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Insomina

Schlaflos
von

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Heilungschancen

So genau hatte er keine Ahnung wie er die ersten zehn Tage ohne seinen Bruder überlebte.

Aber irgendwie ging das.

Er hatte immer geglaubt ohne Hikaru sterben zu müssen, dass er aber weiterlebte, während ein Teil von ihm starb und wie ein Kadaver nun in seinen Eingeweiden lag, hatte er niemals wissen wollen.

Er ging seinen Bruder nicht besuchen… er traute sich einfach nicht.

Aber er ließ sich von seinen Eltern und den Bediensteten (die immer dann gingen, wenn seine Eltern gerade geschäftlich verhindert waren) Bericht erstatten. So war auch er immer auf den neusten Stand.

Die akute Phase war laut den Ärzten nun vorbei.

Hikaru hatte kein Fieber mehr, wurde auf die Besucherstation verlegt und konnte jetzt auch von Freunden und Bekannten besucht werden.

Er war wieder bei Bewusstsein, auch wenn er noch viel Ruhe benötigte.

Als er das seinen Freunden erzählt hatte, hatten die ihn so lange bekniet, bis er zugestimmt hatte, Hikaru mit ihnen besuchen zu gehen.

Kaoru wusste, dass sie es nur gut meinten.

Und auch wenn seine Sehnsucht schrie und ihn fast auffraß.

Er hatte Angst Hikaru so… so verletzlich zu sehen.

Sein Bruder war immer der Stärkere gewesen, irgendwie… nicht unbedingt körperlich. Aber emotional. Es war immer Hikaru gewesen an den sich Kaoru anlehnen konnte, wenn es ihm nicht gut ging. Wie sollte er es ertragen seinen Bruder nun im Krankenhaus zu sehen?

Aber irgendwann hatte Haruhi ihn soweit weichgeklopft, dass er nun doch zustimmte.

Er würde seinen Bruder besuchen gehen.

Koste es was es wollte… und irgendwie freut er sich.

Er wollte ihn unbedingt sehen und ihn wieder in die Arme schließen können.
 

________ ________
 


 

Kaoru konnte sich nicht entscheiden ob er sich nun freuen oder fürchten sollte, als der Tag da war. Heute würde er mit Haruhi und den Anderen seinen Bruder besuchen.

Wie das schon klang…

Er hoffte nur er würde es überstehen. Irgendwie…

Die Anderen holten ihn ab und obwohl sie bei ihm waren, fühlte er sich schrecklich allein.

Sie fuhren mit dem Wagen von Tamaki vor dem Krankenhaus vor.

Sie hatten die ganze Fahrt nicht viel gesprochen. Kaoru vermutete, dass sie Rücksicht auf ihn nehmen wollten und er war ihnen sehr dankbar dafür.

Viel hätte er auch nicht sagen können; seine Kehle war wie zugeschnürt und staubtrocken.

Mit zittrigen Knien stieg er aus dem Wagen aus und folgte seinen Freunden zu dem riesigen Gebäude was der Otori Familie gehörte.

Überall wollte der jetzt lieber sein als hier…

Die Schiebetüren die die Außenwelt von der Welt hinter diesen Mauern trennte, glitt auf und der Host Club trat ins Krankenhaus ein.

Der Geruch nach Desinfektionsmittel drang erbarmungslos in seine Nase und Kaoru verzog angewidert das Gesicht. Alles – von den gläsernen Schwingtüren bis hin zu dem zerkratzten Linoleumboden – wirkt beunruhigend steril und schreit von Krankheit und Tod.

Er hasste das alles so.

Er hatte sich im Zuge des abrupten Aufbruches nicht mal die Zeit genommen, eine Jacke anzuziehen und fröstelte ziemlich, als er durch den weiß gestrichenen Eingangsbereich hastete und mit den Anderen am Empfang stehen blieb.

Diese Farbe erweckte schreckliche Erinnerungen in ihm. Deshalb versuchte er nicht zu genau hinzuschauen… es war als würde man versuchen im Wald keine Bäume zu sehen.

Kyoya begrüßte die Schwester, die hinter dem gräulichen Tresen gebannt auf den PC starrte mit Namen… manchmal bewunderte ihn Kaoru dafür; er schien fast das ganze Personal hier zu kennen. Wie machte er das nur?

Aber sich darüber jetzt auch noch Gedanken zu machen, war doch ziemlich sinnlos.

Die Dame sagte ihm eine Zimmernummer und lächelte ihnen über den Tresen hinweg an.

Der Schwarzhaarige nickte und führte die Gruppe zum Fahrstuhl, wo sie in die zweite Etage fuhren, wehe sie einen langen Gang hinuntergingen.

Kaoru versuchte sich von jeglichen Gedanken und Erwartungen abzulenken indem er seine Freunde genauer betrachtete.

Ob sie genauso aufgeregt waren?

Kyoya war wie immer der Beherrschte, man sah ihm keinerlei Gefühlsregung an, als er sie durch den Gang führte. So als würde er überhaupt nichts fühlen.

Tamaki sah aus, als würde er jeden Moment beginnen zu schreien oder einen anderen Gefühlsausbruch erleiden. Ihn schien das auch arg mitzunehmen… auch wenn er die meiste Zeit überschwänglich und manchmal mehr als theatralisch war. Er wusste genau wie es war jemanden im Krankenhaus zu besuchen. Man konnte es schnell vergessen, weil er einfach nicht der Typ für Trauriges und Nachdenkliches war… er überspielte so etwas meistens… und doch musste er besser als jeder andere wissen, wie Kaoru sich jetzt fühlte.

Das Wissen tat irgendwie gut…

Haruhi kaut nervös an ihren Fingernägeln und ihre Schuhe klackern dumpf auf dem mintgrünen Boden, was er wahrscheinlich nur so deutlich wahrnehmen konnte, da sie so nah bei ihm lief.

Honey und Mori waren so wie immer. Normal eben… wenn man das so nennen konnte.

Schließlich kamen sie vor der Zimmertür an, wo die ganze Gruppe anhielt.

»Okay, da wären wir.« meinte Kyoya neutral und deutete auf die Tür. »Er hat natürlich ein Einzelzimmer, trotzdem denke ich wir sollten nacheinander hineingehen.«

»Du hast natürlich recht.« stimmte der Blonde ungewohnt ernst zu. »Kaoru? Haruhi? Wollt ihr zuerst gehen?«

Die Braunhaarige nickte und blickte ihn dann mit großen Augen an.

»Bist du bereit.«

Nein!

»Ja… natürlich.«

»Gut. Gehen wir.«

»Wir warten hier auf euch.«

»Bis dann.«

Haruhi machte die Tür auf und Beide traten ins Zimmer.

Kaoru war über ihre Anwesenheit froh und wünschte sich gleichzeitig sie würde wieder umdrehen und ihn und seinen Bruder alleine lassen.

Das Zimmer war ziemlich groß für ein Einzelzimmer und doch war es zu unpersönlich und zu steril, als dass man sich hätte wohlfühlen können.

Kaoru ließ seinen Blick schweifen. Über die Fensterfront, die mit Gardinen verhangen war, über den Tisch, der vor Blumensträußen und Geschenken überquoll und den Schränken…-

Sein Blick blieb an dem Krankenbett hängen, welches an der Wand gegenüber dem Fenster stand.

Auf diesem lag eine ihm so bekannte, schmale Gestalt.

Hikaru war leichenblass und hat seinen Kopf leicht von der Tür abgewandt. Seine Augen starrten ohne zu blinzeln aus dem Fenster und er sah so verloren aus, als hätte sich seine Welt um ihn herum in Luft aufgelöst. Dumpf wurde Kaoru klar, dass – egal was auch immer er in den letzten Tagen gefühlt hatte – Hikaru es noch wie schlimmer ergangen war. Er hatte bestimmt Schmerzen und Fieberkrämpfe gehabt… und dazu noch die Sehnsucht nach ihm.

Plötzlich wollte er nichts mehr als den Anderen nur noch in die Arme zu schließen und nie wieder loszulassen… es war so egoistisch gewesen!

Er hatte nur an sich gedacht!

Ob sein Bruder böse war, weil er ihn noch nicht besucht hatte?

»Hikaru…« krächzte er und wankte auf seinen Zwilling zu.

Der Andere fuhr heftig zusammen, als er so unvermittelt angesprochen wurde und starrte ihn an wie eine Erscheinung.

»Kaoru?«

Er klang so unendlich müde.

»Hikaru!« wiederholte er den Namen von seinem Bruder und ließ sich auf dem Stuhl neben dem Bett fallen, ehe er seine Finger in dem Stoff seiner Hose vergrub und den Tränen freien Lauf ließ.

»Hey… hör auf zu weinen. Es ist doch alles okay.«

»Ist es nicht! Es… es tut mir so leid, dass ich - ich dich nicht be -… besuchen gekommen bin. Ich hatte so Angst…«

»Ich weiß doch. Beruhig dich, Kaoru.«

»Ich war so egoistisch!«

»Es ist alles okay. Mir geht es soweit gut.«

»Ehrlich?«

»Ja.« lächelte Hikaru schwach. » Das Fieber ist fast weg und die Ärzte versuchen nur noch, die Begleiterscheinungen einzudämmen damit es keine Nebendiagnosen gibt.«

Nebendiagnosen?

Hieß das, dass da vielleicht noch etwas nachkommen konnte?

War sein Zwilling durch diese kleine Unachtsamkeit wirklich so schwer krank?

»Ey sieh mich an. Das alles ist nicht der Rede wert, hm?«

Er hob den Kopf und musterte sein Zwilling noch einmal viel kritischer. Jetzt fielen ihm die Kleinigkeiten auf, die er eben gar nicht so beachtet hatte.

Die spröden, aufgesprungenen Lippen, die roten Augen, die geschwollen Finger und die fast schuppigen Hände.

Unbedacht streckte er seine Hand aus um Hikaru zu berühren. Er wollte ihn so gerne spüren, ihn in den Arm nehmen. Diese starke Sehnsucht überfiel ihn einfach wieder.

»Nicht!«

Seine Hand wurde zur Seite geschlagen. Dieser winzige Kontakt war sekundenschnell und tat doch mehr weh wie jede Folter.

Kaoru blinzelte.

Hatte sein Bruder eben wirklich…?

Dieser sah ihn in unergründlich in die Augen.

»Fass mich nicht an!«

Diese Worte taten mehr weh als alles was Kaoru je gespürt hatte. Es hätten genauso gut Schläge sein können.

Er spürte nur noch das schmerzvolle Stechen als sein Herz sich zusammenzog.

Warum sagte er so etwas…??

Unverständlich schüttelte er den Kopf.

Warum war er noch hier, wenn Hikaru ihn nicht sehen wollte? … er wollte ihn nicht!

Diese Erkenntnis schlug bei ihm eine wie eine Bombe und veranlasste ihn dazu von seinem Stuhl aufzuspringen und die Flucht nach vorne anzutreten.

Er wollte hier raus!

Durch seinen überstürzten Aufbruch bekam er nicht mehr mit, wie sich sein Schmerz auf dem Gesicht seines Zwillings spiegelte.

»Kaoru!«

Dieser Schrei war wie ein Peitschenhieb… doch er lief weiter. Er konnte nicht mehr zurück!

Sein Bruder hatte ihn zurückgestoßen, dass erste Mal seit dem er auf dieser Welt war hatte sein Zwilling ihn von sich gestoßen.

Es fühlte sich an als würde er den Boden unter seinen Füßen erneut verlieren, der sich doch nach Hikarus Zusammenbruch und der Diagnose nur so mühselig wieder erneuert hatte.

Er spürte die Hände von Haruhi auf seinem Arm, aber er schüttelte sie ab. Auch ihre Rufe ignorierte er geflissentlich… sie konnte ihm jetzt nicht helfen.

Das konnte keiner mehr.

Er rannte an seinen Freunden vorbei, den Flur entlang und aus dem Krankenhaus.

Er wollte jetzt nicht denken oder fühlen.

Alles in ihm tat weh.

Es fühlte sich an, als würde man versuche Nadeln zu atmen oder Säure zu inhalieren.

Nichts konnte ihn vor dem Schmerz bewahren.
 

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Er war bereits halb die Straße hinunter gelaufen, da hörte er sie:

»Kaoru! Bleib stehen jetzt!«

»Lass mich!«

»Ganz bestimmt nicht! Was willst du denn machen? Nach Hause laufen?« Haruhi hatte ihn eingeholt und packte seinen Arm erneut. »Sei doch vernünftig.«

»Verschwinde einfach! Ich will alleine sein!«

»Vergiss es!« sagte sie heftig und schüttelte seinen Arm, den sie immer noch umklammerte. »Ich lasse nicht zu, dass du dich so gehen lässt. Von mir aus kannst du fahren. Aber hör mir zu!«

Der Rothaarige biss sich auf die Unterlippe, ließ es aber zu, dass sie ihn weiter festhielt. Er blieb stehen und sah sie emotionslos an.

Er wollte ihr nicht unbedingt zeigen, dass er hier kurz vor einen Nervenzusammenbruch stand.

»Ich habe keine Ahnung warum du so ausrastet… okay, ich weiß auch nicht viel über eure… na ja. Eure Beziehung. Aber hast du dir schon Mal überlegt, dass Hikaru genauso fertig ist wie du?«

Nein sie hatte wirklich keine Ahnung!

Auch wenn sie es schaffte sie zu unterscheiden und es irgendwie zu spüren schien, wenn etwas nicht in Ordnung war… wissen tat sie eigentlich nichts!

Und Natürlich hatte er sich das überlegt…

Das alles behielt er für sich.

Er starrte Haruhi einfach weiter an.

»Er hat auch Angst… es ist noch immer nicht geklärt ob er ansteckend ist. Er hat einfach so gehandelt ohne nachzudenken und es tut ihm sehr Leid.«

Kaoru schluckte schwer.

»Er will dich doch nur beschützen Kaoru… bitte geh zurück und klär das mit ihm.«

»Ich kann nicht.«

»Du musst. Er kann ja schlecht zu dir kommen!«

Doch der Andere schüttelte den Kopf und wand sich ab.

Er wollte das alles nicht mehr hören… er wollte nur nach Hause.

Im Gehen zückte er sein Handy um sich den Chauffeur hierher zu bestellen, während der seine Freundin einfach stehen ließ.

»Bitte, Kaoru! Überleg es dir nochmal!«

Irgendwann war er weit genug entfernt das er nicht mehr hörte, was sie rief.
 

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Hatte Haruhi Recht?

Er wusste es nicht…

Eigentlich war es ihm egal… er wollte sauer sein und traurig und enttäuscht.

Es fühlte sich an wie Verrat. So falsch…

Kaoru kauerte sich auf sein Bett zusammen und versuchte den Schmerz in seiner Brust zu ignorieren.

Nie hatte er gedacht das Hikaru ihn jemals zurückstoßen würde.

Aber er hatte es gemacht…

Warum nur?

War es wirklich so einfach wie Haruhi gesagt hatte?

Irgendwo hatte seine Freundin ja Recht… er kannte Hikaru besser als jeder andere, wenn jemand wissen musste was in ihm vorging, dann er.

Doch irgendwie war es als wäre ihr Band blockiert.

Er wusste nichts mehr.

Wie war es nur soweit gekommen mit ihnen?

Natürlich würde sich nicht allzu viel verändern zwischen ihnen, aber Kaoru hatte das Gefühl, dass sich doch etwas veränderte. Auch wenn es nicht der Rede wert war.

Hatten sie nicht eigentlich immer gesagt, dass sie nie getrennt sein wollten?

Jetzt waren sie mehr als nur eine Woche getrennt.

Das höchste was sie bis jetzt geschafft hatten, war ein Tag gewesen und auch das war eher eine Qual… wenn er daran zurückdachte.

Wie konnte sein Bruder dann nur so zu ihm sein?

Er versuchte ja sich in ihn hineinzuversetzen, doch es klappte nicht so wirklich. Er war der festen Überzeugung das, wenn ihre Rollen vertauscht gewesen wären, er nie so reagiert hätte.

Niemals würde er Hikaru wegschicken; niemals seine Hand wegschlagen.

Also warum tat er so was? Warum tat er ihm das an?

Er musste doch wissen, dass er litt.

Kaoru rollte sich zusammen und schluchzte leise auf. Er hatte sich zu einer kleinen Kugel auf dem großen Bett zusammengerollt und fühlte wieder dieses brennende Gefühl.

Er wollte doch nur wieder in die Arme seines Zwillings… sich wieder komplett fühlen und diese beschreibbare Kälte aus seinem Inneren vertreiben.

Ging es Hikaru nicht genauso?

Es war das erste Mal, dass er keine Ahnung hatte was der andere fühlte oder dachte. Was er wollte…

Und das war beängstigend.

Ob es nun immer so war?

Hatten sie ihre Verbindung verloren?

Noch vor wenigen Tagen hatte er nicht einmal groß überlegen brauchen wie sich sein Bruder fühlte. Er hätte es sofort gewusst. Einfach weil er es spürte…

Durch ihre Verbindung…

Aber jetzt war da nichts.

Absolut überhaupt nichts.

Was würde er machen wenn er wirklich sein Zwillingsband verloren hatte?

Darüber wollte er eigentlich gar nicht nachdenken…

Oder wollte ihn Hikaru nur schützen?... – zuzutrauen wäre es ihm.



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