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Die Chroniken von Khad-Arza - Die andere Seite des Himmels

Drittes Buch
von

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Rufe aus der Finsternis

Eneela brannte. Das Feuer war überall, sie wusste genau, dass sie nicht fliehen konnte, und dennoch wuchs in ihrem Inneren die Panik, eine Todesangst, die sie nicht zu bändigen vermochte. Und sie schrie und schlug um sich, versuchte, die Flammen von ihrem Leib fern zu halten, doch durch das Knistern des tödlichen Feuers hindurch hörte sie das kehlige Lachen von Ulan Manha, dem Sklavenkönig. Sie sah seine dämonische Fratze mit den spitzen Eckzähnen – die, die Karana auch hatte, weil er genau wie Manha von demselben Mann abstammte, vom Tyrannen Kelar Lyra.

„Hast du gedacht, du könntest mir davonlaufen, Eneela Kaniy?“, hörte sie seine schnarrende Stimme und wimmerte verzweifelt, während das Feuer sie lebendig verbrannte und die Panik in ihrem Inneren sie so sehr blendete, dass sie glaubte, sie stürbe allein an ihr und gar nicht an den Flammen. Hast du geglaubt, du würdest leben, weil du die einzige Sklavin bist, die mir jemals davonlaufen konnte? Deine Mutter wird sich nicht noch mal für dich opfern können, wenn ich dich erwische... und dann Gnade dir Vater Himmel, du elendige Würmerbrut.“

Sie schrie – und in dem Moment, in dem sie glaubte, sie würde in den Flammen sterben und an ihrer eigenen Panik ersticken, spürte sie das Wasser, das sie einhüllte und das Feuer vertrieb... das Wasser, das alles fort spülte.

Die Flammen und Manha, ihre Vergangenheit auf Ghia... und die Schuldgefühle wegen ihrer Mutter, die sie zum Sterben zurückgelassen hatte.

Als sie aufwachte, weinte sie. Sie wusste nicht, wo sie war, bis sie das sanfte Vibrieren wahrnahm, das ihr signalisierte, dass sie auf der Tari Randora waren. Und sie flogen wieder... dann hatten sie den Karanyi-Nebel also verlassen. Eneela lag auf dem unbequemen, bettartigen Gestell in der kleinen Kammer, die sie hier auf der Tari Randora bewohnte, aber sie konnte sich nicht erinnern, sich hingelegt zu haben. Das einzige, woran sie sich erinnerte, war das Feuer aus ihrem Traum... und Ulan Manhas schäbiges lachen.

„Shh... beruhige dich, Eneela. Du bist in Sicherheit, niemand wird dir hier was tun.“ Als sie die vertraute Stimme hörte, drehte sie verwirrt den Kopf und erblickte Simu, der neben dem Bett am Boden hockte, gegen die stählerne Wand gelehnt, und am Stab seiner Waffe herum pulte. Jetzt unterbrach er seine Beschäftigung, um ihr ins Gesicht zu sehen. Eneela rappelte sich umgehend auf, bis sie saß und die Wolldecke, mit der sie zugedeckt gewesen war, von ihrem Körper rutschte. Das junge Mädchen verbeugte sich hastig.

„E-entschuldigt, Herr, ich – ich mache doch nur Ärger! Es tut mir leid...“ Sie hörte ihn stöhnen.

„Hör endlich auf, mich im Plural anzusprechen, ich dachte, inzwischen hättest du es dir abgewöhnt. Ich bin nicht dein Herr und du bist hier keine Sklavin mehr, Eneela. Also hör auf, dich wie eine zu benehmen.“ Sie errötete, in gebeugter Haltung bleibend, weil sein Tadel sie beschämte. Obwohl sie wusste, dass er recht hatte... es fiel ihr immer noch schwer. Es war vermutlich etwa ein Jahr her, dass sie Simu zum ersten Mal begegnet war. Und dennoch verspürte sie ihm gegenüber eine so tiefe Dankbarkeit und Verpflichtung, dass sie, die sie als Sklavin geboren und aufgewachsen war, einfach nicht anders konnte, als so mit ihm zu sprechen. Es kostete sie viel Mühe, sich das abzugewöhnen... dabei sollte man meinen, dass es doch leicht sein müsste. Aber dieser Mann hatte ihr mehrmals das Leben gerettet, und nicht nur rein wörtlich; er war für sie da gewesen, immer, wenn es ihr schlecht gegangen war. Auch jetzt war er hier, völlig selbstverständlich, als wäre er nur für diesen Zweck geboren worden, ihr Kindermädchen zu sein. Sie schämte sich dafür, so unnütz zu sein... sie wollte stark sein. Sie wollte ihm einen Grund geben, stolz zu sein, ihm zeigen, dass er sie nicht bemuttern musste, dass sie auf sich selbst aufpassen konnte, damit er nicht länger ihretwegen Mühe hatte.

Aber sie konnte es ja nicht...

„Wir... fliegen wieder.“, sagte sie leise, um das leidige Thema zu wechseln, immer noch ohne ihn anzusehen, und er machte ein zustimmendes Geräusch.

„Schon eine Weile. Du warst ziemlich fertig, nachdem du zweimal eine Lian beschworen hast, deshalb hab ich dich hergebracht. Fühlst du dich besser? Tut mir leid, wenn ich dir auf die Nerven gehe, ich... hatte einfach das Bedürfnis, hier zu sitzen, bis du aufwachst.“ Jetzt konnte sie nicht anders, als ihn anzustarren. Was sagte er da? Er war ihretwegen die ganze Zeit hier geblieben?

„D-das... das... nicht doch...!“, wimmerte sie verzweifelt, und Simu stand auf, stellte seine seltsame Waffe auf den Boden und schenkte ihr einen energischen Blick.

„So, pass mal auf. Noch einmal so ein unterwürfiges Gequatsche, Eneela, und ich rede nie wieder mit dir. Ich helfe dir gerne, wenn ich kann, weil ich dich gern habe, nicht, weil ich erwarte, dass du mir dafür Respekt oder gar Loyalität zollst, verstanden? Bekomm das in deinen Kopf, Mädel.“ Sie keuchte, als seine blauen Augen sie streng fixierten – Moment mal, was dachte der sich denn, wenn er sie mit so einer Autorität in der Stimme zurecht wies, fiel es ihr doch nur noch schwerer...

Sie widerstand tapfer der Versuchung, sich wieder zu verbeugen, weil sie ihn nicht ärgern wollte. Zögerlich nickte sie scheu, ehe sie sich vom Bett erhob.

„Tut mir leid. Ich... arbeite daran, ich verspreche es! Ich versuche es ja, es... fällt mir schwer... Simu.“ Entgegen seiner eben noch so autoritären Haltung, die ihr absolut deutlich vor Augen geführt hatte, dass er mit Haut und Haar der Sohn eines Generals war – und der Adoptivsohn eines mächtigen Politikers, der es gewohnt war, das Sagen zu haben – lächelte er sie jetzt wieder nachsichtig an.

„Ich weiß. Ich bin ja auch geduldig mit dir. Aber diese Unterwürfigkeit macht mich krank... es fühlt sich... falsch an, wenn Leute vor mir auf den Knien liegen, ich komme mir dann vor wie... ein Sklaventreiber. Und der Gedanke, dass du in mir nur... einen zweiten Scharan siehst, stößt mir ziemlich übel auf, ehrlich gesagt... findest du, ich bin ihm ähnlich?“ Sie erbleichte.

„Was?! N-nein!“ Seine ganzen Worte verwirrten sie extrem. Natürlich sah sie nicht Scharan in ihm... wie könnte sie? „W-was... soll ich denn in dir sehen?“, fragte sie unbeholfen, im selben Moment kam ihr noch, dass die Frage irgendwie echt blöd kam. Simu musste darüber auch schmunzeln.

„Ich weiß nicht.“, zuckte er leichtfertig mit den Schultern, „Vielleicht... einen Freund? Von mir aus auch einen Mistkerl, der dir dauernd auf die Nerven geht, das wäre mir lieber als ein Sklaventreiber.“ Er feixte, als sie errötend weg sah – ach, Himmel, es war gemein, wenn er auf ihre Kosten scherzte. Obwohl sie beide wussten, dass er es nicht böse meinte... und er würde wissen, dass sie es auch wusste, sonst hätte er es nicht gesagt.

Er nahm seine Waffe wieder und drehte sich zur Tür der Kammer.

„Gehen wir zu den anderen? Sie schauen sich schon Thiras Karte an und besprechen, wie es weitergehen soll. Vielleicht wäre es gut, wenn wir dazu stießen, jetzt, wo es dir besser geht.“ Sie nickte zögernd, strich ihre Kleider glatt und wischte sich über die Augen, um die Reste der Tränen zu verstecken. Sie wollte nicht immer die Heulsuse sein. Sie wollte stark sein... für diese Menschen, mit denen sie hier war, die zu ihr hielten und sich um sie kümmerten. Für die Sieben, zu denen sie gehörte... und vor allem für Simu, der ihr so sehr ans Herz gewachsen war.

Als sie gerade zu ihm und der Tür gehen wollte, hielt er noch mal inne und sah sie kurz an, ehe er wiederum lächelte.

„Ich hab noch gar nicht gesagt... wie tapfer du warst da draußen, Eneela. Du hast zum ersten Mal eine andere Lian als Yolei beschworen... und du hast das Schiff gerettet. Ich bin kein geübter Redner, ich weiß nicht... was man in so einem Fall sagt, wenn man jemanden loben will, ohne dabei wie ein Vater oder Lehrer zu klingen. Ich... glaube, ich spare mir die Worte, du... weißt ja, was ich meine.“ Und sie starrte ihn an, als er ihr den Rücken kehrte und endlich die Kammer verließ, und war so tief gerührt von seinen Worten, dass sie erneut gegen die Tränen kämpfen musste.
 

Die ganze Mannschaft hatte sich im Steuerraum versammelt, während Thira ihren Job als Steuermann wieder aufgenommen hatte und sie durch die pechschwarze Finsternis des Alls manövrierte. Neben ihr ausgebreitet lag die Karte, die sie bekommen hatte, über die sich quasi alle anderen gleichzeitig beugten und versuchten, sie zu entziffern; was ihnen nicht gelang, weil sie kein zuyyanisch konnten. Und erst recht keine altzuyyanischen Runen, mit denen die Karte beschriftet war. Yarek, der etwas Abstand von dem Haufen hielt, konnte das Altzuyyanische nur sehr spärlich lesen, sein Talent darin ging gegen Null; diese Schrift richtig lesen zu können erforderte ein intensives Studium, das Jahre dauerte, wenn man nicht gerade über so ein fotografisches Gedächtnis wie Chenoa verfügte – oder Thira, wie es aussah, denn sie konnte es tatsächlich problemlos lesen, dabei hatte Chenoa sie die alte Schrift nur wenige Monde lang in Suyuhhr gelehrt. Yarek war schleierhaft, wieso Honuk Jamali die Karte, die zur Trias führte, in einer Schrift bezeichnet hatte, die zu seinen Lebzeiten schon seit Ewigkeiten altertümlich und unbrauchbar gewesen war. Nur emsige Gelehrte konnten sie lesen, in reichen, pompösen Familien auf Zuyya war es Sitte gewesen, aus purer Muße diese Schrift zu lernen, da man als Adeliger ja gebildet sein musste und damit angeben können wollte, was man alles konnte und wusste. Manche der alten Clans definierten sich allein durch solche Traditionen und ließen schon ihre jüngsten Sprösslinge im zartesten Alter diese ätzend langweiligen Runen lesen und gar schreiben lernen, was für die aktuelle Welt absolut sinnfrei war, denn kein Mensch benutzte diese Schrift mehr. Vielleicht war Honuk Jamali langweilig gewesen und er hatte sich gedacht, wenn er schon, wie vermutlich alle Adeligen in seiner Generation, als Kind jahrelang unter Qualen der Nerven all seine Freizeit mit dem Studium dieser verblödeten Schrift hatte verbringen müssen, da musste sie doch auch mal benutzt werden, so rein aus Prinzip. Vielleicht hatte er aber auch gedacht, dass so gewährleistet wäre, dass auch ja kein Amateur mit dieser Karte je etwas anfangen könnte. Die Zahl der Hochadeligen auf Zuyya war relativ klein, dementsprechend also auch die Zahl derer, die diese verdammte Schrift konnten. Yarek hatte sie von Chenoa nur teilweise beigebracht bekommen und war kläglich gescheitert.

„Ich verstehe die Karte nicht.“, sagte Tayson gerade, der mit den anderen über dem Stück Pergament hing, in dem Moment, in dem Yarek auch Simu und Eneela zu ihnen stoßen sah. Er nickte beiden verhalten zu und erntete von Simu ein Nicken zurück, von der Lianerin kam ein scheuer Blick.

„Das ist kein Wunder, bei deinem Intellekt, Tay-Tay.“, schnarrte Zoras dann, und als nächstes folgte ein Schwall übler Beschimpfungen von Tayson, was dazu führte, dass Zoras noch giftiger zurück schoss, bis Karana die beiden genervt auseinander schubste.

„Hört ihr mal auf, wie soll man sich denn so konzentrieren?! Himmel, euer Gefrotzel ist echt kindisch, und ich meine euch alle beide!“

„Sieh es ihm nach, er ist eben noch klein.“, sagte Tayson zynisch, und Zoras schien es nicht in den Kram zu passen, schon wieder wegen seiner nicht vorhandenen Körpergröße gepiesackt zu werden, er verschränkte wütend die Arme vor der Brust und schnaubte.

„Sieh es ihm nach, Karana, er hat eben kein Gehirn.“

„Schon klar, du bist frustriert, Zoras.“, spottete Tayson weiter, „Verstehe ich, wenn man als Kind verprügelt und wie eine Frau vergewaltigt wurde, kriegt man Komplexe und muss es an anderen auslassen, dass man so ungerecht behandelt wurde.“

„Tayson!“, schrie Neisa jetzt dazwischen, offenkundig nicht amüsiert, und Yarek verdrehte die Augen – wie weit unter die Gürtellinie wollten sie denn noch sinken?

„Als Mann, der mit dem Penis denkt, beziehst du natürlich alles immer nur auf sowas.“, konterte Zoras nicht wirklich niveauvoller, und Tayson brummte:

„Immerhin hab ich einen, dessen Größe man noch messen kann.“

„Du bist ja nur neidisch, weil du keine Frau hast, um dein hochgelobtes Gerät auch zu benutzen.“

„Als nächstes kommt noch Es kommt nicht auf die Größe, sondern den Inhalt an, oder was?“, gab Iana irgendwo von sich, ohne irgendwen anzusehen, völlig vertieft in die Karte, und Yarek war geneigt, darüber zu grinsen; wenigstens eine hier, die nicht den Verstand verlor.

„Ich fürchte, der Inhalt ist in diesem Fall nicht ernsthaft unterschiedlich.“, sagte selbst Thira am Steuer, und Karana warf stöhnend die Hände in die Luft.

„Verdammt, Zoras, Tayson, seid ihr jetzt fertig oder wollt ihr rausgehen und eure Schwänze messen?! - Wir haben hier wichtiges zu besprechen und ihr... zickt euch wegen Penissen an?! Himmel, Neisa, hau mit ihnen ab und macht 'nen Dreier, dann ist hier vielleicht mal Ruhe.“ Neisa errötete und Iana lenkte jetzt die Aufmerksamkeit zurück auf die Karte.

„Wie funktioniert die, Thira? Ich sehe nur viele Kreise ineinander, und auf jeder Kreislinie befinden sich an offenbar willkürlichen Orten irgendwelche... Dinger. Wie finden wir denn damit den Weg zur Trias? Zeigt sie an, wo was ist?“

„Nein.“, antwortete die Zuyyanerin, und augenblicklich schienen alle niveaulosen Streitigkeiten vergessen und alle sahen sie an.

„Was dann?“, wollte Karana wissen und kratzte unruhig an dem Verband um seinen Unterarm, der das Fluchmal verbarg. Yarek fragte sich, ob es wohl schmerzte... und ob das bedeutete, dass Scharan irgendetwas plante.

„Sie zeigt die Stationen an, die wir passieren oder besuchen müssen auf dem Weg. Man verfolgt alle diese, wie Iana sie nannte, Dinger der Reihe nach, dabei ergibt sich auf der Karte ein spiralförmiger Weg, der sich immer weiter zur Mitte hin bewegt. Und da ist dann die Trias. Die nächste Station ist der Mond Yasar.“ Sie deutete mit dem Finger auf zwei kleine Kugeln auf der Karte. „Dort müssen wir landen und uns mit Proviant eindecken. Dafür haben wir genau drei Tage, keinen Tag länger.“

„So lange?“, fragte Karana unwirsch, „Von fünfundfünfzig Tagen verschwenden wir ganze drei auf einem Mond, um Essen zu sammeln?“

„Ohne Essen sterben wir, da bringt es auch nichts, wenn wir nach dreißig Tagen bei der Trias wären.“, antwortete Thira, was definitiv wahr war. „Außerdem vergeht die Zeit im All anders als auf einem Planeten. Sie läuft langsamer; das bedeutet, drei Tage auf einem Planeten sind allerhöchstens einer im All, den wir verlieren. Und diese fünfundfünfzig Tage sind nach der Zeit im All bemessen.“ Das war neu; Yarek hatte keine Ahnung davon, ihm blieb nichts anderes übrig, als Thiras Worten blind Glauben zu schenken, ebenso mussten es die anderen tun, die einander jetzt kurz ansahen.

„Was ist mit Scharan?“, mischte der Söldner sich dann ruhig ein, worauf ihn die meisten ansahen. „Das waren vermutlich seine Leute, die uns angegriffen haben, oder? Was waren das für Typen, Simu? Ihr habt sie ja miterlebt.“ Er selbst hatte keine ernsthafte Gelegenheit bekommen, sich die Feinde anzusehen, weil Zoras aus heiterem Himmel zum Berserker geworden war und sie alle mit einem Schwung seiner Hellebarde davon gefegt hatte; dieser Kerl war echt unberechenbar. Und augenscheinlich aus irgendeinem Grund wahnsinnig aufgewühlt seit der Konfrontation mit Scharans Lakaien. Keiner schien zu wissen, was eigentlich mit ihm los war, außer Neisa, die als Einzige nicht mit Sorge in den Augen zu ihrem Mann sah, wenn der mal wieder eine unwillkürliche, heftige Bewegung machte, als hätte er nervöse Zuckungen. Yarek hatte bereits weise beschlossen, sich da rauszuhalten; vermutlich hatte es mit den Visionen zu tun, die die Schamanen eben oft hatten, mit der Kommunikation mit den Geistern. Dass das einen Magier ziemlich einnehmen und verrückt machen konnte, wusste er aus diversen Quellen, auch, wenn Zoras Derran da wirklich ein extremes Beispiel zu sein schien.

Simu antwortete jetzt.

„Sie waren Schamanen. Drei habe ich definitiv gesehen, einen weiteren, als Zoras sie zum Himmelsdonner gejagt hat. Einer ist Telepath; er wird sich und seine Kumpanen rechtzeitig wegteleportiert haben, dass sie noch leben, steht außer Frage, schätze ich. Einer kämpft mit Feuer, der andere nannte ihn Kanau. Und der andere, der mit Pflanzen kämpft, wurde Yatli gerufen... dann haben sie noch einen Namen erwähnt, Daku. Der muss Erdmagier sein und irgendwie die Erde aufbrechen gelassen haben... das war wohl der, der später dazu stieß.“

„Irrtum.“, sagte Ryanne, worauf alle sie ansahen, und sie grinste amüsiert, während sie kokett das Standbein wechselte. „Daku Cobar ist Erdmagier, das stimmt, aber gesehen hast du ihn nicht, er war weiter weg und hat die Erdmagie aus Distanz angewandt. Der vierte, den du gesehen hast, war Heiler, sein Name ist Turo Ankti. Ich hab ihn gesehen, er war bei mir und wollte die Batterie klauen.“ Simu weitete die Augen.

„Der war im Schiff?!“, keuchte er, „W-wie...?!“

„Na ja, es war offenbar der Plan, euch alle mit den anderen Trotteln abzulenken, sodass der Letzte unbemerkt ins Schiff schleichen konnte. Ihr wart in einem Graben, den Daku gemacht hat, und konntet die Tari Randora von dort aus nicht mehr sehen, oder? Asta war halb tot und Eneela stand mit dem Rücken zum Schiff.“ Das leuchtete ein – Yarek war ehrlich erstaunt darüber, dass sie so beisammen war, das alles einfach so zu wissen, obwohl sie nichts davon mit eigenen Augen gesehen hatte – schließlich war sie die ganze Zeit im Schiff geblieben.

„Du kennst die vollen Namen der Typen, Seherin?“, fragte Karana, „Was ist mit den anderen? Kanau, Yatli und... wie heißt denn der Telepath?“

„Rok Wirake.“, meldete Ryanne grinsend. „Kanau stammt von den Nomae ab; einem Clan, dessen Name bereits deinem Vater und seinen Kollegen auf Zuyya über den Weg gelaufen ist. Erinnert ihr euch daran, dass König Puran Lyra uns erzählte, die Baupläne der Tari Randora seien gestohlen worden... und dabei hätte jemand die Wachen des Palastes mit einem Lavazauber kalt gemacht? - Haha, kalt gemacht, was für ein Wortwitz. Das war er... der vom Clan der Nomae stammt.“

„Du wusstest das?“, keuchte Zoras ungehalten und schüttelte unruhig seine Hände, die wie Espenlaub zu zittern begonnen hatten.

Jetzt weiß ich es, ja.“, strahlte sie ihn an und Zoras zischte – Iana mischte sich jetzt ein, um den drohenden Streit zu verhindern.

„Wie kann es angehen, dass sie uns so schnell gefunden haben? Oder wussten sie, dass wir zum Karanyi-Nebel müssen?“

„Sie werden uns gefolgt sein.“, sagte Karana zu seiner Frau, „Nicht sonderlich schwer.“

„Doch, nämlich wenn man bedenkt, dass wir sie nicht gesehen haben. Wenn wir für sie in Sichtweite waren, während sie uns folgten – wieso haben wir sie nicht gesehen, obwohl wir Ausschau gehalten haben?“ Darauf erntete sie eisernes Schweigen, selbst Karana schienen jetzt die Worte zu fehlen. Yarek zog in aller Ruhe an seiner Kippe und dachte einen Moment darüber nach.

„Wenn Henac Emo nicht tot wäre, würde ich auf Schattenzauber tippen, der gut unsichtbar machen kann...“, murmelte er, „Wenn sie nicht zufällig noch einen Schattenmagier haben, tippe ich mal auf zuyyanische Magie. Die kann ziemlich viel in dieser Richtung... nicht wahr, Thira?“

Alle Blicke wanderten auf die Zuyyanerin, die eisern nach vorn starrte und lange nichts sagte. Dann sprach Zoras, der dabei angewidert die Lippen schürzte.

„Dieser Typ. Yamuru. Der ist bei ihnen, daran hätte ich denken sollen.“

Was?!“, schnaubte Karana, „Moment mal, welcher Typ?! Wer ist denn Yamuru?“

„Er behauptet, Thiras Vetter zu sein.“, sagte sein Schwager grollend, „Ich bin ihm... bei Fanns Untergang begegnet. Und an dem Tag, an dem ich Manha und Emo mit genau diesem Typen in den Bergen gesehen habe.“ Er sah zu Thira. „Wusste Chenoa nicht davon?“ Die Grünhaarige schwieg wieder eisern – es dauerte etwas, bis sie antwortete.

„Yamuru Mirrhtyi...“, murmelte sie düster, „Ich fürchte, das erklärt so manches.“

„Was meinst du damit?“, fragte Zoras sie giftig und Yarek bekam das Gefühl, der kleine Geisterjäger wäre kurz davor, vor Wut zu explodieren. Karana schien das auch aufzufallen, er machte stirnrunzelnd einen Schritt rückwärts und musterte seinen Schwager skeptisch.

„Himmel, Zoras, beherrsch mal deine Aura, die tötet Mikroorganismen in der Luft...“ Zoras kam zum Glück nicht dazu, ihm zu antworten – das wäre sicher böse ausgegangen – weil Thira jetzt sprach.

„Dass sie irgendwen da haben, der Ahnung hat, war mir klar. Da ich jetzt weiß, um wen genau es sich handelt, erklärt das durchaus, wieso sie uns sehen konnten. - Iana hat es etwas falsch dargelegt. Das Ungewöhnliche ist nicht, dass wir sie nicht sehen konnten, sondern dass sie uns sehen konnten. Mit Hilfe der Reikyu bin ich fähig, unsere Anwesenheit zu verbergen; das kostet zwar eine Menge Kraftreserven, aber im Moment geht es noch. Dass irgendwer bei ihnen, der offenbar ein überaus begabter Nutzer der Reikyu ist, bei ihnen dieselbe Technik benutzt, steht wohl außer Frage. Dass sie uns trotzdem sehen konnten, selbst nachdem ich den Schutzmechanismus aktiviert hatte, liegt an diesem Mann, von dem Zoras gesprochen hat.“

„Dann ist er echt dein Cousin?“, fragte Neisa jetzt.

„Das ist er in der Tat und das macht ihn für uns ziemlich gefährlich; weil es bedeutet, wir sind vom selben Blut. Vom Blut der Himmelclans.“ Iana runzelte die Stirn.

„Dann ist sein Blut wohl besser als deines, oder was?“ Thira seufzte.

„Nein. Aber er ist älter als ich und... ich weiß nicht genau, was es ist, aber ich habe in meinen Träumen gesehen, dass seine Sehfähigkeiten eine ziemliche Seltenheit sind. Er ist ein außergewöhnlich guter Seher... woran das liegt, wird sich vielleicht noch zeigen.“ Sie erntete Schweigen und Yarek zog noch einmal in Ruhe an seiner Zigarette. Dann sprach Tayson.

„Was sind diese Himmelclans? Davon... redest du manchmal, Thira. Was bedeutet das eigentlich?“ Alle sahen ihn an, aber nur kurz, um dann die Blicke wieder auf die Zuyyanerin zu richten. Yarek zog eine Braue hoch; nicht wegen der Frage, eher darüber, dass sie erst jetzt kam. Wie, die ganzen Spinner hatten keine Ahnung von zuyyanischer Geschichte und jetzt kam ihnen mal, dass es vielleicht gut wäre, das zu hinterfragen?

Weil Thira etwas zögerte, seufzte er und machte selbst den Anfang.

„Der Ursprung der vier Himmelclans führt weit zurück in der zuyyanischen Geschichte. Wisst ihr, Zuyya war nicht immer ein einziges Imperium. Früher – lange, lange vor der tharranischen Zeitrechnung – war der große Kontinent der Zuyya in vier Reiche eingeteilt. Es gab ein Reich für jede Himmelsrichtung. Das Südreich Yamxieh, das Ostreich Ngrrchah, das Westreich Ngurrha und das Nordreich Okothahp.“ Er machte hier eine Kunstpause, weil er jetzt einen erleuchteten Aufschrei erwartete – als der ausblieb, verdrehte er die Augen. „Okothahp. Den Namen habt ihr schon mal gehört. Es ist der Name der Provinz, die Thiras Familie gehörte. Nun, diese Provinz war alles, was zuletzt im Imperium von dem einst großen Nordreich übrig war... das heißt, Thiras Familienmitglieder, die Jamalis, sind die direkten Nachfahren der damaligen Herrscherfamilie des Nordreiches.“ Das schien jetzt zu fruchten, denn alle weiteten die Augen, sahen einander, Thira und Yarek verdutzt an und sagten dennoch nichts. Yarek war insgeheim stolz auf sich, Chenoas Lektionen in Geschickte noch so gut zu kennen; er hoffte, Thira würde ihn korrigieren, wenn er etwas falsches erzählte. „Dementsprechend hatte natürlich jedes der vier Reiche damals einen Herrscherclan. Diese vier Familien, deren Nachkommen bis heute noch leben, nennt man auf Zuyya die vier Himmelclans. Man sagt ihnen besondere, magische Macht nach, die Himmelclans selbst bezeichnen sich oftmals als direkte Nachfahren des Gottes Katari, aber sowas ist ja immer schwer zu beweisen.“

„Als die vier Reiche untergingen, entstand das Imperium.“, fuhr Thira ungebeten fort, während sie geradeaus starrte und steuerte. „Seitdem wurden die vier Familien gefürchtet, geächtet, verfolgt und ausgerottet, so gut es ging; da heute immer noch welche übrig sind, waren die Imperialisten da nie so ganz erfolgreich, schätze ich. Alle Angehörigen der Himmelclans sind grundsätzlich Gegner des Imperiums. Ihre einst großen Reiche wurden zu vier winzigen Provinzen des Imperiums zusammengeschrumpft und was immer die Imperialisten sonst so gemacht haben in den vergangenen Jahrhunderten, es wurde vehement dafür gesorgt, dass die Himmelclans keine Macht mehr erlangten und keinen Einfluss bekamen. Man fürchtete... die Macht, die sie verkörperten. Nicht nur elementare Zauber, es geht vor allem um den Umgang mit der Reikyu. Chenoa, die weise Seherin, die alles sieht und weiß, ist die letzte Nachfahrin des Südclans von Yamxieh. Ich bin die letzte Erbin des Nordclans... und Yamuru Mirrhtyi, der Sohn des Bruders meiner Mutter, stammt aus dem Westclan. Soweit ich weiß, kann außer ihm auch kaum noch jemand von den Mirrhtyis übrig sein... wie es um den Ostclan bestellt ist, weiß ich gar nicht.“ An dieser Stelle sah Yarek sie von der Seite kurz nachdenklich die Stirn runzeln, kommentierte das aber nicht weiter.

„Dann ist die Tatsache, dass dieser Typ vom selben Kaliber wie Chenoa und Thira gegen uns arbeitet, ziemlich ungünstig.“, drückte Karana die Sache dann ziemlich milde aus, worauf Zoras plötzlich wutentbrannt zischte, die Fäuste ballte und in Richtung Tür stampfte.

„Für mich ist die Sache geklärt.“, grollte er, „Sie werden uns weiter folgen, wenn sie die Batterie wollen – also seid auf der Hut, sie werden es auch sein.“ Mehr sagte er nicht, dann verließ er den Steuerraum und ließ die anderen verblüfft über seine ungewöhnliche Aggression zurück. Seine Frau folgte ihm mit einer gemurmelten Entschuldigung zu ihren Kameraden; als die beiden weg waren, hatte Yarek plötzlich das Gefühl, besser atmen zu können. Was immer es war, das Zoras so dermaßen aufregte, es nahm ihn so absolut ein, dass es sich auf alle anderen auch auswirkte... wenn selbst er als Nichtmagier das merkte, war es in der Tat bedrohlich. Die unschönen Gedanken zunächst verdrängend starrte der Söldner schweigend aus dem Fenster des Steuerraums in die endlose Schwärze des Alls, das sie durchquerten... auf der Suche nach einem Ort, den niemand von ihnen zu kennen schien, zu dem sie bloß ein altes Pergament mit diesen ätzenden zuyyanischen Runen führen sollte.
 

Zoras hörte Neisas Stimme, die seinen Namen rief. Er ignorierte sie, stattdessen rannte er schneller, weg vom Steuerraum, weg von den anderen – er wollte verdammt noch mal Abstand, er wollte seine Ruhe.

„Lass mich allein, Neisa!“, fuhr er seine Frau an, als sie ihn noch einmal rief, und in seinem Inneren rauschte das Blut vor Aufregung, und mit jedem Schritt wurde es schlimmer. Die Geisterstimmen wisperten in seinem Kopf und machten ihn wahnsinnig mit ihrem Geflüster über Tod und Schatten.

„Wovor läufst du weg?“, fragten sie ihn energisch, „Vor deiner eigenen Frau?“

„Oder vor deiner... Unfähigkeit?“, kicherte eine zweite Stimme in seinem Kopf, „Tod und Schatten... sind euch allen gewiss, Zoras Derran, Herr der Todesvögel. Das Ende... im Abgrund der Finsternis. Suchst du bereits danach, hm?“

„Haltet die Schnauze, wenigstens für einen verdammten Moment!“, brüllte er und griff sich im Rennen hysterisch keuchend an den Kopf, „Verpisst euch, na los! Ich... bin Herr über euch! Ihr solltet... vor mir kriechen, wenn ich es sage, oder nicht?!“

„Sollten wir das?“, neckten ihn die Geister vehement, „Fall in die Finsternis, Zoras Derran... hinab in die Schatten, in die du gehörst... du weißt es seit du klein bist, nicht wahr? Immerzu... waren die Schatten in dir.“ Er erstarrte und hielt inne, als er das hörte. „Immerzu... waren sie bei dir und sie sind es immer noch. Das schwarze Loch... deiner Seele sind sie, und sie fressen dich auf. Stück für Stück... weil sie Aasfresser sind. Denen du... deine Seele verkauft hast. Ist das nicht witzig?“

Das Gekicher entfernte sich und verstummte schließlich ganz, als Zoras strauchelte, ergriffen von einem plötzlichen, üblen Schwindelgefühl, als wäre mit den Geisterstimmen auch all sein Gleichgewichtssinn verschwunden.

Er wusste nicht mehr, wo er war. Er stand in irgendeinem verlassenen Korridor der Tari Randora. Um ihn herum nichts als der leere Metallgang, unter seinen Füßen die leichte Vibration des Schiffes, das sich bewegte. Er wusste nicht mehr, wie lange er hier war, weder wusste er, wie er hergekommen war, noch, wieso, noch, wohin er eigentlich wollte. Alles, was in seinem Kopf zurückblieb, waren Schatten... und die nackte Panik, die die Bilder der Visionen in ihm herauf beschworen, wieder und wieder. Visionen von Schatten... und vom Ende. Und von seiner Frau, die zu beschützen er nicht so fähig war, wie er geglaubt hatte. Er fühlte sich gejagt von den bizarren Bildern von Ulan Manha und seinen Schergen, die sie gerade auf diesem felsigen Planeten noch davon gescheucht hatten, und wieder und wieder hörte er die Prophezeiung der Geister in seinem Kopf, in einer Endlosschleife schien sie sich ewig zu wiederholen, bis er daran verrückt wurde.

„Suchst du dein Schicksal? Weißt du, was dich erwartet? Ein Ende im Angesicht der Schatten... Zoras Derran, Erbe der Chimalis'. Fall in den Schatten... für immer.“

„Nein!“, brüllte er wütend und wirbelte herum in dem Augenblick, in dem er spürte, wie ihn jemand am Handgelenk packte. Er stierte herab auf die Person, die zu ihm gekommen war, obwohl er sie gebeten hatte, ihn allein zu lassen, und seine Augen brannten – sein ganzer Körper brannte, sein Geist brannte, erfüllt von einem schwarz züngelnden Feuer der Finsternis, das ihn zu ersticken drohte... bis Neisas Griff um sein Handgelenk so energisch und schmerzhaft wurde, dass er unwillkürlich aufkeuchte. Ihre verschiedenen Augen fixierten ihn mit einer Bestimmtheit und Ruhe, die er nicht kannte, und sie machte ihm gleichzeitig Panik und beruhigte ihn dennoch.

„Lass... los.“, sagte sie dumpf zu ihm, ohne den Blick jemals von seinen Augen abzuwenden, und er starrte sie an, wie sie vor ihm stand, die einzige Person auf dem Schiff, die kleiner war als er, und sie hatte dennoch eine Autorität in ihrer Stimme, ihrem Anblick, ihrem ganzen Dasein, die ihn innerlich schwanken ließ. Ihm war schwindelig und er taumelte einen Schritt rückwärts, während sie ihn immer noch schmerzhaft festhielt. „Sieh mich an, Zoras.“, sagte sie mit dieser Nuance in der Stimme, die ihm automatisch einen Schauer über den Rücken jagte. „Lass sie los. Die Geister... sie stellen dich auf die Probe. Gib nicht nach, sieh mich an. Lass sie los, du treibst... schon wieder ab. Sieh mich an, Zoras Derran... mein Liebster.“

Die Worte rührten etwas in ihm. Diesen alten, vergrabenen Instinkt in seinem Geist, der sich schon seit so vielen Jahren zu dieser Frau hingezogen gefühlt hatte... dieser Instinkt, den sie auch besaß und der dafür gesorgt hatte, dass sie dasselbe für ihn empfand. Ihre Seelen waren unzertrennlich miteinander verbunden, und in solchen Momenten, wenn er diese Verbindung spürte, hatte er mitunter das Gefühl, um ihn herum würde sich die Welt auflösen.

Zurück bleiben würden nur er und Neisa... im Schatten der Finsternis seines Geistes.

Er atmete tief ein und aus und zwang sich, ihrem Befehl zu gehorchen, zwang die Geister und Schatten zurück in sein Innerstes, um den Boden unter seinen Füßen wieder zu finden. Das Blut rauschte in seinem Kopf als unangenehme Nachwehen der Trance, in der er sich befand, wenn er so mit den Geistern sprach. Für die Gabe des Sehens ohne Augen, des Hörens ohne Ohren und des Rufens zahlten sie als Geisterjäger alle einen hohen Preis... die Geister verschenkten ihre mächtigsten Gaben nicht an Menschen, die nicht fähig waren, die Nebenwirkungen zu ertragen.

Als der Rausch sich langsam wieder zurückzog und eine gähnende Leere in Zoras' Kopf hinterließ, keuchte er und starrte auf seine Frau, die vor ihm stand und ihn jetzt vorsichtig losließ, offenbar sicher, dass er jetzt wieder bei sich war.

„Du bist hier...“, murmelte er, „Ich hatte gesagt, lass mich.“

„Wie soll ich dich lassen, wenn du alleine über die Klippe springst und nicht mehr hinauf kommst?“, fragte sie zurück. „Du driftest zu weit weg im Rausch der Trance, Zoras... wenn ich dich nicht wieder zurück befehle, wirst du eines Tages... im reißenden Fluss der Geisterwelt verschwinden. Schwimm dagegen an... damit sie dich nicht in die Tiefe reißen.“ Er betrachtete sie einen Moment und war noch immer aufgewühlt durch den vorangegangenen Rausch, so kehrte er ihr schnaubend den Rücken.

„Was weißt du denn?“, murrte er. „Du bist Heilerin. Heiler können das nicht in dem Ausmaß, in dem es Geisterjäger tun.“

„Wohl wahr...“, sagte sie und trat näher an ihn heran, er spürte, wie sie sich von hinten sanft gegen ihn drückte und wie ihre schlanken Arme auf seine Brust nach vorne glitten. Ihre Berührungen elektrisierten ihn und ließen ihn unwillkürlich zusammenfahren. „Aber ich sehe... dich in meinen Träumen, Liebster. Du darfst nicht zu weit abtreiben... und du neigst dazu, eben das zu tun. Die Geister... verführen uns und wollen, dass wir abtreiben. Dass wir in die Finsternis fallen... wenn du zu viel Finsternis in dich hinein strömen lässt, ertrinkst du darin und endest wie mein Bruder.“

Diese Worte gaben ihm zu denken Er versteifte sich in ihrer Umarmung und ballte verkrampft die Fäuste.

„Karana macht im Moment einen ganz zivilisierten Eindruck.“

„Ja, im Moment... weil er die Kraft gefunden hat, dem Dämon zu widerstehen, der in seiner Seele lebt und sich von Schatten ernährt.“ Zoras schwieg. Wer wusste nur, wie lange das anhielt? Wie lange würde Karana fähig sein, dem bösartigen Monster in seinem Geist Einhalt zu gebieten, wenn Scharan mit seinem Bannmal dafür sorgte, dass er es wieder frei ließ? Diese Gedanken machten ihm Sorgen... er hatte davon geträumt. Der Dämon in Karanas Inneren war eine Gefahr für sie alle... und insbesondere für die arme Neisa. Der Schwarzhaarige schwor sich verbiestert, seinen Schwager zur Not auch zu erschlagen, wenn es keine andere Lösung gab, seine Frau vor ihrem wahnsinnigen Bruder zu schützen...

„Kannst du das denn?“, stichelten die Geister, und er blieb ihnen die Antwort schuldig.

„Bevor wir aufbrachen, sagte Chenoa, der Schatten würde an uns allen ziehen. Und um zu verhindern, dass wir fallen... müssen wir uns ein Licht suchen, an das wir uns klammern können, Liebster.“ Zoras hörte Neisa sprechen und antwortete nicht, als ihre Hände auf seinem Oberkörper auf und ab wanderten, am Ende weiter hinab zum Bund seiner Hose. „Also lass... sie los, wenn du spürst, dass sie an dir ziehen. Ich bin hier... ich bin dein Licht, Zoras.“ Er musste jetzt verhalten lachen.

„Ah...“, machte er dumpf, ehe er sich zu ihr umdrehte, sie an den Schultern fasste und gegen die nächste Wand drückte, um sich über sie zu beugen und mit den Lippen kurz vor ihren inne zu halten. „Und wenn du... auch ausgehst? Was mache ich dann?“

Zu seiner Überraschung lächelte sie ihn an.

„Dann machst du gar nichts... dann bin ich ein Schatten. Und dann ziehe ich dich hinab... und du wirst dich nicht wehren wollen, weil du mich willst.“

Das gesagt küsste sie ihn verlangend auf die Lippen.
 

„Glaubst du, dass Götter existieren, Iana?“

Die junge Frau hob den Kopf, während sie gelangweilt auf dem Bett saß, das sie mit Karana teilte. Er selbst lag zu ihren Füßen auf demselben Bett und drehte in seiner Hand den Zeitanzeiger – das merkwürdige Objekt, das Chenoa ihnen mitgegeben hatte, damit sie nicht vergaßen, wie viele Tage sie noch hatten. Das erste der elf Lichter im gläsernen Inneren des Zeitanzeigers war erloschen... damit blieben ihnen noch fünfzig Tage. Der Gedanke an die Zeit machte ihn nervös... Chenoa hatte nicht gelogen. Man verlor das Gefühl für sie absolut hier draußen. Es war schwarz... immerzu. Es gab keinen Morgen, keinen Mittag, keinen Abend, es gab nur Schwärze. Es war dunkler als auf Zuyya... und kälter. Erbarmungsloser... Karana sah zum Fenster der Kammer, in der er und Iana hockten und darauf warteten, dass sie demnächst den Mond Yasar erreichten, den Thira erwähnt hatte. Es fühlte sich an, als wollte die Schwärze seine Seele hinaus saugen und für immer verschlingen... es war ein bedrückendes Gefühl. Den anderen schien es ebenso zu gehen, Karana hatte nicht den Eindruck, dass die Stimmung besonders gut war. Wenn er da an Zoras dachte, der mit seiner nervösen Aura den Eindruck gemacht hatte, als würde die Spannung ihn gleich explodieren lassen... er hoffte, seinem kleinen Kollegen und Schwager ging es inzwischen etwas besser, er war so wahnsinnig unkooperativ in diesem Zustand, das erschwerte nur alles. Neisa würde ihn schon irgendwie beruhigen... Neisa konnte das.

„Götter?“, fragte Iana, „Wieso Götter?“ Der Geisterjäger winkelte die Beine an, während er auf dem Bauch lag und noch immer auf den Zeitanzeiger starrte, als brächte er ihm die ultimative Erleuchtung.

„Ryanne hat mal davon gesprochen. Die Welt der Götter, hat sie gesagt... nein, sie hat gesagt, die Tari Randora wäre der Schlüssel zur Welt der sieben Götter. Wenn wir mit der Tari Randora zur Trias kommen... hat sie damit dann die Welt gemeint, die wir mit der Trias erschaffen sollen? Wieso Götter?“

„Vielleicht meinte sie uns.“, zuckte Iana mit den Schultern, „Wir sind die Sieben. Und wir haben eine große Aufgabe, vielleicht setzt die verrückte Seherin Götter mit Auserwählten gleich.“ Er runzelte die Stirn. Das mochte sein... und doch wusste er nicht recht, was er glauben sollte. Es gab noch irgendetwas, das er übersah... etwas, das ihm nachts den Schlaf raubte und ihn nervös machte.

Die Frage, warum ausgerechnet sie die Sieben waren... was sie miteinander verband, dass die Geister sie bestimmt hatten, um die Seele von Khad-Arza zu retten... um den Menschen eine neue Welt zu geben.

Antwortet mir... Geister.

Doch die Geister hüllten sich in Schweigen... wie sie es bereits taten, seit die aufgebrochen waren. Das einzige, was ihm antwortete, war das Fluchmal an seinem Unterarm, das lauernd zu ziepen begann.
 


 


 


 

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Döööhh. Es geht voran... ahahaha :'D



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  -Izumi-
2013-03-11T15:20:31+00:00 11.03.2013 16:20
... wo... ist die HTML-Ansicht hin?
WOOOOOO?
ARGH! AAAAAAH! *durchdreh* Scheiß Seitenansicht, so kann ich das doch gar nicht lesen! (Nicht, dass ich es je online täte, aber so aus Prinzip)

Okay, ruhig. Kommi und so.
Eneela ist so herzig. Sie ist so arm, sie hat viel erlebt, aber trotzdem wird sie irgendwie immer cooler. Ich finde es toll, dass sie irgendwie immer mal wieder was macht - hör mal auf, mir in's GB zu schreiben, während ich hier so kommentiere oO - äh, wo war ich, ach ja, Eneela. Ich finde jedenfalls, dass sie ein toller Chara ist und ich freu mich darüber, dass du ihr auch mal etwas mehr Aufmerksamkeit zukommen lässt.
Ihre Beziehung zu Simu herze ich sowieso total, ich find das auch gut, dass sie diese Sklavenhaltung nicht direkt loswird. Ist realistisch, denkt. ^^
Dann natürlich 100 Punkte für lange Yarek-Szene. ^__^
Mal davon abgesehen, dass die Szene lang und aus seiner Sicht war find ich auch diese ganzen Random-Infos cool. Also, gut, ich kenne sie ja, aber ich finde es wichtig, dass sowas wie Scharans Deppen da angesprochen werden, also auch im einzelnen und so. ö.ö
Diese Anbitch-Szene von Tayson und Zoras hatte auch was, irgendwie lockert sowas den ganzen Schwarzwälder Kirschkuchen ganz schön auf! Find ich gut. ^^
Vor allem ist es meiner Meinung nach im Bezug auf Zoras besonders wichtig, dass es ab und an mal sowas gibt... ich meine, er ist als Chara einfach wahnsinnig... sahnig, um es mal mit weiteren Kuchenvokabeln zu erklären. óo Ich meine, er ist voll interessant, aber beschäftigt man sich zu intensiv mit ihm, kriegt man Bauchweh. óo Komplizierter Typ... úu Ja, solche deppigen Szenen tun dem gut, auch wenn er gerade so ganz andere Probleme hat. XDD
Die letzte Szene fand ich noch mal sehr interessant! ö.ö
Also dieses Random-Gespräch über Götter und so... ich meine, ich finde es schon ziemlich wichtig, dass sie sich mit dieser Thematik auseinander setzen, im alten Buch gab es das ja noch nicht bzw. was es gab wurde halt so hingenommen, das ist jetzt eindeutig besser. XD
Mochte Kapitel *___*


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