter schon getan. Der Herr ist nicht mehr das, was er einmal war.“

„Das reicht mir nicht.“

Er seufzte.

„Du kennst die Psyche von uns Dämonen und wie wir uns entwickeln, wenn wir nicht regelmäßig das tun, was unsere Bestie verlangt.“

„Ja, in den ersten zweihundert Jahren bedeutet das wenigstens einmal im Jahr ein Menschenopfer, wenigstens einmal im Monat die Bestie freilassen, einmal die Woche körperlich an die Grenzen gehen und einmal am Tag Sex. Später alle einhundert Jahre ein Menschenopfer und alle zehn Sex. Worauf willst du hinaus? Dass schon lange keiner mehr menschliches Blut unserem Herrn zu trinken gegeben hat?“

Er schnaubte.

„Nein, schlimmer. Laut seinen ehemaligen Haremsdamen rührte er seit dem späten achtzehnten Jahrhundert keine mehr an.“

Ich zog eine Augenbraue hoch.

„Das heißt also du hältst ihn für chronisch untervögelt. Hallo, ich bin der lebende Beweis dafür, dass nicht jeder Dämon gleich verrückt wird, wenn er seine niederen Triebe nicht auslebt! Mein letztes Menschenofer ist zehn Jahre her, das letzte mal ausgerastet bin ich vor vier, Beim Sport wirklich erschöpft war ich... ok, vor wenigen Monaten in der Schule, aber seit drei Jahren hatte ich kein Sex mehr und ich fühl mich prächtig und bin erst zwanzig.“

„Schön und gut, doch als er vor vier Jahren seinen Harem rausgeworfen hat, hatten sich einige seiner Frauen geweigert ihn zu verlassen. Sie machten sich Sorgen und weißt du was er tat? Er hat sie alle getötet.“

Ich zog die Stirn kraus. Vor vier Jahren?

„Wann genau war das bitte?“

„Im August.“

Ich dachte nach. Die Hochzeit war im Juli gewesen. Ich schnaubte.

„Schöne Horrorgeschichte, Vater, aber du kannst sie dir gelinde gesagt in die Haare schmieren. Wenn er sie tötete, dann hatte er sicher einen Grund dafür. Doch wenn du dich erinnerst, die Hochzeit von Marylou war im Juli, ich kannte ihn also noch vor seiner Haremsauflösung und ich wäre damals wesentlich gefährdeter gewesen.“, ich lachte. „Ich habe ihn nämlich beleidigt und angeschrien, als ich ihm das erste Mal begegnete. Im Gegensatz zu dir ist er aber nicht ausgerastet, sondern hat mein Verhalten einfach nur hingenommen und versucht mich zu beschwichtigen, indem er mich einlud. Wenn er wirklich solch ein Monster wäre, dann hätte er mich bereits gemeuchelt, oder nicht?“

Zu meiner Überraschung blieb es still am anderen Ende. Ich hörte meine Mutter flüstern. Ich wusste nicht was es war, doch sie klang aufgeregt. Und gleich darauf erklang erneut die Stimme meines Vaters, eindringlicher, herrischer, mit einem Unterton, den ich nicht deuten konnte – vielleicht Sorge? „Kündige auf der Stelle! Ich will dich am Wochenende auf der Vorstandssitzung nicht sehen, hast du mich verstanden?“

„Nein, habe ich nicht. Ich sehe es nicht ein, dass ich wegen dieser Absurditäten meine Chance auf einen einzigartigen Job begraben soll! Wir sehen uns am Wochenende, my Lord!“

Wütend legte ich einfach auf.

Erneut hatten sie es geschafft meine Laune zu kippn. Nicht einmal der Gedanke an Joan konnte mich nun noch aufheitern.

Ich lief eine Weile auf und ab.

Was sollte das? Warum erzählten sie mir so etwas? Auf mich machte Sesshoumaru seit unserer ersten Begegnung einen vollkommen normalen Eindruck. Und wer wusste es schon genau, vielleicht hatte er einfach keine Lust mehr gehabt auf seine Haremsdamen – Wer waren wir um darüber zu urteilen? – und hatte sich einfach außerhalb seiner Räumlichkeiten Gespielinnen gesucht. Dass er den Harem vor vier Jahren aufgelöst hatte, konnte durchaus auch daran liegen, dass er damals das Wohnheim der Studenten erweitern musste! Immerhin befand sich auch meine Wohnung in dem alten Garten!

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah zu meinem Laptop. Zum Glück hatte ich den Ton ausgeschaltet, meine Schwester versuchte mich schon wieder via Videotelefonie zu erreichen. Ich knurrte sauer, schnappte mir meine Schuhe und verschwand aus der Wohnung zur nächsten Vorlesung – meinen Computer ließ ich einfach weiter laufen.
 

Noch einen Tag später war ich leicht sauer wegen dem Verhalten meiner Eltern. Ich hatte wirklich gehofft, dass sie sich für mich freuen würden. Meine Mutter und mein Vater hatten mich nach dem Telefonat zum Glück in Ruhe gelassen, aber Skype sagte mir, dass meine Schwester es noch öfter versucht hatte mich zu erreichen, ganz zu schweigen von dem verpassten Anruf und der SMS von ihr mit dem Inhalt: ‚Geh endlich ran!‘

Nun saß ich früh morgens mit einem Kaffee auf dem Schoß im Büro des Fürsten und richtete meinen eigenen Rechner ein. Ich hatte erwartet draußen bei Jaken sitzen zu müssen, doch Sesshoumaru hatte einen zweiten Tisch in das Büro bringen lassen und mich neben sich positioniert.

Ich tippte gerade diverse Sicherheitsschlüssel für das System ein und wollte meinen eigenen Benutzeraccount einrichten, als er herein kam.

„Du bist früh!“, stellte er fest und schloss augenblicklich die Tür hinter sich.

Ich nickte ohne aufzusehen.

„Ich konnte nicht schlafen und als ich im Garten spazieren war, habe ich Jaken-sama aus seiner Wohnung kommen sehen, also bin ich hinterher. Die Uni ist wirklich ruhig so früh am Morgen. Man kann sich richtig wohlfühlen!“

Er schwieg, setzte sich selbst hinter seinen eigenen Tisch und lehnte sich zurück. Nachdem er seinen Rechner eingeschaltet hatte nickte er.

„Du hättest das Schloss früher sehen sollen, als ich noch ein Junge war.“, verkündete er. „Manchmal vermisse ich die alte, kriegerische Zeit, aber die Menschen haben sich leider geändert.“

Ich schwieg dazu. Ich konnte es nicht beurteilen.

Mein Bildschirm verlangte ein Passwort von mir. Gedankenverloren lehnte ich mich zurück in dem Sessel und spielte mit meiner neuen Uhr. Irgendwann spürte ich Blicke auf mir lasten. Um mich zu vergewissern sah ich auf und direkt in die Augen von Sesshoumaru. Er musste nicht fragen, ich wusste, was er hören wollte.

„Ich habe meinen Eltern gestern eröffnet, dass du mich eingestellt hast. Anstatt sich für mich zu freuen bekam ich den herrschaftlichen Befehl zu kündigen.“

Er nickte.

„Nun, du hast durchaus ein Kündigungsrecht von sechs Monaten, ohne Angabe von Gründen. Allerdings würde mich das Warum dennoch interessieren.“

Entsetzt sah ich auf.

„Was? Ich will nicht kündigen, Sesshoumaru!“

Ein kurzes Lächeln zuckte über sein Gesicht.

„Und noch etwas, das sich verändert hat. Töchter gehorchen nicht mehr ihren Vätern.“

Ich schnaubte.

„Entschuldige, aber der Grund war einfach zu lächerlich!“

„Amüsiere mich!“

„Kurz gesagt“, ich grinste ihn frech an. „Er hält dich für untervögelt und meint, du würdest den Verstand verlieren.“

Ich dachte nicht wirklich darüber nach, was ich sagte und erst recht nicht über die Folgen, die das unter Umständen für meinen Vater haben könnte. Doch Sesshoumaru wandte sich unbeirrt von mir ab, um sein Passwort einzugeben.

„Er also auch.“, murmelte er nur.

Mein Lächeln verschwand. Ich betrachtete ihn eine Weile.

„Wenn es dich beruhigt“, begann ich leiser. „Ich habe ihm gesagt, wie absurd das klingt… Ich halte dich nicht für verrückt, ganz im Gegenteil. Du bist der stolzeste Dämon mit dem höchsten Maß an Selbstkontrolle, dem ich je begegnet bin.“

Er lehnte sich wieder zurück und sah mich nachdenklich abwartend an.

„Selbst wenn du seit… Was weiß ich... Zweihundert Jahren keine deiner Haremsdamen mehr hattest, bei mir ist die Luft seit über drei Jahren raus… Und ich schaffe es doch auch ohne verrückt zu werden, oder? Und ich bin viel jünger als du.“

Er atmete einmal tief durch.

Ich lief rot an.

Was redete ich da bitte? Ich sprach mit meinem Fürsten über die Häufigkeit von Sexualkontakten? War ich eigentlich vollkommen bekloppt im Kopf?

Ich winkte ab.

„Entschuldige, ich weiß, es geht uns sowieso nichts an. Ich meine, keinem von uns steht es zu über dich zu urteilen.“

Er sagte dazu nichts, betrachtete mich nur weiter.

Irgendwann – ich war gerade dazu übergegangen meine Gesichtsfarbe wieder zu normalisieren und mich unter den Tisch zu bücken, um eine Installations-CD ins Laufwerk zu schieben – da unterbrach er das Schweigen: „Drei Jahre… Du weißt schon, dass du, wenn man es denn hochrechnet, damit wesentlich länger in Enthaltsamkeit lebst als ich?“

Erschrocken hob ich den Kopf und stieß ihn mir dabei an der Tischplatte. Lautstark fluchte ich auf. Als ich sein verstecktes Grinsen hinter der Hand sah musste auch ich lachen.

„Das tat weh!“, knurrte ich ihn an.

„Ich weiß.“

Damit machten wir uns beide wieder an die Arbeit.

Vater hatte sicherlich Unrecht. Niemals war dieser Mann psychisch labil und unberechenbar. Ich fühlte mich einfach wohl bei ihm. In diesen paar Minuten, die ich bei ihm im Büro gesessen hatte und mit ihm sprach hatte er mir mehr Sicherheit und Wärme gegeben – obwohl wir nur solch oberflächliche Konversationen führten – als ich in den letzten Jahre in Gegenwart meiner Eltern gespürt hatte.

Es war unbeschreiblich. Durch seine bloße Anwesenheit fühlte ich mich so viel… Geborgener… ich konnte es nicht beschreiben, es war einfach ein tolles Gefühl und vielleicht war ich auch verdammt Stolz auf mich, dass ich als einziger Dämon – mit Ausnahme von Jaken – nicht nur seinen Namen, sondern auch meinen Lord persönlich kannte.

Ich sah auf meine Uhr.

Ja, mein Leben hatte sich geändert. Ich hatte einen Boss, der nicht nur der Herr über alle Dämonen des Westens war, sondern auch noch wie ein langer und teurer Freund zu mir. Und ich hatte einen Verehrer, der mich – trotz seiner Schüchternheit um es mir direkt zu zeigen – mich auf Händen trug. Ich grinste in mich hinein und griff mir voller Zuversicht an das Armband der Uhr.

Hach, wie schön das Leben doch war. Solch einen Moment verspürte ich zuletzt bei meinem ersten Kuss mit meiner ersten großen Liebe.

„Myleen“

„Ja?“

„Darf ich dir eine Frage stellen?“

„Nur zu!“

„Würdest du mir die Ehre erweisen und mich auf eine Hochzeit begleiten?“

Verblüfft sah ich ihn an.

„Bitte?“, ich lächelte überrascht und klimperte mit den Augen.

„Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass du einen solch steifen, langweiligen Abend das besondere Etwas geben kannst.“

Ich lachte kurz.

„Klar, darf ich denn auch erfahren, wer das glückliche Paar ist und wann das ganze stattfindet?“

Er zog einen Wochenplaner heran und blätterte ihn durch.

„Nächsten Monat, am sechsten und siebten November. Und das Paar sind Dafne von Südafrika und Joan, Lord von Norwegen.“ - ich erstarrte bei diesen Namen - „Weniger also etwas wirklich Interessantes, als vielmehr eine Pflichtübung.“

Ich schluckte hart, was er jedoch nicht bemerkte. Joan war vergeben? Wie konnte das sein? Er war doch derjenige, der…

Ich griff an meine Uhr. Augenblicklich überkam mich der Impuls sie mir abzureißen und davon zu werfen, doch natürlich tat ich es nicht…

Wie nur konnte das sein?

Er würde doch nicht mein Stalker sein, wenn er bereits verlobt war, oder?

Er würde doch nicht hinter mir her sein, wenn er eine Frau hatte!

Früher war es so gewesen, dass eine Tochter einfach verheiratet wurde, ob sie und ihr Mann Gefühle hatten oder nicht. Doch heute war es anders. Und Joan war sein eigener Herr! Er hatte keinen Vater mehr, der ihm Vorschriften machte, er musste sich seine Braut also eigenständig ausgesucht haben.

Daher käme er doch niemals auf die Idee sie zu heiraten, wenn er mich wollte…

Und das hieß dann…

„Hey“

„Hm?“, murmelte ich Gedanken verloren.

„Ist dir schlecht? Du bist so weiß im Gesicht.“

„Nein, alles in Ordnung… Was hast du noch mal gesagt?“

„Ich wollte nur wissen, ob ich ihm sagen soll, dass ich eine Suite brauche oder nicht.“

Ich wusste nicht recht, was er von mir wollte. Über was haben wir eigentlich gerade geredet gehabt?

Die Hochzeit, ja, klar…

Ich schüttelte den Kopf um ihn wieder zu bereinigen und nickte dann.

„Ja, klar, was immer du magst.“

Er nickte zustimmend.

„Dann komm, deine Programme installieren sich auch von alleine.“

„Und wohin wollen wir?“, fragte ich desorientiert und stand mit ihm auf.

„In die Vorlesung. Ich habe mir die Freiheit genommen deinen Pflichtstundenplan und damit auch deinen Stundenplan für dieses Semester anzupassen, damit es mit deinen Arbeitszeiten übereinkommt. Einige Kurse musst du nicht belegen, die bringe ich dir während der Praxis bei. Du bekommst von mir, wenn du dich gut anstellst, am Ende deines Studiums über sie einen Schein, dass du bestanden hast. Die Übriggebliebenen teilst du dir bitte gut über die drei Jahre auf. Mach nicht alles auf einmal, damit du auch Zeit zum Arbeiten hast.“

Irritiert folgte ich ihm hinaus und verabschiedete mich mit einem kurzen Gruß bei Jaken.

„Meine Kurse wirst du im Laufe der Zeit alle belegen und heute ist der Erste.“

Irgendwie kam ich mir nach meinen anfänglichen Höhenflügen auf einmal verloren vor…

Gangs Annäherung und ihre Folgen

Als er den gigantischen Vorlesungssaal betrat richteten sich alle Augenpaare auf ihn. Es gab Studenten, die andächtig ihre Gespräche unterbrachen, um ihren obersten Fürsten genauer zu betrachten, andere dämpften ihre Stimmen lediglich. Ich kam mir verloren vor, als ich hinter ihm her zum Pult dackelt. Meine Paranoia schlug mal wieder durch, ich dachte alle würden mich beobachten und vermutlich war das in diesem Moment sogar die Wahrheit. War ich auch vorher kaum jemanden an dieser Universität aufgefallen, so war ich es jetzt. Verlegen drehte ich, am Pult angekommen, meinen Rücken zu ihnen und sah Sesshoumaru dabei zu, wie er in aller Seelenruhe seinen Order auf dem Tisch ablegte. Er schlug ihn gerade auf, als sich drei Studentinnen näherten. Er nahm sie gar nicht war – wobei wahrscheinlicher war, dass er sie einfach ignorierte – und kramte weiter. Ich sah ihnen eine Weile entgegen, wie sie sich vorsichtig immer näher tasteten, aber sich auch nicht wirklich zu trauen schienen, ihn anzusprechen. Zu Beginn noch als geschlossene Gruppe, gingen sie nun in einen Gänsemarsch über, wobei sich zwei hinter einer versteckten, die offensichtlich eigentlich nach ganz hinten wollte.

Ich starrte sie an. Es war mir nicht mal aufgefallen, doch als sie es bemerkten stockten sie.

Warum wurden sie kalkweiß? Ich zog die Augenbrauen zusammen.

„Mein Herr?“, flüsterte ich. Wir hatten ausgemacht, dass ich ihn in Gegenwart anderer nicht mehr zu duzen hatte und seinen Namen nennen war schon gar nicht drin.

Er hatte inzwischen offensichtlich gefunden, was er gesucht hatte, richtete die Blätter in seiner Hand und sah mich ausdruckslos, nahezu kalt an.

Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich das sah, doch nickte schließlich in die Richtung der Mädchen.

Mehr oder weniger desinteressiert wandte er den Kopf halb zur Seite und blickte sie aus dem Augenwinkel heraus an.

Vor Angst erstarrt und mit mehr Respekt, als für ihre klopfenden Herzen gesund war, sahen sie zu ihm auf. Wenn sich die Erde auftun sollte um sie zu verschlingen, dann bitte jetzt! … Genau das war es, was man in ihrem Blick ablesen konnte.

Während die Szenerie vor der gigantischen Tafel scheinbar zu Eis gefror wurde es immer ruhiger im Raum. Jeder beobachtete gebannt das Geschehen. Und vermutlich schrieb bereits die Hälfte der Zuschauer die Rede, die sie bei der Beerdigung der Mädchen vortragen wollten.

Ich war die erste, die sich bewegte. So vollkommen aus der Rolle aller Anwesenden fallend war ich es, die nun die Aufmerksamkeit der Studenten bekam. Im Augenwinkel bemerkte ich, wie Synchron die vordersten Reihen ihre Köpfe in meine Richtung drehte.

„Ich glaube…“, sprach ich leise, doch viel zu laut in diesem Moment. „… dass ihr sprechen sollt.“

Sesshoumarus Kopf bewegte sich und ich spürte, wie der Raum den Atem anhielt. Vorsichtig schielte ich hinauf. Lediglich seine Augen waren auf mich gerichtet.

Schon wieder diese Gänsehaut. Gott, wie konnte er sich von jetzt auf gleich so sehr verändern? Wenn wir alleine waren, dann war er warm wie ein Freund, ich dachte ich könnte ihm alles sagen und hier… hier wirkte er wie… eine Bestie, wie ein Dämon allzeit dazu bereit zu töten – wahllos, wann auch immer es ihm beliebte.

Doch nichts geschah. Er atmete ein und reckte den Hals noch erhabener, als er die Augen wieder auf sie legte.

Das Kinn der vordersten der Studentinnen zitterte leicht.

Angst und Macht, das war es, worauf seine Herrschaft ausgelegt war. Und machtvoll war er, vermutlich der mächtigste Dämon, der je gelebt hatte.

Eine kleine Flamme von Stolz glomm in mir auf. Ich war die Einzige, die er mit etwas behandelte, dass man vielleicht als ebenbürtig bezeichnenkonnte.

Warum? Das konnte ich mir nicht erklären. Doch vielleicht hatte ich ihn ja mit meinem Verhalten damals einfach nur beeindruckt. Keiner wagte es in seiner Gegenwart den Mund zu öffnen, Beziehungsweise das Wort an ihn zu richten – und schon gar nicht gegen ihn!

Nur ich.

Ich hatte es getan.

Ich hatte mich getraut.

War das der Grund, warum er mich behandelte, wie er es eben tat?

War er so etwas wie… beeindruckt?

Ich hing noch einige Sekunden diesem Gedanken nach, da fand das Mädchen endlich ihre Stimme. Vermutlich – da ich für ihn geredet hatte – dachte sie nun einfach an mich als Gesprächspartner.

„Mein Herr, wir… Also wir sind Geschichtsstudenten. Wir schreiben eine Semesterarbeit über die Geschichte des Aufstiegs Eurer Familie, mit speziellem Augenmerk auf Euren Vater. Es ist schwer an geeignetes und vor allem glaubwürdiges Material zu kommen, darum dachten wir, vielleicht könntet ihr uns ja etwas erzählen über ihn… und über Euren Sieg, wie Ihr den Thron zurück erlangt habt.“

Erneut kehrte Stille ein.

Ich sah hinauf zu Sesshoumaru, er sah zu mir hinab.

Wartete er darauf, dass ich etwas sagte? War es das? Wollte er, dass ich für ihn sprach?

Ich fühlte mich vollkommen überfordert.

Wie sollte ich in seinen Kopf gucken? Ich war doch kein Hellseher!

Woher sollte ich wissen, wie sein Leben verlaufen war?

Er hatte mir nie davon erzählt… War das die Antwort?

Er wendete den Blick von mir ab und trat an das Pult vor sich heran. Er begann nicht zu reden, kritzelte nur irgendwas auf einen Zettel.

Vorsichtig ging ich um ihn herum und damit auf die Mädchen zu.

„Der Meister redet nicht über sich selbst.“, was eine Aussage! Als ob das nicht offensichtlich gewesen war. „Mit Niemandem. Ihr werdet mit dem zurechtkommen müssen, was in der Bibliothek zu finden ist.“

Erschrocken zog ich den Kopf zurück. Ein kleiner weißer Zettel schob sich in mein Blickfeld. ‚Bibliothek – Geschichte 27S; Biographien 74I; Kultur 31F‘.

Ich nahm ihn an.

„Ich schätze…“, murmelte ich – er hätte mich schon unterbrochen, wenn ich falsch lag. „… hier findet ihr alles was nötig ist um den Kurs zu bestehen.“

Plötzlich hellten sich die Gesichter der Mädchen auf. Vermutlich waren sie erleichtert darüber, dass ihre Tortur nun zu Ende war.

„Vielen Dank!“, bedankte sich die Hinterste artig und alle drei verneigten sich. Ob vor mir oder unserem Fürsten kann ich bis heute nicht sagen, doch vermutlich eher vor mir, da Sesshoumaru sich schon wieder abgewandt hatte und etwas auf den Blättern verewigte, die er zuvor aus seinen Unterlagen gezogen hatte.

Ich sah ihnen nach, wie sie förmlich davon flogen… und in die Gesichter meiner Kommilitonen. Augenblicklich wurde mir schlecht. Dort, am Rand, da saßen Gang, Len und Alexia, genau in dieser Reihenfolge. Himmel hatte ich mich blamiert! Ich wollte gerade reumütig die Stufen zu ihnen hinauf erklimmen und mich in dem harten Stuhl neben Alexia vergraben, als ein herrischer Ton, tief und angsteinflößend, voller unbändiger Macht, durch den Raum brach. Ich erkannte meinen Namen.

Erschrocken wirbelte ich wieder herum. Da stand er, mir zugewandt, anders als bei den anderen Studentinnen. Als er meine Aufmerksamkeit hatte reichte er mir die Blätter, die er zu Beginn gesucht hatte.

Mir fiel wieder ein, warum ich eigentlich hinter ihm an das Pult getreten war. Er wollte mir meinen Stundenplan und die Liste meiner Pflichtkurse geben. Doch mit fiel etwas anderes auf. Etwas kleines, in der oberen Ecke des Stundenplans. Dort stand ‚bestanden‘, scheinbar war er zufrieden mit mir.

Ich lächelte kurz.

„Danke“, nickte ich ihm zu, doch er wandte sich ab.

„Such dir einen Platz.“

Mit diesem letzten Befehl machte ich mich auf, die Stufen hinauf, und ließ mich neben Alexia nieder, die mich in einer Mischung von Unglauben und Überraschung ansah.

Vorn begann Sesshoumaru zu sprechen. Seine Begrüßung fiel anders aus als die der restlichen Dozenten, um nicht zu sagen: Nach fünf Minuten Erläuterung über die Vorgehensweise bei der Klausurenqualifikation, begann er bereits mit seinem Unterrichtsstoff.

Nähere Fragen wagte sich allerdings niemand zu stellen…
 

„Das war gespenstisch…“, murmelte Alexia. Erst als Sesshoumaru den Saal verlassen hatte wagte man es sich wieder, sich zu bewegen und die Sachen zu packen.

„Du scheinst einen positiven Eindruck auf unseren Fürsten gemacht zu haben.“, bemerkte auch Gang.

Ich lachte kurz.

„Um ehrlich zu sein bin ich mehr froh darüber aus dieser Situation mit meinem Kopf heraus gekommen zu sein. Diese aggressive Ignoranz gerade… Es ist vielleicht dumm von mir das zu sagen, aber beim Arbeiten ist er nicht so.“

„Wie ist er dann so?“, fragte Alexia.

„Anders eben. Heute Morgen hat er sich sogar darüber amüsiert, dass ich mir den Kopf am Tisch gehauen habe, als ich aufstehen wollte.“, ich trat aus der Bankreihe heraus, um nun auch Len mit einer kurzen Umarmung zu begrüßen. Gang kam ebenfalls mit ausgestreckten Armen auf mich zu, doch Lens Begrüßung brachte mich voll aus der Fassung – und vermutlich ihn auch: „Wer weiß, was du unter dem Tisch getan hast.“, gab sie zu bedenken und drückte mich einmal kurz.

Sie marschierte voran, Alexia sah erst mich an, dann hopste sie schon hinter ihr her in die davon strömende Menge hinein.

„Len?“, fragte ich irritiert und versuchte ihnen durch das Gewirr hinterher zu kommen. Der Mops folgte mir einfach.

Ich holte sie schließlich vor dem Saal ein, wo sie sich gerade zur Mensa umwandten.

„Hey, Len!“, ich schloss auf. „Hast du was?“

„Nein, wieso?“

„Weiß nicht, das klang gerade so gereizt!“

„Nein, da hast du dich verhört.“, sie nahm sich ein Tablett – die Schlange vor der Essensausgabe war noch nicht so lang.

Sie schwieg, ich schwieg, wir alle schwiegen.

„Du scheinst den Fürsten ja schon richtig zu kennen, was?“, fragte sie, doch erwartete keine Antwort.

Ich seufzte.

„Was soll das denn jetzt?“, warf ich stattdessen zurück. Ruckartig fuhr sie herum.

„Ach, du schnallst aber auch gar nichts! Halt einfach die Klappe!“, ihre Augen glühten förmlich voller Wut. Irritiert sah ich ihr dabei zu, wie sie – nicht ohne zu knurren und ohne den Blick von mir zu nehmen – sich wieder herum drehte und im rüden Ton der Frau hinter dem Tresen entgegen bellte, was sie haben wollte.

Mir blieb nur ihren Hinterkopf anzustarren… und zu folgen, als auch ich endlich mein Mittag hatte.

Missbilligend sah sie auf, als sie merkte, dass ich mich zu ihnen an den Tisch setzte, sagte jedoch – vorerst – nichts.

„Wie hast du dich inzwischen eingelebt? Abgesehen davon, dass du den begehrtesten Job des Campus bekommen hast?“, das war Gang, bemüht die Stimmung wieder aufleben zu lassen.

„Und ich will nicht wissen wie!“, murmelte Len von der Seite.

„Sag mal was ist dein Problem?“, schrie ich sie mit einem Mal an und ließ meinen Löffel in meine Suppe klatschen, dass es nur so spritzte.

„Das frag ich dich!“, brüllte sie zurück. Unter den Augen aller Anwesenden sprangen wir beide auf und funkelten uns angriffslustig an. „Hast du eigentlich nichts Besseres zu tun, als mir hinterher zu rennen?“

„Was?“, irritiert zog ich den Kopf ein. „Was hab ich dir denn bitte getan?“

„Was du getan hast?“, sie schnaubte. „Du bist eine verdammt beschissene Freundin! Verschwinde endlich!“

Ich sagte nichts mehr, zog nur die Augenbrauen zusammen. Was zum Geier war eigentlich in sie gefahren?

In mir brodelte alles und obwohl ich am liebsten mein heißes Essen über sie gegossen hätte, ballte ich nur ein paar Mal die Hand zur Faust und griff dann nach meinem Tablett.

Ohne noch etwas zu sagen verschwand ich.

Gott war ich schwach. Nicht einmal an solch einer Stelle konnte ich mich behaupten. Ich schluckte einfach nur das was sie sagte ohne ein Kommentar dazu abzugeben.

Wie stand ich denn jetzt da?

Was würden die anderen Denken?

Mir wurde schlecht. Mein Gesicht lief mal wieder rot an und ich senkte den Kopf soweit es ging. Warum starrten mich nur auf einmal alle an?

Ich brachte mein nicht mal richtig angerührtes Essen zu einem Rollband, dass das leere Geschirr entgegen nehmen sollte, und hechtete aus dem Gebäude. Ich achtete nicht auf den Weg und stieß mit einem zierlichen Rücken zusammen.

Das Mädchen, das ich anrempelte schrie erschrocken auf, konnte sich aber gerade noch so an einer ihrer Begleiterinnen festhalten.

„Oh, bitte entschuldige, ich habe dich nicht gesehen!“, erklärte ich ihr mit zittriger Stimme, gluckste aber leise in der Hoffnung, so die Situation überspielen zu können.

Sie wollte irgendwas sagen, doch es blieb ihr im Hals stecken bei dem Anblick meiner mit Suppe versauten Bluse. Ich wollte gerade wieder gehen, da hielt sie mich schnell am Ärmel fest.

„Warte mal!“, ich sah zurück. Ich wusste ich würde keine weitere Schimpftirade ertragen, nicht heute. Mir war so schon schlecht genug.

„Du bist doch Myleen, oder nicht?“

Überrascht sah ich auf und erkannte die drei Studentinnen vor mir. Ich hatte vor knapp zwei Stunden Sesshoumarus kaltes Verhalten für sie versucht zu übersetzen.

„Ja?“, fragte ich vorsichtig.

„Ist… ehm… alles in Ordnung?“, fragte sie weiter und sah mich eindringlich an, die anderen beiden betrachteten eher geschockt mein vor wenigen Augenblicken ruiniertes Outfit.

„Ja, es geht schon, danke.“

Sie presste die Lippen zu einem schmalen Schlitz zusammen.

„Bist du sicher?“

Ich nickte.

„Ja, wirklich.“

„Dann… möchte ich dir gerne von uns dreien noch mal danken.“, sie zeigte auf sich und ihre Freundinnen. „Also dafür, dass du uns da vorhin den Kopf gerettet hast. Ich bin übrigens Chiyo und das sind Bara und Yuzuki. Die drei Geschichtsstudentinnen, weißt du noch?“

„Natürlich, die Situation war zu bizarr, um sich nicht zu erinnern.“

„Warum kommst du nicht mit? Bara hat hier ein Zimmer im Wohnheim, da kannst du dir schnell was von ihr anziehen und dann kommst du einfach mit uns mit und versuchst es mit dem Essen noch einmal, der erste Versuch scheint ja danebengegangen zu sein.“

Ich lächelte. Irgendwie bauten mich die drei wieder auf, ich weiß nicht wie, aber sie taten es.

„Danke, aber das muss nicht sein. Ich wohne selbst hier. Ich ziehe mich um und dann gehe ich wieder an die Arbeit. Ich habe noch viel zu tun heute.“

Chiyo nickte verstehend.

„Gut dann… sieht man sich vielleicht auf dem Hof? Oder in der Bibliothek, da kannst du uns immer finden, wenn du uns suchst.“

Ja, jetzt ging es mir definitiv wieder besser.

„Danke“, sagte ich noch einmal, mehr wusste ich nicht zu antworten, drehte mich einfach mit einem letzten Gruß wieder um und lief davon in mein Apartment.
 

Spät abends, die Sonne war bereits untergegangen, saß ich bereits seit Stunden an meinem Schreibtisch vor meinem Computer, tippte lustlos in die Tasten und surfte durch das Internet. Mein Tag war mit dem Mittag hinüber gewesen. Mein Glück war, dass Sesshoumaru nicht mehr auf mich wartete. Ich war nur noch einmal kurz dagewesen um meinen PC fertig zu machen, doch er war nicht dort, also hat Jaken mich danach wieder gehen lassen.

Nun saß ich in meinem Zimmer. Hatte nichts zu tun und war irgendwie müde, aber die Gedanken des Tages ließen mir einfach keine Ruhe…

Ich starrte den Strauß Blumen an und die Schachtel der Uhr, in die ich selbige zurückgetan hatte.

War ich doch zu übereilt dabei gewesen zu sagen, dass es mir hier besser ging?

Ich hatte mich mit Len überworfen, hatte niemanden zum Reden, war vollkommen allein und wusste nicht wohin mit mir… und wenn das alles nicht genug war, dann war da ja immer noch dieser Typ, der mich verfolgte. Zugegebener Maßen hatte ich, während ich außerhalb meiner Wohnung war, nicht mehr viel an ihn gedacht, um nicht zu sagen gar nicht, doch nun, da der Tag auf mich nieder stürzte war er wieder da.

Was sollte ich nur tun?

Normal sagte ich mir immer: Nicht reagieren, die hören von allein wieder auf! Aber traf das hier auch zu?

Sollte ich vielleicht jemandem davon erzählen?

Und wenn es sich nun wirklich um einen Stalker handelte, konnte er mir dann nicht gefährlich werden? Immerhin schien er ohne Probleme in meine Wohnung zu kommen.

Während ich so meinen Gedanken hinterher hing klopfte es an der Tür.

Ich fuhr zusammen vor Schreck und wirbelte herum, doch es blieb bei dem einen Mal. Schließlich erhob ich mich und ging hinüber. Unachtsam öffnete ich die Tür und blickte augenblicklich in einen großen Strauß voller Rosen.

Irritiert blinzelte ich, dann noch mal und noch mal, und dann nahm mein Besucher das riesen Bündel endlich herunter und ich konnte ihn sehen… Gang.

Innerlich seufzte ich nicht nur, sondern schrie frustriert auf. Der hatte mir zu meinem Übel noch gefehlt!

„Hallo Prinzessin, mit Euch hätte ich ja nun gar nicht gerechnet!“, erklärte er. Vermutlich sollte es charmat witzig sein, doch ich fand es peinlich. So peinlich, dass ich wieder grinsen musste. Vielleicht ein Fehler, er konnte es falsch interpretieren.

„Hi Gang, was gibt’s?“

„Nicht viel“, flötete er, dann lächelte er mich eine Weile liebevoll an.

„Hier“, er reichte mir den Strauß. „Die sind für dich.“

Ich nahm sie an, höflich wie ich war, doch ich wusste nicht recht was ich damit anstellen sollte.

„Dank dir!“, sagte ich also einfach. „Die sind wunderschön…“

Waren sie tatsächlich. Für denjenigen, der sie mir schenkte, konnten sie ja nichts.

„Aber eigentlich habe ich gar keine Vase mehr, nur eine und die ist schon voll…“

„Ha, das dacht ich mir! Darum…“, er zauberte hinter dem Rücken eine großbauchige Glasvase hervor. „Tada!“

Ich gluckste kurz.

„Wow, das ist wirklich…“, ich nickte und nahm sie an. „Danke schön!“

Ich stellte den Strauß in sie hinein und hob sie dann ratlos mit beiden Händen verlegen hoch, als wäre sie eine Trophäe.

Es war einige Sekunden still. In der Zeit verschränkte er die Finger hinter seinem Rücken – falls er das hinbekam – und schwang auf Hacken und Zehen vor und zurück.

„Ja, ich dachte mir ich muss schon mit so was Großem hier ankommen, wenn ich dich frage, ob du mit mir was trinken gehen willst.“, erklärte er schließlich den Grund für sein Erscheinen. Mein Dämon jaulte auf und verzog sich mit eingekniffenem Schwanz in die hinterste Ecke seiner imaginären Hundehütte.

Ich seufzte und lächelte entschuldigend.

„Tut mir leid, Gang, aber ich habe wirklich so gar keine Laune für so etwas heute. Mein Tag war die reinste Hölle…“

„Ja, ich weiß, ich war dabei…“

„Ach, du meinst du weißt wie mein ganzer Tag war?“, fragte ich belustigt. Er lachte abwehrend.

„Nein, das nun nicht, ich bin ja kein Stalker oder so!“, er lachte – und schon musste ich wieder an meinen denken. „Aber wenn du willst, dann hör ich dir gerne zu! Bei einem eiskalten Getränk vielleicht?“

Ich atmete noch einmal durch.

„Ich weiß nicht“, maulte ich.

„Komm schon, ich beiße nicht, versprochen!“, er zwinkerte mir zu, sodass ich wieder lachen musste. „Na komm, lass dich überreden, ich weiß da eine richtig gute Bar in der Stadt und danach bringe ich dich wieder her, versprochen.“

Ich blickte ihn an.

Ich wollte nicht, aber irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken jetzt "nein" zu sagen.

Warum war ich nur so leicht zu überreden? War meine Persönlichkeit wirklich so schwach?

„Na gut“, gab ich also nach. „Einen Moment nur, ja? Ich muss den hier Wasser geben!“, damit machte ich einen Schritt beiseite um die Vase zu füllen und stellte das Gefäß dann zu dem anderen Strauß auf den Schreibtisch, ehe ich mit ihm mit ging.

Was danach alles geschah weiß ich nicht mehr. Ich muss gestehen, dass meine Zeit mit ihm an diesem Abend einfach weder aufregend, noch wirklich interessant war. Ich nahm es einfach als willkommene Abwechslung an, aber im Endeffekt hätte ich vermutlich selbst mit dem Umschubsen von Reissäcken meine Zeit sinnvoller verschwendet.

Wir fuhren mit seinem Auto in die Stadt, besuchten dort eine kleine, doch stark besuchte Bar in der wir zu dieser späten Stunde gar nicht mehr auffielen – Gelobet sei die japanische Vorliebe für Verkleidungen! – und am Ende winkte er eine Kellnerin heran um zu bezahlen.

Ich lachte über irgendetwas, das er sagte, als sie kam und eine Rechnung hinlegte.

„Getrennt oder zusammen?“, fragte sie fachmännisch und lächelte mich an.

„Getrennt“, verkündete ich und zückte bereits mein Portmonee um meine zwei Cocktails zu bezahlen, als Gang mir dazwischen fuhr.

„Ach was, ich hab dich doch eingeladen!“, meinte er nur und langte über den Tisch, um meinen Arm am Handgelenk zurück zu schieben.

„Nein, wirklich, ich zahle meins selbst.“, versicherte ich.

„Was wäre ich für ein Gentleman, wenn ich das zuließe?“

Er sah mich mit einem Blick an, der mir gar nicht gefiel. Ich war mir sicher, dass es nicht umsonst sein würde. Er wollte etwas haben, etwas von mir.

Doch ich konnte nicht widersprechen, er würde solange nerven, bis ich nachgab. Nachdenklich sah ich ihn an.

„Na gut…“, meinte ich nur.

„Ja?“, fragte die Kellnerin, die mein Missfallen definitiv eher mitbekommen hatte als er.

Ich nickte nur, also zahlte er großzügig und wir verließen die Bar.

Schweigend lief ich neben ihm her zu seinem Auto.

„So und was machen wir jetzt?“, fragte er, doch seine Stimme klang zu sicher, als das die Frage wirklich hätte ernst gemeint sein können.

„Du wolltest mich nach Hause fahren, weißt du noch?“, fragte ich grinsend.

„Meinst du wirklich? Jetzt noch? Meine Wohnung ist hier die Straße runter. Du kannst mit zu mir kommen und morgen nehme ich dich dann mit zur Uni.“

Ich schüttelte nur den Kopf.

„Nein, wirklich, ich will lieber heim, ich bin wirklich müde.“

„In meinem Bett kann man auch gut schlafen.“, stellte er nur grinsend fest.

In dem Moment verschwand mein Lächeln während er weiter lachte.

„Hör mal, Gang. Ich hab schon gehört, dass Len versucht uns beide zu verkuppelt, aber das klappt nicht.“

Er hatte mir zugehört, als ich zu reden begann, doch nun gluckste er noch einmal auf.

„Warum? Hattest du keinen Spaß heute? Ich dachte es hat dir gefallen und die Blumen auch.“

„Schon, aber – Entschuldige wenn ich das so direkt sage – du bist einfach nicht mein Typ! Du… passt nicht in mein Beuteschema.“

Er sah mich eine Weile an.

„Entschuldige Gang, wenn ich dir Hoffnung gemacht hab, aber… Tut mir leid, ich kann es mir einfach nicht vorstellen.“

Er schwieg weiter.

„Wenn du mich also nicht nach Hause bringst, dann werde ich mich jetzt allein auf den Weg machen.“

Nun nickte er endlich, so wie auch ich.

„Alles gut?“, fragte ich ihn und er mimte weiter den Wackeldackel.

„Dann sehen wir uns morgen?“

Er atmete einmal tief durch, führte seine Kopfbewegung weiter fort.

Ich sah ihn noch kurz an, irgendwie tat er mir nun doch leid, doch dann wandte ich mich ab und war im nächsten Moment von seiner Seite verschwunden. So rannte ich durch die Stadt zurück zur Festung.

Es war eine kleine Angst, die meinen Heimweg begleitete, doch selbst wenn Gang mich verfolgt hätte, dann wäre ich schneller gewesen. Denn wie auch bei Menschen hätte ihm sein Gewicht einen Nachteil mir gegenüber verschafft. Ich kam so also ohne Zwischenfall durch das Tor, wo die Security mich kontrollierte, und ging ohne Bedenken zu meinem Zimmer…

Ich kramte nach dem Schlüssel, als ich den Flur erreichte, trat an die Tür heran und …

Mein Herz setzte aus. Schock vernebelte meine Sinne.

Meine Tür stand einen Spalt breit auf, obwohl ich mir sicher war, dass ich sie hinter mir nicht nur geschlossen, sondern auch verriegelt hatte.

Ich sah mich um, niemand war zu sehen, also stupste ich sie mit einem Finger vorsichtig auf.

Und erschrak noch einmal.

Meine Küchenschränke waren aufgerissen, Geschirr war auf dem Boden zerschellt, Töpfe und meine eine Pfanne lagen in der Gegend herum.

Erst dachte ich an ein Erdbeben, doch das war unmöglich. In der Stadt war nichts zu spüren gewesen…

Ich ging tiefer hinein und schaltete das Licht ein.

Alles war kaputt. Mein Bett zerschlagen, ebenso wie Schrank und Schreibtisch, mein Laptop lag in seinen Einzelteilen auf dem Boden…

Besonders die neue Vase und die Rosen von Gang – Letztere waren zerfetzt worden – hatte es erwischt. Die Splitter und Blätter lagen überall im Zimmer, in jeder Ecke schienen sie zu sein. Lediglich die Geschenke meines Stalkers waren unversehrt geblieben.

Fassungslos sah ich mich um.

Doch nichts in dieser Wohnung konnte die Wand über meinem Bett toppen.

Ich wusste nicht womit er - der Einbrecher - es getan hatte, doch in dem massiven Stein war eine klare Botschaft eingemeißelt: Trenne dich, oder ich töte ihn!

Das Versprechen

„Oh mein Gott!“, brachte Alexia entsetzt hervor und watete mit ihren Pantoffeln über die Glassplitter in meinem Zimmer hinweg. Vorsichtig kam ich hinter ihr her. Es widerstrebte mir zutiefst dieses Apartment zu betreten.

Nach meiner Entdeckung war ich zu ihr gelaufen, hinter den Fenstern neben ihrer Tür war noch Licht an, daher dachte ich, dass die auf jeden Fall noch wach gewesen war.

Sie hatte über ihren Aufzeichnungen von Sesshoumarus Vorlesung gesessen und versucht sie zu lernen – Nachts ging das am Besten, da es ruhiger war als am Tag – und hatte mich für bekloppt erklärt, als ich vollkommen aufgelöst in ihr Zimmer gefallen war.

Doch nun sah sie es selbst und das Entsetzen in ihren Augen verdeutlichte mir nur eines: Ich war definitiv nicht verrückt. Das hier geschah wirklich.

Ich folgte ihr weiter nach hinten, wo sie sich neben die Reste meines Laptops hockte.

„Wie krank muss einer sein…?“, flüsterte sie.

„Der war neu.“, murmelte ich nur zurück.

Alexia schüttelte den Kopf bei dem Anblick der zerfetzen Stoffe und Blüten auf dem Boden.

„Also bis zu der Uhr war es ja noch… annehmbar, aber das? Der Kerl ist gefährlich, Leenchen, du musst jemandem davon erzählen!“

„Ich weiß, das habe ich jetzt auch verstanden.“

Sie folgte meinem Blick, der auf die Wand gerichtet war.

„Du heilige Scheiße… der Kerl ist nicht nur gefährlich, der ich vollkommen krank und mordlustig und…“, sie rede nicht weiter. Panisch zog sie ihr Handy hervor, das sie selbst jetzt, wo sie nur ihren rosa Pyjama mit Mini Maus drauf trug, bei sich hatte.

„Wen rufst du an?“

„Die Campussecurity!“, damit hielt sie sich das Ding schon ans Ohr und wartete. „Ja? Ja hallo, mein Name ist Alexia Wilson. Ich bin hier im neuen Trakt des Wohnheims in dem Zimmer von Prinzessin Myleen von Großbritannien. Kommen sie bitte sofort her, hier wurde eingebrochen und alles ist demoliert!“

Sie hörte noch kurz zu, dann legte sie ohne ein weiteres Wort auf.

Ich senkte den Kopf und knetete meine Stirn.

Warum das nur alles? Warum passierte mir das? Ausgerechnet mir?!

Alexia betrachtete mich eine Weile, dann kam sie zu mir rüber und legte mir aufmunternd einen Arm um die Schulter. Leicht drückte sie mich an sich und strich mir über den Kopf.

Dann brach auch schon eine heillose Unruhe aus. Gleich zwei Männer und eine Frau der Security platzten in mein Zimmer und sahen sich ebenso schockiert wie wir es gewesen waren um.

Während die Männer den Schaden in Augenschein nahmen trat die Frau auf mich zu.

„Was ist hier geschehen?“, fragte sie hart, doch in keiner Weise vorwurfsvoll.

„Ich kam gerade nach Hause, als ich das hier so vorfand.“

Sie nickte und besah sich den Schaden. Ihr Blick viel auf das einzige, das noch intakt in diesem Zimmer war: Der erste Blumenstrauß, den ich bekommen hatte, in meiner eigenen Vase und die Uhr auf ihrem Etui… Hatte ich die heute Mittag nicht dort hinein gepackt? Warum war sie wieder draußen?

Er musste es getan haben…

„‚Trenne dich, oder ich töte ihn!‘ Wo ist Euer Freund, Prinzessin?“

Ich schüttelte den Kopf ehe ich antwortete.

„Ich habe keinen. Ein… Bekannter war heute hier und hat mir einen Strauß Rosen gebracht und mich auf ein paar Drinks eingeladen… Ich bin mitgefahren, um auf andere Gedanken zu kommen, aber sonst war da nichts. Und als ich wieder komme ist meine Wohnung in Einzelteile zerlegt und das dort steht an der Wand!“, mit jedem Wort wurde ich panischer, steigerte mich regelrecht hinein und hyperventilierte, als ich zu sprechen aufhörte. Alexia hielt mich einfach nur fest.

„Aber wir glauben seit ein paar Tagen, dass sie einen Stalker hat.“

„Seit ein paar Tagen?“, fragte die Frau irritiert, die Männer sahen nun auch verblüfft auf.

„Ja es begann am… Montag glaube ich, da wurden hier diese Blumen für mich abgegeben.“

„Stimmt, die habe ich her gebracht.“, bestätigte einer der Männer.

„Von wo kamen sie?“, verlangte die Frau herrisch zu wissen.

„Ich weiß es nicht. Auf einmal stand ein Lieferjunge aus der Stadt vor mir und meinte er solle sie zu Myleen Carter bringen. Weil er ein Mensch war, schickte ich ihn wieder fort und habe nachgesehen wer diese Miss Carter ist, gefunden habe ich die Prinzessin, also brachte ich ihr den Strauß.“

„Am Dienstag fand ich dann diese Uhr dort auf meinem Schreibtisch…“

Die Frau ging zu ihr hinüber und betrachtete sie kurz, jedoch ohne sie anzufassen. Es war, als kannte sie sie.

Sie schwieg eine Weile. Die Männer sahen von der Uhr zu ihr auf, einer murmelte: „Und heute geschah das.“, dann erst wandte sie sich wieder an mich.

„Was ist am Montag alles passiert?“

Ich atmete einmal tief durch und dachte nach, doch dabei hob ich den Kopf und sah wieder das Chaos um mich herum. Ich musste mich zwingen den Blick von dem Geschriebenen an der Wand weg zu drehen.

„Vormittags haben ich und Len von Korea ihr den Campus und die nähere Umgebung gezeigt. Gegen Mittag waren wir dann in der Stadt, um noch einige Dinge zu kaufen, die sie dringend brauchte, wie die Töpfe hier auf dem Boden.“, erklärte Alexia für mich.

„Ich habe mit den beiden den ganzen Nachmittag verbracht. Um Sechs Uhr war ich zu einem Vorstellungsgespräch bei unserem Fürsten…“

Einer der Männer richtete sich gerade auf, als er einatmete. Mein Blick schnellte zu ihm. Irgendwas hatte sich in seiner Mimik verändert.

„Und am Dienstag?“

„Am Dienstag da…“, ich dachte nach.

„Da war doch das mit dem Zettel!“, bemerkte Alexia.

„Ein Zettel?“

„Ja, wir saßen in einer Vorlesung und auf einmal flog ein Zettel quer über die Bänke gegen ihren Kopf. Ich habe eine Weile gebraucht, ehe ich ihn aus ihren Haaren gefischt hatte. Wir dachten erst es wäre nichts, aber darauf stand: Ich bin nicht Gang!“

„Gang?“

„Gang ist der chinesische Prinz“

„Ich weiß, der Mops, eine seltsame Person.“

Diese Aussage der Frau brachte mich zum Glucksen.

„Wir dachten die Blumen wären von ihm.“, meinte Alexia weiter. „Naja danach haben wir uns von den anderen Abgesetzt und eine nicht stattfindende Veranstaltung vorgeschoben.“

Nun ergriff ich wieder das Wort: „Ich bekam nach der Vorlesung wieder einen Anruf von Jaken-sama. Er hat mich unverzüglich zu Sess… ich meine zu unserem Fürsten bestellt.“

Die Frau zog die Augenbrauen zusammen. Vermutlich hatte sie durchaus bemerkt, dass ich beinahe den Namen unseres Herrn vor nicht eingeweihten Personen preisgegeben hatte.

„Sie hat den Job in der Organisation bekommen.“

Das Gesicht der Security veränderte sich und sie nickten, als würde das nun alles erklären.

„Ja und danach sind wir hier her und haben die Uhr gefunden…“, ich nickte. „Und seit dem streite ich mich ständig mit Len…“

Eine Böse Vorahnung stieg in mir hoch, doch Alexia schüttelte sie sofort wieder ab.

„Len? Len hat mit der Sache nichts zu tun, das kannst du mir glauben.“, erklärte sie. „Glaub mir, sie hatte vorhin wirklich ein schlechtes Gewissen, nachdem du weg warst. Ganz still ist sie geworden.“

„Ihr hättet schon eher etwas sagen sollen, Prinzessin.“, verkündete die Frau.

Ich senkte den Blick.

„Wie dem auch sei. Wir brauchen hier eine Putzkolonne und Arbeiter, die die Wand wieder in Ordnung bringen.“, verkündete sie an ihre Mitarbeiter gewandt. Die zwei verneigten sich nur und liefen los. „Miss Wilson, würden sie die Prinzessin bei sich aufnehmen bis ihr Zimmer wieder hergestellt ist? Das sollte spätestens zum Ende der Woche der Fall sein.“

Alexia biss sich auf die Unterlippe.

„Es wäre nur für zwei Nächte.“, sagte ich leise zu ihr. „Am Freitagabend fahre ich mit dem Fürsten nach Tokio auf eine Vorstandsversammlung.“

Nun nickte sie.

„In Ordnung, ich glaube ich habe noch einen Schlafsack und eine Isomatte… Aber nicht, dass dieser Horror jetzt auch bei mir losgeht!“

Die Frau schüttelte den Kopf.

„Keine Sorge, ich werde mit unserem Herrn sprechen und zwei meiner besten Kriegerinnen zu Euch schicken. Sie werden ein Auge auf euch beide haben. Und wenn noch etwas ist…“, sie zog eine Karte aus einer kleinen Tasche an ihrem Gürtel hervor. „Dann ruft mich einfach.“

Ich nahm ihr die Visitenkarte ab und sah darauf. Ihr Name lautete Ritsuko. Nichts weiter drum herum, sie musste ein sehr alter Dämon sein.

„Und nun auf, ich bringe euch in euer Zimmer zurück.“
 

Ich hatte nie gedacht, dass Alexia so hervorragend mit Nadel und Faden umgehen konnte.

Wir wurden von Ritsuko in ihr Apartment gebracht und hatten dort stundenlang versucht zu schlafen. Doch obwohl keine von uns etwas sagte wussten wir doch, dass wir beide wach lagen. Keine fünf Minuten nachdem die Frau uns verlassen hatte, spürten wir bereits das Wachpersonal, dass sie uns zugeteilt hatte. Zwei Dämoninnen standen vor der Tür und achteten auf uns.

Doch bereits gegen fünf Uhr morgens an diesem verregneten Donnerstag machten wir das Licht an, dazu leise Musik und während ich versuchte uns aus ihren wenigen Vorräten ein halbwegs vernünftiges Danke-Schön-Frühstück zu zaubern, nähte sie einen Ihrer Röcke so um, dass durch das kleine Loch für ihre Blume meine Rute passte.

Vielleicht mag es nicht viel sein, doch für mich, die ich nie auch nur gewagt hatte in Betracht zu ziehen Nadel und Faden in die Hand zu nehmen, war es beeindruckend.

Ich hatte wohl Glück, dass wir beide einen recht ähnlichen Körperbau hatten, nur dass sie noch etwas kleiner war als ich und etwas zierlicher, doch ein Rock mit Gummizug und ein altes Shirt und schon konnte man es kaschieren. Ich konnte ja schlecht den ganzen Tag mit meiner Kleidung vom Vortag herum rennen, so sehr wie sie nach Rauch stank… und eine ‚dezente‘ Note ‚Gang‘ klebte auch an ihr. Ich wusste nicht, wie er es schaffte, aber ich konnte nicht verhehlen, dass selbst meine Unterwäsche wie er roch. Ich wollte die Sachen noch vor der ersten Veranstaltung in die Gemeinschaftsmaschinen schmeißen und hatte mich selbst zwei Mal geduscht und eingeseift, die Haare sogar drei Mal.

Meine Kleidung – meine letzte Bluse, meine letzte Hose und meine letzte Unterwäsche, nach der Randale in meinem Zimmer – vegetierte in einer zu geknoteten Plastiktüte vor sich hin. Meine Schuhe standen zum Auslüften vor der Tür und um Alexia zu zitieren: „Hoffentlich verklagt uns dafür keiner wegen Geruchsbelästigung.“

Das war der erste Satz, den sie nach meiner Einnistung bei sich zum Besten gab – so gegen drei Uhr morgens – und unser Eisbrecher.

„Bevor ich am Wochenende nach Tokio fahre brauche ich unbedingt neue Klamotten.“, bemerkte ich und balancierte zwei Teller zu ihr hinüber. Schnell legte sie die Nähsachen beiseite und griff danach, ich setzte mich auf den Schlafsack und die Isomatte.

Sie wollte mir zwar ihr Bett überlassen, aber ich konnt sie nicht daraus zu vertreiben. Das hier war ihre Wohnung, nicht meine, also sollte sie auch in ihrem Bett schlafen. Im Prinzip war es doch meine Schuld, oder nicht? Auch wenn ich nicht mein Zimmer demoliert hatte. Ich hatte irgendetwas getan, um einen Stalker auf mich aufmerksam zu machen und scheinbar auch noch mehr, da er solch eine Wut frei ließ.

„Wir haben eine Einkaufsstraße in der Stadt.“, erklärte sie und schlang den ersten Bissen förmlich runter um ihn mir bei ihren Worten nicht entgegen zu spuken.

„Zeigst du sie mir nachher? Normal bin ich eher jemand, der sich seine Kleidung über Onlineportale bestellt.“

Sie nickte: „Klar“, sie schob sich noch einen Bissen in den Mund. „Wir haben von zehn bis zwölf übrigens Mathe, oder?“

„Stimmt… ich glaube ich habe es noch…“

„Das verstehe ich jetzt nicht.“, sie zog den Kopf ein.

„Der Fürst hat meine Pflichtkurse angepasst und meinen Stundenplan verändert. Deswegen saß ich in seiner Vorlesung gestern. Ich glaube ich habe pro Semester nur noch… drei Kurse oder so anstatt sechs oder sieben.“

Sie riss die Augen auf.

„Boa, du Glückliche!“

Ich grinste verwegen. „Und ich muss keine Klausuren schreiben, wenn ich ihm zeige, dass ich den Stoff bei der Arbeit beherrsche.“

Sie lachte.

„Ich hasse dich.“

„Ich weiß.“, damit rutschte ich glücklich auf dem Boden herum. Es war wirklich angenehm mit jemandem zusammen zu wohnen, wenn auch nur temporär für diese zwei Tage. Aber es machte meinen Aufenthalt irgendwie vergnüglicher.

Wir aßen auf, sie nähte zu Ende und ich lieh mir Stift und Block von ihr, dann zogen wir uns an. Sie lachte sich halb schlapp, wie ich mich in ihr T-Shirt zwängte auf dem vorn ein kleines Comichäschen prangte. Für sie war das alles tatsächlich Comedy im Unglück, doch ihr Fest wurde unterbrochen, als draußen eine Person zu schreien und zu zetern begann.

Wir sahen uns an.

Len, sie war scheinbar mit den Wachen vor der Tür aneinander gerasselt und so wie es sich anhörte wollten die zwei Ihren Studentenausweis sehen und sich ihren Namen notieren, ihr jedoch nicht verraten, was denn los war.

Alexia sah zu mir und zuckte kurz mit den Augenbrauen, dann war sie mit einem Satz schon an der Tür und riss die auf.

Obwohl ihr nun das Tor offen stand, ließ sie nicht davon ab die beiden Frauen der Security weiter anzuschreien.

„Ihr wisst wohl nicht, wer ich bin?!“, kreischte sie hysterisch, dass bereits einige Türen auf dem Flur geöffnet wurden um zu sehen, was da eigentlich los war. „Mein Name ist Len und ich bin die Tochter des koreanischen Hundefürsten! Ihr wagt es so mit mir zu reden?!“

„Tut uns leid, Prinzessin, doch es ist unsere Anweisung alle Personen zu kontrollieren, die hier her wollen.“

Len schnaubte verächtlich. Sie konnte es nicht verstehen, immerhin war sie seit Beginn ihres Studiums jeden Tag bei Alexia zu besuch und nun sollt es plötzlich verbote sein?

Sie sah zu ihrer Freundin.

„Was soll das?“, schrie sie sie an.

„Bitte, reg dich nicht auf, Len, das ist nicht wegen dir, es geht um Leenchen…“

„Was? Ist die etwa hier?“, ihre Stimme überschlug sich fast.

„Ja sie hat hier – Hey!“, Len stieß sie einfach beiseite und marschierte in den Raum hinein und auf mich zu. Alexia verlor den Faden und konnte nur noch schnell beiseitetreten, als die zwei Leibwächterinnen ebenfalls herein stürmten.

„Du! Was ist eigentlich dein Problem?“

„Was?“, ich verstand rein gar nichts. Mein Ahnungsloser Blick brachte sie nur dazu verächtlich zu schnauben.

„Und ich wollte mich gestern noch entschuldigen bei dir für mein Verhalten!“

„Würdest du vielleicht mal von vorne beginnen? Was hab ich getan, dass du mich hier so anschreist?“

„Das Fragst du noch?“

Ich lachte kurz auf und hob ratlos die Arme. Wonach sah es denn aus, wenn nicht nach Fragen?

„Gang hat mir alles erzählt!“

Verständnislos legte ich die Stirn in Falten.

„Ah ja, und was so?“ – vielleicht warum er Old Spice mit Old Schweiß verwechselte? Aber das dachte ich lieber nur.

„Er hat mir von der Scheiße erzählt, die du gestern abgezogen hast.“

Ich schüttelte den Kopf.

„Bitte was? Was hab ich denn jetzt wieder angestellt?“

„Hm, mal überlegen!“, sie tat unschuldig und tippte sich an das Kinn. „Ach ja: Er war voll süß! Hat dir Rosen gebracht und alles und bat dich um ein Rendezvous und du hast das schamlos ausgenutzt!“

„Bitte was? Es stimmt, dass er gestern da war, ja, aber…“

„Du leugnest es noch nicht mal! Wirklich, ich bin so was von enttäuscht von dir! Und du schimpfst dich Prinzessin? Schmeißt dich an ihn ran, um an Gratisdrinks zu kommen und machst dich dann über ihn lustig! Der arme Gang! Weißt du eigentlich, was das für eine liebe und treue Seele ist? Der Mann würde dich auf Händen tragen und du?“

Mir fiel die Kinnlade runter.

„Hey, jetzt mal ganz langsam! Ich habe nie…“

„Spar dir das! Ich habe kein Bock mir das anzuhören! Gang ist am Boden zerstört und das nur wegen dir!“

Sie machte noch einen Schritt auf mich zu, da traten plötzlich die beiden Frauen zwischen uns.

„Das reicht jetzt!“, bellte die eine von ihnen Len an und packte sie hart am Arm. Damit kam Len, die ihr Leben lang nur das Dasein einer Prinzessin kannte - in dem sie immer alles bekam und mit Samthandschuhen angefasst wurde - nun gar nicht klar.

„Komm ihm nie wieder zu nahe, oder ich kratz dir die Augen aus!“, schrie sie mich an. „Du bist für mich gestorben, du… du…“

Ihr schien kein passendes Wort einzufallen, darum riss sie sich einfach von den zwei Frauen los und funkelte mich noch ein letztes Mal böse an.

„Und jetzt raus hier!“, befahl sie im Namen von Alexia.

„Prinzessin, Ihr vergreift Euch gerade im Ton.“

„Nein!“, fuhr ich der dazwischen, die gesprochen hatte und trat auf die Beiden zu. „Lasst uns gehen. Der Fürst erwartet mich eh.“

Die eine nickte und die andere schob Len beiseite, so eskortieren sie mich in sicherem Abstand an ihr vorbei hinaus.

„Ah, jetzt verstehe ich das Ganze!“, keifte sie und kam hinter uns her. „Bist du so billig, dass du die neue Mätresse des Fürsten bist, ja? Jetzt weiß ich endlich wie du an diesen Job gekommen bist! Die Arbeit besteht vermutlich daraus sich von ihm auf seinem Schreibtisch ficken zu lassen! Zum Glück habe ich mich nicht dazu herab gelassen! Du bist so schäbig!“

Ich kam an Alexia vorbei. Sie sah mich nur bedauernd an und dann zu Boden.

Das war alles so ungerecht. Hinter mir wetterte Len weiter und ich spürte, wie ich mit jedem Wort wütender wurde.

Wie konnte sie so mit mir reden nach allem, was in der letzten Nacht geschehen war? Was hatte Gang ihr bitte erzählt, dass sie so sauer auf mich war wegen ihm?

Hinter mir und den zwei Frauen schlug die Tür zu.

Ich lief schnurstracks zum Fahrstuhl und drückte den Knopf.

„Darf ich Euch etwas fragen, Prinzessin?“

Überrascht sah ich zu den beiden zurück. Irgendwie hatte ich sie total vergessen.

„Na klar, immer raus damit.“, damit sah ich wieder zurück zu dem Schlitz und wartete auf den Aufzug.

„Wäre nicht jeder andere in diesem Moment an die Decke gegangen?“

Ich zögerte einen Moment, dann zuckte ich mir den Schultern.

„Meine Eltern haben mir, als ich jünger war, pausenlos vorgehalten wie aggressiv ich doch bin, also habe ich gelernt zu gehen, wenn mich die Wut packt und ich irgendwo gegen schlagen will.“

Der Aufzug kam und ich stieg ein, als ich mich herum drehte fingen die beiden plötzlich an zu lachen.

„Was ist?“, fragte ich sie versteinert.

„Wirklich kontrollieren könnt Ihr Eure Gefühle aber noch nicht.“, erklärte die eine und sie folgten mir.

„Eure Augen glühen.“

Ich sah sie verdutzt an, dann aber lachte ich leise und schloss die Augen, senkte den Kopf.

Wie sich die Türen schlossen spürte ich den Ärger langsam abfallen. Ein befriedigendes Gefühl, jedes Mal aufs Neue.

„Wen hat mir Ritsuko eigentlich geschickt?“

„Ich bin Emi, das ist Kazumi. Wir sind hier, um Euch so gut es geht zu schützen.“

„Dann werden wir wohl in Zukunft mehr Zeit zusammen verbringen, also nennt mich bitte Myleen, oder Leenchen, wie ihr wollt.“

Sie lächelten mich beinahe gütig-mütterlich an.

„Ist gut.“
 

Er sah mich an, als ich das Büro betrat. Meine zwei Schatten setzten sich in das Vorzimmer zu Jaken und ließen mich hinter verschlossener Tür mit ihm allein. Ich murmelte lediglich ein kurzes ‚Morgen‘ und ließ mich an meinem Schreibtisch nieder.

„Entschuldige die Kleidung. Ich weiß, sie ist nicht gerade professionell.“

„Ich habe gehört, was geschehen ist.“, meinte er lediglich ruhig.

Ich nickte verstehend.

Meine anfängliche Wut gegen Len war inzwischen umgeschlagen in eine gewisse Traurigkeit und irgendwie wurde ich dank ihr nicht das Gefühl los, dass es Sesshoumaru gar nicht interessierte, wie schlecht es mir ging.

„Ich werde mir heute Nachmittag neue Kleidung kaufen gehen müssen. Vielleicht aber auch per Expressbestellung, kommt ganz darauf an.“

Er bewegte sich in seinem Stuhl, drehte sich mir nun vollends zu.

„Und auf was?“

„Darauf, wie sich der Tag heute noch entwickelt…“

„Wenn du schlecht auf der Isomatte schläfst, dann…“, doch weiter kam er nicht.

„Nein, Sesshoumaru, das ist es nicht. Es geht um Alexia, bei der ich heute Nacht geschlafen habe... oder schlafen sollte, ich habe kein Auge zugetan. Len ist sauer auf mich wegen etwas, das ich nicht verstehe und sie wird vermutlich ausrasten, wenn Alexia heute Nachmittag wirklich mit mir shoppen geht.“

„Ich dachte immer die koreanische Prinzessin wäre deine Freundin?!“

„Schon aber… irgendwie ist sie in letzter Zeit komisch. Gestern war sie schon so seltsam. Da bezichtigte sie mich auf einmal, dass ich ihr hinterher laufen würde. Aber vermutlich hatte sie nur einen schlechten Tag gehabt, das meinte zumindest Alexia. Aber Heute Morgen kam sie an und hat irgendwas von Gang erzählt, das keinen Sinn ergibt...“

Er schwieg, sah mich einfach nur an, während er darauf wartete, dass ich weiter redete. Die Stille wurde immer lauter und mit jedem Buchstaben und jeder Zahl meines Passwortes, das ich eingab, wurde ich auf einmal wieder ungehaltener.

„Das ist alles so ungerecht!“, fauchte ich. „Erst dieser komische Typ, der hinter mir her ist und jetzt noch das mit Len und Gang! Und mein Zimmer! Dass er die Blumen und die Vase zerstört hat ok, das verstehe ich noch, sehr gut sogar, ich habe auch den ganzen Abend überlegt, wie ich die wieder los werde, aber warum muss er mein ganzes Apartment zerlegen? Und mir dann noch unterstellen, dass ich was mit Gang hätte? Ich meine, du kennst ihn doch, oder?“

Er nickte nur zustimmend.

„Ja, er ist nett, er ist witzig, aber… in solch einem Fall von körperlicher… ich-weiß-auch-nicht kann einfach der Charakter nichts wieder gut machen! Ich unterhalte mich ja gerne mit ihm, aber dichter als einen Meter muss er wirklich nicht kommen. Und dieser… dieser… Stalker unterstellt mir ich hätte was mit ihm! Oh nein, bloß nicht, da schüttelt es mich allein bei dem Gedanken! Nicht nur, dass er das Wort Hygiene nicht mal zu kennen scheint, er ist auch so nicht mein Typ! Was soll ich mit einem Mann, der kleiner ist als ich?“, ich sah Sesshoumaru an, der einfach nur ausdruckslos zurückstarrte. „Ich will einen Mann, der mich dominieren kann, entschuldige, wenn ich das einfach mal so frei heraus sage, aber vor ein Wicht, der auch mit Absätzen genauso groß oder gar kleiner ist als ich, vor dem habe ich einfach keinen Respekt und das ist doch wohl die Voraussetzung dafür Dominant zu sein, oder? Außerder ist er... Er ist... Ach, wäre ich doch gestern nur nicht mit diesem kleinen Widerling weg gefahren!“

Sein Stuhl bewegte sich leicht, als er sich vor beugte und die Arme auf den Knien abstützte.

„Was hat er getan?“, seine Stimme war dunkel und bedrohlich. Erschrocken sah ich ihn an. Seine Augen fixierten mich. Ich wusste erst nicht, ob ich ihm wirklich antworten wollte, ob ich es konnte, doch es schien als würde er die Worte aus mir heraus saugen wollen. Er würde nicht Ruhe geben, ehe ich es ihm nicht sagte und ich musste gestehen, dass ich es gerne tat. Nicht nur, weil ich mich besser fühlte, sondern weil mich ein gewisses Gefühl von Macht überkam und Genugtuung, als dieser kraftvolle Mann sich für mein Leid interessierte…

Seine Stimme gefiel mir auf so viele Arten…

Ich schluckte.

„Er… scheint Len erzählt zu haben ich hätte mich an ihn ran geschmissen…“, flüsterte ich. Es knackte. Ich sah auf seine Hand. Der Bleistift, den er hielt, war zerbrochen und er malte weiter darauf herum, doch sein Blick verriet nichts, also sah ich ihm wieder in die Augen.

„Sag ich zu viel?“, flüsterte ich.

„Sprich weiter!“, verlangte er.

„Er hat ihr gesagt, er hätte mich um ein Rendezvous gebeten, obwohl er nur von Drinks sprach und er sagte ich hätte seine Einladung schamlos ausgenutzt obwohl ich auf getrennte Kassen bestanden haben.“, meine Stimme wurde immer leiser. „Er versprach mir mich wieder nach Hause zu fahren doch als es soweit war, meinte er es wäre zu spät und er wollte, dass ich mit zu ihm gehe… Ich sagte ihm er sei nicht mein Typ und ich bin allein nach Hause… durch die Stadt und durch den Wald in die Berge bis hier her…“, wie reagierte er wohl, wenn er hörte, dass ich allein gewesen war… vielleicht Schutzlos und in Gefahr?

Ich blickte wieder hinab, als er den Stift fallen ließ, noch mehr zerstört, als ich geahnt hatte. Er schlug auf dem Boden auf. Nichts an dem Geräusch erinnerte noch an den Gegenstand, der er mal war. Langsam und bedrohlich erhob sich Sesshoumaru.

Eiskalt lief es mir den Rücken runter. Ich erschauderte. Seine Ausstrahlung gefiel mir, denn ich wusste, dass es seine pure Stärke war, die mich da ergriff. Doch nichts an ihr attackierte mich, ganz im Gegenteil. Ich glaubte er war… sauer. An seiner steinharten Fassade bröckelte jedoch nichts.

Ich hielt mich zurück um nicht freudig erregt zu seufzen, als er seinen Blick von seiner Tastatur – über die er seinen PC gesperrt hatte – wieder zu mir hob.

„Komm, Myleen, du musst zu Analysis und ich habe noch etwas zu erledigen.“

Augenblicklich gehorchte ich diesem Befehl und sprang auf. Ich griff meinen geliehenen Block und den Stift und sauste um den Tisch herum, direkt auf ihn zu.

Wortlos breitete er sein Sakko aus und schob mein Fell etwas beiseite um ihn mir umzuhängen.

„Es ist kühl draußen.“

Die Hitze seiner Kleidung empfing mich. Verdammt, das tat so gut!

Ich konnte es nicht unterdrücken, wie er so dicht vor mir stand. Es kribbelte in meinem Nacken, breitete sich aus über meinen Rücken, lief von dort nach vorn in meinen Brustkorb bis in die Spitzen meiner Brustwarzen hinein. Sie schmerzten leicht, als hätte man sie aus tiefem Schlaf gerissen und zum Aufstehen gezwungen.

Ich senkte den Blick.

„Danke, Sesshoumaru.“

Doch anstatt etwas zu sagen griff er meinen Unterkiefer mit einer Hand und zwang meinen Kopf so in den Nacken. Sein Zeigefinger und sein Daumen drückten sich hart in Kiefer und Schläfe.

„Nimm das als Versprechen: So lange ich lebe wird es niemand mehr wagen dich zu verletzen!“

Das Zittern erreichte meinen Steiß, kribbelte wohlig in meiner Mitte und ließ meine Knie zu Butter kochen.

Ich fühlte mich so mächtig und verloren zugleich.

Blut und Geschenke

„Das riecht so gut! Irgendwie herb und… würzig“, verkündete Alexia leise und während unser Dozent vorn noch immer Fragen zu der Klausur beantwortete, schmuste sie sich an meine Schulter und bohrte die Nase tief in den schweren, schwarzen Stoff. „Und er ist so weich und warm!“

Ich lachte, wie sie ihre Wange an den Schulterpolstern rieb und genüsslich seufzte.

„Von wem ist die, den Kerl muss ich haben…“

Ich gluckste.

„Dann viel Glück.“, ich schrieb schnell "vom Fürst" auf eine Ecke meines Blocks und schob ihn zu ihr rüber.

Sie sah auf die Schrift, man sah es förmlich in ihrem Kopf rattern, dann saß sie plötzlich gerade auf ihrem Stuhl und starrte mich an, als wäre ich der letzte Dämon auf Erden.

„Was? Wie bist du da ran gekommen?“

„Er gab sie mir mit den Worten, dass es kalt sei. Ich denke mal er wollte einfach verhindern, dass ich in nächster Zeit krank werde, immerhin müssen wir nach Tokio.“

Sie sah mich an, dann grinste sie plötzlich.

„Leenchen hat einen Verehrer!“, flötete sie im Flüsterton. Ich lachte los.

„Also abgesehen davon, dass das unwahrscheinlich ist: Bitte, nicht noch einer! Langsam komm ich mir verarscht vor.“

Sie kicherte weiter in der Gegend herum und sang immer wieder ‚Leenchen hat ‘nen Lover‘, während sie auf ihrem Stuhl herum hüpfte.

In dem Moment entließ uns der Dozent nach gerade mal einer Stunde mit den Worten, dass wir dann in der nächsten Woche mit dem Stoff beginnen würden. Sie summte ihre Melodie weiter und kramte ihre Sachen zusammen, so wie ich meine zwei Habseligkeiten.

Emi und Kazumi hatten sich, als der Professor eröffnet hatte, links und rechts neben die Hörertribüne positioniert und beobachteten jeden Studenten genau. Nun, da wir entlassen wurden, kam Erstere wieder auf unsere Seite zurück und folgte uns zusammen mit ihrer Kollegin schweigend hinaus.

„Ich habe übrigens mit Len geredet.“, meinte das Häschen bei mir auf halbem Weg hinunter. „Ich habe ihr erzählt, was du mir von dem Abend gestern erzählt hast und von dem Stalker, der dein Apartment zerlegt hat.“

Ich hörte einfach nur schweigend zu. Ich wusste nicht, was ich dazu auch groß hätte sagen sollen. Doch Alexia sah mich an.

„Es tut ihr wirklich leid.“, erklärte sie also. Ich seufzte.

„Ich will eigentlich nicht darüber reden. Das war wirklich etwas sehr…“

„Leenchen!“

Ich zuckte zusammen und blickte den Gang hinunter, in den wir getreten waren. Durch die Schar der fliehenden Kommilitonen bahnte sich Len ihren Weg. Krampfhaft versuchte sie zu uns zu kommen und als endlich alle begriffen hatten, dass sie sich davon auch nicht abbringen ließ, machten sie ihr schließlich Platz.

„Leenchen, es tut mir ja so leid!“, verkündete sie und warf sich mir um den Hals. Ich konnte nicht anders, es war ein Reflex, ich umarmte sie zurück.

„Hallo Twideldum und Twideldi“, meinte sie nur nachhinten zu unserer leisen Begleitung und zwängte sich dann zwischen unser Kaninchen und mich um sich bei uns einzuhaken.

„Die beiden heißen Emi und Kazumi“, erklärte ich ihr nur, doch sie überhörte es. Warum auch nicht, Sicherheitspersonal war unter ihrer Würde. Es gab somit keinen Zwang für sie auch nur ein geringes Interesse an ihren Namen zu heucheln.

„Alexia hat mir alles erzählt von letzter Nacht! Wie geht es dir?“

Ich machte ein nachdenkliches Geräusch.

„Ich weiß noch nicht genau. Frag mich vielleicht noch einmal, wenn meine Wohnung wieder hergestellt ist.“

Sie nickte verstehend.

„Gibt es denn irgendwelche Hinweise darauf wer es war?“

Um eine Antwort zu erhalten drehte ich mich im Laufen halb herum.

„Nein, Prinzessin. Keine unbefugte Person hat die Festung betreten und zu dieser späten Stunde schon gar nicht verlassen.“

„Ich verstehe.“, Len sah sich um. „Das heißt also, dass es einer der Studenten sein muss, die hier auf dem Campus wohnen?“

„Es sieht fast danach aus.“

Wir schwiegen einige Augenblicke und betraten dabei den Hof. Der Regen hatte aufgehört, doch der Himmel war noch immer verhangen. Der Wind trug jedoch bereit neue, tiefschwarze Wolken heran.

„Was muss in einem Dämon vorgehen, dass er so etwas tut?“

„Ich schätze er muss aus irgendwelchen Gründen die Kontrolle über sich verlieren.“, meinte ich.

„Vielleicht ein Halbdämon?“, gab Alexia zu bedenken. „Ich meine, denkt doch mal nach: Mir fällt wirklich kein Dämon ein, der so unkontrolliert ist. Da liegt doch ein Halbdämon näher. Es gibt Situationen in denen sie ihre dämonischen Seiten nicht mehr kontrollieren können.“

„Da ist etwas Wahres dran.“, gab ich zu.

„Du Arme, nicht auszudenken, ein Halbdämon!“, Len sah mich fassungslos und schockiert an. „Was tun wir denn jetzt gegen den?“

Ich zuckte die Schultern.

„Ich habe keine Ahnung, beim besten Willen nicht.“

Len nutzte die Chance um sich zu meinen Leibwächtern herum zu drehen.

„Ich verlange, dass jeder Halbdämon in dieser Festung überprüft wird!“, befahl sie Ihnen mit gerecktem Kinn. „Solch ein Verhalten birgt Gefahren für uns alle!“

Ich sah sie zweifelnd an, dann blickte ich entschuldigend zu Emi und Kazumi, doch die zwei Frauen blieben gefasst.

„Verzeiht, Prinzessin, doch trotz Eures Standes sind wir dazu angehalten Euren Befehlen keine Beachtung zu schenken. Wir sind lediglich wegen Prinzessin Myleen hier.“

„Na gut, dann…“, Len sah mich auffordernd an. Ich seufzte. Ich war froh um ihre neu gewonnene Freundschaft, also wandte ich mich mit der gleichen Bitte an sie: „Könnte an Alexias Überlegung was Wahres dran sein?“

„Durchaus, das Verhalten könnte passen.“, stimmt Emi zu.

„Hat schon jemand daran Gedacht?“

„Ritsuko lässt alle Studenten überprüfen.“

Ich blickte noch einmal zu Len, die auffordernd die Augenbrauen hoch zog, dann sah ich wieder zu Emi.

„Vielleicht denkt sie ja nicht dran, würdest du ihr bitte mit einem schönen Gruß von uns die Überlegung zu ihr bringen.“

Emi begann zu lächeln.

„Na klar, ich bin schon weg.“, und damit ging sie.

„So, Problem eins gelöst!“, verkündete Len und zog uns weiter. „Nur das mit Gang verstehe ich noch immer nicht recht. Also, er bat dich um ein Date und dann?“

„Da fängt es schon an, Len, er bat mich nicht um ein Date, zumindest habe ich es nicht als solches angesehen. Ja, er hat mir Rosen gebracht und hat mich gefragt, ob ich mit ihm etwas trinken gehen will, vollkommen unverbindlich, verstehst du? Und ursprünglich wollte ich auch gar nicht, aber er hat einfach nicht locker gelassen, also bin ich mit, aber unter der Bedingung, dass er mich auch wieder Heim bringt. Dann hat er bezahlt, was ich eigentlich nicht wollte, ich habe ihm gefühlte eintausend mal gesagt, dass ich meine zwei Cocktails alleine bezahle und als wir dann draußen waren wollte er mich auf einmal nicht mehr heim bringen, sondern mit in seine Wohnung schleppen. Ich habe dankend abgelehnt und er begann von seinem Bett zu reden, voll die dämliche Anmache, also habe ich ihm klipp und klar gesagt, dass das nichts wird mit uns und bin alleine zurück zur Uni.“

Sie sah mich an, absolut ruhig, doch mitfühlend und verstehend, dann senkte sie den Blick.

Schließlich nickte sie.

„Ich glaub es nicht, dass er mir so eine Scheiße erzählt hat!“

Ich gluckste.

„Ich glaube es nicht, dass du es ihm geglaubt hast!“

Sie sah mir wieder in die Augen und lächelte Dankbar.

„Ich war ja so blöd!“, sie kuschelte sich wie Alexia vor ihr an meine Schulter und drückte meinen Arm fester. „Ich weiß doch, dass du nicht so gemein bist!“

Sie zog einen Flunsch, sodass ich ihr einfach wieder vergeben musste und lachte auf, ebenso wie die anderen beiden.

„Sag mal, wer hat dich eigentlich in dieses Outfit gesteckt? Das ist echt grausam! Du siehst aus wie ein Landstreicher!“

Ich lachte – hatte sie jemals einen solchen gesehen? Egal. Ich musste wirklich komisch aussehen in dem einfachen, wallenden Rock und dem viel zu großen Herren Sakko, unter dem das weiße T-Shirt mit den rosa Hasenohren hervorguckte.

„Ja da haben verschiedene Leute Schuld dran. Als erstes Alexia…“, Len strafte sie mit einem gespielt empörten Blick. „… und die Jacke ist vom Fürsten.“, sofort hob ich die Arme. „Und jetzt interpretier da bitte nichts rein. Ich habe nichts mit ihm, das wäre nun wirklich zu viel des Guten. Er wollte nur nicht, dass ich ausgerechnet in meiner ersten Woche krank werde.“

Sie nickte.

„Ja, schon klar. Ich weiß, dass da die Pferde mit mir durchgegangen sind. Du bist einfach nicht der Typ Frau für einen Fürsten.“

Ich grinste breit, auch wenn ich zugeben musste, dass es mich irgendwo verletzte und fast wieder traurig stimmte.

„Ja, da hast du mal wieder recht.“

„Natürlich habe ich das! Genauso wie wenn ich sage, dass du in dem Zeug auf gar keinen Fall weiter rum rennen kannst. Was hältst du von einem Shoppingnachmittag?“

Alexia grinste breit, also tat ich es auch.

„Genau das haben wir uns schon überlegt heute Morgen, aber mit dir wird es noch lustiger!“, bemerkte ich.

Doch leider, passend zu den letzten Tagen, kam es dazu gar nicht erst. Ein Schrei hallte über den Hof. Erschrocken sahen wir uns um.

„Da!“, rief Alexia und zeigte auf das Bibliotheksgebäude. Neben ihm aus einer Gasse schleppte sich eine kleine, gedrungene Gestalt, schwer verletzt, das Blut konnte ich bis zu meinem Standort riechen.

Der halbe Hof setzte sich in Bewegung um zu sehen, was dort geschehen war. Len zog uns beide einfach mit sich, dass es mir fast die Luft aus der Lunge drückte.

Immer weiter über den Hof auf die Person zu, dann schrie auch sie plötzlich: „Das ist Gang!“

Sie ließ mich und Alexia so unvermittelt los, dass wir beide ins Stolpern gerieten, doch Emi – die inzwischen wieder zurück war – und Kazumi hielten uns fest, ehe wir auf den Gesteinsplatten aufschlagen konnten. Stimmen um uns herum wurden laut. Nur unter Protest ließen sich die Studenten von dem einschreitenden Sicherheitspersonal zurück drängen.

„Das ist wirklich Gang…“, hauchte Alexia, als sie wieder aufsah. Ich folgte ihrem Blick. Tatsächlich, Len erreichte ihn und konnte ihn gerade noch so festhalten, als er kraftlos in ihre Arme sank.

Ich schlug mir die Hand gegen den Mund. So etwas hatte ich noch nie gesehen und um ehrlich zu sein hatte ich immer gehofft, dass es auch niemals so weit kommen würde. Ich konnte einfach kein Blut sehen – ich weiß, als Dämon war das verrückt. Aber aus diesem Grund hatte ich es sogar abgelehnt - anders als meine Schwester - einen Kampfsport auszuüben, die Gefahr der Verletzung war einfach nichts für mich.

Ich schloss die Augen und drehte mich weg.

Ich spürte wie Kazumi einen Arm um mich legte und mich gegen ihre Brust drückte. Ich erkannte sie lediglich am Geruch.

Wer tat so etwas? Allein hatte er sich diese Verletzungen wohl kaum zugefügt. Seine Kleidung war zerrissen, er sah eher so aus als würde das meiste seines Blutes außerhalb seines Körpers fließen. Ich fragte mich wie er es schaffte sich überhaupt noch aufrecht zu erhalten.

Ich mochte ihn nicht, nicht nach dem, was am vergangenen Tag geschehen war, doch bei dem Gedanken daran, wie sein Fleisch von seinen Knochen brannte in dem Augenblick, wo er sterben würde, drehte sich sogar mir der Magen um und Tränen stiegen mir in die Augen. Doch soweit ich es mitbekam – und das war ehrlich gesagt nicht viel, ich war wie betäubt – überlebte er. Die Security orderte einen Arzt und eine Trage aus dem Unieigenen Krankenhaus auf der anderen Seite mitten in einem Felsen liegend und er wurde abtransportiert.

So lange ich lebe wird es niemand mehr wagen dich zu verletzen!

War er es gewesen?

Konnte er etwas so Grausames getan haben?

Nur wegen mir?

Wo lag der Sinn?

Warum?

„Wir sollten sie hier weg bringen…“, hörte ich Kazumis Stimme leiser. Sie und Emi wollten mich gerade weg schaffen, da fuhr ihnen Len dazwischen.

„Wir gehen ins Krankenhaus!“, verkündete sie und griff nach meiner Hand. Erschrocken durch diese plötzliche Berührung und das feuchte Blut, das an ihrer Haut klebte, sah ich auf… Und wurde weiß wie die Wand.

Ich wollte nicht ins Krankenhaus!

„Kommt, Gang braucht uns.“

Sie zog mich und Alexia mit sich, doch besonders schnell kam sie nicht voran, da mich Kazumi noch immer stützte.

Ich sah in die Gesichter der Geschockten um uns herum, ihre Blicke sprachen Bände, wie sie in die Richtung sahen in der das Rettungsteam mit dem halbtoten Gang verschwunden war.

Eine breite Blutspur zog sich neben der Bibliothek entlang, der langsam einsetzenden Regen umspülte sie bereits.

Warum nur wurde ich das Gefühl nicht los, dass das alles nur meinetwegen war. Dass ich es gewesen bin, wegen der Gang solch eine Hölle durchstehen musste. Ich mochte ihn nicht, aber hatte er es verdient, so zugerichtet zu werden?

Ich wollte da nicht hin. Ich wollte nicht zu ihm. Wenn ich es noch einmal sah und wenn es nur das Zeichen des Operationsraumes war, dass er dort drin lag, dann war das alles Real.

„Len, warte!“, flüsterte ich und sie stockte tatsächlich kurz. „Ich will dort nicht hin.“

„Was? Was redest du da?“, sie war fassungslos, vielleicht noch mehr als vor wenigen Augenblicken, als sie Gang in den Armen hielt.

„Ich kann da nicht hin. Ich will nur Luft…“

„Was? Myleen, das ist Gang da oben im Krankenhaus, bist du dir darüber im Klaren?“

„Ja“

„Und weißt du auch wie schlimm er zugerichtet ist?“

„Ich hab es gesehen…“, meine Stimme versagte mir fast ihren Dienst, als ich wieder daran dachte. Len war Sprachlos, doch nur für wenige Sekunden.

„Myleen, das ist Gang! Nicht irgendein zweitrangiger kleiner Fuchsdämon aus dem Osten, es ist Gang! Er ist doch unser Freund! Wir müssen für ihn da sein!“

„Er ist dein Freund, nicht meiner.“, da war es raus. „Er mag nett sein, aber mein Freund ist er nicht. Und ich brauch Luft, bitte, ich will da nicht hoch, lass uns den Campus verlassen und irgendwo auf andere Gedanken kommen.“

„Bist du vollkommen von allen guten Geistern verlassen?“, schrie sie mich an und warf meine Hand regelrecht von sich. „Wie kann man nur so gefühlskalt und gleichgültig sein?“

Ich rollte mit den Augen und sah weg, schüttelte dabei den Kopf.

„Entschuldige, es geht einfach nicht.“

Sie schnaubte verächtlich, da ich meine Meinung einfach nicht ändern wollte und zerrte Alexia mit sich zum Krankenhaus. Die sah mich ausdruckslos an und folgte ohne Gegenwehr.
 

Ich war den beiden, Kazumi und Emi, so unendlich dankbar für alles. Nachdem Len und Alexia gegangen waren, halfen mir die beiden auf eine nahegelegene Bank von der aus ich die Blutlache nicht mehr sah und kümmerten sich um mich, bis ich wieder Farbe im Gesicht hatte. Danach war Emi zu Ritsuko gelaufen um ihr Meldung über meinen Zustand zu machen.

Erst als sie wieder zurück war – nicht ohne eine große Tafel Schokolade, die wir uns zu dritt teilten – waren wir dann, um auf andere Gedanken zu kommen, mit einem der großen SUV in die Stadt gefahren.

Sie halfen mir dabei alles zu beschaffen, von Unterwäsche über Damenhosenanzüge, bis hin zu Wintermänteln.

Pünktlich um drei Uhr traf ich dann wieder an der Uni ein, um wenigstens noch den Nachmittag dazu zu nutzen mich weiter bezüglich der Firma auf den neuesten Stand zu bringen. Am Wochenende sollte ich immerhin vor dem Vorstand glänzen.

Emi öffnete uns gerade die Tür zum Vorzimmer, als wir es bereits hörten.

„… mitfahren!“, Ritsuko sprach lautstark und eindringlich, doch wir sahen sie nicht. Vermutlich war sie im Büro bei Sesshoumaru. Jaken stand vor der einen Spalt geöffneten Tür und lauschte.

„Das braucht ihr nicht. Sie ist bei mir nicht in Gefahr.“

„Oyakata-sama“, das war ein Mann. „Ich diene Euch seit ihr den Westen Euer Eigenen nennt, doch könnt Ihr uns garantieren, dass dem Mädchen nichts geschehen wird?“

Ein gefährliches Knurren strömte durch die Luft.

Jaken schluckte sichtlich und schloss die Tür. Erst als er sich umdrehte bemerkte er uns… und erstarrte.

Ich trat näher. Er wusste, da dieses Büro nun auch meines war, musste ich nicht mehr anklopfen, ich konnte einfach hinein gehen, wenn es mir beliebte. Doch dieses Mal warteten Kazumi und Emi nicht draußen. Sie bauten sich dicht hinter mir auf, als ich die Tür öffnete.

Sesshoumaru saß hinter seinem Schreibtisch und hatte den Mann vor sich, den Securitychef, hart im Blick. Der wiederrum hatte sich zwischen ihn und Ritsuko geschoben.

Ich betrachtete die Szenerie einige Augenblicke, dann erhob ich das Wort.

„Soll ich wieder gehen?“

Sesshoumarus Blick schnellte zu mir, doch die Wut in ihm richtete sich nicht gegen mich, das spürte ich, also hatte ich keine Angst.

„Ja, Prinzessin, bitte geht, nur noch fünf Minuten.“, sprach der Mann bei ihm sanft, doch Sesshoumaru fuhr ihm dazwischen.

„Nein.“, knurrte er. „Myleen bleibt hier.“, er wies auf meinen Platz und ich gehorchte. „Sie kann ruhig wissen, dass ihr mir nicht zutraut auf sie zu achten.“

Sein Ton ging schneidend an die beiden einstigen Wachen in dem Zimmer.

Verbissen knirschte der Mann mit den Zähnen.

Die Situation drohte in nicht mehr all zu ferner Zukunft zu eskalieren. Ich fühlte mich gezwungen einzugreifen.

„Wenn mich einer fragt: Ich vertraue unserem Fürsten blind.“, verkündete ich. „Um was auch immer es geht, er wird das Richtige tun.“

Alle Anwesenden sahen zu mir, mit Ausnahme des gemeinten Mannes, der weiterhin seine Widersacher fixiert hatte.

Doch sie schwiegen. Sie wussten, nun noch einen einzigen Tropfen auf den heißen Stein und das Fass würde nicht nur überlaufen sondern auch explodieren.

"Mein Herr, Prinzessin", damit verneigte sich der Mann und während er ging schob er alle anderen vor sich durch die Tür hinaus.

Eine Weile blieb es still, bis mein Computer darum bat mit einem Passwort gefüttert zu werden und ich in die Tasten schlug, dann wandte ich mich wieder ihm zu.

„Sesshoumaru… Was war das?“, flüsterte ich leise. Er sah immer noch wenig begeistert von der Tür zu mir.

„Sie wollten uns morgen zusätzliches Wachpersonal mit auf die Reise schicken.“, erklärte er. „Ich halte es für unnützen Ballast.“

Darum ging es also. Um das Wachpersonal. Ich hatte schon Schlimmeres befürchtet. Die erneute Einmischung meiner Eltern Beispielsweise. Doch die hatten sich erstaunlicher Weise noch nicht bei mir gemeldet. Sicherlich war das aber nur noch eine Frage der Zeit.

Jedoch musste ich Sesshoumaru zustimmen. Ich glaubte nicht daran, dass mein Stalker uns nach Tokio verfolgen würde. Wenn es wirklich ein Student war - und das war er mit Sicherheit - dann würde er es nicht so einfach schaffen und selbst wenn doch, Sesshoumaru würde stärker sein als er.

Zusätzliche Leibwächter wären also überflüssig, ich war vollkommen seiner Meinung, wie immer.

Viele Dämonen schienen inzwischen das Vertrauen und den Glauben in ihn und seine Macht verloren zu haben, doch ich hatte die Geschichten über ihn geliebt seit ich klein war. Ich wusste was bei der Hochzeit meiner Schwester geschehen war und dass er mich dafür hätte töten können, doch er tat es nicht. Ich vertraute ihm, wie sollte ich auch nicht?

So lächelte ich.

„Ich bin der gleichen Meinung.“, flüsterte ich, was seinen Gesichtsausdruck langsam wieder in die normale Härte erweichen ließ. „Du bist einer der vier mächtigsten Dämonen dieser Welt. Niemand wird mir etwas antun können so lange du bei mir bist. Du hast es mir versprochen, weißt du noch?“

Er schloss die Augen und atmete einmal tief durch, ehe er sich wieder an seinen PC wandte.

„Natürlich weiß ich das noch.“

Ich ließ es dabei beruhen und sah gerade mein E-Mail-Postfach aufblinken, als er wieder meine Aufmerksamkeit auf sich zog.

„Ich habe ein Geschenk für dich.“

Überrascht sah ich auf.

„So? Was denn?“

Ich liebte Geschenke! Vorausgesetzt ich wusste von wem sie kamen und mochte die Person, das musste ich mir nach den Erlebnissen der letzten Tage eingestehen.

„Ich war, während du in der Vorlesung gewesen bist, unterwegs und habe für dich einen neuen Laptop mit wichtiger Software und einen Tablet-PC gekauft. Außerdem dachte ich mir, dass ein neues Smartphone nicht verkehrt wäre. Dein altes Telefon in allen Ehren.“

Irritiert, aber glücklich zugleich sah ich ihm dabei zu, wie er die vielen Pakete vor mir auftürmte.

„Womit hab ich das verdient?“, fragte ich und spürte förmlich, wie meine Augen zu glänzen begannen.

Glücklich schob ich alles beiseite, nur das Tablet nicht und besah mir die Hülle genauer.

Vermutlich musste ich aussehen wie ein kleines Kind an Weihnachten, denn mit einem Mal schien es, als würde er lächeln, während ich die Produktinformationen genauer betrachtete.

„Deine Sachen sind alle zerstört und du brauchst sie für deine Arbeit.“

Ich lächelte ihn an.

„Danke, Sesshoumaru.“

Er nickte nur und ging dann wieder seiner Arbeit nach. Ich tat es ihm gleich.

Mehrere Minuten saßen wir so schweigend da, ich lesend, er rechnend.

Ja, ich vertraute ihm…

Doch was wenn er sein Versprechen so wörtlich genommen hatte, dass er Gang tötete? War er überhaupt gestorben?

Ich merkte, wie meine Gedanken von dem was ich las abschweiften.

Wäre es nicht viel logischer, wenn er von meinem Stalker angegriffen wurde? Sesshoumaru hatte mir nachdem er mir geschadet hatte versprochen, dass es niemand mehr wagen würde, damit viel er doch eigentlich raus. Außerdem würde er Probleme bekommen, wenn er wirklich dahinter steckte. Er hatte einen Studenten angegriffen. Nein, wenn das wirklich wegen mir geschehen war, dann war es mein Stalker.

Und was, wenn Sesshoumaru der Stalker war?

Ich schüttelte den Kopf.

Das war so abwegig! Vollkommen bescheuert zu denken! Niemals, nicht unser Fürst. Der Typ der mich verfolgte war krank, er jagte mir Angst ein, er hatte sich nicht unter Kontrolle. Sesshoumaru war da vollkommen anders…

„Stimmt etwas nicht, oder warum schüttelst du mit dem Kopf?“, fragte er von der Seite und sah von seiner Rechnung zu mir auf.

In dem Moment fasste ich einen Entschluss: Sein Verhalten, wenn ich ihn auf Gang ansprach, würde mir zeigen, ob er damit zu tun hatte. Und vielleicht auch, ob er mit allem zu tun hatte, was hier geschah.

„Ich dachte nur gerade an Gang.“

Seine Haltung, eh schon wie zu Eis erstarrt gefror nun vollends.

„Weißt du, wie es ihm geht? Er war schwer zugerichtet.“

„Er wird es überleben.“, erklärte Sesshoumaru desinteressiert und bewegte sich endlich wieder.

„Weiß man inzwischen, was passiert ist?“

„Nein. Aber wir werden morgen versuchen es heraus zu finden. Wir haben potenziell Anwesende zu einem Verhör gebeten, sowie alle mit denen er zu tun hatte. Da er ein Fürstensohn ist, fällt das unter meine Aufgabe. Ich brauche dich also erneut als meine Stimme.“

„Deine Stimme?“, jetzt war ich irritiert. Meinte er so wie kurz vor seiner Vorlesung? Ich dachte das war nur ein Test, wie gut ich ihn kannte… Würde das etwa von nun an zu meinen Aufgaben zählen?

„Ein Fürst redet nicht mit seinen Untertanen. Früher hat das Jaken für mich übernommen, aber er ist zu aufbrausend, er konzentriert sich nicht auf das Wesentliche. Die Kommunikation zwischen mir und einem anderen Dämonen wirst du führen. Ist das ein Problem?“

Ich verneinte es schnell überschwänglich: „Nein, gar nicht! Auf keinen Fall!“

Damit machte er sich wieder an die Arbeit ohne mich weiter zu beachten.

„Sesshoumaru?“, er sagte nichts, also durfte ich wohl sprechen. „Wie schlimm hat es Gang erwischt?“

Er stockte in seiner Bewegung und richtete sich auf. Seine Augen wurden kalt, noch kälter als zuvor. Mit einer einzigen harten Bewegung schloss er den Kugelschreiber und legte ihn beiseite.

„Er hat mehrere flachere und tiefere Schnitte, vermutlich von Klauen, und wurde kastriert.“, es schien als wäre es das Letzte, was ihn interessierte.

die endgültige Lösung

Stumm lag ich auf der Isomatte und blickte hinauf an die Decke. Ich hörte wie sich Alexia in dem Bett bewegte.

Sie hatte kaum mit mir geredet, als ich zu ihrem Apartment gekommen war, sie schickte mir noch nicht einmal eine SMS, damit ich wusste, dass sie nun wieder in ihrer Wohnung war und ich zu ihr kommen konnte. Lediglich Emi hatte irgendwann, als es bereits Dunkel wurde, nachgesehen, ob Licht brannte und mir Bescheid gegeben, dass wir zurück konnten.

Ich habe schweigend meine neuen Geräte eingerichtet, während sie ihre Aufzeichnungen aus den Veranstaltungen von diesem Tag sortierte und ein wenig lernte.

Etwa gegen Mitternacht hatte ich mich dann hingelegt, sie blieb noch eine Stunde länger wach, dann ging auch sie schlafen. Doch wir beide wussten, dass keiner von uns ein Augen zubekam.

Das Gesehene saß uns tief in den Knochen.

Ich war mir sicher, dass sie um Gangs Zustand wusste. Und nun, da ich es auch tat, tat es mir leid, dass ich nicht mit ihr und Len ins Krankenhaus gegangen war.

Doch noch mehr als seinen Verlust der Männlichkeit beschäftigte mich Sesshoumarus Gesichtsausdruck und seine Sprache, als er mir davon berichtete, dass Gang kastriert worden war.

Es wirkte so, als interessierte es ihn nicht. Es war ihm gleich, dabei war Gang doch der Sohn eines Fürsten. Er war das Kind einer Familie, die ihm direkt unterstellt war. Wie konnte man dabei so kalt bleiben? Er tat mir leid und ich nahm mir vor, dass ich ihm unbedingt zeigen würde, dass ich durchaus mit ihm Mitleid hatte, in dieser schweren Zeit. Das Gebot doch mein Anstand als Prinzessin, oder?

„Weißt du, was ihm passiert ist?“, flüsterte Alexia da plötzlich. Ich schwieg kurz, musste es auf mich wirken lassen, damit ich realisierte, dass sie wirklich etwas gesagt hatte.

„Ja“, murmelte ich. „Der Fürst hat es mir erzählt.“

„Wer tut so etwas?“

„Ich weiß es nicht.“

Erneut kehrte Stille ein. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich sagen soll.

„Ich bin so müde!“, sagte sie stattdessen leise. „Aber ich kann einfach nicht schlafen. Nach der Operation sind Len und ich zu ihm. Er sah wirklich elend aus… und Len ist richtig enttäuscht, dass du nicht mitgekommen bist.“

„Ja, das dachte ich mir. Aber was sollte ich machen?“

„Warum bist du nicht mitgekommen?“

Ich seufzte.

„Ich weiß nicht. Es kam mir einfach nicht richtig vor. Außerdem ging es mir selbst auch nicht gut, ich kann einfach kein Blut sehen.“

„Ein Dämon und kein Blut sehen? Bist du krank?“

„Nein, das nicht, aber ich hatte noch nie etwas mit Kampfsport am Hut gehabt und bin auch nie so hyperaktiv wie anderen durch die Gegend grannt. Ich war eher ruhiger. Vielleicht habe ich es einfach… nie gelernt.“

Sie schwieg darauf. Irgendwie kam es mir wie ein stummer Vorwurf vor. Was hätte ich tun sollen? Mit gehen und Interesse heucheln? Nachher hätte ich Gang damit nur wieder Hoffnung gemacht, dass er doch noch eine Chance hatte, aber das hatte er definitiv nicht. Es musste reichen, wenn ich ihm ein Präsent und meine besten Wünsche zukommen ließ.

„Len ist wirklich sauer gewesen.“

„Ihr müsst es verstehen. Ich habe Gang von Anfang an nicht sonderlich gemocht. Ich wollte mich nie mit ihm anfreunden und dass ich ihn ein paar Mal gesehen habe heißt nun mal nicht, dass ich es hab. Auch nicht, dass ich mit ihm was trinken gegangen bin, muss zwangsläufig bedeuten, dass ich mich mit ihm anfreunde. Ok, vielleicht hätte ich es getan, wenn er danach nicht so plump versucht hätte mich abzuschleppen…“

Sie seufzte.

„Ich weiß. Ich bin mir nicht sicher, wie ich mich in dem Moment verhalten hätte, aber… hattest du gar kein Mitleid?“

„Natürlich! Und ich werde es ihm auch sagen und mich nach seinem Zustand erkundigen, aber was ist so schlimm daran, dass ich nicht sofort ins Krankenhaus eile, wenn jemand verletzt ist, zu dem ich keinen Bezug habe?“

Daraufhin schwieg sie erneut.

„Oder würdest du ins Krankenhaus rennen um einen Mann zu besuchen, der angeschossen wurde, aber du nicht kennst? Viel Spaß bei der Rennerei, das könnte einige Zeit in Anspruch nehmen, das sind pro Tag bestimmt hunderte.“

Daraufhin sagte sie noch immer nicht.

Ich seufzte und erhob mich.

„Ich muss mal kurz auf Toilette.“, murmelte ich und ging. Als ich wieder kam war sie eingeschlafen – oder hatte einfach beschlossen nicht mehr mit mir zu reden.
 

Alexias Wecker piepte und riss mich aus meinem Dösen. Scheinbar hatte auch mich irgendwann die Müdigkeit ergriffen, aber wirklich geschlafen hatte ich nicht.

Ich hörte das Häschen weiter oben wie es sich herum drehte und die Uhr mit einem gezielten Schlag zum Schweigen brachte.

Ich streckte mich und seufzte genervt. War es wirklich schon wieder Zeit zum Aufstehen? Meine Lider klappten runter ehe ich sie überhaupt geöffnet hatte. Plötzlich wurde es hektischer im Zimmer. Wie von der Tarantel gestochen warf Alexia sich herum, auf die Arme und stemmte sich hoch in den Vierfüßerstand.

Irritiert öffnete ich ein Auge und blickte zu ihr.

„Hast du heimlich Kaffee getrunken?“, fragte ich, doch sie beachtete mich gar nicht. Ihr entsetzter Blick war nicht auf mich, sondern auf irgendetwas hinter mir gerichtet. Ich brauchte allerdings einige Minuten um zu begreifen, dann folgte ich ihrem Blick.

Nun ebenso erschrocken hüpfte auch ich auf alle Viere und machte dabei einen Satz nachhinten, bis ich mit dem Rücken an ihr Bett stieß.

Die Blumen und die Uhr, wie zur Präsentation neben mir aufgebahrt… Hatte ich die Sachen nicht in meinem Apartment stehen lassen? Und Ritsuko hatte mir versichert, dass sie es in Gewahrsam nahm.

Nun war es wieder hier. Aber wie?

Als wir uns hingelegt hatten war es definitiv noch nicht da gewesen und ich bezweifelte, dass meine zwei Leibwächterinnen es dort abgelegt hatten. Emi und Kazumi wussten, dass ich die Sachen loswerden wollte und nicht behalten.

Doch etwas war neu.

Vor der Vase mit den Blumen, neben der Uhr, lag ein neues, quadratisches Etui, etwas dicker als das der Uhr.

Beide starrten wir das Ding an als würden wir jeden Augenblick darauf warten, dass aus ihr ein Clown heraus schießen würde, doch natürlich geschah das nicht.

„Mach es auf!“, hauchte Alexia fordernd und stupste mir von hinten Gegen die Schulter, dass ich zwangsläufig darauf zuging um mich vor dem drohenden Fall zu bewahren.

So den ersten Schritt getan, war es nicht mehr schwer auch den Nächsten zu wagen. Ich hockte mich neben die diversen Geschenke, die mein Stalker mir im Laufe der letzten Woche gemacht hatte, und zog das neue Paket heran. Es brauchte etwas Kraftaufwand um den fest sitzenden Deckel zu heben…

Mir stockte der Atem.

Wie atemberaubend schön sein Inhalt war, und doch war mir bewusst, dass dieses Geschenk nur von ihm kommen konnte. Von der Person, die mir nun seit Tagen immer wieder einen Schock versetzte.

Ein Geflecht aus Silber und Gold, besetzt mit rubinroten Steinen – auch hier ein Echtheitszertifikat dabei – ergoss sich in Dreiecksform zu der edelsten Halskette, die ich je gesehen hatte. Zu dem Kollier gehörten aber auch fließende Ohrringe, wie ein Wasserfall, sowie eine Haarspange mit einem einzigen, großen Stein und einem Armband, das der Spange verdächtig ähnlich sah.

In der Mitte der Kunstvoll drapierten Kette lag ein kleiner Zettel.

Ich griff nach ihm und faltete ihn auseinander.

„Verzeih was ich getan habe, doch er hat es verdient!“

Ganz klein weiter unten stand noch: ‚Du warst nicht die Einzige, doch ich tat es nur für dich.‘, diese Worte sprach ich nicht mehr aus.

Alexia rührte sich kurz, doch stieg nicht von ihrem Bett herunter.

„Er war hier drin, hab ich Recht?“, flüsterte sie. „Er war hier drin, als wir geschlafen haben!“

Ja, das war er, ich musste ihre Frage nicht beantworten, sie wusste es auch so. Damit hatte er sich gesteigert. Nie war er in meine Wohnung eingestiegen wenn ich dort war. Doch nun hatte er es getan, wo nicht nur ich war, sondern auch Alexia in ihrem Bett lag.

Nur wie war er hier herein gekommen? Vor der Tür standen doch Emi und Kazumi, oder nicht?

Ich warf den Zettel beiseite und stürmte zum Eingang. Augenblicklich riss ich sie auf und stand nicht ihnen, sondern zwei anderen, fremden Frauen gegenüber.

Irritiert sahen sie mich an, doch lächelten dann.

„Guten Morgen, Prinzessin.“

„Wo sind Emi und Kazumi?“, fragte ich alarmiert.

Die beiden sahen sich nichts verstehend an, doch sie mussten nichts sagen, die beiden Frauen traten gerade aus dem nahe gelegenen Fahrstuhl heraus, jeder mit einem Becher Kaffee in der Hand und tratschten. Als sie mich sahen verstummten sie augenblicklich.

„Ihr zwei“, wandte ich mich nun an sie. „Wer war heute Nacht in diesem Zimmer?“

„Nur du und Alexia, oder nicht? Ich habe keine Ahnung.“, bemerkte Kazumi.

Mein Herz flimmerte regelrecht. Hatten sie mich etwa allein gelassen?

„Ich dachte ihr passt auf mich auf!“, brachte ich erstickt hervor.

„Tun wir doch auch, Leenchen, aber auch wir müssen irgendwann schlafen. Wir haben diese zwei als Wachablösung bestellt.“

Ich schluckte.

„Gut, dann halt ihr, wer kam hier heute Nacht rein?“

Die zwei sahen sich ratlos an.

„Niemand, Prinzessin. Es war alles ruhig. Außer in einer Wonung den Gang runter, da…“

„Mich interessiert die andere Wohnung aber nicht!“, schrie ich sie an und sie machte unwillkürlich einen Satz nach hinten, blickte von mir hilfesuchend zu Emi und Kazumi.

„Das ist die Wohnung auf die ihr achten sollt! Ich bin in Gefahr nicht die!“, jammerte ich verzweifelt. Ich spürte wie mein Herz zu rasen begann. Ich konnte es einfach nicht fassen.

„Wir haben nie unsere Stellung verlassen! Wirklich nicht!“, beteuerte die, die bisher geschwiegen hatte.

„Myleen, beruhige dich doch.“, Kazumi trat an mich heran und hielt mich fest, als ich begann in dem Türrahmen auf und ab zu laufen.

„Wie soll ich mich beruhigen, wie? Er war hier, er war in diesem Zimmer während wir schliefen er war direkt neben meinem Bett…“, ich redete immer schneller, meine Stimme wurde brüchig.

Ich musste nicht weiter reden. Sie sah einfach an meinem Kopf vorbei, von unserem Standpunkt aus hatte sie eine einwandfreie Sicht, und erkannte die Blumen und die Uhr und auch das, was ich geöffnet hatte.

So sah sie wieder zurück zu ihren Kolleginnen.

„Holt Ritsuko!“, befahl sie und Emi stürmte schon in da Zimmer. Sie angelte eine wie hypnotisiert dasitzende Alexia von ihrem Bett und half ihr dabei sich schnell etwas anzuziehen und aus der Wohnung zu treten. Selbiges tat Kazumi für mich, nur, dass wir noch einen kleinen Koffer packen mussten für die Dienstreise. Mein Gesamtes Hab und Gut nahmen sie dann mit hinüber, um es in Sesshoumarus Büro einzuschließen.
 

„Die Sachen wurden bereits gestern Nachmittag entwendet.“, verkündete Ritsuko, reckte das Kinn und schloss die Augen.

Ich beugte mich vor auf der Zweisitzercouch und stellte den Ellenbogen auf den Knien ab, fuhr mir dann mit den Händen durch das Gesicht.

Neben mir, wesentlich lässiger in der Körperhaltung, hatte Sesshoumaru einen Fuß auf dem anderen Knie abgelegt und die Arme verschränkt.

„Und wie ist er bitte in die Wohnung gekommen?“, fragte ich eindringlich und verschränkte die Finger ineinander. „Ich denke da war die ganze Zeit Wachpersonal?“

Sie atmete einmal tief durch.

„Nun, Prinzessin, ich kann es mir nur so erklären, dass entweder er selbst, oder gar die Sachen bereits in dem Apartment waren.“

„Das ist unmöglich! Vermutlich waren einfach nur die Frauen unachtsam in einem Moment.“

Ritsuko schüttelte den Kopf.

„Nein, Prinzessin, das kann ich mir nicht vorstellen. Die zwei gehören mit zu den Besten, glaubt mir. Sie mögen noch unerfahren sein, doch pflichtbewusst.“

„Aber wenn das Zeug schon in der Wohnung war, dann hätte er zumindest immer noch irgendwie reinkommen müssen und die einzigen Fenster, die es gibt liegen auf derselben Seite wie die Tür um nicht zu sagen: Direkt daneben! Und dass er selbst bereits da war, das ist auch nicht möglich! So groß ist das Apartment nicht und wir waren beide im Bad und Alexia war an ihrem Schrank und unter dem Bett kann sich keiner Verstecken, das ist rings herum mit Brettern zugenagelt und viel zu Flach für eine erwachsene Person. Außerdem lag ich auf dem Boden, ich hätte es sehen müssen, wenn dort einer gewesen wäre.“

Doch auf all diese Einwände hatte keiner eine Antwort. Ritsuko sah zu Sesshoumaru, dann senkte sie den Blick und hob ratlos die Schultern.

Ich schloss die Augen, rief mich zur Ordnung um nicht zu brüllen, wie es denn sein konnte, dass ein Stalker an zwei ausgebildeten Wächterinnen vorbei kam und lehnte mich wieder nach hinten gegen die Couch.

Es gab, wenn ich genauer darüber nachdachte, wirklich nur die eine Lösung: Der Stalker war schon im Apartment und konnte unbemerkt am Morgen verschwinden, als auch wir gegangen waren. Doch die einzigen Personen, die dort waren, waren Frauen und die einzige Person, die mit mir in der Wohnung war, das war Alexia…

Ich wischte mir über die Augen und die Nase, hielt mir dann den Mund zu und sah auf den kleinen, runden Tisch vor mir, wo mein Tee dampfte.

Was, wenn die Blumen wirklich nur das waren, was sie sein sollten, ein Willkommensgeschenk – Len hatte eins angekündigt, aber ich bekam keins.

Was, wenn der Zettel ‚Ich bin nicht Gang‘, ein Spiel war: Ich sage nicht sofort wer ich bin, ich will sie noch ein wenig ärgern.

Zugegeben, die Uhr passt da nicht hinein, zumal Len doch gar nicht gewusst hatte, dass ich den Job bekommen hatte, genauso, wie die Kette keinen Sinn ergab, doch vielleicht…

Vielleicht waren beides Fälschungen oder Modeschmuck und sie hatte einfach nur ein gefälschtes Echtheitszertifikat dazugelegt. Wie schwer konnte es schon sein ein kleines Stück Papier auszudrucken?

Irgendwo in der Menge auf dem Hof hatte Len es, von mir unbemerkt, an Alexia weiter gegeben und sie hatte es mit in mein Zimmer gebracht! Und das Gleiche nun mit der Kette. Sie hatten es dort drapiert. Sie wollten, dass ich mich mies fühlte und glaubte es wäre meine Schuld, weil mein Stalker Gang überfallen hatte…

Ich wusste wie abenteuerlich die Geschichte war, doch ich war mir sicher: Korrekt ausgeführt könnte es klappen. Und nur so bekam es Sinn. Ich wusste nicht wie sie an die von Ritsuko beschlagnahmten Sachen gekommen waren, doch alles andere fügte sich so hervorragend zusammen. Nur so war es… ‚dem Stalker‘ gelungen in das Zimmer zu kommen und unbemerkt wieder hinaus. Es gab niemals einen! Alexia und Len steckten unter einer Decke. Ein böser Streich, nichts weiter, wenn auch zugegebenermaßen einer, der wirklich nicht mehr lustig war.

Oder doch?

Ich gluckste und sah zu Sesshoumaru. Seine Augen waren auf mich gerichtet. Ja, das war wirklich einfach gewesen, hinterhältig und einfach, darauf musste man erst mal kommen! Wie dumm ich gewesen war auch nur eine Sekunde zu glauben, dass ich ausgerechnet hier einem Stalker zum Opfer fallen würde.

Nie war ich anderen Dämonen aufgefallen, außer vielleicht mit meiner aggressiven Art. Selbst mein Wolf wollte nur etwas von mir, weil er wusste wie schrecklich verfallen ich ihm war und dass er mich leicht für Sex mit sich begeistern konnte. Und hier sollte ich auf einmal gleich zwei Leuten aufgefallen sein? Einmal Gang, dem ich bereits mit dem Nebensatz vorgestellt worden war: "Vielleicht wird das ja was mit Euch!", und dann noch der Stalker? Nein, das war zu viel.

Ich strich meine sorgsam frisierten Haare nach hinten und lehnte mich lächelnd wieder zurück. Diesen beiden würde ich was erzählen, wenn ich Sonntagabend wieder hier war!

peinliche Eltern und ein viel zu kurzes Kleid

„Wenn sie auf eine Audienz bestehen, dann gib ihnen eines der leer stehenden Zimmer im alten Harem, oder besorge ihnen ein Hotel in der Stadt.“, befahl Sesshoumaru und stoppte den großen Geländewagen an einer Kreuzung.

Gelangweilt, vielleicht aber auch eher müde, sah ich hinaus und die Straße entlang. Es war bereits dunkel, kein Stern war durch den wolkenbehangenen Himmel zu sehen und wir näherten uns Tokio. Laut dem letzten Schild waren es nur noch vier Kilometer bis zur Stadtgrenze.

„Was sagen sie zu den Vorwürfen gegen ihren Sohn?“, fragte ich an die Freisprechanlage zwischen uns gewandt, als der Wagen sich wieder in Bewegung setzte.

„Sie wussten darüber bereits Bescheid.“, verkündete Katsuro am anderen Ende der Leitung – er war Sesshoumarus ehemaliger Leibwächter und noch immer der Chef des Sicherheitsteams. Zusammen mit seiner Frau Ritsuko untersuchte er den Angriff auf Gang. „Wir haben sie über jede neue Beschwerde informiert, doch alles was sie taten, war den Mädchen eine Abfindung zu schicken und da keine von ihnen das Geld hatte sich rechtlich gegen ihn zu verteidigen, wurde es nicht weiter verfolgt.“

Ich nickte, auch wenn er es nicht sehen konnte, und überließ das Gespräch wieder dem Fürsten.

Durch mich war ihnen klar, dass Gangs Angreifer mein Stalker war. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht sie darüber aufzuklären, dass ich gar keinen hatte, sondern eine Nettigkeit von Len einfach nur in einen bescheuerten Scherz übergelaufen war. Sie würden es schon noch merken, spätestens dann, wenn ich plötzlich nicht mehr verfolgt werden würde. Ich für mein Teil würde meine beiden Freundinnen sicher nicht verraten, sonst gerieten sie vielleicht noch in ein Kreuzverhör.

Nein, viel interessanter war da die Spur, die auf dem Zettel bei der Kette angedeutet wurde. Gang hatte im Laufe der Jahre, die er bereits an der Universität war, viele Mädchen hintergangen, betrogen und verarscht. Als Katsuro seine Akte mit allen Beschwerden besorgt hatte, da hatte ich mich erst gewundert wie es denn sein konnte, dass er selbst mit solchen Dingen wie Belästigung einfach so durchs Leben kam, doch als ich den Background der Studentinnen checkte war mir alles klar.

Ich war die erste Prinzessin, bei der er sein Glück versucht hatte. Jede einzelne der anderen Dämoninnen war aus der unteren oder mittleren Schicht. Ergo war es ihm möglich, nachdem sie sich gegen ihn gewährt hatten, dumme Geschichten über sie zu verbreiten, ohne dafür belangt zu werden. Wenn sie sich beschwerten – was wohl keinesfalls alle getan hatten, laut Katsuro – dann zahlten seine Eltern eine kleine Abfindung, je nachdem ob und vor allem was er getan hatte. Wobei das Register vom Spannen bis hin zum Nachstellen (fast schon Stalking) und sogar, wie bereits erwähnt, zur Nötigung reichte. Eine kleine Halbdämonin hatte er in ihrer verletzlichsten Nacht, wo sie ein Mensch wurde, scheinbar sogar versucht zum Sex zu zwingen. Wie sie entkommen konnte, wusste ich nicht, nur, dass sie kurz danach das Studium geschmissen und die Heimreise angetreten hatte.

Bisher war er bei jeder unbehelligt davon gekommen, weil keiner Geld dafür hatte einen Fürstensohn und damit dessen Familie zu verklagen. Doch mit mir – so gering sein Verschulden bei mir auch war – hatte er sich am Opfer vergriffen. Ich war eine Prinzessin, ich gehörte zur mächtigsten Familie unter dem Herrn des Westens. Allein wie er mich darstellte war es Rufmord und mit mir hatte er meine ganze Familie angegriffen. Nun hatte die Universitätsleitung endlich einen Grund ihn seines Studiums zu verweisen und vor allem konnten sie ihn zur Rechenschaft ziehen, wenn ich ihn verklagte, was zur Folge hätte, dass alle anderen Mädchen mit ziehen würden.

Irgendwo widerstrebte es mir das bei seinen Verletzungen zu tun, doch als ich las, was er schon alles getan hatte und mit welchen Maßnahmen seine Eltern die Geschädigten am Ende nur noch mehr demütigten, gab ich mein Kapital gerne dafür her, dass sie endlich Gerechtigkeit erhielten. Das war der Grund warum seine Eltern da waren.

Doch egal welche rechtliche Entscheidung ich getroffen hatte, natürlich hatte ich ihm trotzdem meine Grüße ins Krankenhaus gesendet, in Begleitung eines guten Buches, von dem ich wusste, dass er den Autoren mochte – er hatte ihn mir an unserem einzigen gemeinsamen Abend genannt.

Wir hatten vor wenigen Minuten die Stadtgrenze von Tokio passiert. Links und rechts waren bereits diverse Einfamilienhäuser zu sehen und je weiter wir Richtung Zentrum vorstießen, desto größer wurden sie.

„Wir fahren Sonntagmittag wieder zurück.“, erklärte Sesshoumaru nur. „Bis dahin sollen sie es fertig haben.“

„Ich werde den Arbeitern notfalls Feuer unter dem Hintern machen.“, versprach Katsuro.

Beide Männer schwiegen eine Sekunde, dann langte Sesshoumaru an seinem Lenkrad vorbei und beendete ohne ein weiteres Wort das Gespräch.

Wie bereits die letzten Stunden sagte keiner von uns ein Wort, ich betrachtete nur die riesigen Hochhäuser, die an uns vorbei sausten. Dabei bemerkte ich gar nicht, dass er bereits von der Hauptstraße abgebogen war und seitlich eine Einfahrt entlang fuhr. Erst als sich der Anblick unserer Umgebung von schmalen Grünanlagen und hohen Häusern in Parkplätze zu beiden Seiten änderte, sah ich wieder vor. Die Straße, die wir entlang fuhren führte direkt auf eine Springbrunnenanlage zu, hinter der die hell erleuchtete Glasfassade des unteren Stockwerks eines großen, prunkvollen Gebäudes auf uns wartete. Über dem gigantischen Eingang, bis über die Straße erstreckte sich die tiefrote Markise. Unter ihr, direkt vor den Stufen fuhr gerade eine Limousine ab.

„Mein Deckname unter den Menschen lautet Akaya Noyamano. Jaken hat für uns eine Suite gebucht. Die letzte, die übrig war. Scheinbar ist eine Konferenz in der Stadt. Einer von uns wird wohl mit der Couch vorlieb nehmen müssen.“

Ich nickte.

„Verstehe.“

Er fuhr vor dem Eingang vor und hielt. Er schaltete den Motor aus, als bereits ein junger Mann in Angestelltenuniform um die Haube herum lief und auf seine Fahrerseite. Doch Sesshoumaru zog den Schlüssel und reichte ihn mir. Ich nahm den ihn entgegen. Ich wusste, was zu tun war. Ich schnallte mich gerade ab, als sowohl seine, als auch meine Tür aufgerissen wurden und die beiden Boys uns überschwänglich begrüßten.

Ich strich einmal über meinen langen Fleecemantel und mein Fell, dann stieg ich aus.

Egal was man über Highsociety sagte, oder über die Verkleidungsfreudigkeit der Japaner, solche wie uns sah man auch hier nicht oft.

Zwar hatten wir uns beide die Clanzeichen im Gesicht überschminkt, doch mit den langen Haaren, die farblich perfekt zu unseren Fellen passten fielen wir auf wie bunte Hunde.

Der Steward schloss hinter mir die Beifahrertür. Auf der anderen Seite bat sein Partner Sesshoumaru gerade um die Wagenschlüssel, damit er den SUV für uns einparken konnte, doch ohne ihn auch nur eines kleinen Blickes zu würdigen marschierte der Fürst an ihm vorbei und hinter dem Auto herum zur Heckklappe, wo bereits ein weiterer Angestellter der Hotels unser Gepäck herausholte.

Ich sah zu dem Mann neben mir und hielt die Schlüssel hoch.

„Bitte, guter Mann, helfen Sie ihrem Kollegen. Name: Noyamano.“

Er sah mich etwas perplex an, niemals hätte er damit gerechnet, dass ich das hatte, was normalerweise für den Fahrer unumgänglich war, um den Wagen zu starten, verneigte sich dann aber und nahm ihn mir ab.

„Sehr wohl, Noyamano-san“, noch ehe ich ihn korrigieren konnte eilte er seinem Kollegen zu Hilfe.

Der Kofferraum wurde geschlossen und mit zwei Reisetaschen bepackt lief der dritte Steward hinter Sesshoumaru her, der mit seiner Aktentasche bestückt auf mich zukam.

Um die Stufen vor uns zum Eingang zu erklimmen bot er mir seinen Ellenbogen an, den ich artig entgegen nahm.

„Verzeih, aber er war zu schnell weg, als dass ich ihn hätte berichtigen können.“, versuchte ich das Dilemma zu entschuldigen, wie man mich gerade genannt hatte, doch ihn schien es nicht weiter zu interessieren.

Mit erhabenem, doch eiskaltem Blick stieg er mit mir hinauf und durch die gläserne Drehtür.

Die Empfangshalle war gigantisch und von Säulen gestützt. Überall standen vereinzelte Sitzgruppen und an dem Tresen tummelten sich viele Anzugträger. Direkt vor uns strahlte uns eine Hotelangestellte in schwarzem Kostüm entgegen und verneigte sich tief, als wir mit einigen Metern Abstand stehen blieben.

„Willkommen, verehrte Gäste.“, sprach sie und erhob sich wieder. „Mein Name lautet Kugimiya. Ich werde alles dafür tun, dass all ihre Wünsche und Bedürfnisse in unserem bescheidenen Haus gestillt werden. Wie kann ich Ihnen dienen?“

Ja, dieses Haus war bescheiden, dachte ich sarkastisch, hielt aber meinen Mund.

„Für uns wurde eine Suite reserviert.“, verkündete ich und ihre Augen begannen noch mehr zu leuchten, sodass ich mir sicher war, dass auch ihr Glück im Beruf von der Exklusive der gebuchten Räumlichkeiten abhing. „Der Name lautet Noyamano.“

„Bitte, folgen Sie mir.“, damit wies sie auf den Tresen hinter sich und ging schließlich voran an ihren Arbeitsplatz. „Also, Noyamano-san…“, sprach sie laut mit, während sie den Namen eintippte. „… darf ich Sie fragen, was Sie nach Tokio führt? Die Konferenz vielleicht?“

„Nein, ein anderes, geschäftliches Meeting.“

Sie lächelte weiterhin unaufhörlich und nickte verstehend.

„Dafür haben wir die besten Räumlichkeiten.“

„Das ist uns bekannt, vielen Dank.“

Sie nickte und sah endlich auf ihren Bildschirm.

„Da haben wir ihre Reservierung. Noyamano, die schwarze Suite, für zwei Nächte, ist das korrekt?“

„Das dürfte stimmen.“

Sie nickte weiter lächelnd und tippte die Uhrzeit des Einchecken ein, sowie sonstige Informationen, die sie noch von mir haben wollte. Am Ende verlangte sie eine Kreditkarte von uns, was selbstverständlich Sesshoumaru übernahm. Als er sein Portmonaie öffnete und dabei nebst hohen Bargeldscheinen gleich vier Kreditkarten aufblitzten und er ihr eine in Platin reichte hatte ich fast das Gefühl Dollar, oder eher Yen-Zeichen in ihren Augen aufblitzen zu sehen.

Sie gab alles an einen Pagen weiter, der die Papiere und die Karte in einem versigelten Umschlag zum Safe bringen sollte und zückte dann die Schlüsselkarte für unser Zimmer.

„Wenn Sie und ihr Mann mir dann bitte folgen würden, Noyamano-san.“, sie wies in Richtung der Fahrstühle und ging dann erneut voran.

Ich wollte sie gerade über ihren Irrtum informieren, als sie schon wieder weiter plapperte. Entschuldigend sah ich zu Sesshoumaru, doch der interessierte sich für solch eine Nebensächlichkeit gar nicht.

„Sie haben das Zimmer 3482 im siebzehnten Stock.“, erklärte sie und steckte unsere Schlüsselkarte in einen schmalen Schlitz zwischen zwei – von sieben – Fahrstühlen. Unbemerkt setzte sich der Page mit unserem Gepäck ab, er musste einen anderen Aufzug als wir verwenden. „In die oberen Etagen kommen sie nur mit ihrer Schlüsselkarte, wie übrigens auch in den Wellness und Sportbereich. Diese beiden befinden sich im ersten Untergeschoss. Das Restaurante dagegen befindet sich hier im Erdgeschoss, allerdings auf der anderen Seite der Fahrstühle. Nennen Sie bitte einfach ihrem Liftboy ihr Ziel und sie werden umgehend ihr Ziel erreichen.“

Ich nickte verstehend, als mit einem kleinen Gong auch schon der Fahrstuhl bei uns hielt. Mit gehobenem Haupt stakste sie vom Teppich der Vorhalle auf den im Inneren des Fahrstuhls und wartete bis wir eingetreten waren, ehe sie der jungen Frau neben einer computergesteuerten Anlage die Anweisung gab uns in den siebzehnten Stock zu fahren.

So weit war ich noch nie hinauf gezogen worden und obwohl ich merkte, dass der Fahrstuhl schneller war als manch andere, dauerte es doch recht lange. Aber wen störte das schon, wenn er von Meeresrauschen und Walgesängen beschallt wurde? Nicht, dass ich soetwas nicht mochte, nur die Dame bei uns tat mir leid, dass sie es sich den ganzen Tag antun musste.

Der Wagon stoppte und noch ehe die Tür richtig geöffnet war verneigte sie sich vor uns und sprach in einem sanften Lächeln: „Ich wünsche noch einen angenehmen Abend.“

Wir stiegen also aus und folgten dann der Frau mit Namen Kugimiya den Gang entlang, vorbei an Türen, die weit auseinander standen. Vermutlich befanden sich hinter ihnen die kleineren Suites.

Je weiter wir kamen, desto größer schien der Abstand zwischen ihnen und als wir um die letzte Ecke bogen liefen wir plötzlich in drei mir wohl bekannte Personen hinein.

Kugimiya wollte sich gerade entschuldigen, doch sie ignorierten sie eiskalt und mein Vater verneigte sich vor Sesshoumaru.

„Mein Herr, es freut mich Euch zu sehen.“

„Phelan“, grüßte er dagegen nur desinteressiert und sah dann an ihm vorbei zu meiner Mutter und meiner hochschwangeren Schwester.

Das nutzte mein alter Herr um sich wieder aufzurichten und einen Schritt nach hinten zu ihnen zu tun. Die beiden knicksten tief – was die Frau aus dem Land des ständigen Verbeugens nun doch seltsam fand.

„Ihr erinnert Euch sicher noch an meine Frau Edona und meine älteste Tochter Marylou.“

Sesshoumaru sagte nichts, nickte nur zur Bestätigung.

„Was tut ihr denn hier?“, fragte ich verwirrt, doch irgendwie war es auch schön sie wiederzusehen. Mein Vater kam schnurstracks auf mich zu ohne etwas zu sagen, umarmte mich viel zu fest und drückte mir einen vom Bart kratzigen Kuss auf die Wange. Ich tätschelte ihm nur leicht eine Schulter.

Wesentlich freudiger umarmte ich dagegen meine Mutter und meine Schwester. Letztere natürlich etwas seichter bei der riesen Kugel, die sie vor sich her schob.

„Wir haben dich einfach alle vermisst!“, verkündete meine Mutter, doch mein Vater war weniger Taktvoll, benahm sich eher wie ein Elefant im Porzellanladen.

„Deine Mutter hatte Angst, dass ich dich nicht allein wieder zur Vernunft bekomme.“

Während er sprach hatten sich meine Eltern unauffällig zwischen mich und Sesshoumaru geschoben. Sie drehten ihm den Rücken zu, sodass sie es nicht sahen, doch seine Augen wurden kaum merklich kleiner, als müssten sie aufkeimende Wut verstecken.

„Moment“, fragte ich und stockte. „Ihr seid bitte weswegen hier?“

Das Gesicht meiner Mutter nahm einen bösen Na-Vielen-Dank-Auch-Du-Trampel-Blick an und damit strafte sie meinen Vater.

„Ich habe einen großen Fehler gemacht dir zu sagen, dass du dich bewerben sollst.“, meinte meine Schwester liebevoll hinter mir und legte mir eine Hand auf die Schulter.

Ich schüttelte den Kopf.

„Ich fasse es einfach nicht.“, murmelte ich.

„Ja, ich weiß doch, dass du den Job eigentlich nicht wolltest. Ich hätte auf dich hören sollen, als du es zu mir gesagt hast und dich nicht weiter drängen!“, erklärte meine Schwester mit Seitenblick auf unseren Fürsten, wohl in der Hoffnung, dass er mich aufgrund dieser Erkenntnis wieder entließ.

„Nun habe ich ihn aber und ich mach ihn gern!“, konterte ich schnell, ehe diese Nachricht auch bei Sesshoumaru durchgesickert war.

„Bitte, Leenchen, wir haben eine Suite den Gang runter. Zwei Schlafzimmer. Eins für uns beide und eins für dich und deine Schwester. Warum bringst du nicht deine Sache in unser Zimmer und kommst erst einmal mit uns etwas essen. Danach können wir in Ruhe über alles reden.“, meine Mam klang mal wieder äußerst beschwichtigend – um nicht zu sagen: Sie hatte ihren einlullenden Ton aufgelegt, bei dem ich für gewöhnlich zu allem ja sagte – doch an diesem Tag wirkte es nicht.

„Danke, ich verzichte.“, damit überwand ich die Barriere aus den zwei Dämonen, die mich gezeugt hatten und trat an die Seite unseres Fürsten. Augenblicklich entspannte sich sein Augenspiel wieder.

„Der Herr und ich haben selbst eine Suite und ich bevorzuge seine Gesellschaft.“, dann sah ich wieder zu ihm auf. „Wenn es Euch nichts ausmacht, heißt das, Meister.“

Ein kurzes Lächeln huschte über einen seiner Mundwinkel.

„Natürlich nicht, Myleen.“

„Myleen!“, donnerte mein Vater, doch Sesshoumarus Bestätigung hatte für mich gereicht. Ich hakte mich wieder bei ihm unter, strafte meine Familie noch einmal mit einem letzten bösen Blick und ließ mich dann von unserem Herrn weiter ziehen auf die Frau zu, die uns führte.

Nur langsam drang zu ihr durch, dass das verwirrende Schauspiel ein Ende hatte und ihre Dienste wieder benötigt wurden, also führte sie uns eilig weiter.
 

Ich grinste leicht und ließ absichtlich so wenig Abstand zwischen mir und Sesshoumaru wie nur möglich. Es war ja so amüsant zu sehen, wie meine Eltern ins Schwitzen gerieten, als wir alle gemeinsam wieder hinauf fuhren.

Folgendes war geschehen:

Als wir endlich allein in unserer Suite waren hatte ich einfach alles von mir geschmissen und war ausgerastet.

Wie nur hatten meine Eltern und meine Schwester mir das antun können? Sie hatten mich bloßgestellt. Es war so peinlich, so erniedrigend, aber aus irgendwelchen mir unerfindlichen Gründen waren die drei so schmerzbefreit, dass sie es noch nicht einmal merkten!

Ich hatte gegen sie gewettert, wie schon lang nicht mehr, und war quer durch das Wohnzimmer, an der hohen Glasfront vorbei ins Schlafzimmer gerannt und von dort in das angrenzende Bad, um mir eiskaltes Wasser über die Handgelenke laufen zulassen. Das beruhigte mich.

Sesshoumaru war mir auf meinem Weg gefolgt, hatte sich in den Türrahmen gelehnt und mir dabei zugesehen, wie ich wieder versuchte Herr meines Pulses zu werden.

Schließlich beschloss er, dass es unklug von uns wäre, an diesem Abend das Restaurant aufzusuchen, wo bereits meine Familie war. Während er nach meiner umschweifenden Zustimmung im vorderen Zimmer die Karte studierte um etwas über den Service zu bestellen, riss ich mir die vor Wut vollgeschwitzten Kleider vom Leib und schlüpfte in einen der samtig weichen Hotelbademäntel.

Als ich dann in meinem Koffer nach meinem Pyjama suchte fand ich stattdessen etwas anderes. Ich wusste nicht wirklich wie es dorthin gekommen war, doch allein sein Anblick freute mich.

Es war ein knallrotes Cocktailkleid, trägerlos, von dem mich Emi und Kazumi bei unserem gemeinsamen Shoppingtag überzeugt hatten. Ich wusste nicht wo ich es hätte anziehen sollen, es war viel zu kurz um auch nur irgendetwas damit zu unternehmen, doch die zwei hatten mir so lange Komplimente gemacht wärend ich es trug, dass ich es doch gekauft hatte.

Eine böse Idee stieg in mir auf. Ja, ich war wirklich eine miserable Tochter, aber diesen Schock würde ich definitiv meinen Eltern verpassen!

Ich wusste, dass Sesshoumaru noch eine Weile brauchte sich etwas zu Essen auszusuchen – einmal hat Jaken für uns drei etwas zum Abendessen kommen lassen und er hatte eine halbe Stunde die Karte rauf und runter gelesen – also hatte ich genug Zeit.

Ich sprintete unter die Dusche, wusch mich schnell und grob, parfümierte mich leicht mit etwas Süßlichem ein, schminkte meine Augen, trug passenden Lippenstift auf – normal tat ich so etwas nicht, aber ich brauchte eine gute Show! – und stieg dann erst in das Kleid, dann in ein paar Schuhe mit zehn Zentimeterabsatz – von denen ich auch nicht wusste, wie sie in den Koffer kamen, aber egal – und steckte mir dann noch schnell unordentlich die Haare hoch…

Irgendwie sah es zu verrucht für mich aus, doch auch wieder so scharf, dass ich mir sicher war, dass es klappte. Ich hatte das Gefühl eine Gangsterbraut aus diesen komischen Mafiafilmen zu sein, eine richtig versnobte Diva eben, aber egal.

Ich war hinüber zu Sesshoumaru gestöckelt und auf ihn zu getippelt. Er hatte nicht aufgesehen bis ich neben ihm stand. Er wollte mich gerade um Rat fragen, was er denn bestellen sollte, als ich ihn schon auf die Beine zog.

Die Überraschung hatte ihm jegliches Wort geraubt und er betrachtete mich einfach nur von oben bis unten und wieder hinauf.

„Entscheide dich unten!“, grinste ich ihm verschwörerisch zu. „Wir beide haben jetzt ein heißes Date, damit mein Vater endlich seinen langersehnten Herzinfarkt erleidet!“ natürlich meinte ich es nicht wortwörtlich, aber ich hoffte tatsächlich, dass meine Eltern einen Schock erlitten, wenn sie mich so sahen – und der meiner Schwester, so hoffte ich, viel so extrem aus, dass ihre Fruchtblase platzte und sie einen Notarzt rufen mussten.

Ich ließ ihm also gar keine Wahl, riss ihn einfach mit, schnappte mir von der Kommode die Schlüsselkarte und ging mit ihm zusammen hinunter zum Restaurante. Zu meiner Überraschung – zumindest im Nachhinein, ich realisierte es in dem Moment nicht wirklich – fing er sich sehr schnell in seiner Rolle und führte mich Stolz wie der Fürst, der er war, quer durch den Raum hinter einem Kellner her, der mich mit erstaunlich geweiteten Pupillen angeglotzt hatte. Ich dachte einfach, dass mein Meister mir den Gefallen tat und mitspielte. Immerhin musste es ihn doch auch stören, dass meine Familie so vehement gegen ihn war!

Wir verbrachten also einen Abend zu zweit und zeigten meinen Eltern wie vertraut wir schon vor vier Jahren miteinander umgingen. Ich war mir sicher, dass die guten Ohren meiner Verwandten es auch nicht überhörten, dass wir die Kellner nie berichtigten, wenn sie uns für die Eheleute Noyamano hielten.

Der Effekt war noch viel größer gewesen, als ich es mir hätte ausmalen können. Kaum, dass wir fertig waren und zurück zu den Fahrstühlen gingen, beendeten auch meine Eltern und meine Schwester hektisch ihr Mahl und rannten uns förmlich hinterher, um noch in den gleichen Fahrstuhl steigen zu können.

Dort standen wir nun. Seite an Seite, eingefangen zwischen unser beider Ruten. Sesshoumaru lehnte gegen eine waagerechte Stange, die zum Festhalten montiert war und hatte links und rechts von sich die Arme ausgebreitet. Ich tat es ihm gleich, umfasste die Halterung hinter seinem Rücken und umarmte mit dem anderen Arm meinen Pelz.

Keiner von uns sagte etwas. Meine Mutter versuchte angestrengt woanders hinzusehen, doch mein Vater und meine Schwester – ein Ei glich eben doch dem anderen – betrachteten uns eingehend.

Ich hätte zu gern irgendetwas zu Sesshoumaru gesagt um die Sache abzurunden, doch in ihrem Beisein wagte ich es nicht. Also wartete ich geduldig auf das Zeichen, dass der Lift sein Ziel erreicht hatte.

Als er endlich mit einem Ruck zum Stehen kam bewegte sich lediglich eine Hand des Fürsten. Die Türen schwangen auf und seine warmen Finger fanden ihren Platz tief auf meinem Rücken, direkt über dem Steißbein, und er schob mich hinaus. Vater verneigte sich gerade vor ihm und bot ihm den Vortritt, doch das beachten weder ich noch er. Vielleicht hatte er ja gehofft, dass auch ich Sesshoumaru als ersten gehen ließ, um mir eine erneute Standpauke zu halten, wer wusste das schon, doch er machte ihm einen Strich durch die Rechnung, indem er mich einfach vor sich hinaus schob und dann weiter neben mir her ging die Gang entlang, ohne den Arm von meinem Rücken zu nehmen. Hinter mir hörte ich meine Schwester irgendetwas murmeln, doch ich verstand es gar nicht. Nicht, weil meine Ohren so schlecht waren, sondern weil ich mich nicht darauf konzentrieren konnte. Wir hatten gerade unseren Weg gefunden, da wanderte sein Arm komplett um mich herum. Die Hand strich über meine Hüfte, meinen Oberschenkel hinab soweit es ging und dann… Hatte ich das Gefühl, dass mein Rock rutschte, nicht runter, sondern hinauf.

Mein Arm, der bis vor wenigen Sekunden noch hinter ihm gelegen hatte, schnellte von allein hinter ihm hinauf und krallte sich in den Rücken seines Sakkos.

Dann erreichten erst seine Klauen meine blanke Haut, dann die Finger.

Bildete ich mir das nur ein? Seine Finger schoben sich auf meiner Hüfte vor und wieder zurück, seine Krallen kratzten mich leicht. Meine Hand auf seinem Rücken rutschte tiefer, dann waren wir endlich da.

Er zückte unsere Karte und wandte sich der Tür zu. Mit einem Ruck schob er mich mit dem Rücken zu ihr. Seine Hand wechselte in dieser Bewegung seine Position. Seine warmen langen Finger strichen von der Hüfte zu meinem Hinterteil. Der Minirock klappte auf der Rückseite hinauf wie ein Gürtel und legte mich frei.

Fest griff er zu und hielt mich so gefangen.

Blut schoss mir in den Kopf, ich lief puterrot an.

Seine Augen sahen zu dem Schlitz der Türkarte. Mit einer schnellen Bewegung zog er sie durch, und fixierte dann mich, vollkommen ausdruckslos, aber erhaben.

Als er sich hinunter beugte an mein Ohr, krallte ich einen Arm hinter seiner Schulter fest und griff mit der anderen an seinen anderen Oberarm.

„Ich kann nicht mehr warten!“, knurrte er und öffnete die Tür mit einem Ruck, schob mich Rücklings hinein.

Ich blickte über seine Schulter hinweg. Kalkweiß und wie festgefroren standen sie alle drei weiter hinten im Gang.

Ich grinste.

Mission erfüllt!

Mit einem lauten Knall flog die Tür zu. Da konnte ich mich nicht mehr halten.

Lautstark lachte ich los, sackte gegen seine Schulter.

Der Druck an meinem Hintern verschwand und er richtete sich wieder auf. Sah mich an als wäre ich vollkommen verrückt geworden.

„Danke, dass du mitgemacht hast, Sesshoumaru.“, sprach ich artig und löste mich von ihm, um mir eine Träne aus dem Augenwinkel zu wischen. „Das würde mir keiner Glauben, wenn ich ihm erzählte, dass der Fürst mir geholfen hat meine Eltern zu schocken!“

Ehe ich mich herum drehte richtete ich schnell wieder den Rock und marschierte dann hinüber ins Schlafzimmer.

„Eigentlich war das ja gar nicht geplant! Ich weiß nicht mal, wie das Kleid in meinen Koffer gekommen ist!“

Ich hockte mich vor meiner Tasche hin und begann wieder nach dem Pyjama zu suchen. Dabei sah ich auf. Er stand in der Tür gegen den Rahmen gelehnt mit verschränkten Armen.

„Es gehört nicht dir?“, fragte er in einem seltsamen Tonfall, den ich nicht deuten konnte.

„Oh doch, das schon. Emi und Kazumi haben mich so lange bequatscht, bis ich es gekauft habe. Ich habe es nur nicht eingepackt.“

„Emi und Kazumi…“, murmelte er und kam zu mir hinüber. Er stellte sich hinter mich als ich mit meinen geknautschten Schlafsachen aufstand.

„Was ist mit ihnen?“

„Sie haben dir beim Packen geholfen, oder?“

„Ja, wieso?“

„Vermutlich hat eine der beiden es in deine Tasche geschmuggelt, weil sie meinten, dass es mir gefallen könnte. Die beiden Weiber kennen mich einfach viel zu gut.“

Ich legte die Stirn in Falten und legte den Kopf schief, betrachtete ihn ihm Spiegel, wie er hinter mir stand und ebenfalls unser Spiegelbild besah.

„Emi und Kazumi, aber auch Ritsuko, die letzten meiner alten Haremsdamen, die noch auf dem Gelände wohnen.“

Ich schwieg ein paar Sekunden.

„Das erklärt viele Klamotten, die sie mir aufgequatscht haben…“, flüsterte ich.

Schweigend standen wir da. Keiner sagte etwas.

Dann auf einmal bewegte er sich, wendete sich ab und ging zum Bad hinüber.

„Sesshoumaru?“, ich hielt ihn auf, als er gerade in der Tür angekommen war.

Aufmerksam drehte er sich zu mir zurück.

„Möchtest du wirklich auf der Couch schlafen?“

„Einer von uns muss es tun.“

„Aber vielleicht willst du…“, ich sah zum Bett. „Das Bett ist groß genug für zwei. Vielleicht können wir zusammen hier schlafen… Wir sind doch Freunde, oder? Das geht doch!“

Er erstarrte so plötzlich, dass ich mir augenblicklich auf die Unterlippe biss. Hatte ich jetzt was Falsches gesagt?

Doch er machte nur ein amüsiertes Geräusch und drehte sich wieder herum, um seinen Weg zur Dusche fortzusetzen.

„Ist gut, lass uns beide zusammen in dem Bett schlafen.“

ein zeremonieller Traum

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

der Fürst und krank?

„Geh mit deiner Mutter und deiner Schwester mit.“

„Was?“, entsetzt sah ich Sesshoumaru an, der sich gerade die Hände im Bad unserer Suite wusch. „Aber wir sind noch nicht fertig!“

„Für den Rest des Tages brauche ich dich nicht.“

Ich sah ihn wenig begeistert an.

Es war inzwischen Nachmittag geworden. Am Morgen war der Vorstand erschienen zum gemeinsamen frühstücken und mehr oder weniger Smalltalk betreiben. Später waren wir dann, inklusive meiner Schwester und meiner Mutter, im Hotelrestaurant etwas essen gegange. Als wir wieder hinauf fuhren baten die beiden darum, dass ich mit ihnen zusammen den Nachmittag verbringe. Ich habe selbstverständlich protestiert, immerhin musste ich arbeiten, aber dann hatte Sesshoumaru mich hinüber ins Schlafzimmer gebeten, um mit mir zu reden.

Und nun…

Er schloss den Wasserhahn und schüttelte das Wasser von den Händen, ehe er sie an einem Handtuch trocknete.

„Aber ich muss doch…“

„Wir besprechen nur Themen, in die ich dich später einarbeiten werde. Du hast dafür noch nicht die Erfahrung.“

„Gerade deshalb, Sess…“

„Nicht! Die Wände sich nicht all zu dick. Ich will nicht riskieren, dass sie meinen Namen hören.“

Ich seufzte um meinen angefangenen Satz zu beenden.

„Ich werde dich nicht ohne Aufgabe lassen.“, versicherte er.

„Und was soll ich tun?“, seufzte ich ergeben.

„Dein Vater und deine Mutter nerven mich allmählich. Ich will, dass du deine Mutter beruhigst, vielleicht kann sie dann auf deinen Vater einwirken.“

Ich zuckte unwillkürlich zurück. Noch nie hatte er so offen über seine Probleme geredet. Schon gar nicht in Kombination mit einer Emotion. Und nun beschrieb er sie als ‚nervend‘? Wie schlimm war es wohl…

„Laufe ich Gefahr meinen Job wegen ihnen zu verlieren?“

Sein Kopf schnellte herum als hätte ich ihm gegenüber eine Morddrohung ausgesprochen, doch dann schüttelte er ihn schließlich.

„Natürlich nicht.“, versicherte er. „Sie können von mir aus schreien und zetern wie sie wollen, du hast damit nichts zu tun. Ich weiß, dass du mir treu bist.“ Er kam näher und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Aber du verstehst sicher, dass mir das Verhalten deiner Eltern nicht gefällt. Du bist der einzige Grund, weshalb ich sie nicht als illoyale Verräter gefangen nehmen lasse und ihnen sämtliche Ämter entziehe. Also kümmere dich um sie.“

Ich schluckte.

„Ich versuch mein Bestes. Versprochen.“

Er nickte nur wissentlich.

„Zu Sechs ist ein Tisch im Restaurant für alle reserviert.“, erklärte er und lief wieder an mir vorbei, zurück ins Schlafzimmer. „Seid pünktlich.“

Er schob die Tür auf, mein Zeichen, dass ich von nun an wieder förmlich mit ihm umzugehen hatte.

„Ja mein Herr.“, sprach ich noch, trat an ihm vorbei hinaus, knickste kurz und lief dann zu meiner Mutter und meiner Schwester hinüber, um sie hinaus zu schieben.

„Schön, dass du jetzt doch mitkommst!“, verkündete meine Mutter auf dem Weg zum Fahrstuhl.

„Der Herr meinte er würde mich später darin unterrichten, was sie besprechen.“

Die beiden nickten und hackten sich bei mir unter.

„Ich habe hier gestern im Vorbeifahren ein riesen Einkaufscenter gesehen.“, verkündete meine Schwester. „Ich bin für Shoppen und Eis essen!“

„Du könntest immer Eis essen!“, lachte ich.

„Ich bin schwanger, ich darf das!“

Wir fuhren hinunter und betraten gerade die Eingangshalle, als ich ihrem Plan widersprach.

„Ich war erst am Donnerstag Klamotten kaufen und ich fürchte, dass die meinen Kleiderschrank im Wohnheim schon sprengen… daher wäre mir persönlich eher nach Sightseeing oder spazieren oder der Gleichen.“

„Seit wann hast du mal keine Lust darauf Geld auszugeben?“, meine Mutter sah mich verblüfft an. Sie konnte es sich vermutlich nicht erklären, weil ich die letzten Monate vor meinem Umzug nach Japan alle paar Tage zu ihr meinte, dass wir unbedingt Shoppen müssten, ich hätte schon wieder nichts zum Anziehen. Eigentlich stimmte das ja nicht, ich hatte viel zu viel, aber ich wusste immer nicht was ich wählen sollte!

Doch so ganz nebenbei wusste auch keine von ihnen etwas von meinem Stalker… der ja eigentlich keiner war! Ich war mir immernoch sicher, dass hinter dem mysteriösen Unbekannten eigentlich Len und Alexia steckten.

„Sagen wir es so…“, begann ich und suchte nach den passenden Worten. „Ich glaube ich habe die nächsten fünfhundert Jahre genug vom Geldausgeben. Ich musste mich am Donnerstag vollkommen neu einkleiden.“

„Bitte was?“, meine Mutter sah mich fassungslos und irritiert an. Sie roch mal wieder auf drei Meilen gegen den Wind, dass mehr hinter dieser Aussage steckte. Die Frau kannte mich einfach zu gut.

„Ich will hier lang!“, bestimmte dagegen Marylou zu meiner Linken und riss uns von der Einfahrt hinunter in den Park, um durch ihn das Gelände zu verlassen.

„Du hast nur zwei Garnituren standesgemäßer Kleidung mitgenommen und ein Festkleid für den Notfall, alles andere war gewöhnliche Mittelstands-No-Name-Collection! Warum musstest du dich neu einkleiden?“, die Stimme meiner Mutter klang alarmiert. Sie wusste immerhin wie ungerne ich mich von meiner Kleidung trennte, daheim quollen meine Schränke noch von Kleidung über, die ich teilweise seit über fünf Jahren nicht mehr getragen hatte, ergo, die mir vermutlich noch nicht einmal mehr passte. Doch auch meine Schwester schenkte mir nun wieder ihre Aufmerksamkeit. Sie kannte meine Angst vor Verlust des Altbekannten ebenfalls.

„Das ist eine längere Geschichte…“, murmelte ich und Mary sah auf ihre Uhr.

„Fang an, wir haben nur noch fünf Stunden.“

Ich streckte ihr die Zunge raus, sie lachte nur.

„Also, wo fang ich an…“

„Bei deinem Job!“, meinte meine Schwester.

„Bei deiner Kleidung!“, korrigierte meine Mutter.

„Mir wäre Gang lieber.“

Die zwei sahen sich an.

„Wollen wir uns nicht in ein Café setzen? Bei einem Tee und einem Kakao redet es sich einfach besser.“, versuchte ich sie wieder abzulenken. Doch das nahmen sie ebenso gerne an wie ich, also kehrten wir in ein kleines Café am Ende des Parks ein. Meine Schwester bestellte einen Tee, einen Kaffee und eine heiße Schokolade mit Karamell und dann setzten wir uns in eine Ecke auf drei riesige, gemütliche Sessel um einen kleinen runden Tisch herum.

„Ihr wisst doch wer Gang ist, oder?“, fragte ich rein rhetorisch. Natürlich wussten sie es. „Ich habe vor ihn anzuzeigen wegen Verleumdung und übler Nachrede... Rufmord könnte man auch sagen.“

Meine Mutter begann mir schon wieder protestierend dazwischen zu plappern – immerhin wusste sie, dass er schwer verletzt war und solch eine Kleinigkeit nun sicher nicht gebrauchen konnte – also erhob ich einfach die Stimme um sie lautstark zu übertönen, was natürlich die Aufmerksamkeit aller auf uns lenkte, doch ich wählte für die Kommunikation einfach eine Sprache von der ich mir dachte, dass sie mit Sicherheit niemand hier sprechen würde.

„Ich will damit nur die Grundlage für etwas ganz anderes setzen.“, erklärte ich weiter. „Gang hat sich scheinbar ziemlich beschissen gegenüber einigen Kommilitoninnen verhalten. Ich erspare euch die Einzelheiten, aber es reicht vom Spannen, bis hin zur sexuellen Nötigung.“

„Was?“, schrie meine Schwester entsetzt. Als erklärte Emanze hätte sie vermutlich einen Vortrag über Sexismus gehalten, wenn ich dem nicht zuvor gekommen wäre.

„Und was hat das mit dir zu tun?“, fragte meine Mutter irritiert.

„Nichts, aber ich habe erfahren, dass er sich so nur gegenüber Dämoninnen aus der Mittelschicht verhalten hat. Also solchen, die nicht gerichtlich gegen ihn ankommen würden, und die Halbdämonin, die er in ihrer menschlichen Nacht versucht hat zu vergewaltigen, hat, weil sie sich dessen bewusst war, einfach die Uni geschmissen. Ich meine das geht doch nicht, oder? Dass er das Leben anderer ruiniert und damit dann auch noch ungeschoren davon kommt!“

„Das ist wirklich ganz unterste Schublade!“, pflichtete meine Schwester mir bei und sah zu meiner Mutter mit der Aufforderung im Blick, sie möge uns doch bitte zustimmen.

„Ich verstehe immer noch nicht, warum du nun den Vorreiter spielen willst.“, meinte die kopfschüttelnd. „Das ist doch nicht dein Problem, was er mit den anderen Frauen angestellt hat. Das geht dich nichts an. Du steigerst dich nur schon wieder viel zu sehr in die Belange anderer hinein. Du hast dein eigenes Leben.“

Ich seufzte.

„Ja, Mama, ich weiß doch, aber…“

„Ich würde das an deiner Stelle sein lassen.“, sprach sie liebevoll und griff nach meiner Hand.

„Wie bitte?“, die Stimme meiner Schwester überschlug sich fast. „Hör bloß nicht auf sie! Du machst ganz genau das Richtige!“

„Das denke ich eigentlich auch…“, murmelte ich.

„Was hat er dir denn bitte angetan, dass du meinst, dass es eine Anzeige wert ist.“

„Er erzählt in der Uni herum ich hätte mich an ihn heran gemacht und schamlos ein Date ausgenutzt um an Alkohol zu kommen und ihn dann nur hämisch ausgelacht und abserviert, ach was weiß ich. Er stellt sich jedenfalls als großes Opfer dar. Gut, ich war mit ihm etwas trinken, aber ich wollte meine Rechnung selbst zahlen, was er nicht zulassen wollte und dann wollte er mich ganz plump mit nach Hause und ins Bett nehmen.“

„Das gibt es doch nicht!“, nun war auch die ältere Dämonin am Tisch entrüstet und ließ ihre Kaffeetasse so lautstark auf den Unterteller knallen, dass fast die heiße Brühen oben übergeschwappt wäre. „Ich finde nicht, dass es eine Anklage wert ist, aber das ist ja nun wirklich unter aller Kanone!“

„Deswegen will ich das machen. So ist er auch mit jeder anderen umgegangen und bei nicht wenigen ging er auch noch viel weiter.“

„Mach das! Ich unterstütze dich voll und ganz!“, verkündete Mary und ich nickte ihr dankbar zu.

„Ich habe gehört, dass Gang schwer verletzt ist.“, Mama nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. „Er schwebte sogar einige Stunden zwischen Leben und Tod. Meinst du nicht, dass da ein solcher Schritt etwas sehr hart ist? Er kann sich ja praktisch nicht wehren!“

„Um genau zu sein hat man ihn kastriert.“

Nun husteten beide los.

„Bitte was?“

„Na zum Glück ist er nicht das älteste Kind des chinesischen Fürsten…“, erklärte Marylou.

„Wer tut so etwas Schreckliches?“, jammerte Mutter.

„Nun, es gibt ein Bekennerschreiben. Aber ich denke nicht, dass der Verfasser es war.“

„Wer sollte denn bitte solch eine Tat gestehen, wenn er es nicht war?“, fragte meine Mutter. Zugegebener Maßen war der Einwurf gerechtfertigt, aber ich glaubte eben wirklich, dass Len und Alexia sich meinen Stalker nur ausgedacht hatten und keine von ihnen hätte ihrem Freund so etwas angetan.

„Len und Alexia.“

„Len?“, fragte meine Mutter irritiert.

„Wer ist Alexia?“, wollte Marylou weiter wissen.

„Alexia ist ein Kaninchendämon aus Kanada.“

Nachdenklich sahen die beiden einander an.

„Leenchen, du sprichst in Rätseln. Sei mal etwas genauer.“

„Ich habe einen Stalker.“, verkündete ich emotionslos und sah die beiden über den Rand meiner Schokolade hinweg an.

Wie zu erwarten kippten sie regelrecht aus den Latschen und schnatterten mit solch hohen Stimmen laut durcheinander, dass ich das Gefühl hatte mein Trommelfell würde bersten.

„Und du sagst uns nichts? Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?“

„Keine Sorge!“, ich versuchte sie zu beschwichtigen, stellte mein Trinkglas weg und lehnte mich zurück. „Als erstes hat mir der Herr drei Leibwächterinnen zugeteilt, von denen zwei immer an meiner Seite sind, und als zweites Mal weiß ich bereits, wer es ist.“

„Wer?“

„Na Len und Alexia. Alexia ist ein absoluter Mitläufer und steht vollkommen unter Lens Fuchtel und ihr wisst doch, wie die ist. Ich schätze sie wollte mir mit den ersten Blumen einfach nur eine Freude machen, als Willkommensgeschenk, und dann fand sie es lustig, dass ich nicht wusste von wem die kamen und nun ist ihr dummer Scherz einfach aus dem Ruder gelaufen. Nichts Weltbewegendes also.“

Marylou senkte mit einem Mal den Kopf und vergrub sich in ihrem Tee. Auch Mutter lehnte sich zusehends zurück und verdeckte nachdenklich den Mund mit einer Hand. Sie waren still, beinahe zu still, und irgendwie wollte mir ihr Gesichtsausdruck so gar nicht gefallen. Die beiden schielten einander an, doch Mama sah schnell wieder weg, beinahe als schäme sie sich für irgendwas.

Ich zog die Augenbrauen zusammen.

Doch ehe ich etwas fragen konnte setzte Mary ihren Tee wieder ab und sah zu mir.

„Woher weißt du, dass die beiden dich stalken?“

„Alexia hat sich verraten.“

„Wie das?“

„Naja, an dem Abend, als ich mit Gang aus war haben die beiden mein Zimmer verwüstet und einfach alles zerstört, Einrichtung, Laptop und so weiter. Nur meine Geschenke vom Stalker sind verschont geblieben. Das war übrigens der Grund, warum ich einkaufen musste am Donnerstag. Sie haben auch alle meine Kleider zerrissen.“

Zu meiner großen Überraschung blieben sie ruhig. Normal würde mir spätestens jetzt meine Mutter dazwischen fahren und wenn es nur mit dem Satz war: „Komm endlich auf den Punkt!“

Doch nicht dieses Mal. Gespannt sahen sie mich an.

„An dem Tag habe ich ihnen gestanden, dass ich verfolgt werde und Ritsuko – eine meiner drei Leibwächterinnen – nahm die Sachen in ihre Obhut und stellte zwei ihrer Frauen für mich ab, Emi und Kazumi.“

„Die Namen kommen mir irgendwie bekannt vor…“, murmelte Mary und sah zu unserer Mutter.

„Alte Haremsdamen.“, erklärte sie ihr nur monoton, sagte aber nichts weiter dazu.

„Ich habe zwei Nächte bei Alexia geschlafen, während vor dem Apartment zwei Soldatinnen Wache hielten und in der zweiten Nacht muss sie aufgestanden sein, hat die alten Geschenke und was Neues neben meinem Bett drapiert und fertig. Es gibt demnach nur zwei Möglichkeiten, wie der Stalker das gemacht haben kann. Entweder kam er durch die Tür, oder er war schon bei uns. Bei uns kann er nicht gewesen sein, das Apartment ist keine achtzehn Quadratmeter groß. Zur Tür ist auch niemand herein gekommen. Also kann es nur Alexia gewesen sein. Und zugegebenermaßen war sie auch immer da, wenn er sich wieder gemeldet hat, von Anfang an. Mit Ausnahme der ersten Blumen, aber die hat Len selbst ja angekündigt gehabt… Ihr seht also: Fall gelöst!“

Die beiden sahen sich wenig überzeugt an, ließen es aber im Raum stehen.

„Und… die drei alten Haremsdamen passen nun auf dich auf, ja?“, fragte meine Mutter schließlich. Ich nickte.

„Sie sind die letzten von den Geliebten des Fürsten, die noch auf dem Campus wohnen.“

„Und da gibt es keine Scherereien?“

„Soweit ich weiß nicht. Keine Ahnung was mit Emi und Kazumi ist, aber Ritsuko ist mit Katsuro verheiratet.“

„Der General des Herrn.“

Ich nickte zustimmend.

Marylou sah sich nun um, doch Mutter sprach aus, was sie dachte.

„Wo sind die drei heute?“

„Auf dem Campus. Sie wollten mit, doch der Herr sagte er könne allein auf mich aufpassen und bräuchte die drei nicht dazu.“

Nun sahen sich die beiden wieder an.

Und da war es wieder. Das alte Thema, ich konnte es in ihren Augen ablesen.

Mutter beugte sich vor und sah mich eindringlich an.

„Leenchen, du weißt, dass ich dich liebe, doch um Himmelswillen, vertrau mir einfach und tu was ich dir sage: Kündige und komm nach Hause!“

Ich presste die Zähne aufeinander und atmete lautstark aus, beinahe wäre mir ein Knurren mit entronnen. Niemals würde ich Sesshoumaru verlassen!

„Und damit ist dieses Gespräch beendet!“, verkündete ich nur. An den Befehl meines Fürsten dachte ich nicht mehr.
 

Ich schob Sesshoumaru zu meiner Rechten eine Schale mit Soße zu und erhob mich, als er sie annahm um etwas von dem Inhalt über seine Ente zu gießen.

„Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment.“, bat ich lächelnd und wandte mich um, um zur Toilette zu gehen.

„Warte auf mich, ich komme mit!“, sofort sprang Marylou auf und hackte sich noch auf dem Weg bei mir unter.

Sie summte fröhlich vor sich her, bis wir in dem prunkvollen Bad angekommen waren und drapierte sich vor dem riesigen Spiegel, um ihre Haare zurecht zu zupfen, während ich eine der Kabinen aufsuchte.

„Du solltest deine Rute richten, Leenchen.“

„Warum? Sitzt sie schief? Eigentlich ist es sehr bequem.“

„Mag sein, aber nicht standesgemäß, das weißt du doch. Vater regt sich schon seit vier Jahren darüber auf, dass du sie nur über eine Schulter trägst und nicht in beiden Armkehlen, wie es sich gehört.“

Ich seufzte.

„Vater regt sich schon immer viel zu sehr über alles auf, was ich tue.“

„Ich verstehe eure Beziehung einfach nicht.“

„Du warst ja auch immer das Lieblingskind, Mary.“

Sie lachte.

„Machst du Witze? Um es mit den Worten des gemeinen Volkes zu sagen: Dir wird der Zucker hochkant in den Arsch geblasen.“

„Nein, alles andere als das. Ich kann machen was ich will, mit nichts sind unsere Eltern zufrieden. Oder sagen wir Vater. Mama ist irgendwie…“

„Manipulativ?“

„Korrekt, die Frau ist so hinterlistig! Die setzt einem so gekonnt Gedanken und Meinungen in den Kopf, dass man am Ende glaubt es wären die eigenen, erst wenn man darüber nachdenkt merkt man, dass sie einen manipuliert hat.“

Mary lachte.

„Ja, und Papa ist so subtil wie eine Knarre!“

Wir kicherten beide. Ich spülte und kam wieder zu ihr vor, um mir die Hände zu waschen und meine Haare ebenfalls zu richten.

Sie sah mir einige Sekunden schweigend zu, dann stemmte sie sich von der Ablage ab und griff nach meinem Schwanz.

„Komm, ich richte ihn dir, damit Vater nachher wenn wir in der Suite sind nicht wieder am Rad dreht.“

„Nein, lass nur, der sitzt schon ganz gut so.“

Sie seufzte.

„Leenchen, seit vier Jahren trägst du deine Rute so und Vater hat sich nicht daran gewöhnt. Das erste Mal auf meiner Hochzeit, da ging er an die Decke und hat sich bei beinahe jedem für dein Verhalten entschuldigt. Diese Art deinen Schwanz zu tragen… und dann auch noch vor dem Meister…“

Ich seufzte und hielt ihre Hand auf, schob sie bestimmt zurück und richtete mein schwarz-rotes Fell wieder.

„Mary, der Fürst selber legte ihn mir so über die Schulter.“

Sie stutzte.

„Was? Wann?“

„Als ich ihn kennen lernte. Das war eine verrückte Geschichte. Ich wollte auf mein Zimmer und bin in ihn hinein gelaufen auf den obersten Stufen der Treppe. Vor dem Sturz hat er mich gerade so bewahrt. Ich wusste nicht wer er war – Woher auch? Ich hatte ihn nie gesehen! – und hab ihn voll zur Schnecke gemacht.“

Sie legte die Stirn in Falten.

„Er hat sich mir auch nicht mit seinem Titel vorgestellt, sondern mit seinem Namen.“

Sie hob das Kinn.

„Du kennst den Namen unseres Fürsten?“

Ich nickte nur bestätigend und erzählte weiter. „Um sich bei mir zu entschuldigen bat er mich ihn zu begleiten und weil meine Rute und seine sich behindert haben hat er noch bevor wir runter in den Saal gegangen sind mein Fell so hergerichtet.“

Sie atmete einmal tief durch und lehnte sich zurück, ohne mich anzusehen.

„Oh man, Leenchen…“

Verständnislos sah ich sie an und trocknete meine Hände.

„Hab ich was verpasst?“

Sie seufzte.

„Es tut mir so leid, was ich dir da eingebrockt habe.“

Ich legte den Kopf schief.

„Ich verstehe nicht wirklich. Was hast du denn gemacht?“

„Dich dazu überredet, dich bei dem Herrn zu bewerben. Ich wünschte ich hätte damals schon gewusst, was ich heute weiß.“

„Was denn? Wirklich Mary, mich nervt es langsam, dass mich alle von ihm wegzerren wollen! Der Fürst ist wie der beste Freund, den ich niemals hatte! Ihr könnt mir sagen was ihr wollt, ich werde ihn nicht verlassen.“

„Bitte überleg es dir!“, sie sah mich flehend an.

Ich verstand einfach nichts.

Was nur machte ihnen solch großen Kummer?

„Mary“, flüsterte ich. „Rede mit mir.“

Sie überlegte einige Momente und sah wieder zu den Kacheln auf dem Boden, dann erneut zu mir.

„Kannst du dich noch an die Unterweisungen unserer Amme erinnern? Wie wir uns zu benehmen haben, was richtig und was falsch ist? Wie wir eine standesgemäße Prinzessin sind?“

Ich schwieg einige Sekunden. Worauf wollte sie bitte hinaus?

Dann viel es mir auf.

Ich stockte.

Gefror regelrecht zu Eis.

„Es gibt nur eine Frau unter den westlichen Dämonen, die ihre Rute über nur einer Schulter tragen darf, spiegelverkehrt zum Fürsten.“

Sie nickte und sah mich eindringlich an.

„Lediglich der Herrin über den Westen ist es gestattet, ihren Pelz gleich der Männer zu tragen. Selbstverständlich gibt es im gemeinen Volk Frauen, die ihn heutzutage ebenfalls so tragen, schlicht und ergreifend der Einfachheit halber, doch uns ist es noch immer untersagt. Doch eine einzige Frau darf es, die Fürstin. Ihre Rute wird vom Fürsten persönlich gerichtet. In dem Moment, da dies geschieht, entscheidet er sich für sie als seine Herrscherin.“

Ich sah sie eine Weile an, dann kniff ich die Augen zusammen und strich mir über die Lider und das Haar.

„Das ist es sicher nicht.“, meinte ich einfach nur. „Solch ein Interesse hat der Herr noch nie an mir gezeigt. Unsere Beziehung ist seit wir uns kennen von lockerer Natur.“

„Und was war das gestern?“

Ich winkte ab.

„Das mit dem Kleid war meine Schuld. Ich habe mich so über unsere Eltern aufgeregt, dass ich sie ärgern wollte. Was wäre da besser, als mich vor ihren Augen an seinen Hals zu werfen?“

Ihre Stimme war frustriert, als sie einatmete und sich einmal stampfend im Kreis drehte, als müsse sie in die Geschlossene eingewiesen werden.

„Wir dachten all die Jahre du würdest einfach nur mal wieder rebellieren und stattdessen hat der Herr dich bereits am Tag meiner Hochzeit als seine Fürstin auserwählt.“

„Man, Mary, hör endlich auf damit, so ist es nicht!“, ich lachte langsam… Wenn der Scherz auch nicht mehr lustig war. „So ist er nicht an mir interessiert…“

Weiter kam ich nicht. Ihre Klauen gruben sich in meine nackten Schultern.

„Am Tag nach meiner Hochzeit…“, sie sah mich eindringlich an. „… da suchte er unseren Vater auf! Er bat um deine Hand, Leenchen! Der Fürst wollte dich heiraten!“

Das Herz rutschte mir in die Hose.

Ich wurde erst kalkweiß, dann puterrot.

„Bist du irre? Was laberst du da?“

„Ich habe es auch erst vor einigen Tagen erfahren, kurz nachdem du Mama gesagt hast, dass du den Job bekommen hast.“

Ich spürte wie mein Kiefer zitterte.

Wenn das wirklich wahr war, wenn Sesshoumaru wirklich bei meinen Eltern um meine Hand angehalten hat, warum hat er mir nie etwas davon erzählt?

Warum haben meine Eltern es mir nie gesagt?

Warum haben sie die absolut beste Partie für eine Fürstentochter einfach so abgelehnt?

Es gab nur einen einzigen Grund.

Ich zog meine Schultern ein und senkte den Kopf. Ich wusste, dass ich damals noch vollends in meinen Wolf verliebt gewesen war, doch mir war auch klar, dass meine Beziehung zu ihm nicht ewig dauern würde… Sesshoumaru… die absolut beste Partie in unserer Welt. Vielleicht hätte ich es auch gewollt, irgendwann...

Ich hoffte sie würde meine Tränen nicht sehen, wenn sie sie auch roch. Ich konnte nicht sagen, ob ich jemals mehr für meinen Fürsten empfinden konnte als tiefe Demut, Bewunderung und Verehrung, doch hier ging es ums Prinzip. Meine Eltern sahen mich nicht als geeignete Herrscherin an.

„Und warum haben sie abgelehnt? Weil ich nicht gut genug in ihren Augen für unseren Fürsten bin?“

„Nein! Leenchen, nein!“, jammerte sie los und hob meinen Kopf an beiden Wangen. Sanft strich sie mir eine Träne unter dem linken Auge weg. „Das ist etwas kompliziert gewesen…“

„Kompliziert? Unser Herr ist die beste Partie, die sich ein Fürst für seine Tochter wünschen kann! Anstatt diese Ehre anzunehmen lehnen sie es ab. Was soll ich da bitte denken?“

„Leenchen, zu der Zeit kam heraus, dass in der Organisation des Fürsten irgendetwas nicht mit rechten Dingen vor sich ging. Niemand wusste damals, dass der eigentliche Übeltäter Lens Vater war, jeder hätte es sein können. Aber Fürst hin oder her, wenn der Herr dahinter gesteckt hätte, dann wäre sein Ruf und sein Ansehen dahin und unsere Eltern wollten ein schönes Leben für dich, nicht die Schwierigkeiten, die sich aus seiner Schuld ergeben hätten. Sie gingen einfach nur auf Nummer sicher.“

Ich schnaubte frustriert und sah mich um.

„Das ist wenig tröstlich.“, murmelte ich und sah sie wieder an. „Und es erklärt noch immer nicht, warum sie mich immer noch von ihm weg holen wollen.“

Sie atmete einmal tief durch auf der Suche nach den richtigen Worten.

„Es war nicht das einzige Mal, dass er kam und um die Verlobung bat.“

„Was?“, nun wurde ich wirklich laut. Das war ja nicht mehr zum Aushalten! Hatten meine Eltern eigentlich noch alle Nadeln an der Tanne? „Das glaube ich jetzt nicht!“

„Ein Monat lang.“, sie nickte. „Vater hat ihn immer wieder abgewiesen.“

Ich legte das Gesicht in eine Hand.

„Das kann doch alles nicht wahr sein…“

„Und… Das könnte der Grund sein, warum du in Gefahr bist.“

„Inwiefern? Was bitte, könnte noch schlimmer sein als das?“

„Es wurde Papa erst klar, als die Nachricht kam, dass der Fürst seinen Harem aufgelöst hat.“

Ich kniff die Augen zusammen.

„Dabei kam heraus, dass er seit dreihundert Jahren bei keiner seiner Frauen mehr gelegen hatte…“

Sie schwieg.

Ich wusste sie suchte nach den richtigen Worten mir das zu sagen, was sie sagen musste.

„Myleen, der Fürst ist krank.“, flüsterte sie. „Keiner wusste es… oh Gott, es tut mir so leid… er hat einige seiner Frauen getötet, weil sie sich weigerten zu gehen… und vielleicht will er sich bei Vater rächen, dass er dich ihm nicht übergeben hat. All seine Wut könnte auf ihn gerichtet sein, sei vorsichtig… Du bist wirklich in Gefahr! Der Fürst ist in seiner Krankheit unberechenbar!“

„Krank? Was soll das bedeuten? Er ist vollkommen normal! Er ist ein starker Herrscher, ein würdiger Fürst, ein großzügiger Freund, er ist… er ist…“, mir vielen keine Worte mehr ein. Er war einfach nicht zu beschreiben. In meinen Augen war er der beste Mann, den es auf der Welt gab. Ich vertraute ihm. Ich war ihm ergeben. Ich gehörte ihm…

Die Badtür ging auf und zwei übertrieben reich gekleidete Frauen traten herein, bedachten uns mit erhobenen Nasen und marschierten dann weiter zu den Toiletten.

„Ich erkläre es dir später.“, versicherte sie mir. „Ich rufe dich noch in dieser Woche an, das verspreche ich. Und dann kläre ich dich über alles auf, was du über unseren Fürsten wissen musst.“

Mein Kiefer bebte.

Nein, nichts davon konnte wahr sein! Auf gar keinen Fall! Sesshoumaru war nicht krank.

Ich kniff die Zähne zusammen.

„Danke, aber ich weiß alles über unseren Meister, was ich wissen muss.“, verkündete ich kühl. „Er ist nicht krank, er ist nicht gefährlich. Er ist der vermutlich würdigste Herrscher, den der Westen je gesehen hat. Ich bin ihm treu ergeben!“

Unwillkürlich wich Marylou einen Schritt zurück.

„Und du? Wie sieht es bei dir aus? Bist du illoyal wie unsere Eltern? Bist du ein Verräter? Bist du gegen unseren Meister?“, ein Knurren schwang in meiner Stimme mit und ich spürte, dass meine Augen rot wurden.

Es war nur ein kurzer Gedanke, doch er glomm in mir auf und wurde schnell zu einem gigantischen Feuer: Niemand würde in meiner Gegenwart ungestraft so von meinem Fürsten reden!

„Nein!“, hauchte Mary vollkommen perplex. „Ich stehe zu unserem Herrn, komme was da wolle!“

„Dann verhalte dich auch so!“, zischelte ich zurück und wandte mich ab. Kurz schloss ich die Augen, damit sie sich normalisieren konnten, dann rauschte ich davon, zurück zu unserem Tisch.

Ich bedachte meine Eltern mit einem finsteren Blick, doch als ich den Augen meines Meisters begegnete erfüllte mich erneut eine endlose Ruhe und ich konnte mich wieder neben ihn setzen.

Nein, niemals konnte das, was Mary mir sagte wahr sein. Nie hatte es diesen Antrag gegeben, nie wurde er abgelehnt und krank war mein Herr auf gar keinen Fall. Nicht er, der Meister des Westens in seiner endlosen Macht. Was für eine Dummheit hatten sie sich da nur ausgedacht. Doch ich verzieh ihnen… Ich wusste, dass es nicht stimmte, dazu musste ich nur Sesshoumaru ansehen.

Die Wut meiner Aura verschwand nahezu augenblicklich und ich konnte wieder lächeln. Lediglich Mary setzte sich kreidebleich zwischen unsere Eltern.

„Worüber habt ihr gerade geredet?“, fragte sie roboterartig. Meine Eltern überhörten es einfach, sie würden sie später fragen, was denn vorgefallen war.

„Über die Hochzeit von Joan von Norwegen.“, verkündete meine Mutter.

„Noch drei Wochen.“, bemerkte mein Vater. „Ich habe bereits eine Suite für uns sechs bestellt.“

„Sieben, wenn unser zweites Enkelchen dann endlich da ist!“

„Belass es bei sechs.“, meinte ich nur.

„Myleen!“, der Ton meines Vaters war wie immer ermahnend. „Das ist eine offizielle Veranstaltung! Du MUSST erscheinen!“

„Oh, das werde ich auch!“, verkündete ich lächelnd und warf kurz einen Blick auf Sesshoumaru zu meiner anderen Seite, der kauend von meinem Vater zu mir hinab blickte. „Doch ich habe bereits der Einladung unseres Fürsten nachgegeben. Ich werde ihn auf die Hochzeit begleiten. Unsere Suite ist ebenfalls bereits reserviert.“

Am Tisch wurde es erneut ruhig.

Am Gesicht meines Vaters konnte ich erkennen, dass das noch ein Nachspiel geben würde.

Doch bis dahin brauchte ich Alkohol! Viel Alkohol!... Anders würde ich seine Beschimpfungen, die er mir wie immer mit jedem Blick und in jedem zweiten Nebensatz zukommen lassen würde, nicht ertragen können…

Hangover à la Leenchen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

noch ein blödes Wort

Was ein Wochenende…

Wirklich verstanden hatte ich am Ende nicht, was alles passiert war.

Erstens: Meine Eltern waren zusammen mit meiner Schwester nach Tokio gereist, um meinen Job zu sabotieren.

Zweitens: Sesshoumaru hatte es tatsächlich einfach so über sich ergehen lassen, dass ich ihn benutzte, um an meinen Eltern eine kleine Rache zu üben.

Drittens: Zu allem Überfluss allerdings hatte die Scharade aus Punkt zwei zu einem eindeutig Traum geführt, der mich lediglich durch seine Bilder so erregt hatte, dass mein Fürst es ohne Zweifel gerochen haben musste – wie peinlich!

Viertens: Bis auf meinem Vater hatte der Vorstand mich eigentlich recht herzlich aufgenommen.

Fünftens: Meine Schwester und meine Mutter wollten mich erneut davon überzeugen Sesshoumaru fallen zu lassen und wenn das nicht reicht, dann kommt hier Punkt sechs: Marylou behauptet, dass der Meister mich zu seiner Fürstin machen wollte und noch dazu irgendeine Krankheit hütete – ich dagegen dachte mir, wenn das wirklich der Wahrheit entsprochen hätte, dann hätte mein Vater die Ablehnung nicht überlebt und ich würde schon seit vier Jahren auf dem Campus bei Sesshoumaru leben.

Das Schlimmste war aber irgendwie die magische Sieben: Was war am letzten Abend passiert, nachdem ich mich betrunken hatte? Wie hatten sie mich hinauf gebracht in unsere Suite und wieso lag ich nackt im Bett? Was war der Grund für den morgendlichen Besuch meines Vaters?

Sesshoumaru sagte lediglich auf der Heimfahrt, dass sein Erscheinen beim Frühstück Zeitverschwendung war. Es hatte allerdings bezeigt, dass ich meine Mutter nicht hatte beruhigen können.

Natürlich hätte ich ihm sagen können woher ihre Ungewissheit kam, aber ich wusste einfach nicht, wie ich ihn halbwegs geschickt auf das Thema „Hochzeit“ ansprechen konnte…

Es war doch reichlich peinlich, was mein Vater sich da zusammenreimte und dem Rest der Familie als Grund auftischte, warum er mich nicht bei unserem Herrn haben wollte. Wer wusste schon, wie er reagiert hätte, wenn er wüsste, dass mein Vater solch einen Müll daher laberte?

Inzwischen war mein Leben in der kurzen Zeit so aus den Fugen geraten, dass ich mir unbedingt eine Liste machen wollte, was ich alles zu tun hatte…

Ganz oben: Mit Len und Alexia den Stress wegen des „Stalkers“ aus der Welt räumen und – nicht zu vergessen – alle Kommentare von meinem Vater, die sich nicht auf berufliches konzentrierten, ignorieren. Ich konnte nichts anderes tun, als zu hoffen, dass auch Sesshoumaru sich von nun an nicht mehr von seinen Worten beeindrucken lassen würde…

Ich wollte ihn nicht verlieren…

Während ich abends in meinem – zugegebenermaßen mehr schlecht als recht wieder hergerichteten – Apartment unter der Dusche stand versuchte ich mir vorzustellen, wie es wäre das Studium ohne den Job und vor allem ohne ihn zu absolvieren. Nach allem, wie es sich mit Len entwickelt hatte und nach diesem ganzen Fauxpas mit Gang konnte ich mir nicht einmal mehr vorstellen ohne Sesshoumaru zu leben. Er hatte vielleicht nicht viel gemacht, aber er war immer da gewesen und hatte mich allein durch seine Anwesenheit wieder aufgebaut…

Dazu Emi und Kazumi, ich hatte die beiden wirklich lieb gewonnen. Sie waren mir mit ihrer ständigen Anwesenheit beinahe mehr Freundinnen, als alle andere, die ich jemals hatte. Lediglich der Gedanke daran, dass sie meinem Fürsten einst sexuell gedient hatten irritierte mich.

„Das ist lange her.“, erklärte Kazumi in dem Moment gelangweilt, als ich mir eine Jacke überzog um mein Zimmer am Montagmorgen zu verlassen.

„Anfangs war es wirklich schwer zu verstehen.“, meinte Emi, die das Thema schon eher zu interessieren schien. „Aber nach dreihundert Jahren grenzte es eher an eine wahre Erlösung, als er den Harem endlich aufgab und uns frei ließ.“

Kazumi nickte zustimmend.

„Es gab also keine Versuche mehr den Meister umzustimmen?“

„Das würde ich so nicht sagen.“, Kazumi zog aus meiner Tasche ein Lehrbuch heraus und begann darin zu blättern. „Einige von uns gab es durchaus, die den „Rausschmiss“ nicht hinnehmen wollten. Wobei das bereits losging, als er aufhörte mit uns zu verkehren. Er hat in den Jahrhunderten einige von uns getötet... Besonders schlimm allerdings traf es wohl Ruri. Der Herr hatte sie nur wenige Wochen bevor er aufhörte mit uns zu schlafen in den Harem geholt.“

Emi schüttelte den Kopf.

„Sie war noch jung und unerfahren. Er hat niemals eine seiner neuen Frauen einfach so ins Bett gezerrt, also auch sie nicht. Er hat sie, wie uns alle zu Beginn, vorerst umworben… Damit sie sich nicht so unwohl fühlte, wenn es passierte, du verstehst?“

„Das arme Ding. Sie glaubte wirklich, dass er sie liebte und als er dann auch noch die Finger von uns allen ließ war sie der Meinung, dass sie die Fürstin werden würde, dass er nur sie alleine liebte und alles. Wir haben in all den vielen Jahren versucht ihr diesen Mist auszutreiben, aber als er dann vor vier Jahren die Tore zum Harem öffnen ließ und sagte, dass er das Schloss zu einer Uni umbauen würde und wir unserer Wege gehen sollen, da …“

„Sagen wir einfach, dass sie ihrem Wahn schon so verfallen war, dass dem Fürsten für sein eigenes Wohlbefinden, und das seiner zukünftigen Frau, gar nichts anderes übrig blieb als sie zu töten.“

Ich nahm meine Tasche wieder, doch Kazumi entzog sie mir, packte das Buch zurück und trug sie einfach für mich.

„Ich bin nicht aus Zucker, weißt du?!“, versuchte ich sie lachend wieder zu erlangen, aber sie lief einfach dümmlich kichernd mit ihr davon auf den Gang hinaus.

„Wer ist denn seine Frau? Ich wusste gar nicht, dass er eine hat.“, meinte ich dann an Emi zurück, die hinter mir aus dem Apartment trat, dann schloss ich ab.

„Sie kam nie.“, meinte sie schließlich – kam es mir nur so vor, oder war ihr Blick wirklich prüfend auf mich gerichtet? Ich zog eine Augenbraue hoch.

„Hab ich Schokolade oder so im Gesicht?“

Sie schüttelte nur den Kopf und sah den Gang hinunter zu der Felswand.

„Die haben wirklich schon mit dem bauen begonnen!“, so lenkte sie vom Thema ab.

Ich folgte ihrem Blick. Knapp unter den Wolken, die sich in dem Kessel gefangen hatten, ragte eine Plattform von der Wand. Oben drauf liefen Bauarbeiter entlang, sie waren dabei Teile des Felsens abzutragen.

„Was bauen die dort?“

„Das neue Heim des Fürsten.“, erklärte Kazumi. „Es sollte eigentlich schon vor vier Jahren gebaut werden, aber da unsere Fürstin nicht kam, wurde der Baustart verschoben, bis sie endlich eintreffen würde.“

Ich kniff die Augen zusammen und verschränkte die Arme.

Langsam schienen mich diese vier Jahre zu verfolgen! Ich wusste, dass ich paranoid war und bisher keine Geschichte über Sesshoumaru geglaubt hatte, doch nun waren es einfach zu viele Zufälle, um sie zu ignorieren.

„Er lernte seine Frau vor vier Jahren kennen?“, fragte ich über die Schulter an Kazumi.

„Auf der Hochzeit deiner Schwester, um genau zu sein.“

Er hatte dort mit niemandem geredet, lediglich mit mir, oder nicht? Hatte ich jemanden vergessen?

Ich musste doch, oder?

Ich wandte mich von dem Bild ab und lief hinüber zu dem Fahrstuhl.

„Warte doch!“, sie mussten hinter mir her rennen.

Mit diesen Informationen ergaben selbst die Worte meiner Schwester Sinn, doch ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er nicht mit mir darüber geredet hätte. Er hatte schon so viel Zeit dazu, inklusive dem vergangenen Wochenende…

Ich wollte nicht mehr darüber nachdenken. Ich musste mir eingestehen, dass es mir irgendwie im Herzen wehtat. Ich hoffte, dass ich es war, über die die beiden redeten, doch ich ahnte, dass dem nicht so war. Nie hätte ich so viel Glück gehabt. Und ehe ich mir Vorstellungen darüber machte, was ich als Fürstin zuerst tun würde, musste ich diese Gedanken unterbinden, damit ich am Ende nicht vollends enttäuscht war.

Es gab viele Möglichkeiten, warum er dieses Gebäude für sich nun bauen ließ. Vielleicht war er es ja leid, so dicht und zugänglich zum Wohnheim zu leben. Sicher war er auf Dauer nicht so begeistert von dem Krach, der dort pausenlos herrschte, so wie ich. Egal…

„Alles klar bei dir?“, fragte Kazumi, als die Türen des Lifts sich schlossen.

Sie hatten von einer Fürstin geredet, so wie meine Schwester. Wenn das nun stimmte, was war dann mit seiner Krankheit?

War Sesshoumaru wirklich irgendeinem Virus oder der Gleichen erlegen?

„Hallo? Leenchen?“, Emi legte mir eine Hand auf die Stirn ich ging darauf gar nicht ein, sah sie einfach nur an.

„Marylou sprach von einer Krankheit in Kombination mit unserem Fürsten. Was hat es damit auf sich?“

Überrascht sahen die beiden mich an, dann einander.

„Weißt du…“, versuchte Kazumi zu beginnen. „Das ist etwas schwer zu erklären…“ Wir stiegen aus und liefen den Weg hinauf in Richtung Hof.

„Es ist weniger eine Krankheit, als…“, Emi sah ihre Freundin an, doch die hob nur ratlos die Schultern.

„Vielleicht kann man es so beschreiben: Er verliert sich selbst nach und nach…“

Ich hob eine Augenbraue. „Ehrlich gesagt: Mir kommt er noch sehr normal vor.“

„Man bemerkt es nicht unbedingt sofort, meist erst dann, wenn das Endstadium erreicht ist. Die Anzeichen sind lediglich, dass der betreffende Dämon gewisse… Instinkte verliert…“

„Aha… die da wären?“

Emi wollte gerade ansetzen mir zu antworten, als mein Name quer über den Garten hallte.

„MYLEEN!“, erschrocken fuhren wir drei zusammen und sahen uns um. Ich grinste. Wen hatten wir denn da?

Zu ungeduldig um auf den Fahrstuhl zu warten sprang Len wenig Damenhaft über die Brüstung vor Alexias Zimmer. Das Kaninchen folgte nahezu auf dem Fuß. Beide marschierten festen Schrittes auf mich zu.

„Morgen“, flötete ich. „Wie war das Wochenende?“

Doch anstatt einer Antwort sauste schon im nächsten Moment eine Faust auf mich zu. Als ich die geballten Finger Lens erblickte erstarrte ich. Was sollte das?

Doch ehe sie mich treffen konnte stellte sich Kazumi knurrend zwischen uns. Flink fing sie die Faust in der Luft ab und drehte der anderen Prinzessin die Hand so um, dass sie sich zwangsläufig herum drehen musste, mit dem Rücken zu ihr. Unbarmherzig drückte sie ihr ihren Arm zwischen die Schulterblätter. Alexia war nicht ganz so gewaltbereit, doch trotzdem hielt Emi auch sie fest.

„Lass mich los, verdammt! Was fällt dir eigentlich ein?“, schrie Len hysterisch, als sie zu mir herum gedreht wurde.

Ich wusste noch immer nichts mit dieser Situation anzufangen.

Irgendwie musste ich ein Kapitel übersprungen haben. Etwas Wichtiges, denn nie hätte ich von Len erwartet, dass sie so wütend auf mich sein könnte. Ihre Augen sprachen Bände, ihre Bestie schien an ihrem Inneren zu reißen.

„Das war ein körperlicher Angriff gegen Prinzessin Myleen!“, verkündete Kazumi. Mein Blick wanderte hinauf zu den Gängen des Heims. In mehreren Etagen wurden die Köpfe über die Brüstung gestreckt.

„Ist ja schon gut!“, meckerte Len. Ich fürchtete, dass ihre momentane Situation nicht unbedingt zu der Besserung ihrer Laune beitragen würde.

„Erklärt Euch gefälligst, Prinzessin!“, spuckte Emi ihr abfällig entgegen, die dagegen Alexia bereits losgelassen hatte. Die kleine Dämonin machte nicht gerade den Eindruck als würde sie dem Beispielhaften Vorbild ihrer Freundin folgen.

Len dagegen fixierte mich sauer.

„Ich habe wirklich keine Ahnung, wie ich dich einmal als Freundin ansehen konnte!“, knurrte sie. „Ruf deine Doggen zurück, damit wir das wie echte Dämonen regeln können.“

Ich schnaubte über diese Aussage.

„Bitte was? Ich weiß ja noch nicht einmal um was es geht!“, versuchte ich mich zu rechtfertigen und hob die Hände wie zum Beweis, dass ich unbewaffnet war.

„Und wir werden sicher nicht loslassen!“, bemerkte die Frau, die sie festhielt.

„Du verlogenes, kleines…!“, weiter kam sie nicht. Kazumi packte sie fester, das brachte wohl Alexia dazu das Wort zu übernehmen.

„Sie meint deine Anzeige gegen Gang!“, ihre Stimme war nicht halb so ungehalten wie die ihrer hündischen Freundin, aber die selbe Wut schwang in ihren eher ruhigen Worten mit.

„Weißt du, was du ihm mit diesem Psychoterror antust?“, schrie nun Len wieder. „Ich verstehe das nicht, wie du ihm erst solche Hoffnungen machen kannst, dass es doch noch etwas mit euch wird und dann ihn einfach bei unserem Fürsten anzeigst wegen solch einer Lappalie wie Rufmord! Der Mann hat weitaus größere Probleme!“

„Ich soll was gemacht haben?“, schrie ich nun ebenso wie sie. „Hast du sie eigentlich noch alle? Dieses Ekel würde ich, wie viele Frauen an dieser Uni, nicht mal mit der Kneifzange anfassen!“

„Und was sollte dann dieses Buch und der Brief?“

Ich konnte es nicht fassen. Wie fehl konnte man ein kleines Geschenk und eine Gute-Besserung-Karte nur interpretieren?

„Das ist nicht dein Ernst, oder?“, fragte ich. Langsam wurde ich wirklich sauer. Weniger wegen ihrem Auftritt, als wegen der Dummheit, die sie offensichtlich an den Tag legte. „Ich habe ihm lediglich meine besten Wünsche ins Krankenhaus geschickt, das gehört sich so für unsere Schicht, oder hast du das schon vergessen?“

„Du? Ausgerechnet du willst mir erzählen, was sich für eine Prinzessin schickt und was nicht?“, ihre Stimme war so hoch, dass sie ihr fast den Dienst versagte.

„Scheint ja nötig zu sein, so wie Ihr Euch hier aufführt!“, bemerkte Emi spitz. Kazumi begann zu kichern.

„Und was die Anzeige angeht: Hat er dir überhaupt gesagt WESHALB ich das tue? Genau das stand nämlich in der Klageschrift drin.“, ich warf einen Blick zu Alexia, doch ebenso wie Lens schien sich auch ihre Wut nicht zu mindern. Sie schienen beide nicht zugänglich für das, was ich zu sagen hatte. Trotzdem versuchte ich mein Glück.

„Seit er hier an dieser Uni ist, hat er beinahe jede Dämonin aus der unteren Schicht bespannt und teilweise sogar versucht sexuell zu nötigen. Und so etwas verteidigst du allen Ernstes?“

„Gang ist mein Freund!“

„Dann tust du mir leid, von ganzem Herzen!“

„Wie kannst du nur? Gang ist einer von uns, er ist ein Prinz! Diese ganzen Weiber haben es doch nur darauf angelegt, dass er kommt und sie aus ihrem elenden Dasein errettet!“

Hatte sie das wirklich gesagt? Mir klappte die Kinnlade runter.

„Sie sind doch nur niedere Dämonen! Keiner kümmert sich darum was mit ihnen passiert und was nicht. Sie hätten ihn nehmen sollen, als es noch ging! Er ist eine super Partie.“

„Sag mir bitte, dass du das gerade nicht wirklich gesagt hast…“, murmelte ich.

„Ja, jetzt machst du dir Gedanken, was? Glaub mir, der einzige Ruf, der jetzt dahin ist, das ist deiner!“

Ich sah zu Alexia, die mich noch immer sauer und mit versteinerter Miene von oben herab ansah.

„Sag mal, hörst du der eigentlich zu?“, fragte ich das Kaninchen. Sie musste doch merken, dass sie null Achtung vor ihrem Dasein hatte, immerhin gehörte auch sie zum gemeinen Volk. Doch Alexia zog nur angewidert die Oberlippe höher.

„Hey, lass Alexia aus dem Spiel! Keiner fällt hier mehr auf deine Tricks rein!“

Nun landete mein Kinn wirklich auf dem Boden.

„Was ist bitte dein Problem?“, donnerte ich. „Hast du deine Tage oder was? Hab ich dir irgendwas getan, dass du mich hier so fertig machst?“

Sie schnaubte.

„Du bist du, das hast du getan! Ich hätte echt nie gedacht, dass du dich so zu deinem Nachteil verändern kannst!“

Ich verstand wirklich nichts mehr.

„Tu doch nicht so! Denkst du ich wäre Blöd? Erst machst du Gang schöne Augen, dann ersetzt du ihn gegen Joan…“

„Joan? Wie kommst du denn jetzt auf den bitte? Ich habe doch rein gar nichts mit ihm zu tun!“

„Ja, zu seinem Glück! Ich bin nicht blöd, Myleen, ich habe deine Blicke in der Mensa gesehen, als ich ihn dir vorgestellt habe. Aber das Grausamste: Als du merkst, dass du bei ihm nicht landen kannst, weil er seit Jahren glücklich vergeben ist und heiraten wird, da besorgst du dir einfach den Job bei unserem Fürsten, läufst hier rum, als wärst du die Herrin über alles was es im Westen gibt und begleitest den armen Mann auch noch nach Tokio! Ich hoffe er begreift schnell, was für eine falsche Schlange du bist und das hoffentlich eher als Gang, ehe du ihn auch noch wegen irgendwelchem Mist verklagen willst!“

„So, das reicht jetzt. Wir bringen Euch zum Meister.“, verkündete Kazumi und schob sie weiter.

„Genau das meine ich!“, schrie Len und weigerte sich weiter zu gehen, als sie auf meiner Höhe angelangt war. „Keiner, weder Prinzessin noch Prinz, darf auf diesem Campus Untertanen haben. Keine Diener, keine Wachen, und du? Du schaffst es auch jedes Mal dir eine Extrawurst du beschaffen! Du bist echt so verlogen geworden!“

„Emi und Kazumi sind bei mir, weil ich gestalkt werde!“, schrie ich sie wütend an. „Oder hast du das schon wieder vergessen? Ach nein, geht ja gar nicht, zumindest halte ich dich nicht für so dumm deine eigenen Straftaten zu vergessen!“

„Straftaten? Ich habe mich strafbar gemacht?“, wir machten beide einen Schritt aufeinander zu. Kazumi wurde von Len einfach mitgezogen.

„Wusstest wohl noch nicht, dass auch Stalking eine Straftat ist, was? Hier die Neuigkeit: Sie IST es!“

„Wen soll ich gestalkt haben? Etwa dich? So eine Scheiße würde mir nicht mal im Traum einfallen! Vermutlich hast du dir das einfach nur ausgedacht um die Aufmerksamkeit des Fürsten zu erlangen!“

„Ach, tu bloß nicht so unschuldig! Alexia hat euch beide verraten.“

Wir sahen beide zu der Kanadierin, die nun ihrerseits einen hochroten Kopf bekam – eigentlich vor Wut, doch ich interpretierte es als Schuldeingeständnis.

„Was? Du hast doch nicht mehr alle Latten am Zaun!“, brüllte sie mich an. „Sorry, aber spätestens von jetzt an will ich mit so was wie dir nichts mehr zu tun haben!“

Ich riss ungläubig die Augen auf und schnaubte mit offenem Mund. Die Situation war so abstrus, dass ich schon wieder fast lachen musste.

„Bitte? Du willst mit mir nichts mehr zu tun haben? Ich will nichts mehr mit euch beiden zu tun haben! Ihr seid echt das Letzte, lasst euch das gesagt sein!“

„Boa halt einfach die Klappe!“, fluchte Len. „Noch ein blödes Wort und unsere Freundschaft ist beendet!“

Ich klimperte mit den Lidern. Hatte die mir eigentlich zugehört?

Ich sah zu Kazumi und Emi, die mich mit hochgezogenen Augenbrauen ansahen und dann auf Len hinab. Augenscheinlich dachten sie das Gleiche wie ich. Ich räusperte mich in der Stille theatralisch, beugte mich vor und sagte: „Blödes Wort“

Damit war für mich das Gespräch beendet, so wie meine Freundschaft zu ihnen. Ich wusste, dass ich in spätestens einer Woche totunglücklich darüber sein würde, aber im Moment spürte ich nur eins: Pure Mordslust.

Len rümpfte die Nase, streckte den Rücken durch, machte ein eingeschnapptes Geräusch und warf den Kopf beiseite.

Ich schüttelte innerlich nur den Kopf über so viel… Keine Ahnung, wie man es am besten beschreiben konnte.

Kazumi riss sie mit einem Ruck von mir weg und schob sie einige Schritte in Richtung Gatter.

„Warte in der Mensa auf uns, ja?“, bat Emi.

„Mach ich gerne, aber ich glaube ich brauche euch nicht mehr, danke.“, sie blieb stehen, ebenso wie Kazumi. Beide sahen mich an. „Ich denke die Gefahr durch den Stalker ist jetzt vorbei und ich muss gestehen, dass ich gerade mal ein wenig Zeit für mich brauche… Aber wir können uns ja für später verabreden.“

Die zwei sahen sich an, dann wieder zu mir.

„Ist gut.“, meinte Emi nur. „Wir schauen später nach dir. Aber wenn etwas ist, dann ruf uns sofort an.“

Ich zwang mir ein Lächeln ins Gesicht, so gut das eben ging nach dem eben erlebten.

„Ist gut. Bis nachher.“

Tja, und damit sollte wohl eine Zeit für mich beginnen, in der ich an der Universität der westlichen Dämonen vollkommen allein war…

Sexfantasien

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

zusehen und zuhören

Mit einem väterlich-zufriedenen Seufzen ließ sich Nibori vor mir auf seinen Sessel sinken. Er lächelte mich aufmunternd an und goss uns beiden etwas von diesem dampfenden Tee ein, den er mir scheinbar bei jedem Besuch einflößen wolle.

„Nun, Prinzessin, was verschafft mir die Ehre? Ist unser Termin mit dem Herrn nicht erst heute Nachmittag?“

„Schon“

„Aber?“

Er sah mich amüsiert an und lehnte sich zurück.

„Ihr seid Arzt, nicht wahr?“

„Durchaus“

„Und alles, was ich hier sage, das fällt unter die Schweigepflicht, oder?“

„Selbstverständlich, junge Herrin.“

„Auch gegenüber dem Meister?“

Er nickte.

„Natürlich“

„Und wenn er befielt Euch zu sagen, was ich von Euch wollte?“

„Dann werde ich ihm sagen, dass ich ohne Eure ausdrückliche Erlaubnis keine Auskunft erteilen kann. Worauf wollt ihr hinaus?“

„Ich überlege noch immer, ob ich tatsächlich diesen... „körperlichen Zerfall“ habe.“

„Was lässt euch zweifeln?“

Gute Frage.

Wie sollte ich ihm erklären, was ich in der vergangenen Nacht getan hatte, ehe ich eingeschlafen war, und dass ich nun wegen dieser Sache glaubte, dass mit mir alles in Ordnung war?

„Also“, stammelte ich und sah mich im Raum um. Kurz erhaschte ich seinen Blick und ich war mir sicher, dass er mich genau durchschaut hatte.

„Wie alt seid ihr eigentlich?“, fragte ich dämlicher Weise in diesem Moment, nur um überhaupt etwas über die Lippen zu bringen. Ich hoffte diese Situation so überspielen zu können.

„Zweitausenddreihundertachtzehn Jahre. Aber mein Alter wird wohl kaum der Grund für Eure Zweifel sein. Oder meint ihr, dass ein so alter Knacker wie ich nicht mehr im Stande ist, derartige Diagnosen zu erstellen?“

Sein Grinsen wurde nur noch breiter, als ich verloren mit den Armen ruderte: „Nein! Nein! Auf keinen Fall! Das würde ich niemals denken!“

„Prinzessin, nun sagt mir doch endlich, was euch belastet.“

Ich seufzte.

„Also...“, und schon wieder wusste ich nicht, was ich sagen sollte. „Wieso sollte ich unter dem „körperlichen Zerfall“ leiden, wenn ich noch immer rennen kann und Sport machen und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich...“ - fast hätte ich was von Sex erzählt - „...mein wahres Ich nicht mehr einsetzen kann.“

Nun begann er schallend zu lachen.

„Oh, Prinzessin, keine Sorge.“, er stellte seine Tasse beiseite und wischte sich eine kleine Träne aus dem Augenwinkel. „Ihr scheint diesen Zustand noch immer als eine Krankheit zu sehen, die eure Körperfunktionen einschränkt oder sogar unterbindet, aber keine Sorge, dem ist nicht so. Alles was mit euch passiert, ist das Einschränken eurer Verlangen. Stellt euch vor, wie es früher war: Ihr geht über eine große Lichtung, die Sonne strahlt, die Blumen duften und ihr wünscht euch nichts sehnlicher als über die Wiese zu rennen, bis euch die Luft ausgeht... Oder das kleine Mädchen zu meucheln, das am Waldesrand einen Blumenstrauß pflückt.“

Ich verzog das Gesicht bei diesen Worten.

„Es ist ja nur ein Beispiel.“, versicherte er mir. „Früher hättet ihr diesem Verlangen nachgeben müssen, keine Frage. Doch stellt euch vor, dass dieser Zwang sich nicht einstellt.“

„Ist nicht schwer, ich würde doch kein kleines Kind umbringen!“

Er lachte.

„Nun, früher hätte ich es getan, doch auf einmal war einfach das Verlangen danach verschwunden. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich niemanden mehr ermorden könnte, rennen, meine innere Bestie entfesseln oder gar Sex haben. Es bedeutet nur, dass ich meine niederen Bedürfnisse nicht ausleben muss, um ein gesundes Leben zu führen. Allerdings passiert das so plötzlich, dass es unmöglich ist, diese radikale Veränderung von jetzt auf gleich zu ertragen. Man ist verwirrt, weil man weiß, dass es eigentlich anders sein sollte. Daher ist dieser Zustand bei solch jungen Dämonen wie Euch gefährlich. Besonders in der Kombination damit, dass man diesen Prozess als Krankheit mit dem klanghaften Namen „körperlicher Zerfall“ ansieht. Wenn diese Dämonen niemanden haben, der ihnen diesen Zustand erklärt, dann landen sie womöglich in der Selbstzerstörung und es kommt tatsächlich zum Tod. Ältere Dämonen haben eine größere Lebenserfahrung und damit eine höhere Selbstdisziplin. Daher überstehen sie diese Lebensphase in der Regel leichter.“

Ich schüttelte nachdenklich seufzend den Kopf.

„Das heißt, es ändert sich eigentlich nichts, außer, dass ich ein Meer sehen kann, ohne den Drang zu verspüren es durchschwimmen zu wollen.“

Er lachte.

„Das ist ein wesentlich besserer Vergleich, Prinzessin, sehr gut, den merke ich mir.“

„Ich muss gestehen, dass ich mich gar nicht daran erinnern kann, wirklich einmal Blutdurst oder dergleichen gespürt zu haben.“

„Das könnte wiederum euer Vorteil sein. Wenn es so früh eingesetzt hat, hat euer Geist keine Vergleichskriterien; Wie war es sonst, wie ist es jetzt? Das könnte euer großer Vorteil sein, um diesen Zustand unbeschadet zu überstehen.“

Ich nickte.

„Ein anderes Thema.“, er nahm noch einen Schluck, ehe er weitersprach. „Werdet ihr Eure Eltern unterrichten?“

„Ich denke schon.“, bestätigte ich. „Mein Vater würde sonst vermutlich noch auf die Idee kommen, mir ein Sportgerät zu Weihnachten zu schenken, oder ein Opfer... Das will ich vermeiden.“

Der Arzt lachte.

„Solltet Ihr meine Fachmännische Meinung dazu benötigen, dann steht meine Tür für Euch jeder Zeit offen. Ich weiß, dass es Außenstehenden immer schwer fällt zu verstehen, daher hilft es vielleicht, wenn sie die Meinung eines Arztes dazu hören.“

„Danke“

Damit kehrte wieder Schweigen ein.

„Nun, verzeiht, wenn ich unhöflich erscheine, aber wenn Ihr keine weiteren Fragen habt, dann würde ich mich gerne empfehlen und ein verspätetes Mittag zu mir nehmen. Wir sehen uns in zwei Stunden zu Eurem ersten Sitzungstermin mit mir und dem Meister.“

„Ja“, machte ich wenig begeistert und erhob mich mit ihm zusammen. Dieser Rausschmiss, wenn man es denn so nennen konnte, bedeutete nämlich auch, dass ich nun hinüber ins Hauptgebäude musste. Sesshoumaru wartete sicher bereits im Büro auf mich und ich wollte nicht riskieren, dass er schon wieder Emi und Kazumi wie Kindermädchen hinter mir herschickte. Oder noch schlimmer: Dass er selbst kam, um mich einzusammeln. Die Zeit war bereits knapp und wenn ich zu spät kam, dann würde das keinen guten Eindruck machen, egal wie gut und nahe wir uns standen...

Wobei, taten wir das überhaupt noch?

Ich verließ mit Nibori zusammen seine Praxis in dem Universitätskrankenhaus und verabschiedete mich von ihm, ehe er in der hauseigene Kantine der Ärzte und Angestellten verschwand.

Sesshoumaru.

Irgendwie wollte ich ihm nicht mehr begegnen, seit er am Vortag die Praxis gestürmt hatte. Er war so distanziert gewesen, nachdem er die Diagnose erfuhr. Wobei genau dieser Umstand etwas war, der mich im Nachhinein doch an der Verschwiegenheit des Arztes zweifeln ließ. Immerhin, Sesshoumaru war in das Sprechzimmer gekommen, hatte gefragt was mit mir ist und Nibori hatte es ihm bereitwillig erzählt.

Oder war dieser „Zustand“, wie er ihn nannte, von der Verschwiegenheitspflicht ausgenommen, weil es keine Krankheit war?

Durfte es überhaupt etwaige Ausnahmen geben?

Während ich so vor mich hin überlegte, stieg ich schon aus dem Fahrstuhl und betrat Jakens Büro. Er sah auf.

„Hallo Myleen, du bist etwas spät.“

„Entschuldige bitte.“, ich kam zu ihm und tippte mit zwei Fingern auf seinem Schreibtisch herum, sodass er mich zweifelnd betrachtete. „Ist der Meister schon da?“

„Ja, aber warte lieber noch ein paar Minuten. Er hat noch einen Gast.“

„Ein Termin?“, fragte ich erschrocken und ging schon zur Tür. „Was für ein Termin?“

Ich hatte das Gefühl, dass einfach alles in meinem Leben schief lief. Wenn ich nun auch noch ein wichtiges geschäftliches Gespräch verpasst hatte, dann...

In dem Moment ging die Tür auf und Len stand vor mir. Sie lächelte mich an wie früher, doch ich merkte an ihren Augen, dass es dabei weniger um mich ging, als um Sesshoumaru, der hinter seinem Schreibtisch saß und eine Mappe begutachtete. Sie sah einfach durch mich hindurch, bevor sie sich noch einmal umdrehte und sich wohlerzogen verneigte.

„Habt vielen Dank, Meister, ich werde Euch sicher nicht enttäuschen.“, damit schloss sie auf einen Wink von ihm die Tür und drehte sich herum. Erneut richtete sich ihr Blick auf mich, doch wieder hatte ich den Eindruck, dass sie mich nicht wahr nahm. Sie stieß, mit sich und der Welt zufrieden, die Luft aus und richtete sich auffällig die Kleidung. Irritiert konnte ich es nicht vermeiden, dass mein Blick an ihr hinab glitt.

Enge Kleidung, hohe Schuhe... und die Bluse...

Schnell schloss sie die oberen zwei Knöpfe und machte aus ihrem schier riesigen Ausschnitt wieder einen professionellen Businesslock.

Augenblicklich kam ich nicht mehr drum herum mir die Frage zu stellen: Was war da drin passiert?

Und warum war Len hier?

Sie gab mir keine Gelegenheit diese Fragen zu stellen, verabschiedete sich mit einem hohen, freundlichen und äußerst zufriedenen Ton von Jaken und stakste an mir vorbei, als sei ich der büroeigene Kleiderständer und damit unwichtig.

„Jaken?“

„Hm?“

„Was... Was wollte Len von ihm?“

Er sah mich aufgeregt an und wollt gerade anfangen zu tratschen, als die Tür zum Büro aufgeschoben wurde und Sesshoumaru mich ausdruckslos von oben betrachtete.

Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter.

„Du bist spät.“, verkündete er überflüssiger Weise und schob Jaken einen Stapel Akten zu.

„Das war aber meine Schuld, Meister.“, versuchte der Kröterich meinen Kopf zu retten. „Ich habe ihr gesagt, dass sie warten soll, bis Eurer Gast heraus kommt.“

Warum hatte er das nur gesagt? Warum durfte ich nicht in mein eigenes Büro, wenn Sesshoumaru Frauenbesuch hatte?

Len war bei ihm gewesen.

Warum war ihre Kleidung offen?

„Geh an deine Arbeit, Myleen.“

Entsetzt sah ich ihm bei diesen stahlharten Worten nach und warf noch einen Blick zurück auf Jaken, aber der zuckte nur verwirrt die Schultern. Ohne noch eine Sekunde zu verlieren, folgte ich Sesshoumaru in unser Büro und trat zu ihm an den Schreibtisch, während er noch mehr Unterlagen zusammenschob und in der Ablage platzierte.

„Bitte entschuldige meine Verspätung, Sesshoumaru. Es kommt nicht wieder vor. Ich hatte nur noch ein paar Fragen an Nibori, die ich...“

„In zwei Stunden ist unser Termin. Du hättest später fragen können.“, warf er mir vor und wandte sich seinem Computer zu. Ich schluckte die Frustration über dieses Verhalten hinunter und versuchte einen unbeteiligten, aber liebevollen Ton anzuschneiden: „Du hattest doch Len hier. Jaken meinte draußen, dass ich den Raum nicht betreten soll, bis sie raus ist. Also von daher bin ich doch trotzdem pünktlich oder?“

„Geh an deine Arbeit.“

Ich wich einen Schritt zurück und sah ihn verzweifelt an, tat dann aber was er wollte und ließ mich auf meinem Stuhl nieder.

„Darf ich fragen, was sie wollte? Warum ich nicht gleich rein durfte?“

„Nein.“

Ich erhob mich von dem Knopf meines Rechners und sah ihn erschrocken an. Welchen Grund konnte er haben, so Gefühlskalt mir gegenüber zu sein? So kannte ich ihn gar nicht.

Ich schluckte.

Nur zwei Gründe für ihren Besuch fielen mir ein:

Erstens – sie hatten Sex oder

Zweitens – er wollte mich durch sie ersetzen.

Ich wusste nicht, was mich mehr verstörte. Eigentlich sollte es der zweite Punkt sein, doch ich musste zugeben, dass mich der Gedanke, dass er mit ihr geschlafen haben könnte, fast noch trauriger machte.

Ich presste die Kiefer fest aufeinander und tippte schnell mein Passwort ein.

Was war es nur, weswegen sie hier war?

Ich sah kurz zu ihm, er beobachtete mich mit unergründlichem Blick. Sofort zog ich den Kopf ein und versuchte mich hinter dem Bildschirm zu verstecken, während ich eilig mit meiner Arbeit begann.
 

Der Schlüssel klimperte, als ich ihn ins Schloss steckte und kurz darauf den Lichtschalter meines Apartments betätigte. Achtlos warf ich meine Tasche in eine Ecke und zog die Schuhe aus.

Ich hatte versucht mehr über Lens Besuch zu erfahren, doch auch Jaken wusste nichts Näheres – außer dass sie plötzlich vor der Tür stand.

Ich betrat den kleinen quadratischen Raum hinter dem Gang mit der Küchenzeile.

Vielleicht sollte ich es einfach einsehen: Sesshoumaru wollte mich ersetzen. Da war ich mir beinahe sicher. Warum sonst sollte er so abweisend zu mir sein und Len zu einem Gespräch bitten, über dessen Inhalt er mich nicht aufklären wollte?

Kraftlos ließ ich mich auf meinen Stuhl plumpsen. Ich sah mein eigenes, frustriertes Gesicht in dem dunklen Bildschirm meines Laptops und musste den Blick von meiner jämmerlichen Gestalt abwenden, um nicht in Tränen auszubrechen. Ich wollte die Zeit zurückdrehen, zum Wochenende hin, und mir selbst diese Weinflaschen wegnehmen, mit denen ich mich betrunken hatte.

Warum konnte er mir denn nicht sagen, was ich falsch gemacht hatte?

Ich hatte ein paar Mal versucht mich zu entschuldigen, aber er wich mir immer aus. Ständig musste er plötzlich etwas erledigen oder gab mir eine Aufgabe, die sofort erledigt werden sollte.

Ich zog den Zopfgummi aus meinem Haar und versuchte die Knoten zu lösen, als ich aufstand und es entdeckte.

Auf meinem am Morgen unordentlich hinterlassenen Bett lag eine längliche Schachtel, darauf ein Zettel.

Sofort schlug mir das Herz vor Schreck bis zum Hals.

Der Stalker?

Aber das konnte doch gar nicht sein! Len und Alexia waren es gewesen. Die beiden und niemand sonst!

Nur wo kam dann plötzlich diese Schachtel her?

Emi und Kazumi hatten mir gesagt, dass die beiden jede Anschuldigung von sich wiesen und da es keinen Beweis oder Zeugen gab, hatte man sie natürlich nach kurzer Befragung wieder gehen lassen.

Allerdings war mein Apartment abgeschlossen gewesen! Doppelt sogar, ich hatte es doch gerade erst geöffnet!

Ich ging zu dem Paket und nahm es vorsichtig hoch, als wäre es eine Bombe, die jeden Augenblick explodierte. Von außen war nicht zu erkennen, was es war, daher nahm ich erst einmal den Zettel herunter.
 

Du bist so wunderschön.

Es war ein Genuss zu sehen und zu hören, wie sehr du es dich erregt, dich zu berühren.

Dies ist ein Geschenk.

Benutze ihn, um dir Lust zu bereiten.

Und lass mich noch einmal an deinen Schreien teilhaben.

Erschrocken warf ich das Paket und den Zettel von mir.

Konnte das sein?

Waren es doch nicht Len und Alexia?

War er noch immer hinter mir her?

Mit zittrigen Fingern griff ich nach dem Paket und fingerte nach den Laschen, um es zu öffnen. Ich wollte, dass es ein Scherz war. Ich wollte, dass gleich eine Gummischlange oder Ähnliches aus der Pappe sprang, mich zu Tode erschreckte und ich anschließend darüber lachen konnte. Doch das Innere lehrte mich eines Besseren.

Ich zog das Plastik heraus, das etwas Längliches fest in sich verschloss und erkannte dann endlich, was es war: Ein weißer Vibrator.

„Oh Gott“, jammerte ich und ließ alles fallen. Augenblicklich war mir schlecht. Ich schaffte nur anderthalb Schritte vom Bett weg, ehe ich auf den Knien zusammensackte und hustend sitzen blieb.

Er war krank!

Ein Vibrator.

Und er wollte, dass ich ihn benutzte, damit er mir zusehen konnte.

Schwer atmend sah ich auf.

Zusehen...

Zusehen?

Erschrocken fuhr ich hoch.

Er wollte dabei zusehen und zuhören, wenn ich ihn benutzte?

Er hatte mich bereits gesehen, wie ich es mir selbst besorgt hatte. Nur wie? Ich war doch allein in diesem Zimmer gewesen.

Panisch sah ich mich um.

Kameras!

Hier mussten Kameras sein!

Er hatte mich gesehen!

„EMI! KAZUMI!“, brüllte ich wie von der Tarantel gestochen und preschte hinaus auf den Gang. „EMI! KAZUMI!“

Ich benutzte gar nicht erst den Fahrstuhl, sondern sprang direkt von der Balustrade hinunter in den Garten.

„EMI! KAZUMI!“

Ich erreichte das Tor in den Garten, als die beiden hektisch in mich hinein rannten.

„Myleen, was ist los?“, fragte Emi entsetzt und hielt mich fest.

„Mein Zimmer... In meinem Zimmer!“, stammelte ich und die beiden Soldatinnen sahen hinauf zu der noch offenen Tür. Vereinzelt streckten neugierige Studenten die Köpfe aus den Türen oder sahen durch ihre Fenster.

„Was ist in deinem Zimmer?“

„Er war schon wieder da.“

„Der Stalker?“, fragte Emi und Kazumi setzte schon zum Sprung an. Mit nur einem Satz stand sie oben direkt vor meinem Zimmer und späte durch die Tür, dann winkte sie Emi zu.

„Komm, wir gehen lieber hinein. Hier draußen bekommt jeder alles mit.“, sie legte mir einen Arm um und zog mich eher mit hinauf, als dass ich den Sprung durch meine eigene Kraft schaffte.

Als wir mein Zimmer betraten und Emi dir Tür hinter uns schloss – jedoch nicht ohne, dass sie die umliegenden Studenten anbrüllte in ihre Wohnungen zurück zu kehren – hatte Kazumi bereits das Sexspielzeug in der Hand und las den Zettel.

„Er hat Kameras hier installiert!“, jammerte ich, doch Kazumi schüttelte zu meinem Entsetzen den Kopf.

Natürlich hatte er! Er hatte mich doch beobachtet.

„Nicht er hat die hier angebracht, sondern wir.“

„WAS?“, schrie ich entsetzt und befreit mich aus ihren Armen, doch sie hob mitfühlend beide Hände und versuchte mich zu beruhigen.

„Es war eine Anweisung des Meisters, um deinen Schutz gewährleisten zu können. Wir beobachten dich quasi überall hier im Apartment aus jedem erdenklichen Winkel.“

„Nur die weiblichen Soldatinnen, selbstverständlich...“, fügte Kazumi hinzu.

„Dann nehmt sie ab! Er hat Zugriff darauf. Oder vielleicht ist es gar kein er, vielleicht ist es eine sie des Personals! Oder sagt mir, wo sie sind und ich lasse es wie einen Unfall erscheinen, wenn ich sie finde und kaputt mache!“

Die beiden sahen sich äußerst unwohl an. Ich hatte das Gefühl, dass sie mehr wussten, als sie zugeben wollten, aber ich hatte keine Zeit mich auf so etwas zu konzentrieren.

ER hatte mich gesehen.

Und er wollt MEHR von mir sehen.

ER hatte mir DAS geschenkt.

„Ist gut.“, meinte Emi schließlich mit fester Stimme. „Wir nehmen das Ding da mit und sprechen mit dem Meister.“

Ich schluckte.

„Und was soll ich so lange tun? Mich hier ausziehen und schlafen legen mit dem Wissen, dass er mich sieht?“

„Wir beeilen uns.“, versprach Emi.

„Versuch dich so lange ruhig zu halten. Vielleicht machst du ihn wütend.“

„WÜTEND?“, schrie ich spitz und die beiden zogen die Köpfe ein.

„Er hört alles, er sieht alles, er... Er kommt hier rein, wer sagt mir, dass er nicht eines Nachts...“

„Das wird er schon nicht! Dafür sorgen wir!“, versprach Emi und sah verzweifelt von mir zu Kazumi, die ebenso ratlos dreinblickte wie sie, aber bestätigte.

Sie schoben mich weiter ins Zimmer hinein und ließen mich schließlich zurück, um mit Ritsuko, Katsuro und Sesshoumaru zu sprechen.

Er hatte mich gesehen und gehört.

Unbehaglich sah ich mich um.

Gesehen und gehört...

Es war genauso unheimlich, wie auch peinlich.

Gott, und diese Schrift... Sie sah nach Kraft und Härte zugleich aus.

Ich hatte Angst.

Wahnsinnige Angst.

Und doch erinnerte mich die Schrift an etwas.

Nur an was?

Wenn ich mich in dem Moment erinnert hätte, was ich in der vergangenen Nacht stöhnte – oder besser wessen Namen – wäre mir vermutlich ein Zusammenhang aufgefallen.

Doch in diesem Moment konnte ich keinen Gedanken bei mir behalten. Selbst auf die Idee, dass man durch die Kameras doch wusste wer er war, kam ich noch nicht.

Pure Panik war alles, was ich spürte.

Eifersucht

Ich eilte hinter Sesshoumaru her. Ehrfürchtig machten die Studenten ihm bereitwillig Platz und sahen ihrem Meister mit riesigen Augen respektvoll hinterher. Am liebsten hätte ich in aufgehalten, um ihn auf die Kameras anzusprechen, doch obwohl ich mir genau das am Morgen vorgenommen hatte, traute ich es mich nicht. Vielleicht hatte ich aber auch nur nicht die Gelegenheit gehabt. Erst saß er in einer frühen Telefonkonferenz mit Washington und anschließend hatte ich das Gefühl, dass er so viel zu tun hatte, dass ich nicht einmal daran denken sollte, ihn zu stören.

Doch nun waren wir auf dem Weg in den Vorlesungssaal, wo er die nächste Veranstaltung leiten sollte.

Und ich...

Nachdem ich in der Woche zuvor mit ähnlichen Blicken bedacht wurde wie er, würde ich ab dieser Woche eine Lachnummer sein. Erst erlebte der Kurs, wie ich als Einzige direkt mit dem Fürsten kommunizieren konnte und nun würden sie mich als eine Frau ansehen, die schon wieder seine Gunst verloren hatte.

Ich dachte immer, dass ich bereits ganz unten war und nicht fallen konnte, doch nun musste ich einsehen, dass ich auch dann zu Boden ging – vor allem vor Scham – wenn ich nirgendwo stand.

Wir betraten den Saal durch die untere Tür und er trat sofort auf das Pult zu.

Ich zögerte kurz, bis ich mir sicher war, dass alle Köpfe ihm gefolgt waren, dann huschte ich schnell um die Ecke und wollte mir einen Platz ganz vorne direkt am Gang suchen. Leider jedoch hatte ich meine Rechnung nicht mit Len und Alexia gemacht, oder eher mit Joan, der bei den beiden saß. Ich konnte mich gar nicht daran erinnern ihn in der vergangenen Woche unter den Teilnehmern gesehen zu haben, doch er saß dort und zu meinem Missfallen hatte er mich auch noch entdeckt.

In einem günstigen Moment gestikulierte er daher schnell in meine Richtung, dass ich die Stufen zu ihm hinauf erklimmen sollte und mich zu ihm setzen.

Wie hätte ich diese Einladung ausschlagen sollen? Immerhin war er der Fürst von Norwegen. Er stand nicht nur rangmäßig über mir, es wäre außerdem unhöflich gewesen – ja sogar asozial – seiner Aufforderung nicht nach zu kommen.

Ich verfluchte mich dafür, dass ich hinauf gesehen hatte, nahm aber dennoch meine Tasche und stieg zu ihm hinauf. Ein seltsamer Geruch empfing mich, der mich an irgendetwas erinnerte, aber ich beschloss, dass einfach nur eine der anwesenden Dämoninnen zu viel Parfum aufgelegt hatte.

Joan dagegen lächelte mich lediglich liebevoll an.

„Na du?“, flüsterte er mir zu, doch ich ging nicht weiter darauf ein, spiegelte nur sein freundliches Gesicht und wich dem missbilligenden Blick von Len aus.

Joan war dagegen äußerst zufrieden mit seiner Gesellschaft und so wandte er sich wieder Sesshoumaru zu, der in diesem Moment seine Veranstaltung eröffnete.

„Auf jeden Fall...“, hörte ich da plötzlich Len drei Plätze weiter zu Alexia flüstern. „... war der Meister offen für meine Vorschläge.“

Ich versuchte unbeteiligt der Vorlesung zu folgen, was auch nicht sonderlich schwer war, da Sesshoumaru unbehelligt von dem Getratsche seinen Unterricht fortsetze. Ich wusste nicht, ob er es gar nicht erst hörte, dass die redeten, oder es einfach gekonnt ausblendete. Vielleicht war es sogar eine Mischung aus beidem, denn Lens Worte gingen nicht nur in dem großen Raum unter, es wäre auch unter seiner Würde gewesen, sich in die Unterhaltung einzumischen.

„Er war sehr zufrieden mit mir und ich denke ich habe seine Aufmerksamkeit.“, erklärte Len weiter, Alexia kicherte, als würde sie ihr gerade von ihren neueste Bettgeschichten erzählen. In dem Moment konnte ich nicht anders. Ich blendete Sesshoumaru aus, wollte Len allerdings nicht die Genugtuung geben, dass ich auf das Gesagte einging, als beugte ich mich hinüber zu Joan, der mit fragendem Gesicht das Ohr zu mir senkte.

„Seit wann bist du eigentlich in diesem Kurs?“

„Schon die ganze Zeit, ich musste nur letzte Woche etwas Geschäftliches erledigen.“, erklärte er und lauschte dann wieder dem Fürsten, doch ich wollte nicht locker lassen.

„Das klingt nach Ärger?“

Er schüttelte mit einem amüsierten Blick den Kopf.

„Nein, gar nicht. Alles in bester Ordnung. Aber wir sollten lieber nicht den Kurs stören. Ich will nicht wissen, wie der Meister auf so etwas reagiert.“, er kroch noch etwas dicht er zu mir heran und fügte leiser und vor allem mit verschwörerischem Unterton hinzu: „Reicht doch, wenn die beiden Labertaschen da Ärger bekommen, oder?“

Ich nickte mit einem dankbaren Lächeln und wollt mich gerade wieder Sessoumaru zuwenden, als ich Lens hochtrabend, gehässigen Blick bemerkte.

„Ich werde sicher keinen Ärger von unserem Meister bekommen.“, verkündet sie selbstsicher und nun hatte sie mich gefangen. Ich sah in ihren siegessicheren und leicht schadenfrohen Blick. Dabei wusste ich noch nicht einmal, dass wir in einem Wettkampf miteinander standen.

Oder doch?

„Der Herr weiß, wem er vertrauen kann, nicht wahr, Myleen?“

Irritiert sah ich sie an. „Sicher wird er das wissen. Er ist der Meister, worauf willst du hinaus?“

Alexia lachte erneut und dieses Mal war es eindeutig gegen mich gerichtet.

„Ich will auf gar nichts hinaus.“, meinte Len nur und zuckte mit den Schultern. „Aber du hast recht, er wird er wissen. Er wird mit Sicherheit nichts tun, um seinen Verbündeten in dieser Zeit auf die Füße zu treten. Verbündete sind immerhin sehr wichtig.“

Was wollte sie mir mit dieser Information sagen?

Fragend sah ich hinauf zu Joan, doch der seufzte nur leicht.

„Komm, hör einfach nicht hin. Len ist heute nur schlecht drauf. Nicht wahr, Len?“

„Klar, wenn du das so sagst?!“

Ich bedachte Len noch einmal mit einem nachdenklichen Blick, aber dann folgte ich dem guten Beispiel des Fürsten von Norwegen und wandte mich wieder Sesshoumaru zu, der mit einem kurzen Blick zu mir hinauf die nächste Folie seiner Computerpräsentation aufrief.

Hatte er doch etwas von dem Gespräch mitbekommen?

Ich hoffte doch nicht. Er würde nicht gut darauf reagieren, wenn er merkte, dass ausgerechnet ich in seinem Kurs unaufmerksam war!

So fasst ich meinen Stift fester – ich war gewillt ihm zu zeigen, dass ich trotz kurzer Ablenkung nur an seinen Lippen hing – und machte mir eilig Notizen zum Stoff.

„Wo wir allerdings gerade bei dem Thema „Verbündete“ sind; Eigentlich will ich ja nichts an die große Glocke hängen – ihr kennt mich, ich bin bescheiden – aber lasst euch so viel gesagt sein: Ein Bündnis besiegelte man früher mit einer Heirat.“

Ich spürte, wie sämtliche Muskeln meines Körpers erstarrten und meine Gedanken erneut von dem Inhalt der Vorlesung abdrifteten.

Im Folgenden war es unmöglich, Sesshoumaru weiter zuzuhören. Ich schrieb nur noch die Stichpunkte der Präsentation ab und stierte ansonsten erstarrt nach vorn.

Ein Bündnis mit einer Heirat besiegeln?

Ja, das machte machte man früher so, aber früher bekriegten sich auch die meisten Fürsten untereinander, um mehr Macht zu erlangen. Heute lief doch alles eher gesittet ab.

Wie lange war bereits der letzte Kampf um Herrschaft und Ländereien her?

Auf Anhieb konnte ich es nicht sagen. Ich hatte es jedenfalls noch nie miterlebt.

Die neunzig Minuten vergingen und erst an ihrem Ende bemerkte ich, dass ich gar nicht aufgepasst hatte. Meine Hoffnung war, dass Sesshoumaru nicht auf die Idee kam, mich zu dem eben Vermittelten im Büro abzufragen. Ich hatte so schon genug Angst, dass er unzufrieden mit mir war, aber ihm nun noch zu zeigen, dass ich rein gar nicht aufgepasst hatte, wäre fatal gewesen. Und dann war da ja noch immer der Stalker, der mich in meinem eigenen Apartment beobachtete und scheinbar nach mehr gierte.

„Wollen wir gleich etwas essen gehen, oder erst warten, bis der Ansturm vorbei ist?“, wollte Joan gut gelaunt wissen, als Sesshoumaru die Veranstaltung beendet hatte und bereits alles zusammen packte.

„Meinetwegen können wir noch etwas warten. Was sagst du, Myleen?“, gab Len die Frage weiter, aber ich schüttelte den Kopf.

„Sorry, ich habe noch was zu erledigen.“, aber nicht nur das, ich wusste auch, dass sie mich eh nicht dabei haben wollte. Man konnte es an ihrer Nasenspitze sehen, die sich nun wieder Selbstbewusst zum Himmel emporhob.

„Wirklich? Schade.“, verkündet Joan als Einziger ehrlich. „Hast du so viel zu tun?“

Len schnaubte und wandte ich mit den Augenbrauen zuckend ab und auch Alexia nahm einen spöttisch zweifelnden Gesichtsausdruck ab. Ihr Freund übersah das jedoch und so zuckte ich einfach die Schultern.

„Mehr oder weniger, ja. Wir sehen uns.“, schnell nahm ich meine Tasche und warf noch einen Blick zu Sesshoumaru, der noch immer damit beschäftigt war seinen Laptop vom Kabel des Beamers zu trennen. Ehe die Meute der Studenten zu den Ausgängen drücken konnte, erklomm ich die Stufen zu den oberen Ausgängen und verschwand durch eine der Türen.

Der Flur füllte sich inzwischen mit Studenten und Dozenten, doch der hintere Bereich zu den Fahrstühlen war zum Glück leer, da er um dieser Zeit nur selten benutzt wurde. Alles drängte zu den verschiedenen Essensausgaben, niemand wollte hinauf zu den Lehrräumen und den Büros in den oberen Etagen.

Ich riss also die Glastür zu dem Gang mit den Fahrstühlen auf. Als sie die lauten Rufe und die Unterhaltungen auf den Gängen draußen ausschloss und mich endlich Stille umfing, sackte ich gegen die kalte Wand und schloss die Augen.

Erneut hörte ich Lens Stimme in meinem Kopf, wie sie etwas von einer Heirat erzählte. Ich war mir sicher, dass sie damit andeuten wollte, dass sie die Fürstin an Sesshoumarus Seite werden wollte. Vielleicht war es ja noch nicht einmal mehr eine Andeutung, vielleicht war es bereits beschlossene Sache. Immerhin hatten Emi und Kazumi bemerkt, dass am oberen Hang des Kraters eine Villa gebaut wurde, welche für den Meister und seine Braut bestimmt war. Sicher, Marylou hatte mir auch erklären wollen, dass Sesshoumaru um meine Hand angehalten hatte, doch das war vier Jahre her.

Mein Herz verkrampfte sich und mir wurde schlagartig bewusst, was es war, das ich fühlte.

Sesshoumaru wurde von meinem Vater bei seinem Werben abgewiesen. Am Ende musst er aufgegeben haben, denn sonst hätte er sich sicher in der vergangene Woche mit mir darüber unterhalten, allerspätestens aber an unserem gemeinsamen Wocheneden in Tokio.

Am vergangenen Tag noch hatte ich irgendwann geglaubt, dass er all dies wegen mir tat. Doch natürlich – das musste ich mir nun eingestehen – war so zu denken absolut vermessen. Sesshoumaru hegte kein Interesse (mehr) an mir. Ich hatte meine Zukunft als Fürstin verspielt, als mein Vater ihn abwies. Und meine Gunst als Assistentin und Freundin verlor ich am Wochenende.

Das war sicherlich auch der Grund, warum er mich mit dem Problem des Stalkers so allein ließ.

Ich schniefte einmal und strich mir über die Augen, um das Brennen zu unterbinden, das sich immer kurz vor den ersten Tränen einstellte.

Es war mir tatsächlich passiert. Ich wusste beim besten Willen nicht wie und wann, doch ich hatte mich in Sesshoumaru verliebt. Das wurde mir in diesem Moment endlich klar.

Vor allem, weil es so furchtbar weh tat, wenn ich daran dachte, dass er und Len … Intimitäten austauschen würden. Vielleicht hatten sie es bereits getan, als ich am Tag zuvor nicht das Büro betreten durfte. Vielleicht lag sie halb nackt auf seinem Schreibtisch, während er sie berührte, in sie eindrang und sie nahm. Bestimmt war das der Grund dafür gewesen, dass Jaken mich nicht hinein lassen wollte.

„Myleen“, ich fuhr erschrocken hoch und stand gleich darauf Sesshoumaru gegenüber, der auf den Knopf des Fahrstuhls drückte, der uns hinaufbringen sollte.

Wenn ich doch nur eine Chance gehabt hätte! Ich hätte den Fahrstuhl angehalten, auf seinem Weg nach oben, hätte mich vor ihm entkleidet, hätte ihm seine Hose ausgezogen und wollte betteln, dass er mir endlich wieder seine Aufmerksamkeit schenkte.

War ich krank? Mit Sicherheit! Ich fühlte mich Sesshoumaru gegenüber, wie der Stalker, der mich verfolgte. Nur wollte ich Selbiges bei Sesshoumaru tun. Ich wollte ihn beobachten, ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen und mit Geschenken überhäufen und ich wollte ihn so beobachten, wie ich beobachtet wurde.

Ich war krank! Ganz eindeutig war ich krank!

Ein Kribbeln breitete sich in meinem Bauch aus und sammelte sich in meiner Mitte. Wurde ich etwa schon wieder feucht?

Das konnte doch nicht sein!

Nicht jetzt!

Wenn er es roch...

Er tat es! Ganz eindeutig!

Seine Augen wanderten zu mir, ohne dass er den Kopf herum drehte.

Warum kam nur dieser beschissene Fahrstuhl nicht endlich? Oder sollte ich doch lieber die Treppe nehmen? Das alles war so peinlich. Ich wollte nur weg.

„Du warst unaufmerksam in meinem Kurs.“, verkündete er aus heiterem Himmel. Schwang da ein leichtes Knurren in seiner Stimme mit? Wie sauer war er wohl auf mich?

„Entschuldige bitte.“, am liebsten hätte ich Len dafür die Schuld gegeben, doch wie würde er wohl reagieren, wenn ich seine zukünftige Fürstin so anprangerte?

Doch dieser Drang sie vor ihm schlecht zu machen war beinahe so stark wie ein wild gewordenes Nashorn.

„Es kommt nie wieder vor.“

„Nein.“, bestätigte er nickend. Oh Gott, bedeutete das etwa... Wollte er mich etwa...

Ich wollte ihm gerade die passende Frage stellen, ob er vorhatte mich wieder zu kündigen und vielleicht sogar von der Universität zu schmeißen, doch da begann er bereits mit einem anderen Thema: „Ritsuko suchte mich gestern Abend auf und bat mich in deinem Namen darum, dass die Kameras in deinem Zimmer wieder deinstalliert werden.“

Ich schluckte.

Diese Ungewissheit gefiel mir überhaupt nicht.

„Ja, ich...“

„Das solltest du sofort wieder vergessen.“

„Was?“, ich sah ihn überrascht an.

„Die Kameras in deinem Zimmer bleiben wo sie sind. Sie wurden dort angebracht, damit wir ein Auge auf dich haben und sofort alarmiert sind, wenn dir etwas zustößt.“

„Aber...“

„Das ist mein letztes Wort.“

In dem Moment öffnete sich endlich der Fahrstuhl und er stieg hinein.

„Das kannst du doch nicht machen! Das kannst du nicht von mir verlangen!“, jammerte ich ihn an und er stellte den Fuß in die Schwelle und legte eine Hand gegen die Tür, sodass die Kabine sich nicht schließen konnte.

„Steig ein. Wir reden oben weiter.“, da, schon wieder dieses Knurren. War er wirklich so wütend auf mich?

Alles in mir sträubte sich dagegen zu ihm zu steigen. Wer wusste, ob ich die Fahrt hinauf in die Chefetage überhaupt überlebte?

„Bitte, Sesshoumaru, ich flehe dich an! Er beobachtet mich. Egal was ich tue, er sieht alles! Bitte, bitte gib den Befehl, dass sie die Kameras wieder runternehmen.“

„Steig endlich ein.“, dieses Mal war es nicht unterschwellig. Er senkte den Blick und funkelte mich bei dem Ton tief aus seiner Kehle an.

„Nein“, platzte es aus mir hervor. „Nein, Sesshoumaru, nur wenn du mir hilfst! Ich dachte wir wären Freunde!“

Er knurrte noch einmal, als er ausatmete.

„Steig. Ein.“

„WARUM LÄSST DU MICH ALLEINE?“, brüllte ich ihm nun entgegen und damit trat er wieder aus der Kabine, ließ die Tasche mit dem Laptop als Türstopper stehen. Sofort wich ich zurück.

„Es interessiert dich doch rein gar nicht, was ich durchmache!“, schrie ich weiterhin verzweifelt. „Dieser... dieser... Perverse beobachtet mich in meiner Privatsphäre. Er sieht einfach alles! Verstehst du? ALLES!“

Ich stieß gegen die Wand und hatte somit keine Möglichkeit mehr, weiteren Abstand zwischen mich und meinen Meister zu bringen.

„Ich habe so furchtbare Angst und dich interessiert es nicht! Ich dachte wir wären Freunde!“

„Steig. In. Den. Fahrstuhl.“, knurrte er mich erneut an und ich wusste, dass dies das letzte Mal sein würde, dass er mich „freundlich darum bat“. Ich wusste genauso gut wie er, dass ich nicht in der Position war, um einen Befehl von ihm so einfach zu ignorieren, aber was konnte er mir schon antun, was mein Leben noch beschissener Gestalten würde?

Nichts.

Absolut nichts.

Ich setzte daher zu einer erneuten Schimpftirade an, als die Tür aufgeschoben wurde.

„Oh, verzeiht mein Meister, störe ich?“, säuselte Len und mein Kopf schnellte zu ihr herum. Es war Wut, die meine Verzweiflung verdrängte und Mordlust, die in mir aufkeimte. Vor allem, als ich diesen Geruch erneut wahrnahm, den ich bereits im Vorlesungssaal bemerkte.

Es war kein Parfum, wie mir in dem Moment klar, wurde, als Len in hohen Schuhen, engem Rock bis zu den Knien und weißer, leicht durchsichtiger Bluse auf uns zu stöckelte.

Es war der Lockduft einer Hundedämonin, die läufig wurde. Sie hatte diesen Zustand noch nicht ganz erreicht, aber er war nahe und ihr Duft konnte schon jetzt mehreren männlichen Artgenossen den Kopf verdrehen.

Ich sah ihren Blick, mit dem sie auf Sesshoumaru zukam und bemerkte, wie auch seine angespannte Haltung mir gegenüber schwand, während er sie scheinbar nicht aus den Augen lassen konnte.

Diese blöde...

Nein, ich sagte nichts. Ich hielt die Klappe, wusste aber, dass mir in diesem Moment Zornesröte ins Gesicht stieg.

„Entschuldige Len, aber wir unterhalten uns gerade! Würdest du bitte...“

„Was willst du?“, fuhr mir Sesshoumaru dazwischen und wandte sich ihr damit direkt zu, ließ mich einfach stehen.

War das sein Ernst?

Ich konnte nicht verhindern, dass ich ihn entsetzt ansah.

„Ich hatte gehofft, kurz mit Euch reden zu können, mein Meister.“, sie lächelte ihn liebevoll an. „Ich habe eine Nachricht von meinem Vater.“

Ich funkelte sie wieder an.

„Dann stell dich hinten an! Wir sind noch nicht fertig.“, bellte ich und drückte mich an Sesshoumaru vorbei, um in den Fahrstuhl zu kommen.

„Myleen, steig wieder aus.“

„Was?“, entfuhr es mir bei diesem plötzlich ganz anderen Befehl.

„Hast du inzwischen mit deinen Eltern geredet?“

„Nein, aber was...“

„Dann tu das endlich. Das ist dein Arbeitsauftrag für heute. Sorge dafür, dass sie verstehen.“

„Warte, das meinst du gerade ernst? Du lässt mich hier so einfach stehen, willst, dass ich so tue als wäre nichts und stattdessen meine Eltern anrufe? Entschuldige bitte, aber das steht nun nicht gerade sonderlich weit oben auf meiner Prioritätenliste! Im Gegenteil! Ich denke, wir sollten erst einmal...“

„Myleen“, seine Stimme wurde lauter. „Du vergisst dich gerade. Ich lasse dir immer viel durchgehen, aber nun reicht es.“

Ich sah ihn schockiert an.

„Es reicht?“, brachte ich matt hervor und sah ihn flehend an.

„Geh in dein Apartment. Ich lasse dich rufen, sollte ich dich brauchen. Ruf deinen Vater an. Ich will Ergebnisse sehen.“

Ich schluckt und verließ nun wieder die Kabine. Sofort betrat er sie und nahm seine Tasche. Len stieg dazu, noch immer mit unverändert freundlichem Lächeln.

Er drückte den Knopf der Etage und ich sah dabei zu, wie sich mit dem Schließen der Tür auch Lens Blick ins gehässige veränderte.

Sie hatte schon wieder gewonnen.

Und ich wollte ihr den Hals umdrehen.

Ich wollte sie ermorden und egal welches Szenario ich mir dafür ausdachte, es war noch nicht genug.

Doch vor allem war ich enttäuscht von Sesshoumaru.

Nicht nur, dass er mich in meiner Not einfach abwies, er vergnügte sich auch lieber mit einer anderen!

Dieses Arschloch!

Ich schulterte meine Tasche und marschierte aus dem Gebäude.

Warum tat er das? Warum ließ er mich einfach mit meinem Problem allein und vögelte anschließend eine andere?

Ich dachte er wäre einmal an mir interessiert gewesen?

Warum konnte er nicht einfach dafür sorgen, dass der Stalker mich in Ruhe ließ und anschließend konnte ich mich doch nackt über seinen Schreibtisch beugen, damit er sich an mir austoben konnte!

Dieses Arschloch!

Dieser Wichser...

Frustriert betrat ich wenige Augenblicke später meine Wohnung, warf wie immer meine Tasche in eine Ecke und fuhr meinen Laptop hoch.

Kurz darauf hatte ich meine Schwester via Skype angewählt und noch ehe es das erste Mal richtig geklingelt hatte, ging Marylou auch schon ran.

„Hallo Leenchen“, sang sie voller guter Laune. „Ich freue mich ja so, dass du anrufst! Du glaubst ja gar nicht, was...“

„Sind die Alten da?“, knurrte ich sie an und kurz blieb es still.

„Ja, wieso? Was ist denn los?“

„Hol sie einfach an den Rechner. Beide.“

„Erst wenn du mir sagst, was los ist.“

„Ich habe keinen Bock mit dir zu diskutieren! Hol sie ran und du wirst es mit ihnen zusammen erfahren, oder wir lassen es bleiben!“

Eine blöde Drohung. Immerhin hatte Sesshoumaru mir ja befohlen, dass ich mit ihnen redete. Da konnte ich schlecht beschließen, dass ich es nicht tun würde. Wobei, vermutlich brachte das Gespräch eh nichts, so geladen wie ich war.

Was machte er auch einfach mit Len rum? Und ich war mir sicher, dass sie den Fahrstuhl angehalten hatten, er sie gegen eine Wand drücke und sie anschließend nahm, als gäbe es kein Morgen.

Sie war läufig. Und er war voll auf sie angesprungen...

Ich wollte sie noch immer töten!

Am liebsten wäre ich wieder ins Büro gegangen und hätte ihn verfolgt. Überall hin. Nirgendwo sollte er ohne mich hingehen und wenn da auch nur eine einzige andere Dämonin war, die ihm versuchte schöne Augen zu machen oder die er zu lange ansah, dann würde ich sie töten.

Ich würde...

Was dachte ich da eigentlich? War ich denn vollkommen übergeschnappt? Ich benahm mich ja schon wie der Typ, der hinter mir her war.

In meiner Rage hatte ich gar nicht mitbekommen, wie meine Schwester vor der Kamera verschwunden war und nun meine Eltern sich vor die Linse schoben. Beide lächelten freudig und begannen mich überschwänglich zu begrüßen. So behandelten sie mich immer, wenn ihnen einer gesagt hatte, dass ich mies drauf war. Sie lachten und erzählten mit hohen, aufgeregten Stimmen von ihrem Tag, mein Vater gab dann immer noch den ein oder anderen Witz zum Besten, aber dazu hatte ich nun wirklich keinen Nerv.

„Ist das dein Apartment?“, fragte meinte Mutter in dem Moment und reckte den Hals, als könnte sie so an mir vorbei sehen und das Zimmer begutachten.

„Ja, das ist es.“

„Sieht gut aus! Zeigst du es uns mal? Trag doch mal den Laptop durch die Gegend.“

„Mama, um ehrlich zu sein hab ich dazu wirklich keinen Bock.“, knurrte ich mit nur wenig Geduld.

„Ist etwas passiert?“, fragte mein Vater sofort alarmiert.

„Myleen, du weißt, dass du jeder Zeit nachhause kommen kannst, wenn du ein Problem hast. Wir sind dir wirklich nicht böse, wenn du dein Studium...“

„Nun hört doch mal endlich auf mit diesem Scheiß!“, fuhr ich sie wütend an und meine Mutter zog den Kopf ein. Mein Vater dagegen steigerte sich schon wieder in das Gesagte hinein: „Wie redest du eigentlich mit uns? Nun komm mal wieder runter! Wir haben dir rein gar nichts getan, ja?!“

„Ach nein? Und was ist mit dem Wochenende? Ihr bringt mich vor unserem Meister in Verlegenheit, wisst ihr das eigentlich?“

„Warum? Was haben wir denn getan?“

„Ihr versucht mich ständig dazu zu bewegen, dass ich hier weg gehen soll und bei ihm kündigen und macht ihn schlecht, obwohl ihr gar keinen Grund dazu habt!“

„Rufst du deswegen an? Hat er dir befohlen, dass du uns das sagst?“

„Er hat mir befohlen, dass ich noch einmal mit euch spreche, ja! Ich wollt es eigentlich ganz bleiben lassen! Und zwar für immer!“, platzte es aus mir heraus und nun war mein Vater still. „Also bedankt dich lieber bei ihm dafür, dass ich euch angerufen habe, anstatt ihn weiter fertig zu machen.“

„Du weißt ja gar nicht, was du da von dir gibst!“, verkündete mein Vater und winkte ab.

„Ich weiß nicht, wovon ich spreche? Ihr wisst nicht, wovon ihr sprecht!“

„Myleen“, versuchte meine Mutter mich wieder zu tadeln, aber ich überging sie einfach: „Zu eurer Information: Der Meister ist nicht krank. Im Gegenteil. Er ist vollkommen gesund, macht maximal eine schwere Phase seines Lebens durch und...“

„Myleen, zügle dich!“, donnerte mein Vater. „Du weißt ja gar nicht, was du da redest! Der Meister ist der gefährlichste Dämon, den es auf dieser Welt gibt. Wenn ihm keiner Einhalt gebietet, dann wird er uns alle in nicht all zu ferner Zukunft auslöschen, egal ob Mensch, Tier oder Dämon.“

„Und woran machst du das fest? Was hat er denn deiner Meinung nach? Ist er ein Psychopath und Massenmörder oder was?“

„Fast! Er leidet an einer schweren Form der Krankheit „körperlicher Zerfall“. Das weiß inzwischen jeder.“

„Das ist nicht bestätigt.“

„Trifft aber zu. Man muss ihn sich doch nur einmal ansehen!“

„Ach ja? Und was siehst du, wenn du mich siehst?“

„Was soll das nun wieder heißen?“

„Ich war gestern bei einem Arzt. Auch ich „leide“ am „körperlichen Zerfall“.“

„Das hat er dir eingeredet, stimmt 's? Myleen, das darfst du nicht glauben! Du bist gesund! Du bist nicht krank.“

„Stimmt, bin ich auch nicht. Wenn du dich mal ein wenig mit dem Ganzen beschäftigen würdest, dann wüsstest du, dass das nämlich gar keine Krankheit ist!“

„Du willst mich in Frage stellen?“

„Ja“

Die Antwort kam so abrupt, dass mit einem Schlag für mehrere Sekunden Ruhe einkehrte.

„Myleen, ich befehle dir sofort nach Hause zu kommen.“

„Nein.“

„Myleen“, mischte sich erneut meine Mutter ein.

„Nein“, wiederholte ich stur. „Ich bleibe hier.“

„Junges Fräulein, du wirst sofort deine Sachen packen und nachhause kommen und das ist mein letztes Wort.“

„Nein.“, ich zuckte die Schultern. „Und ich wäre euch sehr verbunden, wenn ihr endlich aufhören würdet schlecht von unserem Meister zu reden.“

„Myleen, der Mann ist gefährlich. Du brichst sofort alles ab und kommst auf der Stelle heim.“

„Nein. Das ist mein letztes Wort. Tschüss.“, und damit drückte ich einfach das Knöpfchen zum auflegen.

Keine Sekunde später klingelte Skype erneut, aber ich nahm das Gespräch gar nicht erst an.

Aufgewühlt erhob ich mich von meinem Stuhl und warf mich auf mein Bett.

Vermutlich hatte ich gerade absoluten Mist gebaut. Meine Heimat war immer mein sicherer Hafen. Wenn ich einmal scheitern würde, dann konnte ich dorthin immer zurückkehren.

Wobei sich das nun vermutlich erledigt hatte.

Augenblicklich tat es mir leid, wie ich die beiden behandelt hatte. Ich hatte sie doch nur deshalb sofort angerufen, um meine Wut über Sesshoumaru bei ihnen abzuladen.

Ich streckte mich in den Kissen und zog die Beine an.

Sesshoumaru, du dämlicher Idiot!

Ich spürte, dass ich mich abreagieren musste. Dass ich etwas ganz bestimmtes brauchte, um wieder auf den Teppich zurück zu kommen, doch ich wusste zeitgleich, dass mich irgendjemand über die Kameras beobachten konnte.

Ich schloss daher die Augen, doch das sorgte nur dafür, dass ich erneut die Hitze und Feuchtigkeit meiner Scheide spürte.

Wenn ich Pech hatte, dann hatte ich nun wegen Sesshoumaru mit meiner eigenen Familie gebrochen. Wenn er mich doch nur wahrnehmen würde!

Ich presste die Beine aneinander und rieb sie leicht. Tat das gut...

die Stimulation meines Geschlechts machte mir Hunger auf noch mehr.

Wenn Len nicht gewesen wäre, dann hätte ich den Anruf in seinem Beisein im Büro getätigt. Auch dann hätte ich meinen Eltern klargemacht, dass ich auf seiner Seite stand und anschließend wollt ich, dass er mir zeigt, dass ich das Richtige getan hatte.

Ich öffnete den Mund und stieß zittrig den Atem aus.

Ich wollte jetzt bei ihm sein! Wie gemein war doch die Welt. Was würde er wohl sagen, wenn ich mich in seiner Wohnung versteckte? Vielleicht würde ich mich in sein Bett legen, ganz nackt, und dort auf ihn warten und mich ihm dann ausliefern?

Mein großer Meister...

Als mich der Drang überkam meine Hand an meine Mitte zu legen, stand ich lieber schnell auf und ging ins Badezimmer. Ich drehte den Wasserhahn eiskalt und das Nass floss über meine Handgelenke. Ich musste auch die Feuchtigkeit meiner Mitte loswerden, nur wie? Konnte er mich hier auch beobachten?

Ich hob den Blick in die Winkel der Wände, konnte aber nichts Auffälliges erkennen. Natürlich, in meinem Schlaf-Wohn-Bereich sah ich auch nichts auffälliges, aber hier in dem kleinen Bad würde das doch etwas anderes sein, oder nicht?

Auf jeden Fall konnte ich kein auffälliges Gebilde erkennen, daher angelte ich den Waschlappen von der Heizung und öffnete den Knopf meiner Hose. Zusammen mit meinem bereits glitschigen Höschen sank sie zu Boden. Das konnte ich nicht noch einmal anziehen. Es war viel zu nass. Zum Glück war mein Handtuch groß genug, damit ich es es mir nachher umbinden konnte, um nicht nackt vor den Kameras zu sein.

Ich beschloss, dass ich diese Gelegenheit gleich nutzen konnte, um duschen zu gehen, anstatt mir nur den Schritt zu säubern.

Ich zog mich aus und trat hinter den Duschvorhang in die leicht in dem Boden eingelassene Duschwanne. Ich positionierte Lappen und Duschgel, drehte den Wasserhahn auf und ließ das heiße Nass über meinen Kopf fließen. Es war irgendwie beruhigend und als ich merkte, wie lange ich auf meine vom duschen erigierten Nippel starrte, nahm ich endlich den Lappen, ließ in nass werden und versenkte ihn zwischen meinen Schamlippen, um das Scheidensekret abzuwischen...

Fataler Fehler.

Ich stockte, als die raue Oberfläche des Lappens über meine empfindliche, geschwollene Haut glitt. Anstatt mich von der Feuchtigkeit zu befreien, benutzte meine Hand umwickelt von dem Stoff die Gleitfähigkeit, um meine Beine zum zittern zu bringen.

Ich keucht auf und hielt mich an der Stange fest, die den Duschkopf hielt.

Das war eigentlich nicht mein Plan gewesen, aber nun, da ich einmal begonnen hatte, konnte ich einfach nicht mehr aufhören. Ich richtete mich auf, umschlang die Halterung, die senkrecht an der Wand vor mir verlief, und legte drei Finger, bedeckt von dem Lappen, über meine Klitoris. So begann ich mich vor und zurück zu reiben.

Was ein Gefühl.

Ich stöhnte auf.

Ich wollte gerade damit beginnen, Sesshoumaru in meinen Gedanken anzuschreien, weil er nicht mich ficken wollte, sondern lieber Len – woraufhin er mich sehr rüde und hart von hinten genommen hätte, um sein Revier zu markieren – da hörte ich, dass jemand die Wohnung betrat.

Erschrocken lauschte ich auf und schaltete das Wasser ab.

War er hier? Der Stalker?

Blanke Panik kroch in mir hoch, doch ich lugte an dem Duschvorhang vorbei. Im Bad war ich zumindest bisher noch allein.

Draußen ging die Wohnungstür ein zweites Mal und ich schluckte schwer. War er noch da? Wer war es überhaupt gewesen?

Ich angelte nach meinem Handtuch und schlang es mir um den Körper. Dann legte ich ein Ohr an die Tür. Noch immer Stille.

Vorsichtig drückte ich die Klinke hinunter, aber da schien niemand mehr zu sein. Nun etwas mutiger strecke ich den Kopf durch die Tür und sah mich um.

Nichts.

Ich überlegte schon, ob ich es mir einfach nur eingebildet hatte und wollte wieder unter die Dusche gehen, als ich den Blick senkte und ihn sah: Der Vibrator war wieder zurück.

Augenblicklich erstarrte ich... und da ich noch immer an Sesshoumaru denken musste, wollte ich das Ding auch augenblicklich in mir versenken, aber ich wusste, dass es kein Geschenk meines Meisters war, sondern von dem Stalker.

Und erneut hatte er eine Nachricht für mich hinterlassen:
 

Ich würde dir gerne unter der Dusche zur Hand gehen und es dir so besorgen, wie du es willst.

Doch leider ist es mir heute noch nicht möglich, uns beiden diesen Wunsch zu erfüllen.

Benutze ihn endlich und lass mich daran teilhaben.

Wenn nicht, weiß ich nicht, wie lange ich mich noch beherrschen kann, ohne dich in aller Öffentlichkeit zu überfallen.

Heute war es bereits viel zu schwer für mich.

Benutze ihn!

Und vielleicht werde ich dir dann heute Abend Lust bereiten, bis du meinen Namen schreist.

Joans Junggesellenabschied

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

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Verräter

Es war aussichtslos. Was hatte ich nur erwartet, nachdem er bemerkt hatte, dass wir alle Kameras runternahmen?

Dass er mich sah und direkt nach Hause kam?

Schwachsinn.

Ein furchtbar trostloses Wochenende verging zäh wie ein zu lang gekauter Kaugummi…

Und am Ende war ich hoffnungslos deprimiert.

Wenn er nun doch zurückkam und sich für Len entschieden hatte?

Ich hatte nicht einmal eine Chance erhalten!

Mein Vater lehnte seinen Antrag ab und – aus welchem Grund auch immer – er hatte es stattdessen nicht direkt bei mir versucht. Er gab mich einfach auf, oder nicht?

Vier Jahre lang.

Und am Ende finden wir uns mehr oder weniger per Zufall wieder und anstatt mit mir zu reden, entwickelt er gespaltene Persönlichkeiten – den Freund, den Fürsten und den Stalker – nur um mich in den Wahnsinn zu treiben.

Das war doch alles nicht fair!

Und wenn er Len nun heiratete? Was dann…?

„Mach dir darüber keine Gedanken, Liebes.“, bat Nibori bei unserem Mittagessen am Sonntag in seiner Wohnung des alten Harems. „Der Meister hatte 300 Jahre vor dir und vier nach die keine andere Frau. So schnell wird er sich nicht anderweitig umgucken.“

„Und wenn doch?“, warf ich ein. „Für Len gibt es viele Gründe: Er braucht Verbündete – das habt ihr selbst gesagt und du hast auch bestätigt, dass er dann dieser arrangierten Ehe zustimmen würde – und außerdem ist sie aktuell läufig. Welcher Dämon kann sich dem entziehen? Keiner. Auch der Fürst nicht.“

Er gluckste leise amüsiert.

„Also als erstes: Der Meister ist zwar bei weitem nicht so alt wie ich, doch ich bilde mir ein, dass er dennoch im Laufe seiner Jahre eine gewisse Selbstbeherrschung erlangt hat, was biologische Reize angeht. Und zweitens: Selbst wenn er diesem Duft erlegen ist, hat eine derartige Vereinigung in dem Moment nichts zu bedeuten. Es ist unsere Biologie.“

„Das ist nicht gerade sehr aufmunternd, Nibori.“

„Hör auf dir so viele Gedanken zu machen.“, er streckte die Stäbchen aus und sammelte sich etwas Ente von einer Servierplatte herunter. „Ich glaube nach wie vor daran, dass du unsere Fürstin wirst. Komme was da wolle. Auch wenn es einigen nicht gefallen wird: Er ist der Meister. Er hat das letzte Wort, wenn es um seine Frau geht.“

Ich schüttelte nur den Kopf und stocherte mit einer Gabel in meinem Reis herum, ehe ich ihn aufaß.

Woher nahm er nur diese unendliche Zuversicht?

Oder wollte er mich schlicht aufheitern?

Ich blendete alles aus und konzentrierte mich nur auf das Essen vor mir.

Wenn Sesshoumaru sich wirklich für Len – oder irgendeine andere – entschied, was würde ich dann tun?

Konnte ich dann noch mein Studium an dieser Uni absolvieren?

Und konnte ich weiter als seine Assistentin arbeiten?

Würde ich es schaffen ihn jeden Tag zu sehen und zeitgleich über ihn hinweg kommen?

Die Antwort war so einfach wie schmerzhaft: Auf keinen Fall!

Niemals!

Ausgeschlossen…

„Was bekümmert dich?“, fragte Nibori eine gebackene Banane genießend.

Ich atmete tief durch und wollte ihm eben von all meinem Kummer berichten, als ich hektische Schritte näherkommen hörte.

Auch der Arzt vor mir horchte auf und sah zu seiner Tür.

Das Trampeln wurde schneller und plötzlich hämmerte jemand gegen die Tür.

„Hab ich den Weltuntergang verpasst? Warum sind denn heute alle so unruhig?“, murmelte er.

„Nibori-sama!“, hörten wir Emi beinahe schreien.

„Du versaust mir meine Sonntagsstimmung!“, gab er gelangweilt zurück. „Komm einfach rein und sag was du willst.“

Sofort wurde die Tür beiseite gerissen und sie sah uns mit riesigen Augen an.

So abgekämpft hatte ich Emi noch nie gesehen…

Warum war sie so aufgeregt?

Ich sah zu dem Arzt, der sie beinahe abschätzig musterte.

„Soll ich dir ein Sauerstoffzelt besorgen?“, fragte er wenig begeistert. „Wir haben eine Sitzung, Emi. Warum unterbrichst du…“

„Er ist wieder da!“

Nur langsam begriff ich, was Emi dort von sich gab.

Sesshoumaru war wieder zurück?

Ich ließ mein Glas sinken – ich hatte gerade zum Trinken angesetzt.

„Wo?“

„Büro“

Wie von der Tarantel gestochen rannte ich los, noch ehe ich richtig auf beiden Beinen stand. Ich bemerkte noch, dass auch Nibori sich erhob und scheinbar wissen wollte, warum das ein Grund war sich wie ein Büffel aufzuführen, aber die Antwort interessierte mich nicht.

Ich sprang jede Treppe mit nur einem Satz runter, flog quasi über den Garten und in das Hauptgebäude hinein.

Er war endlich wieder da!

Nach beinahe zwei vollen Tagen ohne eine Nachricht war er endlich wieder nach Hause gekommen!

Ich konnte es kaum abwarten ihn wiederzusehen.

Und ich hoffte, dass sich nun alles aufklären würde.

Sesshoumaru und ich – ich und Sesshoumaru…

Und dann war diese dumme Rebellion meines Vaters dran!

Für die viel zu langsamen Fahrstühle hatte ich keine Geduld. Ich preschte vor zu den Treppen – die zum Glück alle frei waren – und war mit wenigen Sätzen ganz oben angekommen.

Nur noch wenige Türen.

Ich roch ihn bereits!

Sein Duft war so berauschend.

Ich legte noch einmal alles in die letzten Meter – in der Hoffnung noch etwas schneller zu werden. Allein das Wissen um seine Anwesenheit gab mir so viel Zuversicht in die Zukunft, dass ich glaubte jetzt könne rein gar nichts mehr schief laufen.

Ein Schritt und ich war in Jakens Büro – seine Tür stand offen, doch nicht die zu dem Büro des Meisters.

Egal.

Es war doch auch meines!

Und es würde immer meines sein!

Und er würde auch mir gehören!

Ich riss die Tür auf.

„END…“, ich stockte eine Sekunde. Acht Augenpaare waren auf mich gerichtet – Sesshoumaru, Ritsuko, Katsuro, Lens Vater und vier Vorstandsmitglieder der Firma unseres Herrn.

„…lich…“, beendete ich das erste Wort meines Jubels eingeschüchtert.

Ritsuko begann langsam zu Grinsen – sie wusste genau, wie es mir die letzten Stunden ohne ihn erging – und erntete dafür einen verwirrten Blick ihres Mannes.

Ich spürte, wie mir langsam die Röte ins Gesicht stieg. Offensichtlich hatte ich gestört.

„Lass mich mal durch, Myleen.“ – ungeniert wie immer quetschte sich Jaken an mir vorbei, um den hohen Herren Getränke zu servieren.

Desorientiert sah ich ihm nach und bemerkte schließlich, dass Sesshoumaru sich von mir abwandte und sich auf einem Sessel niederließ.

„Setzen Sie sich.“, bat auch Katsuro und nickte den anwesenden Herren zu.

„Komm, Leenchen, hier ist noch ein Platz.“, bat Ritsuko noch immer kichernd und wies auf der Couch zwischen sich und ihren Mann.

Ich zögerte, sah jeden einzelnen der Anwesenden an und schließlich zu Sesshoumaru, der eine Tasse von Jaken entgegen nahm.

Ungerührt trank er einen Schluck.

Heute spielte er also wieder den unnahbaren Fürsten.

Ich schluckte schwer.

So hatte ich mir unser Wiedersehen nicht vorgestellt…

Wo war die Leidenschaft?

„Nun komm schon!“, forderte Ritsuko mich noch einmal auf und auch Katsuro nickte mir einmal zu.

Ich atmete tief durch und wagte einen Schritt auf die Versammlung zu, als ich ein kurzes Schnauben hörte. Dann sprach plötzlich Lens Vater alles andere als begeistert: „Herr, wollt ihr das zulassen? Dies ist die Brut des Verräters Phelan.“

Eine Hand legte sich von hinten auf meine Schulter und als ich hoch sah blickte ich in das ernste Gesicht von Nibori, der den Hinterkopf des koreanischen Fürsten missbilligend musterte.

„Ihr solltet Sie nicht an unseren Besprechungen teilhaben lassen. Wer weiß, was sie an ihren Vater weitertragen wird?“

„Gar nichts werde ich weitertragen!“, verkündete ich entrüstet. „Ich stehe zu unserem Fürsten! Mein Vater macht einen großen Fehler!“

„Genau das, was jeder Verräter sagen würde.“, er sah mich nicht einmal an.

Ratlos blickte Ritsuko von ihm zu mir und dann zu Sesshoumaru.

Der schloss gerade die Augen.

„Ich. Bin. Kein. Verräter!“, knurrte ich.

Warum sah er mich nicht an?

Warum stand er mir nicht bei?

Glaubte er das etwa?

Vielleicht, weil ich die Kameras runternehmen ließ?

Glaubt er deswegen, dass ich den Schutz meines Apartments genutzt hätte, um meinen Eltern Informationen zukommen zu lassen?

Das war es sicher, oder?

Er glaubte, dass ich ihn betrog.

„Sess…“, ich brach ab, als ich Katsuros aufgeregtes Wedeln mit der Hand sah. Ich war kurz davor seinen Namen preiszugeben.

„Mein Fürst, Ihr wisst doch, dass ich Euch loyal bin!“, versuchte ich ihn verzweifelt zu einer Reaktion zu treiben.

Schweigen.

Sekunden, die mir unendlich vorkamen.

Mein Blick glitt über die Versammlung und hinauf zu Nibori.

„Mein Fürst“, sprach der Arzt. Seine Worte waren Aufforderung genug, doch noch immer hielt er es für unnütz etwas zu sagen.

„Du musst es doch wissen!“, bettelte ich verzweifelt. „Sag es ihnen! Ich stehe an deiner Seite.“

Nichts.

Nur absolute Stille.

„Mein Herr, Ihr solltet dieses Individuum einsperren lassen, damit sie hier nicht herumschnüffelt und Geheimnisse an die Rebellion verrät.“

„ICH BIN KEIN VERRÄTER!“, ich sah zu Sesshoumaru. „UND DAS WEISST DU GE…“

„Myleen“, seine Stimme war tief und schneidend, um nicht zu sagen herrisch. „Geh.“

Mir klappte die Kinnlade herunter.

„Ich soll…? Aber…“, ich sah zu Ritsuko, die wohl genau das Gleiche dachte, dann hinauf zu Nibori, der erstarrt war.

„Meister, Myleen ist wirklich…“

Sesshoumarus Augen öffneten sich und hefteten sich hart auf Ritsuko, die sofort ihre Rede unterbrach.

Mir gefror das Blut in den Adern und ich sah mich um.

„Du hältst mich für einen Verräter, ja?“, fragte ich leise und sah zu ihm. Nur sehr langsam drehte sich sein Kopf in meine Richtung.

„Leenchen“, begann Katsuro vorsichtig. „Geh einfach. Ich bin mir sicher, dass der Meister später mit dir reden wird. Doch nun haben wir weitaus Wichtigeres zu klären.“

Doch ich hörte ihn kaum. Ich sah in die unendlich goldenen Augen meines Herrn. Ein ungutes Gefühl beschlich mich.

Meinte er wirklich, dass ich ihm untreu war?

„Nicht nötig“, murmelte ich erstickt. „Ich habe begriffen.“

Wie in Trance zog ich mein Telefon aus der Hosentasche und legte es neben der Bürotür auf die Anrichte.

Eigentlich war es ja seines.

Er hatte es mir gekauft, nachdem er alles in meinem Zimmer zerstört hatte…

Weil er mich liebte und glaubte, dass ich mich mit einem anderen vergnügte.

Wie konnte er mir sowas antun? Ein Arschtritt vor versammelter Mannschaft…

Endlich regte sich Sesshoumaru.

„Myleen“

Doch ich hatte keine Muße dazu mir irgendwas von ihm anzuhören. So wandte ich mich einfach um zum Gehen und verließ das Büro.

Mit jedem Schritt wurde das Gefühl in meinem Kopf stumpfer. Irgendwann glaubte ich gar nichts mehr zu hören oder zu fühlen oder anderweitig wahrzunehmen.

Selbst Emi und Kazumi – die im Flur vor Jakens Büro warteten – nahm ich kaum wahr.

Lediglich wie sich seine Bürotür hinter mir schloss – wenn auch leise – hallte in meinem Kopf wieder, als hätte sie jemand zugeknallt.

Langsam lief ich den Gang zurück zu den Treppen.

Eine Hand legte sich auf meinen Unterarm, doch ich entglitt ihr ohne mich wirklich zu wehren. Es muss wohl Emi oder Kazumi gewesen sein, die etwas wollten…

Ich stieg die Stufen hinab.

Sie folgten… oder nicht?

Ich wusste es nicht.

Sicher taten sie es, denn ich war doch jetzt eine Gefangene, oder nicht?

Was war ich hier?

Und wichtiger: Warum war ich noch hier?

Warum war ich überhaupt nach Japan gekommen?

Das war der größte Fehler meines Lebens.

Schonwieder eine Hand auf meinem Unterarm, doch ich glitt bereits weit weg die Stufen hinunter – so als würde ich fliegen.

Erst kurz bevor ich das Gebäude verließ, fuhr ein Ruck durch meinen Körper.

Kazumi zog mich am Handgelenk zurück und wirbelte mich zu sich und Emi herum.

Mit panischen Gesichtern schrien sie auf mich ein.

Was sagten sie überhaupt?

Nur langsam klarte sich meine Umgebung wieder.

„-leen, jetzt komm schon! Was ist passiert?“, brüllte Emi und klopfte mir gegen die Wange. Ich stieß die Luft aus. Sie musste es doch mitbekommen haben. Sie stand doch nur wenige Meter entfernt, wenn auch auf dem Flur vor Jakens Büro und nicht in Sesshoumarus.

Ich wandte mich wieder ab.

„Tut ihr mir einen Gefallen und bringt ihm seine Sachen zurück?“, fragte ich schlicht monoton.

„Was? Wovon redest du bitte?“

Und in diesem Moment platzte mir der Kragen: „Man, seid ihr taub oder was?“

Erschrocken zogen sie die Köpfe ein.

„Er hält mich für einen Verräter! Hat mich rausgeschickt wie den letzten Idioten – oder nein: Wie einen räudigen Hund.“

Ich schüttelte den Kopf.

„Vielleicht hätte ich doch gehen sollen. Alles ist besser als hier mit ihm festzuhängen.“

„Myleen, nein!“, Emi schüttelte den Kopf. „Das meinst du nicht ernst! Du würdest unseren Meister nicht verraten! Niemals!“

„Und noch viel wichtiger: Wir glauben nicht, dass er dich für einen Verräter hält! Der Meister weis ganz bestimmt sehr genau, dass du ihm treu bist.“

„Dann glaube ich es für euch. Ich bin mir sicher, dass er mich vor den Fürsten verteidigt hätte, wenn er sich dem sicher wäre.“

Schweigend sahen sie mich an.

Grund genug für mich mir sicher zu sein, dass sie genauso dachten.

Er hätte es nicht zugelassen, dass seine Fürsten schlecht von mir redeten oder dachten. Vor allem dann nicht, wenn er mich noch immer zu seiner Fürstin machen wollte.

Das ging wohl gerade auch Emi und Kazumi auf, denn sie sahen einander nachdenklich an.

„Also“, begann ich noch einmal. „Kommt ihr mit und holt seine Sachen aus meinem Apartment? Oder soll ich sie alleine nachher zu Jaken bringen?“

Emi schluckte sichtlich und sah zu mir.

„Wir begleiten dich.“, sagte sie. „Das weißt du doch. Wir passen auf dich…“

„Ich brauche keinen Schutz mehr – mein Stalker ist überführt. Und eine Prinzessin mit Rang, die ihren obersten Fürsten heiraten soll, bin ich auch nicht mehr. Mit dem Verrat meines Vaters hat meine Familie mit Sicherheit jeden Rang verloren.“

Sie schwiegen und ich sah zwischen ihnen her.

Keine von beiden wagte etwas zu erwidern, aber sie schienen nervös. Vielleicht suchten sie auch noch nach den geeigneten Wörtern?

Doch wofür?

Natürlich, dumme Frage.

„Ich bin dann jetzt eure Gefangene. Das wollt ihr mir eigentlich sagen, oder? Dass ich jetzt ein „Staatsfeind“ bin, den es zu bewachen gilt.“

„Was? Nein! Leenchen! Auf keinen Fall!“, beteuerten sie durcheinander, doch ich schüttelte den Kopf und riss endlich die Tür auf, um das Gebäude zu verlassen…

„… und dann werde ich…“, mir stockte der Atem.

Len unterbrach ihre Rede und sah mich überrascht an.

An einem der Tische auf dem Hof vor dem Hauptgebäude stand sie – die Arme freudig ausgebreitet – und quatschte auf Alexia, Joan und einigen mir unbekannten Kommilitonen ein. Selbst Gang schien aus dem Krankenhaus wieder heraus zu sein.

Aber warum war er noch hier? Sollte er nicht aufgrund der Anzeige der Uni verwiesen werden?

Doch egal, er kümmerte mich nicht.

Die Blicke störten mich nicht, die sie zu mir hinauf warfen – da war etwas anderes, das nicht ins Bild passte.

Emi erschrak hörbar neben mir.

Ihr musste es auch auffallen.

Etwas an Len war neu.

Anders…

Und es gefiel mir nicht.

Ich atmete tief durch und versuchte noch zu ergründen, was mich an ihrem Anblick störte, als ich langsam die Stufen hinunter stieg.

Emi und Kazumi folgten.

„Leenchen, lass uns bitte weitergehen!“, forderte Kazumi und hakte sich bei mir unter.

Wir traten auf den Hof und die zwei drängten mich etwas beiseite, sodass ich nicht allzu nah an Len entlang musste.

Und dann fiel mir auf, was neu an ihr war.

Sie hielt sich immer so sehr an die Etikette – Etikette und ihr Rang waren ihr das Wichtigste – und doch hatte sie…

„Du bist also noch immer hier, ja?“, fragte sie schnaubend, als wie gerade an ihr vorbei waren und ich den Blick dennoch nicht von ihr nehmen konnte.

Ihre Rute…

Da sie mich ansprach wandte ich mich ihr nun wieder vollends zu. Emi und Kazumi folgten mehr als widerwillig.

Len schnaubte.

„Dass ausgerechnet du dich traust noch hier zu sein!“

Ihre Rute lag nur über einer ihrer Schultern.

Spiegelverkehrt zu Sesshoumaru.

Sofort hatte ich die Stimme meiner Amme im Kopf: „Nur eine Frau von Stand darf ihre Rute wie ein Mann über nur einer Schulter tragen – spiegelverkehrt zum Fürsten des Westens: Die Fürstin an seiner Seite.“

Und dann meine Schwester: „In dem Moment, da der Fürst selbst die Rute der Frau in diese Position richtet, entscheidet er sich für seine Braut.“

Er hatte es getan.

Er hat mich ausgetauscht.

Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Immer wieder.

Len hätte niemals ihre Rute alleine so gelegt. Unter keinen Umständen. Es missfiel ihr ja schon immer, dass ich meine so trug und sie wusste nicht, dass ich es nicht alleine getan hatte.

Er hatte mich ausgetauscht.

Sie hob arrogant die Nase und strich sich über den Pelz.

„Du hast echt Mut, aber das wird dir auch nichts bringen.“, verkündete sie. „Verräter.“

Ich stieß die Luft aus.

Nun war es vorbei.

Scheiß drauf, was ich tat, wem musste ich nun schon noch was vormachen?

„ICH BIN KEIN SCHEISS VERRÄTER!“, schrie ich sie an, doch sie zuckte nicht zurück – im Gegenteil.

Trotzig machte sie einen Schritt auf mich zu und Kazumi zog mich zurück, während Emi sich alarmiert dazu bereit machte notfalls einzuschreiten.

„UND OB DU EINER BIST! DEIN VATER IST EINER UND DU BIST NICHT BESSER!“

„ICH HABE MIT MEINER FAMILIE GEBROCHEN! FÜR IHN! ICH BIN KEIN VERRÄTER!“

„DU WILLST DICH IHM UNTERWORFEN HABEN? DANN HÖR AUF HIER HERUM ZU LAUFEN, ALS SEIST DU DIE FÜRSTIN!“

„DAS TUE ICH GAR NICHT!“, widersprach ich, doch sie schlug gegen meine Rute.

Zittrig atmete ich ein.

Ich verstand, wieso sie das tat. Ich selbst hätte nicht anders reagiert, nur…

„HÖR ENDLICH AUF DICH IHM ANZUBIDERN!“, schrie sie und wollte nun mit beiden Händen nach dem Pelz greifen und ihn mir von der Schulter ziehen. Sofort griff Emi ein und hielt ihre Handgelenke zurück.

„Halt dich zurück, Kind!“, knurrte sie warnend.

Len schnaubte und schüttelte Emi ab.

„Du, pass bloß auf!“, sprach sie sie ebenso bedrohlich an. „Wenn du nicht mit ihr zusammen verhaftet und weggesperrt oder verjagt werden willst, dann hältst du dich besser zurück!“

„Du willst mich verjagen? Träum weiter.“, Emi war beinahe amüsiert, doch Len lächelte gefährlich triumphierend und sah wieder zu mir: „Noch heute, Myleen „von Großbritannien“, wird der Meister unsere Verlobung offen bekannt geben. Und dann werde ich dich endlich wegsperren lassen! Und wenn du bis dahin nicht endlich deine Rute standesgemäß gerichtet hast, dann werde ich mich womöglich vergessen!“

Ich atmete ein paar Mal tief durch.

Verlobung.

Ich konnte es nicht fassen.

Er hatte es wirklich getan!

Len!

Wie konnte er nur?

Kazumi griff meine Arme fest, als mein Körper zuckte, weil ich meiner ehemaligen Freundin die Kehle durchbeißen wollte.

Sie hatte sich meinen Mann unter den Nagel gerissen!

Meinen Mann!

Blanke Wut und Verzweiflung krochen in mir hoch und ich ahnte, dass es mir anzusehen war. Meine Sicht veränderte sich bereits.

Es war meine innere Bestie, die an ihren Ketten riss.

Mein Mann…

Er hatte es getan…

Mich fallen lassen und betrogen…

„Er hat sich niemals mit dir verlobt! Auf gar keinen Fall!“, blockte Emi bereits ab und schüttelte energisch den Kopf.

„Ja klar, ich verstoße zum Spaß gegen sämtliche Regeln, legte meine Rute nur über eine Schulter und erzähle dann überall aus juckst herum, dass ICH die zukünftige Fürstin über den Westen bin.“

Sie hatte Recht. Sie war nicht der Typ, der sich so etwas ausdachte. Zu behaupten, man sei mit dem Fürsten verlobt, konnte eine potenzielle Lebensgefahr darstellen.

„Wenigsten hat er jetzt endlich eine vernünftige Frau und keine möchtegern-Geliebte wie die da.“, sie nickte in meine Richtung.

Ich knurrte auf und riss erneut an Kazumi.

„Nicht, Leenchen, reg dich nicht auf. Sie wird ihre Strafe bekommen, wenn der Meister hiervon erfährt.“, versprach sie mir.

„Diesen Hornochsen hier kannst du vielleicht erzählen was du willst, Mädchen, aber wir glauben dir nicht ein Wort!“

Doch Len grinste bei diesen Worten von Emi nur erhaben.

„Na wenn du meinst. Du wirst es schon noch sehen.“, erklärte sie großspurig.

„Wie lautet der Name unseres Meisters?“, warf ihr Emi an den Kopf – noch ein wenig, dann war ich frei. Ich riss noch immer an Kazumis Griff. Ich wollte los! Ich wollte dieses Miststück quälen und zur Hölle jagen, wo sie hingehörte.

Ich wollte…

Ich wollte…

BLUT!

Len lachte auf und sah uns beinahe fürsorglich an.

„Ihr seid es doch gar nicht wert seinen Namen zu erfahren.“

Auch wenn wir drei ihn genau kannten – was Len offenkundig nicht ahnte – war das der letzte Tropfen, der mein Fass zum Überlaufen brachte.

Sie wusste ihn.

Sie kannte seinen Namen.

Er hatte ihn ihr genannt.

Wie konnte er?

Wie konnte er sich mit ihr verloben und ihr seinen Namen nennen?

Ich sollte doch seine Fürstin werden!

Wut, Mordlust und Verzweiflung ließen meine Bestie sich auftürmen.

Wütend riss sie an ihren Ketten.

Es knackte.

Rasselte…

Dann sprengte sie ihr Gefängnis.

Len wurde von ihren Freunden weggerissen. Die Jungs stellten sich mir tatsächlich entgegen.

Doch das war mir egal. Ich würde sie notfalls einfach alle verschlingen!

Schockiert wirbelte Emi herum, als ich zu schreien begann.

Purer Hass und alles wurde kleiner.

Ich wuchs, als das Tier in mir herausbrach. Meine Haut kitzelte, als rot-braunes Fell aus ihr wuchs, doch ich bemerkte es kaum.

Mein Schrei ging in ein markerschütterndes Heulen über.

Aus dem Augenwinkel heraus entdeckte ich Jaken an mir vorbei ziehen, als er das Fenster aufriss – doch ich wuchs weiter.

Größer – größer – Nie war eine bloße Verwandlung so Kraftanstrengend und zerreißend gewesen, doch ich konnte mir darum keine Gedanken machen.

Ich wusste nur eines: Sie hatte sich meinen Mann unter den Nagel gerissen.

Und ich hasste sie dafür.

Und ich hasste ihn dafür.

Ich schlug mit einer Pfote auf die Erde, als ich endlich begriff, dass die Metamorphose vorbei war und brüllte der untergehenden Sonne entgegen.

Dieser Schmerz in mir.

Warum hatte er das nur getan.

Wie konnte er mir das antun.

„Myleen!“

Ich atmete ein paar Mal durch, dann sah ich zu Boden.

Kazumi und Emi hatten sich nun gegen mich gewendet und schirmten Len und ihre Freunde von mir ab.

Len.

Wie ich sie hasste.

Ich wollte sie…

Ich brüllte auf und preschte vor, doch leider konnte sie entkommen, stattdessen prasselten plötzlich zwei weiße Hunde – etwas kleiner als ich – auf mich ein.

Sie bissen mir in die Beine und wollten mich zu Boden ringen, schienen aber wohl darauf bedacht nicht zu grob zu sein.

Scheiß egal.

Ich in meiner Wut biss zu, bis ich Blut schmeckte.

Einer der Hunde jaulte auf und ich riss mich los, suchte erneut nach Len.

„MYLEEN!“

Diese Stimme – herrisch und schneidend.

Erschrocken zuckte ich zusammen und zog den Schwanz ein. Automatisch reagierte ich auf die Stimme meines Fürsten wie ein geprügelter Köter.

Kurz sah ich zu ihm auf. Er war auf eine der oberen Terrassenläufe um das Hauptgebäude herum getreten.

Die gesamte Versammlung, die er um sich herum gescharrt hatte als er mich rauswarf, stand an seiner Seite.

Nur einmal mehr wurde mir bewusst, was ich für ihn getan hatte und wie er mich wegwarf.

Doch es war kein Hass der in mir aufkeimte, sondern unendliche Trauer und Verzweiflung.

Ich fiepte leise ergeben und wandte den Blick ab, als mich erneut etwas traf.

Ein dritter Hund sprang mir an die Kehle.

Er versuchte nicht mich zu schonen und nur niederzuringen wie die anderen beiden. Er biss kräftig zu.

Ich brüllte auf und wand mich in seinen Fängen.

Irgendwann bekam ich ihn mit meinen beiden Vorderpranken. Ich schlug nach ihm, bis er mich los ließ.

Wie schwer mir das Atmen fiel, als ich mich wieder erhob. Er hatte mich sauber erwischt – wenn ich auch nicht sagen konnte, wer dieser letzte Angreifer eigentlich gewesen war.

Ob er es war?

Der Hund war weiß gewesen…

Irgendwo weit weg brüllten Leute.

Nur was?

In meinen Ohren rauschte alles…

Ich wusste nur eines: Ich musste hier weg, ehe sie mich als Verräter hinrichteten.

Zum einen wegen meines Vaters und zum anderen, weil ich Len angriff.

Ich machte einen Schritt und wankte.

Das Atmen, es war so furchtbar schwer.

Ich öffnete den Mund und hechelte angestrengt, dann spürte ich, dass mich etwas links und rechts an den Seiten berührte.

Andere Hunde.

Sie wollten mich einzwängen.

NEIN!

In voller Panik sprang ich in die Luft und fegte davon.

Ein weiterer Satz und ich stieg über die Mauer der Uni hinweg und über eine imaginäre Leiter hinauf in den Himmel.

Ich durchstieß die Wolkendecke.

Weg!

Weg!

Einfach nur weg!

auf zur Hinrichtung

Hoch spritzte das Wasser um mich herum, als ich darin eintauchte.

Obwohl mitten auf einer tropischen Insel empfing mich der kleine Süßwassersee eiskalt und kühlte meine aufgeregte Haut wieder runter.

Ich wusste nicht, wie viele Stunden ich gerannt war – hoch über den Wolken, durch Stürme hindurch und schließlich unter einem sternenklaren Himmelszelt, bis ich irgendwo mitten im Ozean diese Insel entdeckte.

Ich war vollkommen fertig. Mental und körperlich.

Der Ausbruch und die Flucht hatten an meinen letzten Kräften gezerrt.

Ich tauchte auf und strich mir die Haare zurück. Als ich den Kopf in den Nacken legte tat mir augenblicklich der Hals weh.

Mit zusammengebissenen Zähnen griff ich danach und spürte dicke Kruste, die tiefe Bisswunden bedeckte. Sicherlich würde ich länger als einige Stunden mit dieser Verletzung meine Freude haben…

Wer hatte mich da nur gebissen?

Ich konnte es einfach nicht sagen. Ich hatte nicht darauf geachtet, wer meine Angreifer waren…

Es krachte hinter mir. Einige dicke Bäume brachen unter Protest zusammen und ich fuhr herum.

Drei weiße dämonische Hunde gingen hechelnd zu Boden und schrumpften schließlich.

Ich sog die Luft ein und erkannte ihre Gerüche.

Kazumi, Emi und Ritsuko waren mir gefolgt.

Ich atmete tief durch und schob meine Rute von meiner Schulter, ließ mir erst einmal etwas von der kühlen Quelle in das Gesicht spritzen.

„Wasser!“, jammerte Emi erleichtert und platschte etwas abseits in das Nass.

„Mach Platz! Ich will auch!“, meckerte Kazumi und sprang hinterher, während Ritsuko wesentlich bedachter am Rand stehen blieb und die beiden musterte, ehe sie sich an mich wandte: „Du gibst ein ziemliches Tempo vor.“, erkannte sie hörbar außer Atem.

Ich schüttelte den Kopf.

„Sorry“, murmelte ich nur.

„Was ist denn eigentlich passiert?“

„Prinzessin Len hat uns erzählt, dass sie sich mit Sesshoumaru verlobt hat.“, verkündete Kazumi.

Ich wandte mich ab, doch wie Ritsuko jeder Gesichtszug entglitt konnte ich noch sehen.

„Das meinst sie doch nicht ernst!“, rief sie. „Das glaube ich nicht! Ich weigere mich das zu glauben!“

„Len würde sich das nicht ausdenken. Für so intelligent halte ich sie dann doch.“, grummelte ich entnervt.

Ritsuko strich sich die Haare mit beiden Händen zurück.

„Macht mal Platz, ich will auch rein.“

Emi kam langsam zu mir und sah mir dabei zu, wie ich mir den imaginären Schmutz von den Händen wusch.

„Und was hast du jetzt vor?“, fragte sie dann.

„Was soll ich schon machen? Studium hinschmeißen und zu meinen Eltern nach Hause… Ich finde zuhause sicher auch eine gute Uni…“

„Bist du bekloppt?“, fragte Kazumi entrüstet. „Du glaubst doch wohl nicht, dass wir dich gehen lassen, oder?“

Ich sah sie wenig begeistert an. „Was willst du mir damit sagen? Dass ich eure Gefangene bin? Wollt ihr mich wieder zurückschleifen?“

„Nein! Auf keinen Fall!“, Emi schüttelte abwehrend Kopf und Hände.

„Das stimmt. Sesshoumaru hat uns nicht befohlen dich einzufangen und wegzusperren. Er schickte uns nur hinter dir her, damit dir nichts passiert.“

„Was soll mir denn bitte passieren?“

„Keine Ahnung, aber da sammelt sich eine Rebellion gegen den Meister.“, erinnerten sie mich.

Ich schüttelte den Kopf. Mir war das relativ egal.

Anstatt mit mir zu reden – oder so naiv wie ich war, dachte gar daran, dass er mir auch hätte folgen können – schickte er #drei Babysitter hinter mir her.

Mehr konnte er mir wohl nicht klar machen, dass ich ihm nichts bedeutete.

Eines jedoch bewies mir dieses Verhalten – selbst wenn Emi, Kazumi und Ritsuko es nicht einsehen wollten: Len war nicht so dumm in der Uni herumzuerzählen, dass sie und Sesshoumaru verlobt waren, wenn diese Behauptung als Lüge schwere Konsequenzen haben konnte…

„Eines ist mal klar“, begann Emi und wrang ihre Haare aus. „Zu deinen Eltern kannst du jetzt nicht gehen, egal was ist.“

„Warum?“

„Na weil dein Vater als Verräter die Fürsten gegen den Meister führt? Selbst wenn das mit Len stimmt – was es auf keinen Fall tut – du kannst doch nicht deswegen den Meister verraten!“

„Da hat sie Recht.“, Ritsuko zuckte die Schultern. „Wenn du dem Meister den Rücken kehrst, dann wird er sicherlich durchdrehen.“

Ich schnaubte nicht überzeugt.

Ritsuko stieß die Luft aus.

„Ok, ruhen wir uns einfach etwas aus, ja? Morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus und dann kehren wir zurück zur Uni und du wirst sehen, dass alles ganz anders ist, als du denkst.“
 

Die drei hätten in dieser Nacht wohl sagen können was sie wollten, ich hatte bereits begonnen mich damit abzufinden, dass Sesshoumaru mich ersetzt hatte.

Er war ein Dämonenfürst und schon viel zu lange auf dieser Welt. Vermutlich hatte diese eine Nacht die wir hatten ernüchternd gewirkt. Er war so lange hinter mir her gejagt und da er nun endlich das bekommen hatte, was er wollte, wurde ich uninteressant.

So musste es einfach sein.

Während meine Babysitter nach und nach eindösten, blieb ich wach und starrte in die Wipfel der tropischen Bäume und zu den Sternen hinauf.

Was war ich nur für ein naives Geschöpf. Ich hatte meine Familie vor den Kopf gestoßen für einen Mann, dem ich eigentlich gar nichts bedeutete.

Einfältig.

Dumm.

Und was sollte ich nun tun? Ich konnte nicht nach Hause – irgendwie war mir allein der Gedanke peinlich und auch die drei Frauen bei mir hatten Recht, dass ich Sesshoumaru einfach nicht verraten konnte – aber zurück zu der Universität wollte ich auch nicht.

Nur blieb mir was anderes übrig? Ich bezweifelte, dass die drei mich hier auf der Insel lassen würden. Eher würden sie mich wohl fesseln und gegen meinen Willen zurück schleppen.

Ich stieß die Luft aus und beobachtete, wie sich der Horizont hinter dem Meer am Morgen rot färbte.

Plötzlich schreckte ich hoch.

Ein in der friedlichen Stille ohrenbetäubender Krach schrillte durch den Urwald und scheuchte einige Vögel hoch.

Ein Telefon klingelte.

Erschrocken zuckte Ritsuko zusammen und war im selben Moment hell wach.

Emi und Kazumi blinzelten verschlafen.

„Klingelt hier ein Telefon?“, fragte Emi und sah sich verwirrt um. Ich folgte ihrem Blick.

„Es klingt so…“

„Wie kann das sein? Wir sind doch mitten im Nirgendwo!“, stellte Kazumi fest und rieb sich die Augen.

„Auf der anderen Seite des Vulkans ist eine Hotelanlage.“, erklärte Ritsuko und begann aufgeregt in ihren Klamotten zu wühlen, die zum Trocknen über einem Ast hingen.

In dem Moment erkannten auch wir drei, dass der Ursprung dieses Störgeräusches in ihren Sachen lag.

„Bestimmt haben wir deshalb Empfang.“, erklärte sie weiter und fand endlich das Gerät.

Das war nicht ihres.

Irritiert zog ich die Augenbrauen zusammen und stand auf.

Sie hatte mein Smartphone – oder eher das, das Sesshoumaru mir für die Arbeit gegeben hatte – mitgenommen?

Nun gab er also auch meine Sachen weiter?

Ja, ok, es gehörte mir nicht, aber irgendwie traf es mich doch mehr, als geahnt.

Sie nahm den Anruf an.

Er ersetzte mich wahnsinnig schnell. Verschenkte sogar meine Sachen weiter…

„Ja, natürlich, kein Problem. Myleen?“

Aus meinen Gedanken gerissen sah ich auf und der Chefin der Security entgegen.

„Für dich. Deine Mutter.“

„Hä?“, machte ich unschicklich und nahm das mir entgegengestreckte Gerät entgegen.

„Mama?“, wieso sollte meine Mutter mich anrufen? Auf diesem Handy? Jetzt?

Ok, die Nummer des Gerätes war halt meine – aber warum jetzt? Ich hatte meiner Familie doch klar den Rücken gekehrt und Stellung bezogen in dem Krieg, den mein Vater angezettelt hatte.

„Leenchen, zum Glück geht es dir gut! Warum geht die Security an dein Telefon?“, fragte sie sofort alarmiert und die drei krochen dichter an mich heran, um wohl mithören zu können.

„Lange Geschichte, was gibt es denn?“, fragte ich seufzend.

„Ist wirklich alles ok?“, fragte sie noch einmal nach.

„Ja doch, Ritsuko war nur als erste am Telefon. Wir haben bis eben gepennt.“

Das schien sie wohl – vorerst – zufrieden zu stellen. Zumindest fragte sie nicht weiter.

„Sekunde“, sagte sie und ich hörte, wie im Hintergrund eine Tür geöffnet wurde und Stimmen näher kamen.

Eine davon gehörte zu meinem Vater, doch gleich darauf ging eine andere Tür zu und die Akustik des Raumes, in dem sich meine Mutter befand, veränderte sich.

„Entschuldige, ich musste schnell ins Bad. Dein Vater weiß nicht, dass ich anrufe.“

Irritiert legte ich die Stirn in Falten. Seit wann machte meine Mutter etwas, von dem mein Vater nichts wusste und scheinbar auch nichts erfahren durfte?

„Eure Briefe sind angekommen.“, klärte sie mich nun auf und ich verstand. Natürlich. Sie wollte nicht, dass unsere Verbindung zueinander erstarb und mein Vater war vermutlich wieder zu stolz und verbissen.

Sie wollte sicherlich wieder vermitteln.

„Ist das wahr, Myleen? Wirst du den Meister heiraten?“

Ich schluckte schwer.

Nein, würde ich nicht. Len hatte ihn sich gekrallte.

Obwohl ich mir das Telefon ans Ohr hielt, wollte ich die Arme vor der Brust verschränken und stellte nur fest, dass mein Fell im Weg war.

Während der Nacht hatte es mir meinen Sitzplatz bequem gemacht und als ich aufgestanden war, hatte ich es wie selbstverständlich nicht über eine Schulter gelegt, sondern in meine beiden Ellenbogen – standesgemäß.

Es erschien mir richtig, da Sesshoumaru mich nicht mehr als seine Frau wollte…

Ich begegnete dem missbilligenden Blicken meiner Begleiterinnen.

„Leenchen?“

„Sorry, Mama, war abgelenkt. Wie war die Frage?“

„Werdet ihr wirklich heiraten?“

„Das ist kompliziert.“

„Was? Das musst du mir genauer erklären.“

„Später, ok?“

„Auch gut. Wann und wo?“

Überrascht zog ich den Kopf zurück.

„Wie meinst du das?“

Sie seufzte laut und senkte die Stimme.

„Ich habe eure Briefe gelesen, obwohl dein Vater das nicht wollte. Und ich habe mit Eireen geredet.“ – Ich sah die anderen drei an, meine Mutter hatte mit unserer Ärztin geredet? – „Wenn das alles wirklich so stimmt wie ihr sagt, dann ist dieser Krieg mehr als nur sinnlos.“

„Natürlich ist der das! Na hör mal! Auf eine beklopptere Idee konnte Papa ja auch nicht kommen!“

„Ich möchte dich und den Meister gerne besuchen. Einmal mit euch direkt reden. Aber dein Vater darf das nicht erfahren. Noch nicht. Vielleicht kann ich was ausrichten, wenn ich mit dem Meister geredet habe? Kannst du das einrichten?“

„Ja! Ja! Sofort! Unbedingt!“, begann Emi hektisch zuzustimmen und sofort wurden auch die anderen beiden freudig nervös.

Doch wie sollte ich das machen?

Sesshoumaru und ich waren nicht einmal mehr Freunde! Er würde mir doch gar nicht zuhören.

„Wir müssen sofort nach Hause und dem Meister davon erzählen!“, verkündete Kazumi. „Dringend! Vielleicht können wir so einen Krieg verhindern!“

Gut, da musste ich ihr zustimmen…

War das denn nicht das Wichtigste? Dass sich niemand die Köpfe einschlug?

Kämpfe zwischen Dämonen – und dann noch so mächtigen – brachten die Welt oft an den Rand der Zerstörung.

War es denn da nicht meine Pflicht alles dafür zu tun, dass das nicht geschah?

„Hi, Myleen, bist du wieder eingeschlafen?“, fragte meine Mutter nun wieder etwas lauter.

„Was? Nein, ich war nur kurz in Gedanken. Ich… werde mal schauen, was ich machen kann, ja? Ich melde mich dann sofort bei dir.“

„In Ordnung.“

Es klopfte im Hintergrund.

„Sekunde, Phelan, ich bin gleich fertig.“, rief sie und sprach wieder leiser: „Wir müssen jetzt noch zu einem Empfang. Aber ich habe mein Telefon bei mir. Melde dich einfach, ja? Egal wie spät es ist.“

Ich nickte: „Ist gut. Viel Spaß.“

„Naja… du kennst den Teil der Familie ja… da hat man keinen Spaß…“, grummelte sie und verabschiedete sich mit ein paar durch die Leitung geschmatzten Küsschen.

„Wir müssen sofort zurück!“, entschied Ritsuko. Die drei traten nervös von einem Bein auf das andere.

Ich streckte ihr das Telefon entgegen.

„Na gut… Damit habe ich dann wohl zumindest einen Grund zurück zur Uni zu gehen.“, verkündete ich ergeben und Ritsuko nahm mir wieder das Telefon ab.

„Was soll ich damit?“, fragte sie verständnislos. „Das ist deines.“

„Falsch. Das hat der Meister für mich gekauft. Für die Arbeit. Aber wie du weißt hat er mich gegen Len ersetzt.“

Emi stöhnte entnervt auf, doch Ritsuko schüttelte nur den Kopf.

„Auf jetzt nach Hause.“

Wir nickten und gleich darauf erhoben sich erneut vier Monsterhunde in die Luft – auf dem Weg zurück nach Japan.

Was war ich nervös. Nachdem ich am Vortag auf dem Campus randaliert hatte, sollte ich also wieder zurückkehren, um zu versuchen zwischen Sesshoumaru und den Rebellen zu vermitteln?

Irgendwie klang das seltsam.

Und es war auch seltsam.

Was, wenn das nichts brachte?

Vermutlich musste ich meiner Mutter sagen, dass ich nichts erreicht hatte – doch wie stand ich dann da?

Wie ein geprügelter Hund, der sein Rudel verraten hatte, in dem Glauben die große Liebe gefunden zu haben und dann doch nur getreten und verstoßen wurde…

Wie demütigend.

Aber was sollte ich tun? Zurückkehren und vor Sesshoumaru zu Kreuze kriechen und es zumindest versuchen war doch besser, als jeder Krieg…

War ich wirklich so nobel?

Irgendwie bezweifelte ich das.

Je näher wir der Heimat unseres Fürsten kamen, desto mehr beschlich mich das Gefühl, dass ich mir das mit dem Frieden und dem gewaltlosen Niederschlagen der Rebellion nur einredete. So heroisch war ich gar nicht.

Eigentlich wusste ich nur nicht wo hin und sehnt mich sogar nach Sesshoumaru.

Nach dem Mann, der mich einfach austauschte wie ein benutztes Taschentuch…

Wie dumm war ich eigentlich?

Nein, ganz gewiss war meine Motivation nicht die Erde zu retten, sondern ihn wieder zu sehen.

Ich ahnte, worauf das hinauslief: Ich würde depressiv in einer dunklen Ecke sitzen und verzweifelt und voller Tränen dem Fürsten und seiner Braut dabei zusehen, wie sie ihr gemeinsames Leben begannen.

Und komischer Weise wollte ich genau das!

Hauptsache ich durfte ihn sehen…

Der Weg zurück zur Uni erschien mir nicht halb so lang wie meine Flucht zuvor. Vielleicht lag das aber auch daran, dass wir den direkten Weg nahmen, während ich am Vortag immer wieder wahllos und ohne Ziel die Richtung gewechselt hatte.

Es dauerte somit nicht lange, bis Ritsuko uns durch die Wolken hinab lotste und das große Gelände der alten Festung in Sicht kam.

Vermutlich jeder Student auf dem Campus war auf den Beinen. Der größte Teil stand auf dem Platz zwischen den Haupthäusern, der Rest floh bereits aus den Mauern.

Wir kamen etwas abseits herunter und blieben unter dem Dachvorsprung eines Nebengebäudes stehen.

Vor dem Haupthaus auf den Stufen stand Katsuro und sprach zu den Studenten.

Kurz warf er uns einen Blick zu – oder eher seiner Frau Ritsuko – dann sagte er: „Wer von euch treu zu unserem Meister steht, den werden wir gerne in den Truppen willkommen heißen, um den Meister und das Zentrum seiner Macht zu verteidigen. Jeder, der sich dazu berufen fühlt sich den Verräter anzuschließen, werden wir auf Befehl des Meisters unbehelligt ziehen lassen. Es liegt also an euch.“

„Kein bisschen manipulativ…“, erklärte Emi und Kazumi nickte zustimmend.

„Es gehen trotzdem genug.“, stellte ich fest und sah zu dem Tor hinüber.

„Du bist hier, das ist am Wichtigsten.“, erklärte Ritsuko aufmunternd und legte mir eine Hand auf die Schulter.

Ich schwieg dazu und mein Blick wanderte zurück zu Katsuro. In seiner Nähe erkannte ich Len. Umgeben von ihrer Entourage stand sie unterhalb von Katsuro auf den Stufen und sah sich selbstgefällig unter den Anwesenden um.

Natürlich hatte sie auch uns bemerkt – vier Monsterhunde waren nun mal aufgefallen.

Triumphierend – vielleicht sogar etwas „mütterlich“ – lächelte sie mich an und nickte in meine Richtung. Ich verstand erst was sie wollte, als sie sich über ihr Fell strich. Es gefiel ihr wohl, dass ich mich meinem Stand beugte und meine Rute nicht mehr über der Schulter trug. Sie verstand es wohl als Akzeptanz meinerseits, dass Sesshoumaru sie zu seiner Braut gemacht hatte.

Tief atmete ich durch und sah wieder zu Ritsuko, die mich in Richtung des Hintereinganges schieben wollte. Immerhin sollte ich mit Sesshoumaru wegen meiner Mutter reden.

„Komm, lass uns keine Zeit verlieren.“, bat sie, doch ich schüttelte den Kopf.

„Myleen, aber das könnte den Krieg…“

„Ich will nicht mit ihm reden. Ich kann das nicht.“, entschied ich. „Ja, ich bleibe an seiner Seite und werde ihn nicht verraten, aber ich will ihn nicht sehen. Dafür ist zu viel passiert.“

Emi seufzte ergeben.

„Geh du zu unserem Meister und erzähle ihm vom Vorschlag meiner Mutter. Sollte er zustimmen, werde ich ein Treffen zu arrangieren.“

„Aber Myleen, meinst du nicht, dass du…“

„Leenchen!“, überrascht sahen wir drei auf.

„Chiyo?“, fragte ich verwirrt, als ich die Geschichtsstudentin erkannte, die sich aus der Menge schälte und gefolgt von ihren beiden Freundinnen auf mich zukam. „Ihr seid noch hier.“, stellte ich fest und wandte mich ihnen zu.

Ritsuko begriff dadurch wohl, dass es keine Diskussion geben würde und machte sich auf den Weg ins Büro.

„Zum Glück geht es dir gut!“, rief nun auch Bara und plötzlich hingen sie alle drei an meinem Hals.

Überrumpelt von so viel zutrauen umarmte ich sie perplex zurück und sah sie fragend an.

„Wir haben den Kampf gestern mitbekommen. Wir waren in der Bibliothek“, erklärte Yuzuki und nickte zu dem Gebäude.

„Der Biss von dieser Len in deinen Hals sah wirklich gemein aus. Und das ganze Blut…“, Bara schob meinen Kopf in den Nacken und besah sich die Haut – Len war es also gewesen... „Aber es sieht alles in Ordnung aus.“

„Ich habe noch nie einen so gigantischen Hundedämonen gesehen!“, erklärte Chiyo. „Liegt das an deiner Rasse? Seid ihr alle so groß?“

„So groß? Ich bin normalgroß…“, überlegte ich.

„Nicht ganz.“, mischte sich Emi ein. „Du bist ein kleines bisschen größer als wir anderen.“

„Dann liegt das vielleicht wirklich an der Rasse…“

Chiyo nickte zufrieden, doch Bara heulte mit einem gequälten Ton auf. „Oh nein, deine Rute!“

Ich sah zu ihr.

„Du hast sie nicht mehr über die Schulter gelegt. Dann stimmt es also? Der Meister wird diese Len von Korea heiraten?“

„Soweit ich weiß ja…“, bestätigte ich und Yuzuki seufzte.

„Wir haben wirklich gedacht, dass du seine Braut bist.“, erklärte Bara weiter.

„Wieso das?“

„Wegen dieser Sache in der Vorlesung. Du warst so vertraut mit ihm und die Position der Rute ist eine alte Tradition und da der Meister so alt ist, dachten wir, dass das etwas damit zu tun hat.“

„Dem stimme ich zu. Das habe ich eigentlich auch gedacht.“, erschrocken drehten sich die drei herum und gaben mir den Blick auf Joan frei, der sich von Lens Seite gelöst hatte, um zu uns zu kommen. „Zumal seine Einladungsbestätigung zu meiner Hochzeit nach wie vor für euch beide gilt und wir eine Suite für euch haben.“

Ich schüttelte den Kopf.

„Was ist passiert, Myleen? Warum erzählt Len herum, dass sie unsere Fürstin werden wird, obwohl scheinbar jeder hier mit etwas Grips vom Gegenteil überzeugt war?“

„War das eine Beleidigung?“, flüsterte Yuzuki ihren Freundinnen zu, die nur die Schultern zuckten.

Ich schüttelte entschuldigend den Kopf.

„Es tut mir leid, Joan.“, erklärte ich. „Der Meister redet schon seit letzter Woche nicht mehr mit mir. Ich kann dir auch nicht mehr sagen als das, was Len hier überall verbreiten lässt. Er und ich wir… stehen uns wohl einfach nicht mehr so nahe, wie ich einmal dachte.“

Er stieß unglücklich die Luft aus und beobachtete mich einen Moment.

„Myleen“, Ritsuko kam wieder auf uns zugelaufen. „Myleen, du sollst sofort mit mir kommen.“

Sesshoumaru.

Nun würde ich wohl meine Kopfwäsche bekommen.

„Der Meister will dich sofort sehen. Er wartet im Büro.“

„Oh nein… bitte nicht…“, murmelte ich und raufte mir verzweifelt die Haare. Ich wollte ihn nicht sehen. Ich wusste nicht, ob ich das aushielt.

Auf der einen Seite flimmerte mein Herz vor Glück – er verlangte mich zu sehen! Ich würde mit ihm reden dürfen!

Aber auf der anderen Seite wurde mir schlecht, wenn ich daran dachte, dass vermutlich auch Len früher oder später als seine Frau dabei sein würde. Mit seinen Untertanen sprach er niemals direkt. Das erledigte „eine Stimme“ für ihn – Jaken, Katsuro und früher ich, aber ich war ja ersetzt worden.

„Auf zur Hinrichtung…“, murmelte ich.

„Wir begleiten dich!“, entschieden Chiyo, doch Risuko hielt sie auf.

„Nein, der Meister will alleine mit Myleen sprechen.“

„Mir wird schlecht…“, grummelte ich und ließ mich von ihr hinaufführen. Emi und Kazumi blieben mit den anderen vieren zurück.

Sesshoumarus Verlobte

Pures Entsetzen stand in Jakens Gesicht, als ich vor Ritsuko das Vorzimmer zu Sesshoumarus Büro betrat.

Sein heruntergeklappter Kiefer zitterte, als fiele er jeden Augenblick in Ohnmacht.

Ich wollte bereits einen Spruch loslassen, der soetwas beinhaltete wie „Sorry, dass ich noch lebe“ Oder „Entschuldige, ich wollte eigentlich nicht kommen, aber ER erwartet mich“, aber mir blieb doch alles im Hals stecken. Ritsuko ging an ihm vorbei und klopfte an die Schiebetür.

Mein erster Gedanke war, dass sie noch gar nicht mit ihm über die Bitte meiner Mutter geredet hatte und das nun meine Aufgabe war. Anders hätte ich es mir nicht erklären können, dass uns – als die Tür sich öffnete – nicht nur Sesshoumaru entgegen sah, sondern auch Katsuro und Nibori, sowie sämtliche treuen Vorstandsmitglieder von Sesshoumarus Unternehmen. Inklusive Lens Vaters.

Ähnlich wie Jaken atmete auch Katsuro angespannt ein, als er mich sah, und hielt alarmiert die Luft an.

Nibori war der erste, der sich von der Couch erhob.

„Meine Herren, wir sollten dem Meister und Prinzessin Myleen einige Minuten allein schenken.“

Sofort erhoben sich die Männer und verneigten sich vor Sesshoumaru. Der ließ sich von seiner Ruhe gar nicht ablenken. Entspannt zurückgelehnt saß er in seinem Sessel und beobachtete die Fürsten und seine Vertrauten dabei, wie sie an mir vorbei den Raum verließen.

„Ich bin froh, dass du wieder hier bist, Kleines.“, verkündete Nibori leise in meine Richtung, als er vorüber ging und verließ als einer der letzten das Büro.

Hinter ihnen schloss Ritsuko die Tür und sperrte mich mit diesem Mann alleine in der Stille ein.

Und still blieb es auch.

Nicht einmal seinen Atem konnte ich hören.

Und nun?

Was sollte ich nun sagen?

Egal was ich von mir gegeben hätte, er hätte doch ohnehin nicht reagiert. Dazu war ich ihm nicht wichtig genug.

Oder nahe genug.

Ich wagte mich nicht einmal ihn anzusehen.

So fixierte ich den Teppich unter dem Kaffeetisch vor der Couchecke und überlegte angestrengt, was ich nun tun sollte?

„Wo warst du?“

Verwirrt sah ich auf – er hatte tatsächlich etwas zu mir gesagt! Doch in seinem starren Blick konnte ich nichts erkennen.

Eingeschüchtert senkte ich wieder den Kopf und kaute auf meiner Unterlippe herum.

„Ich weiß es nicht genau. Irgendwo in den Tropen auf einer kleinen Insel.“, erklärte ich ihm überflüssiger Weise. Er wusste es bestimmt schon von Ritsuko.

„Warum?“

Warum? War das sein Ernst? Er hatte mich ersetzt und fragte sich jetzt, warum ich nicht in seiner Nähe sein konnte oder wollte?

Ich schüttelte den Kopf, versuchte schonwieder die Arme zu verschränken – auch wenn meine Rute mich dabei behinderte – und sah aus dem Fenster.

Erneut breitete sich Stille über uns aus.

Erst als er sich aus seinem Sessel erhob sah ich wieder zu meinem Meister hinüber. Reflexartig machte ich zwei Schritte auf ihn zu, als er mir entgegen kam.

„Wolltest du mich verlassen?“, fragte er gerade heraus, aber eiskalt.

„Was?“, entsetzt blickte ich in seine erstarrten Augen, als er an mir vorüber ging und mich langsam umrundete wie ein Raubtier. „Nein! Natürlich nicht! Was denkst du von mir?“

Ich sah von links nach rechts, als er auf der anderen Seite wieder hervorkam und mich weiter eindringlich musterte. Sein Blick wurde finsterer.

Ok, Lügen war hier nicht drin. Der Mann durchschaute mich. Natürlich tat er das! Er war mein Meister.

Der Oberste Fürst der westlichen Dämonen.

„Ja, ok!“, gab ich schließlich zu und wich seinem herrischen Blick aus. „Ja, ich habe darüber nachgedacht zu meinen Eltern zurückzugehen.“ – er knurrte tief und gefährlich – „Aber nicht, weil ich dich verraten wollte, sondern weil ich schlicht nicht wusste wohin. Glaubst du ich bleibe hier und sehe dir dabei zu, wie du mich durch Len ersetzt? Das kannst du schön ohne mich machen!“

„Die koreanische Prinzessin“, erkannte er und zog den nächsten Kreis um mich herum.

„Ja, genau die! Deine Verlobte!“

Er blieb stehen und ich spürte, dass er dichter von hinten an mich heran trat – so das denn überhaupt noch ging.

„Du hast sie angegriffen.“

„Sie hat mich provoziert!“, bellte ich über die Schulter hinweg, doch alles was ich bekam war ein amüsiertes Grinsend.

Schnell sah ich weg.

Scheiße, das sah gefährlich aus, wenn er so lächelte.

Es lief mir eiskalt den Rücken runter.

„Du bist zurückgekommen.“

Ich atmete tief durch und nickte.

„Wegen meiner Mutter.“

Finger glitten durch die Spitzen meines Haares und hoben einzelne Strähnen an.

Sesshoumaru atmete tief ein, ich schluckte schwer.

„Sie glaubt, dass wir verlobt seien.“

Die Hand senkte sich wieder einige Zentimeter und spielte mit meinem Haar, wickelte es sich um die Finger. Ich sah über die Schulter. Ohne jede Gefühlsregung betrachtete Sesshoumaru die Strähnen in seiner Hand.

„Und sie hat scheinbar mit unserer Ärztin über unsere „Krankheit“ gesprochen. Nun will sie einmal persönlich mit dir reden und zwischen dir und den Rebellen vermitteln, wenn du sie lässt.“

Sesshoumaru schwieg ziemlich lange, bis er mich wieder ansah.

„Du bist also hier, um ein Treffen zu arrangieren. Du willst zwischen den Parteien vermitteln.“

Ich atmete tief durch.

„Ja und nein. Meine Mutter will das. Ich will einfach nur meinen Frieden und meine Ruhe.“, verkündete ich und drehte meinen Blick wieder nach vorne zu der Couchecke.

Ich spürte, seinen Atemzug in meinem Rücken und gleich darauf eine Klauenhand, die über meinen Kopf strich.

Wie mein Herz begann zu schlagen…

Verzweifelt schloss in die Augen.

Warum musste er mich anfassen?

War ich sein neues Opfer?

„Du wirst alles bekommen, das du willst.“, versprach er mir sehr leise und ich schluckte schwer.

Wie gerne ich ihn umarmt hätte. Und ihn nicht mehr loslassen…

Ich sah über meine Schulter zurück.

„Ruf deine Mutter an.“, bat er nickend. Seine Hand glitt in meinen Nacken. „Organisiere ein Treffen. Ich werde ihr zuhören und ihr Rede und Antwort stehen.“

Er streckte mir mein Telefon entgegen und lehnte sich gegen seinen Schreibtisch.

Ich sah das Gerät an.

„Danke, Sesshoumaru.“

Er nickte großzügig.

„Ruf sie an, Myleen.“

Ich nickte noch einmal und wollte das Büro wieder verlassen, da hielt er mich an der Rute fest.

„Ruf sie an, sagte ich. Hier. Bei mir.“

Ich sah ihn einen Moment an.

Musste das wirklich sein? Konnte er mich denn nicht endlich gehen lassen.

Nein, das konnte er nicht. Unerbittlich sah er mich an, als er mich an meinem Pelz wieder heran zog und zu sich umdrehte.

Ein letztes Mal auffordernd sah er auf das Handy und dann zu mir.

Ergeben ließ ich mich von ihm zwischen seinen Beinen positionieren und wählte die Nummer meiner Mutter.

Es klingelte, als er endlich meine Rute los ließ und den Pelz glatt strich.

„Hallo Liebes, warte einen Moment.“, meldete sich meine Mutter und er horchte auf. Einen Moment sah ich in seine goldenen Augen, doch lange konnte ich es nicht ertragen. Schnell sah ich wieder weg und wartete, dass meine Mutter am anderen Ende einen ruhigeren Ort aufgesucht hatte.

„So, da bin ich! Hast du mit dem Meister gesprochen, Leenchen?“

Ich nickte und sah doch wieder zu ihm hinauf – sein Blick folgte seinen Fingern auf meinem Fell.

„Ja, Mama, das habe ich. Der Meister würde dich gerne treffen und mit dir reden.“

Die Erleichterung in der Stimme meiner Mutter war deutlich zu hören.

„Das ist gut.“, sagte sie und lachte. „Hach das ist schön! Wann wird er mich empfangen?“

Ich sah forschend in Sesshoumarus Blick, doch seiner glitt tiefer.

So wie seine Hände. Eine Klaue strich über meinen Bauch, ehe die Hand meine Taille ergriff. Zusammen mit der Zweiten zog sie mich noch näher an ihn.

„Mein Meister?“

Nun sah er auf.

„Meine Mutter fragt, wann Ihr sie empfangen werdet.“, erklärte ich ihm, doch er hob nur beinahe stolz die Nase. Ein sanftes Lächeln zierte seine Lippen, als er erneut eine Hand an mein freies Ohr hob und mit dem Daumen meine Clanmale streichelte.

„Sie ist deine Mutter, meine Fürstin. Ich werde mir jede Zeit nehmen, um die sie bittet. Entscheide du.“

Für einen Moment entglitten mir alle Gesichtszüge.

Meine Fürstin?

Schockiert sah ich ihn an.

Warum seine Fürstin? Er war doch die Verlobung mit Len eingegangen…

„Meine Fürstin? Myleen, habe ich etwa schon die Hochzeit verpasst?“, fragte meine Mutter direkt aufgeregt.

„Nein, Mama, alles in Ordnung. Du hast nichts verpasst.“

Ich hatte scheinbar was verpasst!

„Wann wolltest du kommen?“, fragte ich sie daher weiter.

„Morgen Vormittag wäre gut. Dein Vater hat einen Termin und deine Schwester ist zurück nach London.“

„Seid ihr noch in Tokio?“

„Ja, aber kommt nicht her! Ich komme besser zu euch. Das ist sicherer.“

„Ist es das?“, ich sah zu Sesshoumaru. Meine Mutter gehörte zu den Verrätern. Würde sie in der Uni wirklich sicher sein?

„Sie ist deine Mutter. Du hast mein Wort, dass sie sicher ist. So lange sie mich nicht angreift, heißt das.“

„Das werde ich schon nicht.“, versicherte mir meine Mutter, aber ich hörte schon nicht mehr hin. Seine Hände glitten höher an mir, bis zu meinem Rippenbogen und er zog mich noch enger zu sich.

Was war hier eigentlich los? War ich in eine Parallelwelt geraten? Er hatte doch Len die Ehe versprochen…

Ich schloss die Augen, als er sich vorbeugte und sanft mit den Lippen meine Halsbeuge berührte.

„Ich werde um Zehn bei euch sein können.“, sagte meine Mutter im selben Moment, da er seine Fänge über meine Haut gleiten ließ.

„Um zehn also…“, wiederholte ich abwesend.

„Ja genau“ – meine Mutter klang euphorisch – „Ich freue mich dich zu sehen, Myleen. Und mit dir und dem Meister zu reden.“

„Ich freue mich auch.“, versicherte ich ihr und hob eine Hand an Sesshoumarus Kopf, als er an meiner Haut zu saugen begann.

Ich verabschiedete meine Mutter und legte auf.

„Und nun zu dir!“, knurrte Sesshoumaru plötzlich.

Ich schrie auf.

Er packte mich fester und wirbelte mich herum.

Nicht einmal eine Sekunde später lag ich rücklings auf dem Schreibtisch, meine Hände hielt er neben meinem Kopf fest.

„WAS fällt dir eigentlich ein?“, knurrte er plötzlich aggressiv.

„Ich bin doch zurückgekommen!“, winselte ich ergeben und wand mich unter ihm, doch alles was ich erreichte war, dass er sich stärker gegen mich stemmte. „Ich wollte dich nie verraten, das schwöre ich! Ich brauchte einfach…“

„Das meine ich nicht!“

Nicht? Was dann?

Len!

„Es tut mir leid, dass ich die Prinzessin angegriffen habe! Ich war so wütend und sie hat mich immer weiter provoziert!“

„Auch das meine ich nicht!“, bellte er.

Entsetzt sah ich ihn an.

Warum war er denn dann sauer auf mich?

„Deine Rute!“, knurrte er. „Du hast sie einfach von deiner Schulter genommen! Du gehörst mir, Myleen!“

„Meine Rute?“, ich stemmte mich fahrig gegen ihn und keuchte aufgebracht: „Die Rute über einer Schulter sollte doch nur deine Frau tragen, oder irre ich mich? Und eben die hat mir gesagt ich soll damit aufhören.“

Er griff mir herrisch an den Kiefer und drückte meinen Kopf auf die Tischplatte.

Regungslos schnaufend sah ich ihm in die Augen.

„Du. Bist. Meine. Frau.“, stellte er knurrend klar.

Langsam sickerten diese Worte zu mir durch und schließlich sah ich ihn nur noch regungslos an. Er nahm die Hand von meinem Kiefer und richtete sich mit mir auf, ehe er meinen Pelz aus meinen Armen zog.

„Len erzählt in der ganzen Festung herum, dass ihr euch am Wochenende verlobt habt.“, erklärte ich ihm hart und hielt seine Arme fest. Nun endlich aufmerksam sah er mich an. „Ist das wahr?“

„Nein“

Schmetterlinge überall in meinem Bauch. Ich atmete einmal zittrig ein und sah prüfend zwischen seinen Augen hin und her.

„Ihr Vater bat dich nicht um die Verlobung?“

„Doch, das tat er.“

Verständnislos sah ich ihn an.

„Und was hast du gesagt?“

„Ich sagte ihm, dass ich mich bereits vor Jahren verlobt habe.“

Verlobt.

Ich öffnete langsam den Mund.

Wir waren wirklich verlobt.

Er wollte mich als seine Fürstin.

Es musste einfach so sein, ich wollte es nicht länger in Zweifel stellen. Er wollte nur mich, wie er es gesagt hatte.

„Oh scheiße…“, platzte es aus mir heraus und er sah mich abwartend an, als ich nach seinem Kragen griff. „Wenn du dich für mich entschieden hast, warum erzählt dann Len überall in der Uni herum, dass sie mit dir verlobt wäre?“

Er schüttelte den Kopf.

„Das weiß ich nicht. Doch das werden wir unterbinden.“

Er drückte den Rücken durch und zog mich wieder auf die Füße.

„Was wird geschehen?“, fragte ich entsetzt, doch er antwortete nicht.

„Sesshoumaru!“, ich griff nach seinem Gesicht zwang ihn dazu mich direkt anzusehen.

„Sie hat dich angegriffen.“, verkündete er. „Beleidigt, uns beinahe mit Lügen entzweit und dich angegriffen.“

„Sie Hat Fehler Gemacht, aber tun wir das nicht alle?“, war ich ein. „Belasse es bitte bei einer Verwarnung. Wir haben größere Schlachtfelder, auf die wir uns konzentrieren müssen.“

Er lächelte kurz.

„Wie es scheint bist du meine Vernunft.“, verkündete er und ich musste lächeln.

Bevor er mir erneut entfliehen konnte, zog ich ihn zu mir runter und küsste ihn fest. Er zog mich an der Hüfte enger zu sich und griff meine Rute.

Nur kurz lösten wir uns von einander – genug Zeit, um mir das Fell wieder über nur eine Schulter zu legen.

„Du wirst von nun an nirgendwo mehr hingehen, ohne dass ich davon weiß. Und vor allem nicht ohne Begleitung.“

Ich lachte leise.

„Dasselbe gilt für dich, hast du mich verstanden?!“, tadelte ich streng. „Und ich will mindestens stündlich ein Update, was du gerade tust.“

Amüsiert hob er einen Mundwinkel und gab mir einen Kuss als versprechen.

„Ich kümmere mich um Prinzessin Len.“

„Sesshoumaru, da ist noch was, als sie läufig war…“, begann ich, aber er legte mir eine Hand an die Wange und den Daumen auf meine Lippen.

„Später. Lass mich erst…“

„Nein, Sesshoumaru! Ich will es wissen! Hast du hier oben…? Wenn ihr alleine wart? Jaken hat…“

„Jaken?“, er zog direkt den Kopf ein, sah mich eindringlich an und fixierte dann die Tür, als wollte er sie sprengen.

„Nein! Hey! Sesshoumaru!“, ich zog sein Gesicht wieder zu mir. „Ich habe ihre Bewerbung gefunden, da war ich mir sicher, dass du mich ersetzen wolltest. Und du wolltest ständig mit ihr alleine sein. Wirklich Jaken konnte mir nicht sagen, was ihr hier oben getan habt. Nur sein Verhalten…“

Er unterbrach mich: „Nein!“

„Nein?“

„Niemals!“

Ich sah ihn abwartend an. Ich erwartete, dass er noch mehr sagte, doch das tat er nicht.

„Was war es dann?“, fragte ich schließlich, doch er stieß nur die Luft aus.

„Geh dich ausruhen, Myleen. Ich kümmere mich um diese möchte-gern-Fürstin und komme nach sobald ich kann. Dann werde ich dir alle deine Fragen beantworten, aber versprich mir eines.“

Ich sah ihn ernüchtert an. Ich wollte mich nicht ausruhen. Ich wollte endlich mit ihm reden. Alles beseitigen, das zwischen uns stand.

Ich wollte ihn! Meinen Mann…

„Lass dich nicht mehr von irgendetwas beeinflussen, das dir irgendein Idiot sagt.“ – ich zog den Kopf ein. Hatte er gerade wirklich Idiot gesagt?

„Du bist meine Fürstin. Wenn daran Zweifel bestehen, dann kommst du zu mir. Keine Alleingänge mehr. Du. Bist. Mein! Für Immer.“

Komischer Weise beruhigten mich diese Worte sogar und ich konnte mir das Lächeln nicht verkneifen.

„Natürlich. Verzeih mir.“, bat ich leise und genoss seine Wärme die mich durchflutete, als er seine Stirn an meine legte.

Ein letzter Kuss – für diesen Moment – und er führte mich zur Tür.

Etwa ein Dutzend Augenpaare richtete sich auf uns, als Sesshoumaru vor mir die Tür öffnete.

Erleichtert atmete Emi aus – als hätte sie bis jetzt die Luft angehalten – und auch Kazumi begann wieder zu grinsen.

„Ritsuko, Emi, Kazumi“, wandte Sesshoumaru die Worte an seine drei Wächterinnen. „Bringt eure Fürstin in unsere Wohnung, damit sie sich ausruhen kann.“

„Natürlich, Meister.“, die drei verneigten sich, doch Emi konnte sich das Kichern nicht verkneifen.

„Katsuro“

„Meister“

Sesshoumaru sah von seinem Hauptmann zu Lens Vater und fixierte ihn einen Moment eiskalt. Das Blut des kleineren Fürsten musste gerade in den eigenen Adern erstarren. Plötzlich fuhr blanke Panik in sein Gesicht.

Doch Sesshoumaru ging ohne ein weiteres Wort zu verlieren zurück in sein Büro.



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Kommentare zu dieser Fanfic (106)
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Von:  bella230109
2020-05-04T17:27:01+00:00 04.05.2020 19:27
Ich hoffe auch das es bald weiter geht denn ich finde die Geschichte echt Klasse

LG bella
Von:  Malvea
2019-09-30T08:45:30+00:00 30.09.2019 10:45
Echt eine meiner Lieblingsstorys habe sie echt schon sehr oft gelesen und hoffe im das sie irgendwann wieder weiter geht
Von:  Sakura_Sira
2019-08-16T06:14:51+00:00 16.08.2019 08:14
Wäre sooo schön wenn wir bald erfahren wie es weiter geht. Ich mag die story SO GERN. Schreib bald weiter ;)
Von:  Sakura_Sira
2018-10-30T11:26:53+00:00 30.10.2018 12:26
Hah ich wusste es. Leenchen ist viel zu nett. ICH hätte sess nicht gehindert dud Giftschlange zu bestrafen... und der vater erst. Beleidigt dud Fürstin . Hehe

Hach seine Worte wegen der mutter suess. Würde aber auch gern wissen wieso len bei ihn im büro war -_-# sess sollte nen guten grund haben..

Hauptsache due beiden haben keine differenzen mehr und sess verhunst es nucht wieder

Freu mich aufs nächste kap. 🤩
Antwort von:  XdramaX
30.10.2018 13:44
nicht wahr? so wie wir ihn kennen sollte er ja bestimmt wieder irgendwas machen, das leenchen zum kotzen bringt...

aber wer verübelt es ihm? Er ist es vermutlich nicht gewöhnt, dass Frauen ihren eigenen Kopf haben. Vor ihm kuscht ja alles...

aaaaaaaaber mal gucken ;)
Antwort von:  Sakura_Sira
30.10.2018 23:32
Typisch halt... ich rat ihm es nicht zu versauen die briden passen sooooo suess
Antwort von:  XdramaX
31.10.2018 10:44
Du ratest es ihm? Oh oh, lass ihn das bloß nicht hören hahahaha der lässt sich doch so ungerne was sagen oder raten und folgt immer nur seinem dickschädel hahahaha
Von:  Sakura_Sira
2018-10-14T23:29:11+00:00 15.10.2018 01:29
Heullll
Wieder warten... T.T

Der hund soll das ja richtig stellen. Und ich hoffe Len bekommt den biss und die lügen noch heimgezahlt Die ist kein hund, die ist ne schlange

Antwort von:  XdramaX
15.10.2018 17:00
Oh, eine interessante These mit der schlange! 😏
Von:  Cendy
2018-10-14T21:43:59+00:00 14.10.2018 23:43
Oh es geht weiter! *freu* tolles neues Kapitel, schon wieder an der spannendsten Stelle aufgehört... du treibst mich noch in den Wahnsinn. Na mal sehen was er mit ihr besprechen will und ob er sauer wird, wenn sie ihre Rute nicht so trägt wie er will.
Lg
Von:  Schneekaetzlein
2018-09-24T10:52:19+00:00 24.09.2018 12:52
Arme Myleen. :/
Sesshi is ein Mistkerl. ihn haue
Was hat er für ein Plan? Hat er sie markiert? Oo
Ich lese nix von einer Markierung.. grübel
Lass uns bitte nicht zu lange warten und dich von einer Muße küssen.
Antwort von:  Schneekaetzlein
24.09.2018 12:52
Muse meine ich. XD
Antwort von:  XdramaX
30.09.2018 08:27
Hi

Muse ja, allerdings habe ich diese Woche erfahren, dass ich schwanger bin, obwohl ich gar nicht schwanger werden kann wegen hormoneller Störungen....

Sorry, ich habe jetzt ganz andere Dinge im Kopf z. B. Wie ich trotz des höheren fehgeburtenrisikos als normal mein Baby durchbringe...

Was vernünftiges würde gerade leider nicht zustande kommen...
Von:  bella230109
2018-09-16T03:12:58+00:00 16.09.2018 05:12
ich bin echt begeistert von deiner geschichte und freue mich schon darauf wenn es weiter geht
und ich hoffe für myleen das das alles nur ein schlechter scherz von len war und sesshoumaru nicht mit ihr verlobt ist
und er auch nicht denkt das sie ein verräter wär bin gespandt wie es weiter geht

lg bella
Antwort von:  XdramaX
16.09.2018 08:36
Wir alle, meine liebe, wir alle 🤣🤣
Von:  Cendy
2018-09-15T04:41:51+00:00 15.09.2018 06:41
Oh nein die Arme!
Ich hoffe das sie einfach nur was falsch verstanden hat und ihr verletzt jetzt nix passiert... Du machst es auch wieder spannend! Liebe Grüße!
Antwort von:  Cendy
15.09.2018 07:27
Jetzt bin ich schon so gespannt wie es weiter geht..... (wollte das nochmal gesagt haben 🙃🙂
Antwort von:  XdramaX
15.09.2018 08:44
Ich merke es hahaha erst um 0641 ein kommi, dann eine Dreiviertelstunde später... Das sieht nach einem Muster aus: ich gucke jetzt alle paar Minuten rein was wird hahahaha
Antwort von:  Cendy
15.09.2018 08:56
😂 musste erst Kaffee machen und die Pferde auf die Weide lassen 😃 ich freu mich wirklich, weil die Story so spannend ist 😂
Antwort von:  XdramaX
15.09.2018 09:25
Ich weiß nicht was ich besser an diesem Satz finde: Kaffee oder Pferde hahaha

Sorry liege immernoch im Bett... Ich Versuche dieses Wochenende noch eines zu schaffen, bin nur gerade etwas hin und her gerissen: kehrt sie zu sesshoumarus zurück, oder stellt sie sich jetzt doch gegen ihn auf die Seite ihres Vaters? Muahahahaha
Antwort von:  Cendy
15.09.2018 10:46
Du bist gemein! 😜 aber lass dich nicht stressen! ☕️+🐴 ist am besten zusammen 😂
Antwort von:  XdramaX
15.09.2018 12:28
Gemein? Ich? Niemals 😈
Was denkst du nur von mir?

...

Aber Mal ehrlich... Lehrt sie zurück oder geht sie zu ihrem Vater? Oh Boy oh Boy oh Boy - ist beides verlockend!

Das eine wird wohl heiß und das andere Drama pur hahahaha
Antwort von:  Cendy
15.09.2018 19:56
Dann lieber heiß 😉 das andere wäre so ohne rückrad, sie findet es ja eigentlich nicht gut was ihr Vater macht... und dann wäre sie wieder das Familien-Dummchen...
Antwort von:  XdramaX
15.09.2018 22:26
Das stimmt wohl... Hm... Und wir kehrt sie zurück?
2 Varianten hab ich auch da.... Aaaah alles scheiße und jetzt hab ich den ganzen Tag Playstation gespeist anstatt weiterzuschreiben 😭
Von:  Cendy
2018-09-10T15:52:25+00:00 10.09.2018 17:52
Hey!
Schön, das du weiter schreibst, ich habe mich sehr gefreut. Das neue Kapitel passt sich trotz der Pause perfekt an die vorhergehenden an. Ich mag deinen Stil und bin gespannt wie die FF weiter geht. Ich hoffe insgeheim, das die beiden endlich zueinander finden und das sie es Ihrer Familie zeigen!!!

LG Cendy
Antwort von:  XdramaX
10.09.2018 18:56
Hehehehehe

wir werden sehenwir werden sehen...

aktuell versuche ich aus den notizen von vor drei jahren wieder schlau zu werden... 😫🤔

gar nicht mal so leicht 😭😭

Und irgendwie finde ich das ende am ende komisch... was habe ich mir da ausgedacht???

bei ideen und anregungen was du/ihr vielleicht noch lesen wollt an szenen: her damit hahahaha


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