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Die Chroniken von Khad-Arza - Die andere Seite des Himmels

Drittes Buch
von

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Seelen im Schatten

Neisa war keine geborene Kämpferin. Heiler waren grundsätzlich nicht ernsthaft dafür da, um zu kämpfen, sondern waren mehr für das Heilen zuständig; es gab Methoden, zu kämpfen, selbst für Heiler, und was sie von ihrer Mutter gelehrt bekommen hatte, rettete ihr vermutlich jetzt das Leben – dennoch spürte sie, dass der Heiler, gegen den sie hier kämpfte, definitiv auf eben das bisschen Kämpfen, das Heiler beherrschen konnten, abgerichtet worden war, dass er darauf gedrillt worden war, besonders die offensive Ader seiner Magie zu trainieren. Vermutlich konnte er besser angreifen als heilen, aber es konnte ihr egal sein.

In ihrem Rücken war die Wand der geschrotteten Tari Randora und keuchend riss sie den Kopf zur Seite, um Turos Faust zu entgehen, die nach ihrem Gesicht schlug. Er war ausdruckslos und wirkte keine Spur angestrengt, als er seine Hand zurück zog, nicht mal verärgert, weil er sie nicht getroffen hatte, und seine Art beunruhigte sie auf eine Weise, die sie nicht begreifen konnte.

„Was willst du, Turo?“, schnarrte sie, als sie strauchelnd zur Seite schwankte und die Hände empor riss, bereit, gegen seine zu schlagen und jegliche Art von Nerven- oder Lähmungszauber abzuwehren, den er auf sie schmeißen würde. Heiler waren Nahkämpfer – sie konnten durch bloße Handschläge Impulse aussenden, die des Gegners Muskeln zerfetzten, ohne dass offene Wunden entstanden, man konnte auf diese Weise auch Nerven und gar Knochen zerstören; das Gefährlichste an Heilern war, hatte ihre Mutter Neisa oft erzählt, dass sie anders als die meisten Telepathen oder Schwarzmagier über perfekte Kenntnisse der menschlichen Anatomie verfügten und genau wussten, wohin ein Schlag zu setzen war, der tödlich enden sollte. Und außerdem wurden sie unterschätzt... Heiler heilten, sagte man. Die meisten Schwarzmagier oder auch Telepathen hielten sich für etwas Besseres oder vor allem Offensiveres, weil sie fälschlicherweise annahmen, Heiler taugten nur zum Heilen. „Was versprichst du dir davon, mich zu töten? Bringt dir das Respekt von deinem Meister?“, fragte die junge Frau kalt und wich einem neuerlichen Schlag ihres Gegners aus, ehe eine Erschütterung der Landeplattform gefolgt von einem ohrenbetäubenden Krachen sie beinahe von den Beinen gerissen hätte.

„Manha? Der ist nicht mein Meister, mein Meister bin ich selbst.“, sagte Turo ohne großartige Gefühlsregung und Neisa schnaufte, als sie versuchte ihn anzugreifen und feststellte, dass er viel schneller war als sie. Er stieß sie zurück und sein Handschlag traf ihren Schenkel, worauf sie schrie und zu Boden stürzte. Natürlich könnte sie den Muskelriss sofort heilen, das Dumme war nur, dass das Zeit kostete – die sie nicht hatte, kam ihr in dem Moment, in dem der Kerl plötzlich über ihr war und sie sich mit einer aus Reflex hervor geschleuderten Katura gerade noch seine Hände vom Hals halten konnte. Japsend versuchte sie trotz des Wissens, dass dies unmöglich sein würde, auf die Beine zu kommen, was natürlich nicht gelang. In ihrem Inneren zog sich etwas zusammen in der blinden Panik, die in ihr aufstieg, weil sie das Gefühl bekam, sie würde hier sterben. Der Schatten nagte an ihrer Seele und sie sorgte sich um ihren Ehemann – verdammt, sie hatte andere Sorgen!

„Wenn du dein eigener Herr bist, warum kämpfst du für ihn?!“, fragte sie Turo durch das Tosen des Infernos um sie herum und der junge Mann kam vor ihr zum Stehen, die Hände kampfbereit erhoben, in aller Ruhe und ohne große Anstrengung; klar, es würde ihn kaum etwas kosten, ihr jetzt die Kehle zu zerfetzen, wo sie nicht mehr aufstehen konnte. Wenn sie ihn mit Reden hinhielt, bekam sie eventuell die Zeit, ihr Bein zu heilen.

„Ich könnte es auch lassen.“, sagte er dumpf, „Ich habe keinen Grund, Neisa. Kein tolles, atemberaubendes Ziel, für das ich kämpfe, für das ich mich sogar so einer Schweinerei wie der von Manha hingebe, oder so. Ich bin einfach, wo ich bin, es hat keinerlei Sinn und es hat nie einen gebraucht. Warum bist du da, wo du bist, Neisa? Hast du einen Sinn im Leben? Hat es einen Sinn, dass du die Seele deiner Urgroßmutter verkörperst, dass du Zoras Derran geheiratet hast, dass du hier bist, am Ende aller Enden?“

„Wenn nichts für dich einen Sinn hat... warum lebst du dann überhaupt?“, antwortete sie und er sah sie an und zuckte die Achseln, irgendwie grinsend. Er war verrückt, dachte sie, und sie hatte ihr Bein gerade geheilt, da stürzte er sich frontal ganz plötzlich auf sie und schlug sie wieder zu Boden, schaltete mit gezielten Handschlägen ihre Beine aus und machte sie so unfähig, wegzulaufen. Einen Schlag auf ihre Brust und damit ihr Herz verhinderte sie mit einem reflexartigen Konter mit ihrer eigenen Hand, keuchend nach Luft schnappend und in sein Gesicht starrend, als er über ihr war und sie am Boden lag, unfähig, sich zu regen. Ihre Beine schmerzten und in ihrem Kopf pochte der Schatten... plötzlich hatte sie Angst vor ihm.

Er war kein Mensch... er war ein Niemand. Ein Typ, der kein Leben hatte, kein Ziel, keinen Grund – vielleicht hatte er Verstand, aber nichts mehr als das.

„Ich bin da... wo ich gelandet bin, Neisa. Genau wie du... wie wir alle.“, schnarrte er und riss seine Hand hoch, schlug ihre fort und ließ seine Finger auf ihre Kehle zu sausen, ehe sie sich wehren konnte. Er packte sie und würgte sie, bis sie wimmerte, aber er benutzte keine Magie, um ihren Hals zu zerfetzen... sie fragte sich, wieso er sie nicht umbrachte.

Er war ein Niemand... er war einfach nur da. Plötzlich tat er ihr leid... obwohl sie wusste, dass sie gleich durch seine Hände sterben würde.

„Verlorene Seelen seid ihr...“, zischte sie mit der Stimme, die nicht ihre war, „Vielleicht findet ihr niemals heim. Deine Seele... endet hier, Turo Ankti.“

Er starrte sie an und hielt inne – der eine Moment des Zögerns wurde ihm zum Verhängnis. Es war nicht Neisa, die ihn angriff, sondern Yarek, der aus dem Nichts herbei geschossen kam, sich wie ein Wolf auf Turo stürzte und ihn in einem atemberaubenden Hechtsprung von Neisa herunter riss. Die Heilerin japste und konnte nur starren, als Turo zu Boden flog und hustete, sich aufrappelte und zurück angriff. Yarek konnte ihn sich mit seiner Masamune problemlos vom Hals halten und die kleine Heilerin beobachtete heftig atmend, wie sich der Heiler und der rothaarige Söldner einen erbitterten Kampf lieferten, in dem es niemand schaffte, den anderen zu erschlagen – und dann kam die Seherin.

Sie war plötzlich da, hinter Turo, und als Yarek sie sah, hielt er abrupt inne, ebenso wie Turo, obwohl er sie im Rücken hatte und vermutlich nur durch Instinkte wahrnahm, dass sie da war. Neisa starrte Ryanne an... wenn es denn Ryanne war, die da stand, und nicht nur ein Schatten der Seherin, die sie alle kannten. Denn die blonde, dunkelhäutige, fast nackte Frau dort sah zwar aus wie Ryanne, aber in ihren Augen war nicht das Wissen der Seherin... in ihren Augen war eine Klarheit und ein Verstand, den sie niemals besessen hatte, so, als wäre sie ein völlig normaler Mensch...

Nicht das Gefäß für eine göttliche Seele, die sie langsam von innen heraus zerschmetterte. Ryanne sprach... und sie sprach eine Sprache, die Neisa nicht verstand.

Salihah in ihrem Kopf verstand sie gut und konnte für sie übersetzen.
 

„Deine verlorene Seele gehört mir... Turo. Und ich werde sie mir zurückholen... weil ich mich dann vielleicht erinnern kann.“
 

Turo drehte sich zu ihr herum und starrte sie aus weit aufgerissenen, blauen Augen an. Die Tatsache, dass er ihre Worte verstand, Worte in einer Sprache von einem kleinen Teil im Wüstenreich Fann, die kaum jemand auf Tharr beherrscht hatte, war ihr Antwort genug, dass er der Richtige war.

Der Typ, dessen Seele sie fressen würde, wenn sie den Kampf gegen die Unsterblichkeit gewinnen wollte, die sie zerstören würde. Das würde sie sowieso, denn die Seele der Seherin würde zurückkehren, wenn sie den Abgrund verließen oder vernichteten. Aber wenn sie seine Seele zurück bekäme, wäre sie besser fähig, der Götterseele zu trotzen... ihren eigenen Willen zu haben.

Sie würde länger leben... und sie hätte eine Vergangenheit.

„Ryanne... von den Yalla.“, keuchte er sie an und erbleichte, während sie ihn betrachtete und lächelte. Sie wusste nicht, wie alt er war, er war jung. Sicher kaum älter als sie. Falls überhaupt, er wirkte vermutlich noch jünger als er war.

„Du hast gewusst, ich würde kommen.“, sagte sie lächelnd und ihr Arm hob sich wie von selbst in seine Richtung. Er lief nicht fort, er stand nur da und starrte sie an. „Weil das Schicksal wollte... dass ich komme. Genau genommen gibt es einen Grund, weshalb du... keine Gründe und Ziele hattest, dein Leben lang. Kein Leben hattest... weil du keine Seele besessen hast, die dein eigen war, sondern den Teil von meiner, den die verdammte Seherin mir ausgerissen hat, als ich zu sehr protestiert habe. Ich kann es spüren... diesen Teil von mir, jetzt, ganz nah, wenn ich so dicht vor dir stehe, es macht mich euphorisch.“

„Geh mir vom Leib!“, schrie er sie an und riss abwehrend die Hände hoch – er hatte Angst vor ihr, sie wusste es. Sie wusste, seine Seele wusste genau, dass er sterben würde.

Hier und jetzt.

„Ich bin fast neidisch auf dich. Aber wo ich meine halbe Seele gleich wieder haben werde, werde ich ja die Empfindungen erinnern, die du so gehabt hast... hach. Ich wollte immer mal einen Penis ganz für mich alleine haben, und die halbe Seele in dir hatte das jahrelang. Wie glücklich du bist, Turo... wie ist es so mit einem Penis?“

Penis?!“, schrie er sie an, „D-du willst mich töten, warum in aller Himmel Namen redest du von Penissen?!“

Sie war zu dicht vor ihm. Er hielt inne, als sie sich zu ihm beugte und ihre Gesichter kaum wenige Zoll trennten, sämtliche Farbe war aus dem seinen gewichen, während ihres vor Euphorie und Erwartung errötete.

Sie spürte sie... sie spürte ihre Erinnerungen, sie spürte den Teil, den man ihr abgerissen hatte wie einen Arm, er war da und er pulsierte, er zog sich zu ihr, er wollte zu ihr zurück, sie war wie ein mächtiger Magnet. Ihre Finger strichen unter Turos Kinn und er wimmerte in blinder Todesangst.

„Meine sterbliche Seele kämpft immerzu gegen die der Seherin.“, flötete sie und starrte in sein panisches Gesicht. „Als ich noch klein war, war sie schon zu mächtig und die Seherin hat mich gespalten... um die Kontrolle zu kriegen. Hihi. Jetzt ist sie fort und kann mir gar nichts, jetzt hole ich sie mir zurück. Du hast in Dhimorien gelebt auf Tharr... einst, ehe du nach Ghia kamst, zu Ulan Manha... und als deine Seele zerschmettert ward eines Tages... flüchtete meine halbe, irrende Seele in deinen Körper und gab dir Leben. Sei mir dankbar, denn ohne mich... wärst du seit Jahren tot. Du bist ein reizendes Gefäß gewesen, Turo Ankti. Ich mag dich, du bist nett.“ Das sagte sie und strahlte ihn an, und er starrte zurück und ihre Augen verharrten lange schweigend aufeinander. Er sagte nichts mehr, in seinem Gesicht blieb als Letztes nur das Verständnis, dass sie wahr sprach... er wusste Bescheid. Vielleicht hatten die Geister ihm zugeflüstert... Ryanne war es egal.

Als sie ihn tötete, tat sie es mit einem Schlag Telekinese auf seine Kehle, die seine Aorta zerfetzte. Es ging schnell... sie konnte sie spüren, sie konnte spüren, wie ihr Kopf vor Schmerzen zu bersten drohte im Moment der Vereinigung in ihrem Inneren... und die Erinnerungen fluteten durch ihren Körper wie eine Überschwemmung in der Wüste nach seltenem Regen... wie lauter zappelnde Fische, diese Todestiere, die sie so hasste... sie hasste und begehrte sie irgendwie gleichermaßen.

Plötzlich wusste sie wieder, wer sie war... das Gefühl war so berauschend, dass es um sie herum schwarz wurde, als sie zu Boden sank und auf ihre Lippen das Schlaflied kam, das ihre Mutter ihr immer vorgesungen hatte. Ein Lied von Sand und Feuer, das am Horizont elendig brannte und niemals erlosch...

Genau wie die fischförmigen Erinnerungen in ihrem Inneren.
 

Es war nicht vorüber. Es war eine Gewissheit in Zoras' Kopf, die einfach da war und nicht wegging, während er zum wiederholten Mal versuchte, Rok Wirake zu erwischen, der sich um ihn herum teleportierte und egal, wie sehr er sich konzentrierte, immer schneller war als er. Er hörte, dass der Telepath irgendetwas sagte, aber er nahm es nicht wahr, er verstand die Worte nicht mal, denn sein Inneres war zu weit weg vom eigentlichen Geschehen, um etwas mitzubekommen.

Schatten... sie waren überall. Sie waren in seiner Seele... nachdem er sie mühevoll hervor gewühlt hatte, aus seinem tiefsten, verborgenen Inneren ausgegraben, ließen sie ihn nicht mehr los und wisperten in seinem Kopf, als er abermals herum fuhr und mit der Hellebarde einen Blitz ins Leere schleuderte. Sie waren da, die Schatten, sie klammerten sich an ihn genauso wie er sich an sie, und an diesem Punkt, hier am Ende aller Enden, hatte Zoras keine Angst mehr vor ihnen oder seiner Vergangenheit.

Die Schatten waren der Preis, den er gezahlt hatte für die Loyalität der Todesvögel... weil sie ihm dienten mit Schatten, würde der Schatten seine Seele fressen, wenn es soweit wäre. Er fragte sich, ob dieser Zeitpunkt jetzt gekommen war.

„Was du brauchst, ist eine Seelenmauer.“ Das hatte die Seherin gesagt, und er war zu tief in den Schatten geschwommen, um ihren Rat noch befolgen zu können. So tief hinein, bis er die Antwort fand, hatte sie gesagt, er müsste ins allertiefste Innere seiner Seele vordringen, hinter seine Traumata, hinter seine verdammte Kindheit –

Hinter die Räuber, hinter die Vergewaltigungen, hinter die Tätowierung. Hinter die Demütigung, hinter den Hass seines Vaters, hinter seine eigene Unfähigkeit, seine Mutter vor Unheil zu beschützen auf eine Weise, die ihrer gebührte. Er war hinter all das gedrungen, bis in die tiefste Schwärze des Lochs in seiner Seele, das an ihm fraß, seit er ein Kind war... jetzt hatte er Angst, es würde ihn verschlucken... weil Neisa nicht da war, um ihn aus dem Strom zu reißen, wenn er zu weit abtrieb.

Er war unsagbar weit vom Ufer entfernt, das seinen Verstand vielleicht hätte retten können... als er das nächste Mal wie ein Wahnsinniger auf Rok einschlug und ihn verfehlte, verlor er das Ufer aus den Augen und um ihn herum war komplette Dunkelheit.

Irgendetwas traf seinen Rücken und schleuderte ihn zu Boden. Irgendwo hörte er düsteres Gelächter, aber er nahm es nicht wahr. Er schmeckte Blut in seinem Mund und in seinem Kopf wisperten die Geister von Schicksal und Schatten.

Am Ende werdet ihr fallen... in die Schatten, Zoras Chimalis. Am Ende... der Welt, von dem du so gerne träumst.
 

Schwimm!
 

Er versuchte es, aber er war nicht stark genug. Er hatte die reißende, tödliche Mündung des Ankin durchschwommen auf Tharr auf seiner Reise nach Fann – die Überquerung eines der größten Flüsse auf Tharr war ihm leichter vorgekommen als gegen die Geisterstrom anzuschwimmen, der ihn packte und fortreißen wollte, hinab in eine Tiefe, die er nicht kennenlernen wollte.

Sie griffen nach ihm, die Geister der Vergangenheit, sie berührten ihn und taten ihm weh, sie verfluchten und belächelten ihn zugleich, sie schmeichelten ihm und sagten Willkommen, Mörder.
 

Schwimm, Zoras! Stärker!
 

Die Hellebarde bewegte sich in seinen Händen wie von selbst und er schlug nach der Finsternis, wand sich, trat mit den Beinen nach Staub und Luft und traf nicht einmal die. Er musste zurück ans Ufer, er musste fort von der Trance.

Es war zu mächtig, es drückte ihn auf den Boden und wollte ihn unterwerfen... verdammt, er durfte das nicht zulassen!

Der Wind, der die Kondorfeder trug und die Knochenspirale aufspießte. Er erinnerte sich deutlich an die Vision, die er auf Yinnlhey gehabt hatte, er sah sie so klar vor sich, als würde es vor seinen Augen wirklich geschehen, und er sah Ianas Schattendolch Kadhúrem aus dem Nichts kommen und alles beenden... er musste hier raus.

Das hier war nicht sein Schicksal. Das hier war nicht seine Zeit, zu sterben.

„Kniet... vor mir, Todesvögel!“, zischte er, „Seid... meine Diener, ich habe euch... meine Seele gegeben... ihr habt mir Treue geschworen, erfüllt euren Eid! Seid meine Diener... so wie ich der eure sein werde, wie mein Körper und meine Seele euch gehören im Austausch für eure... grenzenlose Unterwerfung! Ich... bin Zoras, Sohn von Pakuna, Enkel von Enola, Urenkel von Zoras Chiamlis, Herr von Tuhuli, Herrscher des Paktes! Ich bin Zoras Chimalis, der Seelenfänger... Erbe des Clans der Kondorgeister! Ihr... seid mein, wie ich euer bin!“
 

Also... gehorcht mir, ihr Bastarde, oder ich werde euch zerreißen...
 

Sie gehorchten. Er konnte die Macht spüren, die zurückkehrte – irgendetwas explodierte in seinem Kopf und er versuchte mit aller Macht, die er aufbringen konnte, sich zu konzentrieren auf die Mauer, die Rok abhalten würde... als er zurück in die Realität fand, zurück ans Ufer stieß mit einem Schwung, den er mit bloßer Willenskraft aufbaute aus der dunkelsten Finsternis heraus, schlug er Rok Wirake das stumpfe Ende seiner Hellebarde ins Auge und zerschmetterte es. Der Telepath schrie und wurde zu Boden geschleudert, und Zoras strauchelte. Ihm war schwindelig... in seinem Inneren pochte und schmerzte alles, eine ungeahnte Übelkeit kam in ihm auf und ließ ihn beinahe kollabieren, sodass er seine Waffe vor sich in den Boden rammen und sich daran stützen musste wie an eine Gehhilfe. Das war kein Schwimmen gewesen... sondern ein Hechtsprung, sein Körper fand nicht witzig, was Zoras mit ihm trieb. Verdammt, er durfte jetzt nicht nachgeben... nicht jetzt, wo er die Macht hatte, die er haben wollte, in aller Finsternis, die er von sich stieß, sodass sie an ihm abperlte wie Wasser an Wachs. In seinem Kopf waren die Geister seiner Kindheit, die ihn hänselten... er konnte sie ignorieren, er konnte alles ignorieren, denn seine Seele war eins mit den Dienern der Finsternis, die ihm ihre Dienste angeboten hatten. Als sein Körper sich beruhigt hatte, griff Rok ihn an; halb blind und eine Hand vor Wut schreiend auf den blutigen Matsch seines zerstörten Auges gepresst, schlug der Blonde mit Telekinese um sich wie ein Berserker, bereit, alles und jeden zu zerfetzen, was ihm in den Weg käme.

Zoras hatte keine Probleme, ihn zu blocken – plötzlich konnte er ihn treffen, plötzlich war der andere nicht mehr fähig, auszuweichen, denn er war schneller... letzten Endes war er Geisterjäger und Rok nicht.

„Du kannst... du kannst... mich treffen...!“, zischte der Telepath voller Groll, „Wieso kann ich dir nicht mehr ausweichen und vorhersehen, was du tun willst?!“

„Weil du... nicht auf derselben Stufe stehst wie ich, Rok.“, war Zoras' Antwort, und er sah den anderen erstarren, als er ihm in sein malträtiertes Gesicht starrte, ehe er seine Waffe empor riss. In seinem Kopf wisperten die Geister... sie sprachen von Schatten.

Er fürchtete de Dunkelheit nicht... er fürchtete nicht mehr das schwarze Loch seiner Seele, das sich von seinem Hass nährte... und es pulsierte und lebte in ihm, es war bereit, ihn zu verschlingen mit Haut und Haar.
 

Noch nicht.
 

Mit einem Schrei stieß Zoras seine Hellebarde, den Speer von Yamir, nach vorne und auf Rok in einer Gewalt und Bestialität, der der andere nicht ausweichen könnte, nicht einmal dann, wenn er auf höherem Niveau gewesen wäre. Er fing Roks Blick ein, bevor er ihn mit einem Blitz in tausende Stücke riss. Er fing den Blick aus diesem so dumpfen, seelenlosen Gesicht ein... das Gesicht eines Niemands, der keinen Sinn in der Welt gehabt hatte. Von seinem Geist würde nichts übrig bleiben... dafür hatte er gesorgt. Zoras keuchte, als die Fetzen seines Gegners am Boden lagen, und er senkte die blutüberströmte Klinge seiner Waffe zu Boden, sodass es ein leises Klirren gab, als das Metall des Himmelssteins an das der Landeplattform stieß.

Die Hellebarde bebte... Zoras konnte es spüren und er wusste, dass es nicht vorüber war, obwohl plötzlich angenehme Stille einkehrte auf der Plattform... die Niemande waren erledigt. Irgendwo sah er, wie Neisa sich um Simu kümmerte, der verwundet zu sein schien, irgendwo wimmerte Eneela. Yarek rauchte, die Seherin war verschollen. Er, Zoras, stand nur da und starrte auf das Blut an seinen Händen, das nicht abgehen würde... es war Teil seiner finsteren Seele, die er den Geiern schenken würde, wenn seine Zeit gekommen war.

Er würde lange genug davor weglaufen... noch war seine Zeit nicht gekommen.

„Die Zeit, die gekommen ist, Seelenfänger... ist eine andere.“, sagten die Geister zu ihm und er wusste das, konnte sich aber nicht rühren. Er musste gehen... er musste sich beeilen und sein Schicksal konfrontieren, von dem er geträumt hatte. Karana und Iana waren gegangen, um sich Ulan Manha zu stellen... dem Dämon, der ihnen allen den Schatten gebracht hatte, an dem sie beinahe gescheitert wären.

Und noch immer könnten sie scheitern... denn hier war der Abgrund, der Himmelsdonner, hier war der tiefste aller Schatten, tiefer, bösartiger und gefräßiger noch als Zoras' schwarzes Loch. Hier hatten die Götter von Khad-Arza keinen Einfluss auf sie... oder ihre Legende, die sie geschaffen hatten. Hier trugen sie ihr Schicksal selbst... und wenn es zu schwer war, würden sie scheitern.

„Geh.“, befahlen die Geister, „Und wirst du scheitern, Zoras Derran... dann sei es so.“

„Ich weiß.“, schnarrte er zurück, „Und eben deswegen bleibe ich. Ich bin nämlich kein Märtyrer.“

„Nein, das warst du nie. Aber du wurdest geboren... mit einer Aufgabe, mit dem Drang, sie zu erfüllen. Einem Drang, den niemand abschalten kann... er ist in dir und du kannst es nicht verhindern. Geh... in den Schatten, Zoras, in den du geboren wurdest.“ Er sagte eine Weile nichts.

„Wieso macht das nicht irgendein anderer Arsch? Sind genug von uns da.“

„Weil du... der einzige von ihnen bist, der in der Finsternis sehen kann... als Schattenkind, das über die Vögel des Todes befehligen kann.“

Er sagte kein Wort und er spürte, wie seine Waffe zitterte in seiner Hand. Sie wollte zu ihren Geschwistern... Mihns Schwert und Thayeran Kandayas Kadhúrem, die zur selben Zeit aus demselben Stein geschmiedet worden waren. Er wusste es und er sträubte sich dennoch...

Er hatte es satt. Wenn er hier fertig war, würde er dafür sorgen, dass die Götter zerschmettert wurden... er war keine Schachfigur und er würde niemals wieder eine sein.

„In der nächsten Welt... werdet ihr verrecken, egal, wie viele Räuberhöhlen ich dafür vernichten muss. Egal, wie viele Tätowierungen ich kriegen muss, egal, wie viele Männer mich wie eine Frau zu schänden versuchen, ich werde euch zerschmettern... eines Tages wird niemand mehr wissen, dass es Götter gegeben hat. Und dass sie uns Sterbliche für ihre Spiele benutzt haben, weil sie Langeweile hatten... das hier ist nicht mein Kampf, sondern eurer. Für den ihr nur zu faul seid... ich verabscheue euch.“

So sprach er, und er spürte das Loch in seiner Seele an ihm nagen und ihn ein Stück weiter auffressen... er wusste, der Schatten wuchs. Und eines Tages würde er ihn verschlucken... wenn es soweit war.

Vorher würde er seiner Frau noch sagen, dass er sie begehrte... er sagte es viel zu selten mit Worten.

Er schenkte ihr keinen Blick und den anderen auch nicht, als er Roks Reste hinter sich ließ, genau wie die Plattform und vermutlich sein Leben, ehe er über den Schrotthaufen in Ulan Manhas Raumschiff kletterte – hin zu dem Ort, an dem die letzte Schlacht zwischen dem Dämon und seinem kleinen Zwilling Karana geschlagen werden würde. Es war sein Schicksal... und der einzige Weg, den er gehen konnte.

Er verabscheute sie alle so sehr... er verabscheute die Welt und alle Götter, die Schuld an ihr waren.
 


 

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Mann sind die alle kryptisch und mystisch und so x___x einer schlimmer als der andere oô'



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Izumi-
2014-08-22T21:23:19+00:00 22.08.2014 23:23
Dööööh. Neisa hatte also auch ihren Kampf. Und konnte nicht gewinnen, na ja, ist zu Abwechslung auch nicht schlecht, dann konnte Yarek immerhin beweisen, dass er einen Sinn hat. Yarek. ♥
Diese Sache mit Ryanne und Turo verstehe ich nicht ganz. Wird das noch mal etwas genauer erläutert? Ich meine, okay, Turo hatte offenbar aus irgendeinem Grund einen Teil ihrer Seele... aber wieso... weshalb... hä? Hoffentlich kommt dazu noch mehr, ich finde das cool.
Und dann Zoras. Ich finde es gut, dass du nicht mehr jeden Kampf haarklein ausschreibst, das macht das ganze interessanter und weniger langatmig. ^^
Was mir bei Zoras' ganzen kryptischen Gedanken da auffiel: Zoras Chimalis hatte diesen Vogelpakt doch auch, oder? Hätte seine Seele dann nicht nach dessen Tod auch vernichtet werden müssen? Ich meine, eigentlich hätte der doch gar nicht wiedergeboren werden können... oder?
Jedenfalls sind die Niemande jetzt weg und ich bin ein bisschen traurig, weil ich sie mochte. Gefallen hat mir aber, wie Zoras sich am Ende über die Götter aufgeregt hat... ich meine, recht hat er. ='D
Fand gut! ^o^


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