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Die Kristalle von Isaya

von

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Kapitel 1

In der Morgendämmerung glitzerten die vom Tau besetzten Pflanzen vor sich hin, der Nebel saß tief, aber löste sich schon auf und die ganze Ebene wirkte wie ein neu erstandener Ort.

Tief holte Shiaya Luft. Sie liebte den Anblick zu dieser Uhrzeit. Mit einem Lächeln setzte sie ihren Weg über die Ebene zu einem Fluss fort.

Hier irgendwo müssen sie sein.

Shiaya lief am Flussufer entlang und schaute dabei ständig auf den Boden. Abrupt blieb sie stehen und kniete sich hin. Das Lächeln auf ihrem Gesicht wurde breiter und sie legte ihren Stab neben sich ab. Dabei griff sie an ihre Seite und zog eine kleine scharfe Sichel hervor. Mit einer präzisen Bewegung schnitt sie ein Kraut vom Boden ab und fing es mit der anderen Hand auf. Sogleich holte sie ein Glas mit einer grünlichen Flüssigkeit aus ihrer Tasche und verpackte das Kraut darin.

„Das war Nummer eins, jetzt brauche ich noch vier weitere“, murmelte Shiaya zu sich selbst und machte sich sogleich auf die Suche.

Die Zeit verging und das Leben erwachte auf der Ebene. Die Sonne hatte den Nebel vollkommen aufgelöst und es wurde wärmer. Shiaya hatte sich in der Zwischenzeit ihren Mantel um die Hüfte gebunden und war gerade dabei, dass letzte Kraut sicher zu verstauen. Zufrieden lächelnd, packte sie alles zusammen, griff nach ihrem Stab und machte sich auf dem Rückweg.

Damit sollte ich genug besitzen, um die Genesungstränke für meine Prüfung herzustellen.

Als sie die Ebene überquert hatte und den Wald betreten wollte, hörte sie ein lautes Brüllen, gefolgt von einem Schmerzensschrei. Ruckartig drehte sich Shiaya in die Richtung, aus der das Geräusch kam und lief los. Die Geräusche eines Kampfes wurden lauter und Shiaya rannte noch schneller. Als sie auf eine Lichtung kam, sah sie wie zwei Schwarzbären sich knurrend vor einem Menschen aufgestellt hatten. Shiaya konnte nicht viel erkennen, sah aber, dass der Mensch schwer verletzt war. Schnell legte sie ihre Sachen ab und lief los. Ihr Griff um den Stab wurde stärker und mit einem Schreien holte sie aus und schlug auf den ersten Bären ein. Dieser jaulte, überrascht von dem Angriff auf und machte ein paar Schritte zurück. Der andere Bär reagierte sofort und griff Shiaya mit seiner Riesentatze an. Flink wich sie dieser aus und schlug den Bären mit dem Stab gegen die Seite. Während sie sich ein Gefecht mit dem zweiten Bären lieferte, bei dem sie hauptsächlich nur auswich, kam der ersten Bär wieder zum Vorschein und lief mit einen Brüllen auf Shiaya zu. Als er gerade seinen Kopf in ihren Körper rammen wollte, sprang sie zur Seite und rollte sich weg. Schnell stand sie auf und nun war sie es, die von beiden Schwarzbären eingekesselt wurde.

Ihre Gedanken rasten. Sie hatte erst letztens einen Spruch von Ace gelernt, mit denen man jemanden Angst einflößen konnte. Die Bären kamen immer näher und knurrten sie an, wild entschlossen sie zu töten und zu fressen. Als sie nur noch einen Tatzenhieb entfernt waren, fiel Shiaya der Spruch wieder ein. Schnell machte sie eine Bewegung mit ihrer freien Hand, murmelte dabei etwas und der Kristallstein in der Stabspitze fing an zu leuchten. Sie machte eine Handbewegung nach vorne und eine leichte Druckwelle kam aus ihrer Hand. Sobald diese die Schwarzbären berührte, schauten diese erst etwas verwirrt drein, drehten sich dann aber schnell um und liefen mit lautem Jaulen davon.

Erleichtert und erschöpft sackte Shiaya zusammen. Der Zauberspruch hatte sie mehr Kraft gekostet als erwartet.

Ace wäre es wahrscheinlich leichter gefallen, dachte sie innerlich.

Ein Stöhnen riss sie aus ihren Gedanken und ihr wurde bewusst, weshalb sie hier war. Mit Hilfe ihres Stabes stand sie auf und bewegte sich erschöpft zu dem Menschen. Als sie bei ihm war, kniete sie sich zu ihm nieder und betrachtete ihn genauer.

Es war ein junger Mann, wahrscheinlich im selben Alter wie Shiaya oder etwas älter. Er trug eine leichte Lederrüstung und hielt mit festem Griff sein Schwert. Seine Rüstung war aufgerissen von den Krallen des Schwarzbären und ein wenig Blut sickerte heraus.

Shiaya fluchte leise. Vorsichtig begann sie einen Heilzauber zu sprechen, die Wunde schloss sich ein wenig und die Blutungen stoppten. Es würde aber nicht reichen, Shiaya musste ihn richtig verarzten. Sie musste so schnell wie möglich mit ihm ins Dorf.

Zweifelnd überlegte sie, wie sie es am besten anstellen sollte und wollte gerade losgehen um Hilfe zu holen, als der junge Krieger ihr Handgelenk festhielt.

Seine müden Augen schauten durch sein Haare hindurch und er murmelte nur leise: „Danke…“, dann verlor er endgültig das Bewusstsein.

Sein Atem ging flach und Shiaya dachte angestrengt nach.

Ich muss Hilfe holen, aber wenn die Bären wieder auftauchen, ist er schutzlos alleine. Am besten ich versuche Ace zu erreichen. Hoffentlich ist er schon wach!

Shiaya stand auf und hielt ihren Stab direkt vor dem Gesicht. Mit ihrer Stirn berührte sie vorsichtig den Kristall im Stab. Sie murmelte wieder eine Formel und dachte dabei sehr stark an ihren besten Freund Ace.

Ace! Hörst du mich!

Immer wieder sagte sie diese Worte in Gedanken. Es kam ihr eine Ewigkeit vor, bis endlich was passierte.

Shia? Was ist los?

Ich brauche deine Hilfe! Komm zur Lichtung hinter der Ebene!

Dann brach die Verbindung ab. Zum zweiten Mal am Tag verließ Shiaya die Kraft und sie musste sich kurz hinsetzen. Zwar besaß sie Magie, aber ihre war mehr auf Heilung und Schutz ausgelegt, als auf richtige Zauber. Dass sie überhaupt ein paar wenige, richtige Zauber konnte, verdankte sie nur Ace und jahrelanger Übung.

Sie atmet schwerfällig und nutze die Zeit bis Ace kam, um sich auszuruhen und zu lauschen. Noch immer hatte sie ein wenig Angst, dass die Schwarzbären wiederkommen könnten. Dabei beschäftigte sie sich mit der Frage, warum die Schwarzbären überhaupt diesen jungen Mann angegriffen hatten. Normalerweise waren sie sehr friedlich.

Was hat dieser Junge nur getan, um sie so zu verärgern?, dachte sich Shiaya und schaute sich den jungen Mann genauer an. Er war kräftig gebaut und größer als Shiaya. Wahrscheinlich auch größer als Ace. Sein schwarzes kurzes Haar klebte vor Schweiß an der Stirn. Er schien nicht aus dieser Gegend zu kommen, denn auch seine Haut war eine Nuance dunkler als ihre Eigene. So erschöpft wie er da lag, wirkte er wirklich noch jung, aber man sah auch, dass er schon einiges erlebt hatte. Dafür sprachen seine rauen Hände und die verschiedenen Narben an seinem Körper.

Eigentlich sieht er gar nicht so schlecht aus.

Shiaya errötete bei diesem Gedanken. Was dachte sie sich bloß? Der junge Mann war verletzt und sie dachte über sein gutes Aussehen nach. Shiaya schüttelte den Kopf über ihre Gedanken.

„Shia!“

Eine Stimme war von Weitem zu hören. Shiaya erkannt sie sofort. Es war Ace.

„Ace, ich bin hier!“

Es dauerte nur einen Moment und schon tauchte ein weiterer junger Mann aus den Büschen hervor. Seine langen blonden Haare fielen ihm ins Gesicht und er musste sie erst mal zur Seite schieben, um Shiaya besser zu erkennen.

„Shia! Ist dir was passiert? Was ist los?“, sagte Ace, während er schweratmend vom Laufen auf sie zu ging.

„Mit mir ist alles in Ordnung, aber du musst mir helfen.“, sie deutet auf den jungen Krieger hinter ihr: „Er ist verletzt und ich muss ihn verarzten. Ich kriege ihn aber nicht alleine fort.“

Ace schaut sich den jungen Krieger an und dann verwirrt wieder zu Shiaya.

„Wie hast…“, fing er nur an zu fragen, als Shiaya ihm schon ins Wort fiel.

„Das erkläre ich dir auf dem Rückweg. Jetzt musst du mir helfen.“

Ace nickte nur und dann hievten beide den jungen Krieger hoch und griffen unter seine Arme.

Sie machten sich schleppend auf dem Weg zurück zum Dorf und nebenbei erzählte Shiaya von den Geschehnissen.
 

Das Erste was der junge Krieger sah, war das Gesicht einer jungen Frau, mit auffälligen, langen, hellblauen Haaren und konzentriertem Gesicht, die sich über ihn beugte mit irgendetwas einrieb.

Als ihre Hand gerade über seine rechte Brust fuhr, zuckte er vor brennenden Schmerz zusammen und fluchte laut. Etwas überrascht schaute die junge Frau ihn an. Doch dann lächelte sie und sagte mit einer beruhigenden Stimme: „Ah, du bist wach. Das freut mich.“

Die Frau schien auf eine Antwort zu warten, doch er sagte nichts. Dann setzte sie wieder an: „Mein Name ist Shiaya. Ich bin Priesterinnenlehrling des Ordens von Bera. Wie ist dein Name?“.

Erwartungsvoll schaute Shiaya den jungen Krieger an und mit einer trockenen Stimme krächzt er nur ein Wort heraus: „Ryukuo.“

„Ich hole dir was zu trinken, du scheinst sehr ausgetrocknet zu sein.“, meinte Shiaya und ging fort. Während Ryukuo auf sie wartete, wollte er aufstehen. Doch sein Körper tat ihm diesen Gefallen nicht und so musste er liegen bleiben.

Einige Sekunden später schlief er auch schon erschöpft wieder ein.
 

Als Ryukuo das nächste Mal aufwachte, war es früh am Morgen. Die Sonnenstrahlen hatten ihn geweckt.

Er kniff seine Augen zusammen und drehte sich weg vom Licht. Er war allein. Der Raum, in dem er sich befand, war klein und kläglich eingerichtet. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl und eine kleine Truhe, war alles was den Raum mit grauweißen Wänden füllte. Ryukuo hob vorsichtig seinen Kopf und betrachtete seinen Oberkörper. Es schien alles normal auszusehen. Die Wunde war sehr gut verarztet. Wahrscheinlich würden nicht mal Narben übrig bleiben.

Zufrieden lächelte er darüber und dachte an die junge Frau. Shiaya war ihr Name. Ihr verdankte er das alles.

Während Ryukuo über Shiaya nachdachte, knurrte plötzlich sein Magen.

Wann hab ich das letzte Mal was gegessen?

Er schaute auf dem Tisch neben sich und sah ein Stück Brot, Suppe und Wasser darauf liegen. Mühsam hob er seinen Arm, weil er immer noch geschwächt war, und versuchte nach dem Essen zu greifen. Doch die Bewegung strengte ihn so sehr an, dass er den Arm wieder schwerfällig fallen ließ.

Verdammt! Warum bin ich so kraftlos? Ich habe Hunger!

Er grummelte und fluchte vor sich hin, als ihm aus dem Augenwinkel ein Schatten am Fenster neben der Tür auffiel. Er sah noch, wie mehrere Augenpaare ihn anschauten und dann kichernd verschwanden. Nur einen Augenblick später betrat Shiaya die Tür und murmelte etwas von neugierigen Gören.

Als Shiaya sah, dass Ryukuo wach war, erstrahlte ihr Gesicht.

„Ich hoffe die jungen Mädchen haben dich nicht geweckt.“

Sie kam näher mit einer Schüssel voller Salbe.

„Ich werde dich jetzt nochmal untersuchen und dir dann die Medizin geben.“, sagte Shiaya und wollte sich ans Werk machen.

„Hunger…“, murmelte Ryukuo nur zurück.

Shiaya schaute etwas verwirrt auf: „Wie bitte?“

„Ich habe Hunger.“, sagte Ryukuo etwas deutlicher und Shiaya nickte nur.

Schnell legte sie die Schüssel ab und half Ryukuo sich aufzurichten. Dann nahm sie die Suppe in die Hand und tauchte einen Löffel ein, blies vorsichtig darüber und bewegte diesen dann zu Ryukuos Mund. Diese Bewegung führte sie solange aus, bis die Schüssel leer war. Danach hielt sie ihm das Wasser an den Mund, das er gierig austrank. Ein wenig gesättigt und zufrieden lehnte sich Ryukuo zurück.

„Danke.“, sagte er und Shiaya lächelte nur freundlich.

Dann begann sie mit ihrer ursprünglichen Arbeit und rieb Ryukuos Oberkörper mit der Salbe ein. Während der ganzen Zeit sprach keiner von beiden ein Wort und Ryukuo beobachtete nur Shiayas schnelle Bewegungen über seinen Körper. Es war entspannend für ihn.

„So, ich bin dann fertig.“, meinte Shiaya nach einer Weile, „Ich schaue dann nachher nochmal vorbei.“

Shiaya stand auf und verließ den Raum. Kaum hatte sie die Tür hinter sich zugeschlossen, schloss sie ihre Augen und atmete sie erst mal auf. Als Shiaya wieder ihre Augen öffnete, stand ihr Ace gegenüber.

„Und wie geht es ihm?“

„Besser. Er erholt sich schnell.“, antwortete sie ihm.

„Dann kann sich ja eine andere Priesterin um ihn kümmern.“, meinte Ace darauf.

Shiaya schaute ihn böse an und schüttelte den Kopf: „Nein. Er ist mein Patient und nur ich kümmere mich um ihn.“, sagte sie entschlossen.

„Shia! Du kennst ihn nicht. Du weißt nicht, was er machen wird, wenn er wieder bei Kräften ist. Wer weiß, was für ein Mensch er ist, dass er die Schwarzbären so aggressiv gemacht hat.“, entgegnete Ace entrüstet.

„Dann spreche ich ihn das nächste Mal darauf an und fertig. Du machst dir viel zu viele Gedanken und Sorgen über sowas. Sei etwas entspannter!“ Shiaya lächelte ihn an: „Komm, lass uns ins Labor gehen und arbeiten. Ich muss noch für meine Prüfung alles fertig machen und kann gut Gesellschaft brauchen.“

Mit diesen Worten hakte sie sich bei Ace ein und verließ mit ihm das Abteil der Krankenzimmer.



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