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Die pure Selbstverständlichkeit

von

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One-Shot

Im Grunde habe ich ja nichts gegen niedere Lebewesen, wie Punks oder anderes Ungeziefer, das so auf unseren Straßen haust. Doch manchmal, manchmal könnte ich sie glatt erwürgen, alle auf einmal. Warum? Weil ich gerade eben zum x-ten Mal als „Emoschwuchtel“ bezeichnet wurde. Immer vom selben dieser dreckigen Punks. Aber ich sollte ich darüber nicht aufregen, er ist das echt nicht wert. Überhaut nicht.

Gerade will ich weiterlaufen, als eine leere Bierdose über meinem Kopf vorbeifliegt.

Okay, jetzt reicht’s, das war zu viel, der kriegt was von mir zu hören, der dreckige Straßenköter.

Ich drehe mich also um und laufe schnurstracks auf das kleine Grüppchen von Punks zu.

„Wer von euch war das?“

Ich bin echt auf Hundertachzig.

Erst ernte ich Gelächter für meinen Auftritt, dann steht tatsächlich einer dieser Idioten auf. Er ist bestimmt 1,90m groß und ziemlich gut gebaut. Ich muss kurz schlucken, reiße mich aber wieder zusammen.

„Ich. Und jetzt?“

„Jetzt möchte ich dich bitten, dass du und dein Gefolge eure verdammten Mäuler haltet und mich in Ruhe lasst. Schließlich habe ich euch nichts getan, oder?“

Der andere kommt einen Schritt auf mich zu und ich mache unbewusst einen Schritt zurück, bereue meine Reaktion aber gleich wieder.

„Dein Aussehen ist schon Provokation genug, Emo.“

Wieder geht er einen Schritt auf mich zu, doch diesmal bleibe ich standhaft und bewege mich keinen Zentimeter.

Er grinst überheblich und streckt die Hand nach mir aus, kurz bevor er meine Haare berühren kann, das hat er nämlich ganz bestimmt vor, schlage ich diese weg.

„Fass mich nicht an, du stinkst!“

Das hat er nicht erwartet. Erneut streckt er seine Hand aus, allerdings nicht um meine Haare zu berühren. Der Kerl will mir ernsthaft eine reinhauen. Ich packe seine Hand und verdrehe sie mitsamt dem ganzen Arm, nach einem zusätzlichen Tritt in den Magen macht er Bekanntschaft mit dem Fußboden. Noch im selben Moment sind alle Blicke auf mich gerichtet, der Hund, der bis eben noch faul auf einer Decke gelegen hatte springt plötzlich auf und sieht gar nicht mehr so altersschwach aus wie vorher. Im Gegenteil, er rennt in vollem Tempo auf mich zu und sieht nicht gerade friedwollend aus. Ich mache auf dem Absatz kehrt und renne weg, verfolgt von einer deutschen Dogge, die halb so groß ist, wie ich selbst es bin. Ich renne in Richtung der Treppen, hinunter zu den Gleisen, auf der anderen Seite wieder nach oben.

Ich hätte einfach weitergehen sollen, die Punks einfach ignorieren sollen. Jetzt werde ich von einer verrücktgewordenen Dogge durch den Bahnhof gejagt, hinter mir höre ich sowohl das Bellen des Hundes, die Schreie der erschrockenen Passanten und das Rufen eines jungen Mannes, der verzweifelt versucht, den Hund zum Anhalten zu bewegen.

Am Ende meiner dritten Treppe kann ich nicht mehr und bleibe einfach stehen, scheiß auf den Hund, ich kann nicht mehr.

Tatsächlich braucht der Hund erstaunlich lange um mich einzuholen, erst Momente später kommt er um die Ecke, in Begleitung des jungen Mannes, mit dem ich zuvor gesprochen hatte. Puh, Glück gehabt. Neben seinem Herrchen wirk der Hund wieder ziemlich freundlich und gar nicht mehr so aggressiv. Ich bin nicht wirklich begeistert, als der Kerl mich sieht und zusammen mit dem Hund auf mich zusteuert. Unter normalen Umständen wäre ich weggegangen aber ich bin einfach zu müde.

Er ist bei mir angekommen und setzt sich neben mich auf die Treppe. Auch er schnauft ziemlich schwer, der Hund dagegen wirkt recht entspannt, er hat sich ebenfalls auf die Stufe gelegt, mit dem Kopf auf dem Schoß des jungen Mannes.

„Du bist ganz schön schnell. Das was Schröder zu anstrengend. Tut mir leid aber er ist sehr empfindlich, wenn er sein Rudel in Gefahr sieht.“

Ich lache ironisch auf. Ja, das habe ich gesehen.

„Passt schon, hab`s ja überlebt. Warum heißt er Schröder?“

Eigentlich rede ich ja nicht mir solchen Leuten aber das interessiert mich jetzt.

„Ich finde er sieht aus wie ein Schröder, außerdem ist er stinke faul, ich finde, das passt.“

Ich muss lächeln und streiche über den Kopf des Hundes. Ich mag Hunde sehr gerne, manchmal sind sie viel besser Menschen.

„Machst du Kampfsport?“

„Ja, Kickboxen.“

„Hab ich gespürt, der hatte es echt in sich, das muss man dir lassen.“

Irgendwie lächeln wir uns an und mir fällt auf, dass er eigentlich echt ganz nett aussieht. Wenn man sich die Umstände, dass er ein dreckiger Punk ist mal wegdenkt. Wobei, die Haare sind eigentlich ziemlich scheiße, total ausgewaschen und die Klamotten genauso, zerlöchert und ausgebeicht und diesen schrecklichen Style kann nicht mal das zugegebenermaßen annehmbare Gesicht retten.

„Trotzdem könntet ihr aufhören, mit Dosen nach mir zu werfen.“

„Selbst schuld, wenn man so aussieht.“

Wenn Blicke töten könnten, würde er augenblicklich in Flammen aufgehen, können sie aber leider nicht. Anstatt zu brennen steht er also einfach auf und zieht seinen Köter hinter sich her die Treppe nach unten, von alleine hätte der sich nämlich nicht mehr so schnell bewegt.

Kurz bevor er links abbiegt, dreht er sich nochmal um und winkt mit grinsend zu.

Pah, das kann er sich echt sparen, ich zeige ihm meinen Mittelfinger und wünsche mir in dem Moment, ich würde darüber stehen, tu ich aber nun mal nicht.
 

Es wurde also auch in den nächsten Tagen nicht besser, dummerweise muss ich nämlich drei Mal in der Woche mit dem Zug ins Kickboxen, bzw. zu meiner Klavierstunde fahren (viel zu oft, wen n ihr mich fragt) und jedes Mal begegne ich dieser kleinen Gruppe. Natürlich sind es nicht immer dieselben, den Schröderbesitzer habe ich schon lange nicht mehr gesehen, aber jedes Mal muss ich mir dumme Sprüche anhören von wegen ritzen und so Sachen.

Das ist ganz schön nerv tötend und ich habe des Öfteren gute Lust noch einem von diesen Spaten meine Meinung zu geigen aber die peinliche Aktion von letzer Woche hatte mir im Grunde genommen gereicht.

Heute ist es wieder soweit, es ist Donnerstag und ich bin gerade auf dem Weg zu meiner Klavierstunde. Wie immer werde ich auf dem Weg zu den Gleisen dumm angelabert.

Nur diesmal mischt sich eine weitere Stimme ein.

„Denk gar nicht daran, die Flasche zu werfen oder ich ziehe sie dir eigenhändig über den Schädel!“

Ich bleibe stehen und drehe mich zu der Gruppe um. Etwas am Rand sitzt der Schröderbesitzer, daneben ein etwas jüngere Punk mit einer Glasflasche in der Hand, ausgeholt um sie zu werfen. Er lässt die Flasche sinken und schaut, wie alle anderen, überrascht zu ihrem Kameraden, der gerade offensichtlich Partei für mich ergreift.

Es macht mich wütend. Was denkt der, wer er ist, dass er mich verteidigen muss. Ich bin kein kleines Kind und schwach schon mal gar nicht, ich kann mich sehr gut selbst verteidigen. Hat man doch wohl gesehen.

„Mach dir keine Umstände wegen mir, ich kann mich gut selbst verteidigen, danke.“

Das letzte Wort zische ich nur noch, so böse und beleidigt, wie ich es nur kann und gehe weiter zu den Gleisen. Hinter mir höre ich, wie er aufspringt, nach seinem Hund ruft und mir folgt.

„Hey, warte!“

Ich denke gar nicht daran, stehen zu bleiben sondern lege noch einen Zahn zu, beinahe rennend komme ich am Bahnsteig an und steige in meinen Zug. Kurz bevor sich die Türen schließen, betreten meine Verfolger den Zug und der Schröderbesitzer setzt sich mir gegenüber in den Vierersitz.

Ich ignoriere ihn so gut wie möglich. Das ist allerdings schwerer, als ich vermutet habe.

Er beobachtet mich nämlich und nicht wie normale Menschen, diskret und möglichst unauffällig, nein, der glotzt mich förmlich an! Ganze fünf Minuten lang halte ich das noch aus aber dann ist Schluss.

„Lass mich in Ruhe, verdammt!“

„Wieso? Mache ich dich etwa…. Nervös?“

Er grinst mich an und zwar so dreckig, wie ich noch nie jemanden habe grinse sehen.

„Grins nicht so dreckig, Kackbratze.“

Er grinst weiter. Was denkt der scheiß Spast, wer er ist?

„Du siehst aus, als wolltest du mir gleich an den Hals springen, bist ja ein richtiger Kampfzwerg.“

Ich stehe auf und hebe meine Faust um ihm richtig schön den Kiefer zu brechen.

Allerdings ist er diesmal vorbereitet und fängt meine Hand ab noch bevor sie auch nur in die Nähe seines Kiefers kommt.

„Nicht so aggressiv, Kleiner!“

Ich knurre ich an oder versuche es zumindest, im Endeffekt klingt es nämlich eher wie eine sterbende Katze, als irgendwie gefährlich.

„Lass mich einfach in Ruhe und geh mir nicht auf die Nerven.“

„Was hast du denn gegen mich, ich bin doch nur nett?“

Ich schaue ihn ungläubig an, weiß der nicht, wie doof er ist?

„Soll ich wirklich anfangen aufzuzählen? Du bist ein Punk, du stinkst, du behandelst mich wie ein Kind, du siehst komisch aus, du stinkst, du hast deinen Köter auf mich gehetzt und du stinkst.“

Er riecht demonstrativ an sich.

„Du, ich glaube, das mit dem Stinken ist ein Vorurteil. Ich stinke nicht.“

„Das riechst du selbst gar nicht mehr so. Hast dich schon an deinen strengen Geruch gewöhnt.“

Er riecht erneut, schüttelt dann aber den Kopf.

„Nein, riech doch mal, ich stinke nicht!“

„Tz, ich riech jetzt ganz bestimmt nicht an dir. Was hat dir denn ins Hirn geschissen?!“

Er schaut mich irritiert an, als hätte er wirklich erwartet, ich würde an ihm riechen.

Dann guckt er irgendwie verletzt und ein bisschen traurig. Alter? War das jetzt in der Punk-Kultur eine unverzeihliche Unhöflichkeit nicht an ihm zu schnüffeln, sind wir hier bei den Hunden oder was?

Ich darf mich nur nicht überreden lassen. Aber das ist leichter gesagt als getan, nach knappen 50 sec. hat er mich überredet.

Ich seufze hörbar auf und nähere mich ihm vorsichtig. Er kommt grinsend ebenfalls ein Stück auf mich zu, sodass meine Nase fast seine Brust berührt. Ich fange mich vorher gerade nochmal ab und rieche vorsichtig. Sofort ziehe ich mich mit hochrotem Kopf wieder zurück.

Der Kerl stinkt nicht, der riecht sogar VERDAMMT gut!

„Sag bloß, ich riech` doch nicht so schlecht?“

Ich grummele etwas vor mich hin, und verschränke die Arme vor der Brust.

„Naja, du stinkst nicht ganz so schlimm, wie ich es erwartet habe.“

Er nickt ironisch, ist mir fast ein Stück zu selbstsicher der Mann.

„Mhh, jetzt wo das geklärt ist, kannst du mich ja in Ruhe lassen.“

Ich sage diesen Satz so eiskalt, wie man es mit einem knallroten Kopf vor lauter Scham, eben kann.

Dabei drehe ich mich zum Fenster, damit er eben dieses Gesicht nicht sehen kann oder zumindest fühlt es sich so an, als könnte er es nicht.

„Ich sehe, dass du rot geworden bist.“

Scheiße, er hat es doch gesehen.

„Halts Maul und lass mich in Frieden, Dreckssack.“

Ich starre eine Weile aus dem Fenster und er hält tatsächlich seinen Mund.

Eigentlich hätte es genauso bleiben können aber er muss ja wieder anfangen.

„Warum findest du mich so scheiße?“

„Oh Mann, gerade warst du so schön ruhig.“

Er grinst und ich habe große Lust ihm dieses scheiß Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen.

Doch was dann passiert übertrifft wirklich alles je da gewesene an Beleidigung und Demütigung.

Einer der anderen Fahrgäste wendet sich an den Punk, er hatte uns schon eine Weile beobachtet.

„So, Kleiner, jetzt reicht’s aber,…“

Bis dahin finde ich es ja ganz lustig aber was dann kommt ist echt die Höhe!

„… lass das junge Fräulein doch endlich in Ruhe. Sie möchte nicht mit dir reden.“

DAS JUNGE FRÄULEIN????

Was hat dem ins Hirn geschissen?

Mein Gegenüber blickt kurz zu dem etwas älteren Mann, der es ja eigentlich nur gut gemeint hat, und beginnt dann einfach lauthals zu lachen und mit laut meine ich richtig laut.

Der ältere Mann ist ganz klar verwirrt und ich, naja, ich koche innerlich immer noch vor mich hin.

Fräulein. Der denkt ernsthaft, ich wäre ein Weib.

Was habe ich falsch gemacht oder womit habe ich es verdient, vor einem meiner Erzfeinde so blamiert zu werden?

Der Zug hält und ich erhebe mich hastig von meinem Platz um auszusteigen, auch, wenn es gar nicht meine Station ist.

Der Punk folgt mir und ich beginne wieder zu rennen.

Er nervt mich, gerade besonders.

„Hey warte! Nicht so schnell!“

Mir geht bald die Puste aus, in letzter Zeit bin ich irgendwie nur noch am Durch-Bahnhöfe-Rennen.

„Was willst du noch?“

Er kommt schwer atmend neben mir an, man merkt, dass er wohl nicht viel trainiert.

„Stell dich doch nicht so an, du Pussy. War doch lustig.“

Ich schaue ihn so böse an wie ich kann und laufe weiter, er neben mir her.

„Was ich dich eigentlich fragen wollte ist, ob du nicht Lust mit mir und Schröder etwas zu unternehmen?“

„Nein.“

„Wie, Nein?“

„Nein, ich hätte nicht Lust, etwas mit dir zu unternehmen.“

Er lacht ein wenig, auch wenn ich nicht verstehe, was daran so lustig ist, ich würde es erfahren.

„Du brauchst keine Angst haben, Schröder kommt ja auch mit, ist ja kein Date oder so. Ich dachte, wir könnten Paintball spielen gehen?“

Ich bleibe stehen, das mit der Angst überhöre ich einfach mal. Eher überrascht bin ich darüber, dass er es vermutlich auch noch ernst meint mit dem Paintball.

„Du willst mit mir Paintball spielen gehen? Was ist das überhaupt?“

„Naja, es ist kein richtiges Paintball aber man geht da halt hin und da ist dann so ein Spielfeld, auch mit so Deckungen und Verstecken und so und dann rennt man mit so 20 bis 50 anderen Leuten rum und bewirft sich gegenseitig mit so Farbbeuteln. Macht total Spaß.“

Ich schaue ihn etwas skeptisch an, versuche in seinen Augen irgendetwas zu finden, das ihn als Lügner enttarnen würde aber ich finde nichts. Er meint das ernst.

„Okay. Wann?“

„War das ein Ja?“

Ich schüttle den Kopf.

„Nein, es war ein Wann.“

Er nickt und wirkt nicht so, als hätte er verstanden, was ich gemeint habe. So ein kleines Dummerchen.

„Keine Ahnung. Morgen? Ich hol dich auch ab.“

„Tz, damit du weißt, wo ich wohn? Ne ne, wir treffen uns am Bahnhof. So um 11.“

Er nickt grinsend. Ich muss auch kurz lächeln und gehe dann weiter, natürlich nicht, ohne ihm kurz zuzuwinken.

Ist ja eigentlich echt ganz nett und er riecht so gut.
 

Meine Mutter schaut mich an, als wäre ich ein Marsmännchen, als ich vollkommen mit Farbe bekleckert und verschmiert unsere Wohnung betrete.

„Paintball ist verdammt anstrengend.“

Sie grinst nur und schickt mich in die Badewanne. Ich gehe ins Bad und ziehe die nun bunten Kleider aus, dann lasse ich mir heißes Wasser ein und lasse mich langsam hinein sinken.

Das Wasser färbt sich blau, rot, gelb, grün und pink. Ich genieße das Bad, schließlich war es tatsächlich ein anstrengender Tag.

Ich stand etwa eine halbe Stunde am Bahnhof, bis dieser Depp sich endlich mal blicken lässt.

Ich zicke ihn natürlich erst mal an, er lacht nur und zieht mich hinter sich her in den nächstbesten Zug. Wir müssen bestimmt 4-Mal umsteigen, weil er vor jeder Kontrolle raus musste. Irgendwie war es ja schon witzig, vor den Kontrolleuren zu flüchten. Einer hat uns sogar noch gesehen und uns hinterhergerufen. Als wir endlich angekommen waren, bezahlten wir den Eintritt.

Erst wollte ich nicht so wirklich, schließlich ist es ja schon ein bisschen niveaulos, sich gegenseitig und mindestens 30 andere Leute mit Farbe zu bewerfen.

Doch irgendwann hat er mich einfach mitgerissen. Es war echt genial. Wir spielten fangen und verstecken, nur, dass der Gefangene erst mal eine Ladung Farbe abbekam.

Irgendwann konnten wir vor lauter lachen kaum noch stehen und gaben auf. Wir setzten uns am Rand an einen Tisch und er lud mich auf eine Cola ein. Wir unterhielten uns über dies und das, über Schröder, der natürlich auch mit von der Partie war, über Emos und Punks, über die Liebe und über das Leben. Ich erfuhr, dass er angeblich 27 Ex-Freundinnen hatte, es aber nie länger als einen Monat mit einer ausgehalten hatte, außerdem, dass er viel Zeit auf der Straße lebt, zum schlafen aber meistens zu irgendwelchen Kumpels, besten oder festen Freundinnen ging. Ich fragte ihn, warum er nicht bei seinen Eltern wohnte und ob er denn nicht zur Schule ging, er meinte, er hätte mit 16 seinen Hauptschulabschluss gemacht, die Ausbildung mit 17 abgebrochen und mit 18 daheim rausgeschmissen worden, bzw. abgehauen, wie man es nehme.

Ich erzählte ihm von der Schule, was ich später machen will und als ich merkte, dass ihn das irgendwie etwas traurig machte, wechselte ich das Thema auf das Kickboxen. Wir unterhielten uns über Kampfsport, dann kamen wir wieder zur Familie. Ich fragte ihn, warum er gegangen war und er meinte, er hätte es nicht mehr ausgehalten und seine Eltern sowieso nicht. Wir beschlossen, öfter etwas zu unternehmen, weil es einfach extrem lustig war.

Ich fand es schade, dass wir um 4 Uhr wieder in den Zug stiegen und nicht mal umsteigen mussten. Wir verabschiedeten uns am Bahnhof und ich hatte das Bedürfnis, ihm meine Handynummer zu geben, damit er mich erreichen kann, sollten wir uns nicht zufällig irgendwo sehen.

Dann ging er mit Schröder nach links und ich nach rechts.

Es hat mir wirklich sehr gefallen und ich bin immer noch überrascht, wie cool er eigentlich ist.

Hört sich bestimmt doof an, weil ich Punks doch eigentlich hasse aber irgendwie habe ich das Gefühl, er wäre anders als die anderen Punks.

Ich steige aus dem nun kalten Badewasser und binde mir schnell ein Handtuch um den Körper, nicht um die Hüften, wie in billigen Yaois oder kitschigen Hollywoodstreifen, nein, einmal von oben bis fast unten, wie in der Nivea Werbung.

Ich creme meine Beine ein, dann meinen Bauch und Oberkörper, als letztes meine Arme, mit Nivea Creme versteht sich. Wir wollen schließlich mal Model werden, muss man schon mal üben.

Ich spiele übrigens wirklich mit dem Gedanken später mal zu modeln, zumindest als Nebenerwerb. Zwei, drei kleine „Aufträge“ hatte ich schon, wenn man es überhaupt so nennen kann.

Aber zurück zur Wirklichkeit: Ich stelle mich vor den Spiegel und kämme meine Haare, wenn sie nass sind verfilzen sie sich immer so. Also föhne ich sie und schon wird alles einfacher.

Dann starre ich ein bisschen meine Visage im Spiegel an. Ich sehe den schwarzen Ansatz an meinem Scheitel, verdammt, ich muss echt mal wieder nachfärben.

„Fabian! Verpiss dich endlich aus dem Bad! Ich muss mich fertig machen!“

Hab ich schon mal erwähnt, dass ich eine Superliebe kleine Schwester habe, die gerade im pubertären Alter von 15 Jahren ist und jeden Freitag, sowie Samstag abends weggehen muss, mit ihrer „Clique“, bzw. mit ihrem festen Freund, so wie ich es vermute.

„Du gehst doch eh erst um 8.00 los!“

„Ja, aber ich brauch eine Stunde, mindestens, also verpiss dich aus dem Bad!“

Sie schminkt sich immer, dabei ist sie gar nicht so hässlich, zwar nicht so schön wie ich aber hässlich nun auch nicht. Hehe. Ja, ich bin eingebildet aber zu Recht.

Ich öffne die Tür und lasse mein Schwesterherz durch, die nörgelt noch irgendetwas vor sich hin und schließt dann die Tür hinter sich. Vielleicht laufe ich auch weg, wie der Punk, halt nein, ich weiß ja jetzt, wie er heißt. Also laufe ich weg, mit Bela.

Ich schüttele den Kopf, in Wirklichkeit könnte ich das nämlich niemals, weglaufen, auf der Straße leben. Ich denke ich würde in Selbstmitleid versinken. Bela tut das nicht, er erwartet auch kein Mitleid, jedenfalls nicht von mir. Plötzlich bewundere ich ihn, für das, was er macht, bzw. nicht macht. Also, dass er sich nicht verstellt, sondern einfach das tun, was er für richtig hält, was ihm gefällt. Obwohl ihm ein bisschen Bildung vielleicht auch ganz gut tun würde. Zumindest ein kleines bisschen.

Ich lasse das Handtuch, in meinem Zimmer angekommen, fallen. Dann öffne ich meinen Schrank und suche mir eine frische Boxer, um sie natürlich auch anzuziehen.

Es ist zwar erst kurz nach 6.00 Uhr aber ich bin so müde, als wäre es mitten in der Nacht und ich käme von einer dieser schrecklich nervigen, lauten, anstrengenden Teenager-Möchtegern-Partys.

Ich hätte mal Bock auf eine richtige Party.

In dem Moment, in dem ich mir ausmale, wie diese „richtige Party“ aussieht, klingelt mein Handy.

Ich angel es hinter meinem Nachttisch hervor und nehme ab.

„Jaaa?“

„Hey, Ian!“

„Bela? Jetzt schon?“

Ich muss lachen, schließe die Tür und lasse mich auf mein Bett fallen.

„Ja, musste rausfinden, ob es auch die richtige Nummer ist.“

„Herzlichen Glückwunsch, du bist richtig. Von wo rufst du an?“

Er macht eine kurze Pause, bevor er anfängt zu reden.

„Bin bei einer Freundin.“

„Eine Freundin? Eine beste oder deine feste?“

Ein wenig überrascht bin ich ja schon. Er ist bei einer Freundin und telefoniert mit mir?

„Naja, also ähh… keine Ahnung…“

„Drucks nicht so rum, rück raus mit der Sprache! Schlaft ihr miteinander oder seid ihr nur Freunde?“

„Ähh… beides?“

Ich glaube für einen Moment, ich hätte mich verhört! Der sitzt bei seiner Affäre, hat sie wahrscheinlich gerade noch ge*ihr-wisst-schon-was*t und jetzt telefoniert er mit mir? Wer bin ich denn, dass ich mir sowas bieten lassen muss, also bitte.

„Dein Ernst? Du telefonierst mit mir, wenn du bei deiner Affäre bist?! Was glaubst du denn, wer ich bin?! Also darauf hab ich echt kein Bock, ne danke, brauchst gar nicht mehr anrufen, solange du bei deiner Schlampe bist!“

Direkt nachdem ich aufgelegt habe, bereue ich es schon wieder.

Ich habe mich aufgeführt wie eine eifersüchtige Ehefrau, dabei habe ich überhaupt keinen Anspruch auf ihn, geschweige denn von wo er mich anruft.

Ich schlage meine Hand vor den Kopf.

Wie doof bin ich eigentlich? Der will doch nie wieder was von mir hören! Fuck, verdammt.

Und warum rege ich mich darüber so extrem auf?!

Ich schalte mein Handy aus, nicht, dass ich auf die Idee komme ihn nochmal anzurufen.

Dann schalte ich meinen Pc an und stöbere ein bisschen auf Facebook. Aus „ein bisschen“ wird „bis um 10“ und ich kann direkt ins Bett.

Irgendwie weiß ich nicht, ob ich den Tag schön oder beschissen finden sollte.
 

Die nächsten Tage laufen schleppend an mir vorbei und auf meinem Handy häufen sich SMS und Anrufe einer unbekannten Nummer. Ich lese sie absichtlich nicht, schließlich weiß ich, dass sie von Bela sind.

Für die meisten wird mein Handeln seltsam aussehen aber ich glaube einfach nicht, dass ich ihm nochmal in die Augen sehen kann, nachdem ich mich so peinlich aufgeführt habe.

Ich stehe gerade auf dem Pausenhof mit meiner besten Freundin Sarah, als eine neue Nachricht mein Handy erreicht. Während ich auf mein Display schaue (ich tue es, obwohl ich eigentlich weiß, von wem die SMS ist), erhascht auf Sarah einen Blick darauf, ganz unabsichtlich, versteht sich. Leider fällt ihr dabei auch die Anzahl der übrigen SMS und verpassten Anrufen auf.

„Wer schreibt dir da eigentlich?“

„Niemand.“

„Nach niemand sieht das aber nicht aus, das sind min. 30 Nachrichten und du hast keine davon gelesen. Warum? Von wem sind sie?“

„Von so einem Typ, hab mich mal mit ihm getroffen. Ich hab aber keine Lust, ihn wiederzusehen.“

Sie lacht, natürlich weiß sie, dass ich schwul bin, schließlich ist sie meine Beste. Sie weiß allerdings auch, dass ich nie wirklich viele Dates hatte, ich bin einfach nicht so der Aufreißer.

„Okay? Was hat er denn verbrochen?“

„Er ist komisch. Er ist Punk.“

„Alter Rassist! Gib doch zu, dass du ihn süß findest!“

„Hey, das war kein Date und ich finde ihn nicht süß! Außerdem passt er nicht zu mir.“

„Mhh… du meinst wohl, dass sein Verhalten dir nicht passt, lieg ich da richtig?“

„Ja, sein Verhalten passt mir nicht. Er hat mich angerufen und wollte mit mi telefonieren, während er bei seiner Sex-Bekanntschaft war! Ist das zu fassen?“

„Wenn es kein Date war und ihr nur Freunde seid, ist das doch vollkommen legitim, zumindest aus deiner Sicht.“

„Sei doch ruhig.“

„ Also doch ein Date. Gefällt er dir?“

Ich werde etwas rot und starre verlegen auf das Display meines Handys, genauer auf die 26 Nachrichten, die er mir hinterlassen hat.

„Bisschen vielleicht. Gerade deshalb ist es ja auch so scheiße von ihm.“

„Aber das kann er doch nicht riechen! Woher soll er wissen, dass es ein Date ist, wenn du ihm sagst, es sei Keines?“

„Ich weiß es nicht.“

„Also machst du was?“

„Ich lese seine Nachrichten und antworte ihm.“

„Warum nicht gleich so?“

Sie gibt mir zum Abschied einen kleinen Kuss auf die Wange, dann geht sie in ihren Unterricht. Ich selbst habe heute keinen Unterricht mehr, demnach habe ich gleich Zeit, Belas Nachrichten zu lesen.

Ich setze mich also auf eine Bank und beginne zu lesen. Gleich bei der ersten bekomme ich ein schlechtes Gewissen, gleichzeitig aber irgendwie auch Schmetterlinge im Bauch oder zumindest sowas in der Art.
 

Ich denke, das ist die letzte SMS, die ich dir schreibe. Ich gebe auf.

Trotzdem tut es mir leid, dass du so sauer auf mich bist und ich hätte gehofft, du würdest mir verzeihen. Ich habe nicht gewusst, dass es dir so ernst ist mit mir.

Schließlich hättest du es mir auch einfach sagen können. Ich hätte mich gefreut, wirklich.

Ich mag dich nämlich auch, irgendwie. Es ist komisch „auch“ zu sagen, wenn ich gar nicht wirklich weiß, wie du eigentlich fühlst, also bitte ich dich, mir wenigstens das kurz zu sagen.

Naja, ich denke, ich habe dich lange genug genervt.

Hab dich lieb,

Bela
 

Der Text ist tatsächlich nicht wirklich romantisch, keiner von den 26 ist es, aber ich spüre, dass er ihn mit Liebe geschrieben hat. Bevor ich kitschig werde, antworte ich ihm lieber, wobei es vielleicht nicht so passend ist, ihm eine SMS zu schreiben. Ich will ihn sehen.
 

Will dich sehen. Bahnhof. Jetzt.

Ian
 

Ich weiß nicht mal, an wen ich da eigentlich schreibe, schließlich hat Bela kein eigenes Handy, aber ich weiß, dass diese Person es ihm mitteilen wird. Also mache ich auf den Weg zum Bahnhof.

Es ist ein windiger Tag und meine Frisur ist schon nach wenigen Sekunden völlig zerstört. Normalerweise würde ich mich aufregen aber heute stört es mich kaum, ich lauf einfach weiter.

Am Bahnhof angekommen gehe ich nicht dahin, wo die Punks immer sitzen, weil ich keinen von ihnen sehen will, ich gehe in Richtung der Treppe, zu der ich vor Schröder geflüchtet war.

Ich biege um die Ecke und in dem Moment, in dem ich die beiden gerade dort sitzen sehe, springt Schröder schon auf und rennt auf mich zu. Bela springt gleich mit auf und rennt wiederum Schröder hinterher. Es ist wie ein Déjà-vu: Ich renne voraus, der Hund hinterher und Bela versucht den Hund zum Anhalten zu bewegen. Nur, dass ich diesmal keine Angst habe. Diesmal ist es einfach so ein Gefühl. Irgendwie macht es Spaß, durch den Bahnhof zu rennen, an erstaunten, zum Teil auch verärgerten Passanten vorbei, die Treppen hoch, die Treppen runter.

An einer dieser Treppen mache ich halt und setze mich auf die oberste Stufe, diesmal erwischt Bela seinen Hund nicht und Schröder überrennt mich fast, vor lauter Elan.

„Ja Schröder, ich hab dich auch vermisst.“

Ich streichle den Kopf des Rüden und wuschele über seine Hängeohren. Erst wenig später kommt auch Bela um die Ecke und lässt sich erschöpft neben mir auf die Stufe sinken.

„Musste das sein? Du müsstest langsam wissen, dass ich nicht so der Ausdauersportler bin.“

Ich grinse ihn an, dann beuge ich mich, über Schröder hinweg, zu ihm und gebe ihm einen Kuss.

Ich weiß selbst nicht, warum gerade jetzt und warum hier aber irgendwie kommt es einfach so über mich und ihm scheint es genauso zu gehen.

So sitzen wir also auf der Treppe eines ziemlich vollen Bahnhofs, mit einer riesigen Dogge auf dem Schoß und küssen uns, als wäre es die pure Selbstverständlichkeit, das zu tun.

Ich ziehe mich zurück und rümpfe möglichst auffällig die Nase. Er sieht mich fragend an, seine Lippen Wangen sind durch den Kuss noch etwas gerötet und sein eines Auge ist etwas zugekniffen. Irgendwie sieht der wie ein bekiffter Tomatenkopf.

Noch immer schaut er irgendwie fragend zu mir, also beeile ich mich mit der Antwort.

„Du stinkst ein bisschen.“

Ich habe gerade noch Zeit, ihm kurz die Zunge herauszustrecken, bevor ich aufspringe und mich erneut durch den Bahnhof jagen lassen, nur diesmal von einer beleidigten Leberwurst mit Irokesen- schnitt – als wäre es die pure Selbstverständlichkeit.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Miu13
2013-05-05T10:11:47+00:00 05.05.2013 12:11
die geschichte ist wirklich seeeeeeehr süüß>-<
es hat sehr viel spaß gemacht sie zu lesen und ich freue micht sehr auf noch mehr geschichten von dir ;)
Von:  Kris18
2013-03-03T22:00:37+00:00 03.03.2013 23:00
Süß die Story
und nette schleichwerbung XD
aber ernsthaft Bela dachten seine Eltern er wird nen mädel? X"D
Antwort von: abgemeldet
04.03.2013 18:26
Schleichwerbung für was o.O?
Antwort von:  Kris18
04.03.2013 18:28
Für Nivea was sonst XD
Antwort von: abgemeldet
05.03.2013 18:32
hehe, hatte ich schon wieder vergessen :3
Von:  SayChan
2013-03-03T11:29:34+00:00 03.03.2013 12:29
Das ist eine echt schöne Story!


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