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Where Butterflies never die

Die Geschichte einer Assassine
von

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Erinnerung

Kapitel 6: Erinnerungen

 

Ein liebevolles Lächeln aus einem unscharfen Gesicht. Blaue Augen, aus denen Tränen tropften und die helle Haut benetzten. Dann etwas bedrohlich Glänzendes, das durch die Luft sauste. Ein verzerrter Schrei. Stille.
 

Heftig zuckte Arsura zusammen, als sie aus diesem seltsamen Traum erwachte. Sie richtete sich leicht auf. Ihr Herz klopfte heftig gegen ihre Brust und sie musste ihren flachen Atem erst einmal in den Griff bekommen.

Sait, der durch das plötzliche Aufschrecken von Arsura ebenfalls wach geworden war, wandte sich zu ihr.

„Alles in Ordnung?“ fragte er leicht verschlafen. Arsura nickte leicht.

„Ja, es geht mir gut“ antwortete sie.

Sait setzte sich auf und streichelte ihr vorsichtig über die helle Haut an der Schulter. Dann zog er sie sanft zu sich und küsste sie innig. Seit nun mehr als zwei Jahren waren die beiden ein Paar. Keiner wusste etwas davon und so sollte es auch bleiben. Hier, auf dem Heuboden in den Pferdestallungen hatten sie sich ein kleines Liebesnest letzte Nacht eingerichtet. Im weichen Stroh auf dünnen Decken waren sie gestern erschöpft eingeschlafen.

Die Assassinen-Prüfung lag schon lange zurück. Arsura war mittlerweile schon 25 Jahre alt und machte sich sehr gut. Malik und Sait hatten ihr damals verziehen, dass sie ihnen vorenthalten hatte, was in der Prüfung vorkam. Das lag schon so lange zurück, dass sie sich nicht mehr richtig daran erinnern konnte. Nur an dieses seltsame Gefühl konnte sie sich noch gut erinnern, als sie diesen Jungen damals tötete. Und ab und an bereitete es ihr Sorgen.

„Ich muss bald los“ murmelte Arsura leise, als sie sich wieder voneinander gelöst hatten.

„Was hast du denn so wichtiges heute vor?“ wollte Sait interessiert wissen und beobachtete sie, als sie sich anzog.

„Meister Ilai hat mich gebeten ihm bei der Ausbildung der Novizen zu helfen, da er immer noch verletzt ist“ erklärte Arsura und zog sich währenddessen ihre Hose und das ärmellose Untergewand ihrer Assassinengewandung an.

„Dann würde ich mich an deiner Stelle etwas beeilen. Sie haben bestimmt schon angefangen“ meinte Sait banal, nachdem er kurz nach draußen geschaut hatte.

Arsura war verwirrt, aber auch sie blickte durch die viereckige Öffnung in der Holzwand und schaute zur Sonne. Diese war schon aufgegangen und hing über dem Horizont. Mit einem erschrockenen Laut schnappte sich Arsura ihre restlichen Klamotten und zog sich in Windeseile an.

Danach beugte sie sich über den Rand des Heubodens und pfiff einmal laut durch die Zähne. Der mittlerweile 15-jährige Kadir hob ruckartig den Kopf und wieherte laut.

„Kadir!“ sagte Arsura.

„Tür!“

Der Hengst hörte auf das Kommando, streckte den Hals über seine Boxtür und nahm den Riegel zwischen die Zähne. Es dauerte nicht lange, da hatte das Pferd die Tür geöffnet und lief in den Gang. Ein praktischer Trick, den Arsura dem Tier vor ein paar Jahren beigebracht hatte. Sharif war davon nicht sehr begeistert gewesen, denn anfangs stand der Hengst regelmäßig mitten in den Stallungen, doch im Laufe der Zeit hatte er gelernt nur die Tür aufzumachen, wenn man es ihm sagte.

Schnell kletterte Arsura die Leiter herunter, überprüfte, als sie unten angekommen war, dass alles saß und verschwand kurz in der Sattelkammer, um die Trense zu holen. Es dauerte nicht lange, bis Kadir das Geschirr auf dem Kopf hatte und seiner Besitzerin nach draußen folgte. Aus dem Stand sprang Arsura auf Kadirs ungesattelten Rücken.

Irgendwo zwischen Tür und Angel, rief sie Sait noch schnell ein „Bis später!“ entgegen, bevor sie das Pferd im Eiltempo antraben ließ.

Zum Glück war um diese Zeit noch nicht viel los im Dorf, sodass Arsura ihr Pferd streckenweise sogar galoppieren lassen konnte. Vor dem Eingang der Festung stieg die junge Frau von Kadir ab und schickte ihn wieder zurück in den Stall. Der Hengst kannte den Weg, deshalb machte sie sich keine Sorgen.

Schnellen Schrittes betrat Arsura die Festung und sah schon von weitem die jungen Novizen kämpfen.

„Meister Ilai!“ begrüßte sie ihn herzlich und verneigte sich leicht.

„Arsura. Du bist spät dran. Geh und hol deine Ausrüstung. Ich möchte den Jungs heute noch etwas beibringen“ meinte er nur.

Sie nickte, lief hoch in das große Gebäude und dort in die Waffenkammer, um ihr Schwert, ihr Kampf-, sowie ihre Wurfmesser zu holen.

Noch wusste sie schließlich nicht, was Ilai vorhatte, deshalb war sie besser beraten, einfach alles mitzunehmen. Seit einigen Jahren hatte Arsura ein neues Schwert. Es war eine Sonderanfertigung und ihr Ziehvater hatte es ihr zum Geburtstag geschenkt.

Der Knauf war vergoldet und stellte eine fauchende Löwin dar, das Leder am Griff war schwarz. Die Parierstange war ebenfalls vergoldet und war als Pranken des edlen Raubtiers dargestellt. „Die Löwin aus Masyaf“ – ein Titel den ihr ihr unberechenbarer und heftiger Kampfstil im Laufe der Zeit eingebracht hatte.

Arsura lief wieder zurück zum Kampfplatz. Sie ging direkt auf Ilai zu.

„Was macht Euer Arm?“ wollte sie interessiert wissen.

Ilai lächelte leicht. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er sich mit einem seiner Brüder ein heftiges Duell geliefert und sich dabei Elle und Speiche im Unterarm gebrochen. Seitdem musste er regelmäßig erfahrene Assassinen bitten, ihm beim Training zu helfen.

Arsura war begeistert von der Bitte und hatte sich sofort bereit erklärt bei der Ausbildung zu helfen. Natürlich waren die jungen Novizen anfangs nicht sehr erfreut, von einer Frau unterrichtet zu werden, aber Arsura hatte sie schnell eines Besseren belehrt. Seitdem wagte es keiner mehr ihr Können in Frage zu stellen.

„Es wird besser. Der Doktor meinte in zwei bis drei Wochen könnte ich wieder mit leichtem Training beginnen“ erklärte er.

Arsura lächelte.

„Das klingt gut. Nun, was soll ich unseren Novizen heute beibringen?“ wollte sie wissen.

„Sie sollen die Konterangriffe lernen. Da ich nicht kann und sie es erst mal vorgeführt bekommen sollen, habe ich Abbas gebeten auch gleich vorbei zu kommen und dir als Kampfpartner zur Verfügung zu stehen“ sagte Ilai.

Arsura unterdrückte ein entnervtes Aufseufzen. Abbas also. Na das konnte ja was werden. Dass sie ihn nicht leiden konnte, war maßlos untertrieben. Arsura hasste ihn einfach.

Ihre Feindschaft war in den letzten Jahren noch schlimmer geworden. Erst vor ein paar Tagen waren sie sich wieder an die Gurgel gesprungen und hatten sich geprügelt. Arsura war froh darüber, körperlich so fit und koordiniert zu sein, denn ansonsten wäre sie nicht mit nur blauen Flecken davon gekommen. Gegen keinen anderen Assassinen hegte sie so einen Groll, wie gegen ihn.

Und es wurde immer schlimmer. Außerdem war sie von den letzten Tagen, in denen sie viel unterwegs gewesen und trainiert hatte ebenfalls ziemlich erschöpft und auch leicht angeschlagen. Deshalb hatte sie sich eigentlich auf eine ruhige Trainingsstunde gefreut. Doch, daraus sollte nichts werden.

„In Ordnung“ meinte sie schließlich.

Es dauerte nicht lange, da tauchte Abbas auch schon auf. Argwöhnisch musterte er die junge Frau. Ilai wandte sich zwischenzeitlich an seine Schüler und erklärte ihnen den Ablauf. Dann bat er Arsura und Abbas um eine Vorführung. Arsura schaute kurz zu Abbas, der bereits auf den eingezäunten Trainingsplatz zulief. Sie atmete tief durch und folgte ihm. Arsura schlich sich ein seltsames Gefühl von Déjà-vu auf.

„Ich bitte euch beide, dass ihr den Novizen ein paar Konterangriffe vorführt. Sie sollen es dann später nachmachen“ meinte Ilai nun, aber er hatte noch keine Ahnung, was es bedeutete die beiden ausgebildeten Assassinen aufeinander loszulassen.

Von den Streitigkeiten zwischen Arsura und Abbas wusste er nichts. Arsura atmete tief durch und zog ihre weiße Kapuze über, während Abbas sich schon in Kampfstellung begab.

Arsura beschlich ein ganz mieses Gefühl. Nicht, dass sie vor ihm Angst hatte, aber sie ahnte wie das enden würde. Und dann griff Abbas an. Unerwartet und plötzlich. Arsura hatte nicht einmal Zeit ihr Schwert zu ziehen und wehrte deshalb die flache Seite der Klinge mit der Handfläche ab. Dann zog sie schnell ihr eigenes Schwert und wehrte den erneuten Hieb ab. Die Schwertklingen schlugen klirrend aufeinander.

„Abbas, hör auf!“ herrschte Arsura ihn entnervt an.

„Wieso? Hast du Angst gegen mich zu verlieren?“ wollte er arrogant wissen.

„Lass den Mist! Wir sind hier um zu trainieren!“ widersprach sie entnervt.

Abbas schlug abermals zu und durchbrach ihre Deckung. Arsura war darauf nicht vorbereitet und als ihr Schwert oben an dem von Abbas gehalten wurde, trat er ihr in den Bauch. Mit einem erschrockenen Laut ging Arsura zu Boden. Zum Glück verlor sie das Schwert nicht, aber es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder auf die Beine richtete.

Die Blutergüsse schmerzten. Abbas wusste aber auch genau, wo er treffen musste, um ihr richtig weh zu tun. Arsura hörte nur, wie Ilai etwas sagte, aber wirklich verstehen konnte sie ihn nicht. Sie war viel zu sehr mit der Situation beschäftigt.

Arsura kam nicht dazu, ihre Kampfhaltung einzunehmen, denn Abbas griff sie erneut ein. Mit dem Schwertknauf schlug er ihr vor den Brustkorb und dann mit der linken Faust gegen den oberen Wangenknochen. Arsura ging erneut zu Boden und rang nach Luft.

„Abbas, genug! Ich denke, das sollte reichen“ meinte Ilai nun.

Arsura ächzte und atmete hörbar ein. Dann stand sie erneut auf. Das konnte sie nicht auf sich sitzen lassen.

„Tse… Ich hab es dir schon immer gesagt. Du hast in der Bruderschaft nichts verloren“ sagte Abbas herablassend.

Blitzschnell zog sie ein Wurfmesser hervor und war es nach Abbas. Es streifte ihn an der Wange, flog zielgenau zwischen den Köpfen zweier Novizen hindurch und blieb im Geländer der Treppe, die zur Burg hinauf führte stecken.

„Lass den Mist!“ fauchte sie ihn mühsam an und hielt sich die rechte Seite.

Ilai war perplex – mindestens so sehr wie Abbas, der immer noch wie angewurzelt dort stand und dem das Blut von der Wange tropfte. Arsura kletterte mühselig über das Geländer. Offensichtlich hatte sie sich jetzt richtig wehgetan.

Ilai bemerkte das und wies beiläufig einen der Novizen an, Arsura doch bitte zum Doktor zu begleiten. Dieser nickte und befolgte die Bitte.
 

Es vergingen einige Stunden. Sait war zwischenzeitlich hoch zur Festung gelaufen und als er seinen Vater Ilai alleine am Kampfplatz angetroffen hatte, fragte er verwirrt nach Arsura. Er erklärte seinem Sohn, was passiert war. Sait schluckte seinen Zorn herunter. Er konnte sich gut vorstellen, was passiert war.

„Wo ist sie jetzt?“ wollte Sait wissen.

„Arsura hat vorhin vorbei geschaut und gemeint, dass sie sich laut Aussage des Doktors vorerst schonen soll. Sie müsste in der Bibliothek sein. Zumindest hat sie das gesagt“ erzählte Ilai.

Sait nickte und bedankte sich, dann machte er sich auf den Weg. Tatsächlich traf er seine Freundin in der Bücherei an. Sie saß an einem hölzernen Schreibtisch, hatte ein Buch aufgeklappt und las darin, während Feder und Papier bereit lagen, um von Notizen beschrieben zu werden.

„Arsura“ sagte Sait und zog damit ihre Aufmerksamkeit auf sich.

Sie drehte sich um und sah zu ihm.

„Hallo“ erwiderte sie etwas matt.

Sait setzte sich zu ihr.

„Ilai hat mir gerade erzählt, was passiert ist. Wie geht es dir?“ wollte er wissen.

„Eine meiner Rippen ist geprellt. Ansonsten nur blaue Flecken. Das verheilt“ gab sie beschwichtigten zurück.

„Wenn ich Abbas das nächste Mal sehe, drehe ich ihm den Hals an“ meinte Sait sauer.

„Ich kann dich verstehen und ich gönne ihm diesen Triumph noch weniger als du, aber ich muss es erst mal so im Raum stehen lassen. Es passt mir zwar nicht, aber meine körperliche Verfassung lässt es nicht anders zu“ seufzte Arsura zurück.

Sait wollte etwas sagen, kam aber nicht dazu, als plötzlich ein junger Assassinen Informant recht eilig an der Bibliothek vorbeilief und die beiden aufschreckte.

„Was ist denn jetzt los?“ fragte Sait verwirrt.

„Keine Ahnung. Altair ist hier vor einiger Zeit auch vorbeigelaufen und hoch zu Al-Mualim“ bemerkte Arsura beiläufig.

„War er weg gewesen?“ wollte Sait uninteressiert wissen.

„Offensichtlich ja. Soweit ich weiß waren Malik und Kadar auch dabei. Zumindest hat Malik etwas in der Richtung erwähnt. Ich habe ihn seit Wochen nicht gesehen. Genauer gesagt ab dem Zeitpunkt, als er gesagt hat, dass er auf eine wichtige Mission muss, um seine Prüfung zum Meisterassassinen abzulegen“ erklärte Arsura.

„Altair ist auch nicht mehr das, was er mal war. Seine Beförderung hat ihn ziemlich… arrogant gemacht“ meinte Sait nun.

Arsura zögerte einen Moment und nickte dann langsam.

„Ja, das ist wahr.“

Sait sah auf das Buch, vor seiner Freundin.

„Was liest du da eigentlich?“ wollte er wissen.

„Ach... etwas verschiedene Waffenarten und wie man am besten dagegen ankommt“ sagte sie tonlos.

„Sieht nicht so aus, als ob dich das interessiert“ meinte Sait etwas belustigt.

„Ich kann mich nicht wirklich darauf konzentrieren, weißt du? Irgendwie... hab ich ein ganz schlechtes Gefühl...“ sagte sie.

Sie wirkte unsicher in ihrer Aussage.

„Arsura. Was ist denn los mit dir? Du bist schon seit einer Weile so seltsam und – auch wenn du das jetzt vielleicht nicht hören willst – das könnte auch der Grund sein, warum du vor ein paar Tagen gegen Abbas so versagt hast und auch heute nicht gegen ihn gewonnen hast. Ich kann es nicht richtig beschreiben, aber du wirkst... abwesend, fast schon seltsam unkonzentriert, was dir überhaupt nicht ähnlich sieht“ meinte Sait nun.

Besorgnis schwang in seiner Stimme mit.

Arsura legte die Feder beiseite und lehnte sich Stuhl zurück.

„Ich weiß doch auch nicht...“ seufzte sie zurück.

Es dauerte ein paar Minuten bis der Assassinen Informant wieder die Treppe hinab lief – ebenso hektisch, wie er sie eben erklommen hatte. Arsura sprang von ihrem Stuhl auf und fing ihn ab.

„Was ist denn los? Warum seid Ihr so aufgeregt?“ fragte sie ihn direkt heraus.

„Tempelritter belagern das Dorf vor der Festung! Wir werden angegriffen!“ erklärte er aufgeregt.

Im nächsten Moment hörte man die Alarmglocken ertönen. Sait und Arsura sahen sich ernst an.

„Lass uns keine Zeit verlieren“ meinte Sait ernst und lief sofort in Richtung Ausgang.

Arsura zögerte nicht und folgte ihm. Als sie die Festung verlassen hatten, hörten sie aus dem Dorf panische Schreie von Zivilisten. Arsura dachte sofort an Ayasha und Sharif.

„Ich muss meine Eltern suchen. Sieh zu, dass du noch ein paar Leute zusammen kriegst, um die Templer abzulenken, damit die anderen die Verwundeten in die Burg schaffen können“ sagte sie sofort.

Sait nickte. Arsura rannte los, verließ die Festung und zog sie in ihrem Sprint die Kapuze über den Kopf. Viele panische Dorfbewohner kamen ihr entgegen gerannt. Arsura wollte so schnell wie möglich nach Hause. Sie wusste nicht, ob Ayasha schon hoch zur Festung gelaufen war, oder ob sie immer noch dort war.

Arsura sprang auf eines der Hausdächer und dann auf ein gegenüberliegendes, um schnell bei ihrem Heim anzukommen. Als sie oben auf einem Dach stand, konnte sie zu dem Haus sehen, das sie bewohnte. Die Haustür war geschlossen und unversehrt.

Arsura atmete kurz erleichtert aus, sprang vom Dach und lief hinunter. Sie klopfte mit der Faust hektisch gegen die Tür.

„Mutter! Mutter, bis du da?!“ fragte sie laut. Kurz darauf wurde sie geöffnet und Ayasha sah sie erschrocken an.

„Arsura… was-?!“ fing sie an, aber ihre Ziehtochter unterbrach sie sofort.

„Keine Zeit. Los, lauf hoch zur Festung. Wir werden angegriffen!“

„Aber, Sharif-!“ sagte Ayasha dann.

„Wir treffen dich oben“ erwiderte Arsura.

Als sie zur Seite sah, bemerkte sie zwei Tempelritter, die die Straße hinaufliefen. Schnell packte sie Ayasha am Arm und wies sie in Richtung der großen Festung.

„Geh! Ich halte sie auf!“ beharrte Arsura energisch und zog ihr Schwert.

Ayasha nickte und rannte in Richtung der Festung.

Arsura atmete tief durch und ging auf die beiden Kreuzritter los. Dem Ersten schlug sie Beine weg. Der zweite wich erschrocken zurück, holte dann aber mit seinem langen Schwert aus und versuchte Arsura an der ungeschützten linken Seite zu treffen. Die junge Assassine wirbelte herum und schlug dem Templer das Schwert weg.

Als sie aufsah und eigentlich feststellen wollte, wo ihr Gegner als nächstes zuschlagen würde, blieb ihr Blick an dem roten Templerkreuz auf dem weißen Wappenrock hängen. Sie stutzte und wich einen Schritt zurück. Verschwommene Bilder zuckten vor ihrem geistigen Auge. Das Symbol weckte längst verdrängt Erinnerungen in ihr. Arsura hatte das Gefühl keine Luft zu kriegen. Und sie konnte nicht mehr reagieren, als der Templer sie zu Boden schlug. Sie spürte einen Schlag und die Wucht, wie sie zu Boden ging. Allerdings fühlte sich das Ganze eher taub an und sie bekam nicht mit, ob es wirklich weh tat. Auch nicht, dass sie ihrem Gegner in diesem Moment schutzlos ausgeliefert war.

Es dauerte einen Moment bis sie die brenzlige Situation erkannte. Das gegnerische Schwert kreiste gefährlich nahe über ihrer Kehle. Die Braunhaarige riss erschrocken die Augen auf und war der festen Überzeugung jetzt ihr Leben zu verlieren.

Der Templer holte aus, um ihr die Klinge in den ungeschützten Hals zu stoßen, doch plötzlich hielt er inne. Arsura blinzelte verwirrt und sah hoch. Ein Schwert ragte aus der Brust des Ritters und Blut färbte seinen weißen Wappenrock rot.

Die Klinge wurde zurück gezogen und der Mann sank leblos zu Boden. Arsura atmete flach, als sie merkte, dass das wirklich knapp gewesen war.

Sharif reichte ihr die Hand und half ihr auf.

„Alles in Ordnung?“ fragte er nach.

Arsura nickte.

„Ja... ja, mir ist nichts passiert“ sagte sie abwesend und sah auf den toten Kreuzritter.

„Los, wir müssen, den Leuten helfen zur Festung zu kommen!“ sagte ihr Vater ernst.

Er war im Begriff los zu gehen, aber dann bemerkte den Blick seiner Ziehtochter, die immer noch das Templerkreuz anstarrte.

Sharif ging zu Arsura und packte sie an den Schultern.

„Komm zu dir! Wir haben eine Aufgabe zu erledigen!“ herrschte er sie strenger als gewollt an.

Arsura brauchte einen Moment, fing sich aber wieder. Sie nickte entschieden und folgte ihrem Vater in das Dorf.

Überall lagen Tote. Es waren sowohl Tempelritter, als auch Zivilisten aus Masyaf. Arsura und Sharif machten den Weg frei für die Bürger, damit sie in die Festung gelangen konnten.

Einige hundert Meter vor dem Tor traf Arsura auf Rauf, der ihr etwas außer Atem entgegenlief.

„Wie viele sind noch unten im Dorf?!“ fragte sie sofort heraus.

„Ich denke, das waren die letzten. Wir können jetzt auch zur Burg gehen. Wir sollten uns beeilen – da ist eine ganze Armee auf dem Weg zu uns!“ erwiderte Rauf.

„Gut“ nickte Arsura und drehte sich um, um nun auch Schutz zu suchen.

Sie richtete ihren Blick auf und sah, wie Sharif mit einem Templer kämpfte. Entsetzt musste Arsura feststellen, dass ein Bogenschütze seinen Pfeil spannte und auf Sharif zielte.

Und dann ging alles plötzlich ganz schnell.

Der Schütze jagte seinen Pfeil in Sharifs Schulter und dieser verlor vor Schreck und Schmerz seine Kampfhaltung. Der Ritter nutzte das aus und stach ihm sein Schwert durch den Hals.

Sharifs Augen weiteten sich entsetzt, genauso wie die von Arsura.

„NEIN!!!“ schrie sie auf und rannte zu ihm.

Rauf und drei andere Assassinen packten sich die beiden Tempelritter und töteten sie, bevor sie noch mehr Schaden anrichten konnten.

Arsura ging neben Sharif auf die Knie. Ihr standen die Tränen in den Augen und es bereitete ihr Höllenqualen ihren Ziehvater so zu sehen.

Sharif blutete heftig aus Mund, Hals und Nase. Er röchelte und sah zu Arsura. Offenbar wollte er ihr etwas sagen, aber er kam nicht mehr dazu. Kraftlos sank sein Kopf zur Seite, er tat seinen letzten Atemzug und starb.

Arsura schloss resigniert die Augen und ein paar Tränen tropften auf den teilweise staubigen, teilweise blutgetränkten Boden.

„Arsura! Wir müssen gehen!“ sagte Rauf plötzlich hektisch.

Die Angesprochene blickte auf und sah zu ihm. Sie wandte sich wieder von ihm ab und dem Leichnam ihres geliebten Ziehvaters zu.

„Friede sei mit dir, Vater“ hauchte sie mit erstickter Stimme und stand widerwillig auf.

Sie folgte den anderen Assassinen hoch zur Festung. Sie waren wirklich die letzten und hinter ihnen wurde das Tor vernehmlich verschlossen.

Arsura sah einen Moment auf das Tor, sah sich dann in der Menge um und versuchte Ayasha ausfindig zu machen.

An den steinernen Stufen kurz vor dem Eingang in die Burg, fand sie sie schließlich.

„Arsura, du lebst! Gott sei Dank. Ist alles in Ordnung? Wo ist Sharif?!“ fragte sie erleichtert, aber auch besorgt.

Arsura schüttelte nur leicht den Kopf und sah mit getrübtem Blick zu Boden.

„Es tut mir leid. Ich... ich konnte nichts dagegen tun“ sagte sie brüchig.

Ayasha sah sie fassungslos an.

„Nein... nein. Das glaub ich nicht... Er ist nicht... Er kann doch nicht...“

Bitter drang die Erkenntnis in sie und mit einem verzweifelten Schrei und einem Tränenschwall, der nicht zu bremsen war, sackte sie zu Boden.

Arsura kniete sich zu ihr und nahm den bebenden Körper vorsichtig in den Arm, um ihr Trost zu spenden.
 

Nachdem der Angriff der Tempelritter zerschlagen worden war, machte sich Arsura zusammen mit Ayasha auf den Heimweg.

Am späten Abend saßen sie bei Kerzenschein in der Hütte und schwiegen sich an.

Irgendwann hielt Arsura es nicht mehr aus und verließ das gemeinsame Heim, ohne ihre Mutter darüber zu informieren, wo sie hinging.

Ayasha ließ sie einfach ziehen und begann wieder zu weinen, als die Tür ins Schloss fiel.

Arsura ging zur Feste hoch und sah sich im Innenhof um. Man hatte die Toten geborgen und hier nebeneinander hingelegt. So konnte man noch Abschied nehmen, wenn man wollte. Arsura sah auf die vielen mit Tüchern bedeckten Leichen. Nach einem Moment wandte sie sich ab und lief zum Turm.

Dort kletterte sie die beiden Leitern hinauf, bis sie zu einem offenen Bereich kam und setzte sich dort auf den Rand des geländerlosen Balkons.

Sie starrte in den Nachthimmel und versuchte die Bilder von Sharifs Ableben aus ihrem Kopf zu verbannen.

„Arsura?“

Die Angesprochene schreckte auf und drehte sich um.

„Sait. Du hast mich erschreckt“ sagte sie trocken.

Sait ging auf sie zu und setzte sich neben sie.

„Rauf hat mir erzählt, was passiert ist. Es tut mir wirklich leid. Aber, mach dir keinen Vorwurf“ meinte Sait sanft.

Arsura lehnte sich an seine Schulter.

„Danke.“

Einen Moment genossen beiden die nächtliche Ruhe.

„Sait. Es ist... etwas seltsames passiert“ fing Arsura plötzlich an.

„Was denn?“ wollte er wissen.

„Im Kampf gegen einen Templer hab ich einen Moment lang auf das Kreuz gestarrt und plötzlich konnte ich mich verschwommen an meine Vergangenheit erinnern“ erzählte sie.

„W-was? Willst du damit sagen, dass DU etwas mit Templern zu tun hast?“ fragte Sait erschrocken.

„Nein, nein. Zumindest hoffe ich das. Selbst wenn. Ich bin Assassine und kein Templer. Dennoch scheint das irgendetwas mit meiner Vergangenheit zu tun zu haben. Ich weiß aber nicht was“ sagte sie und seufzte schwer.

„Willst du herausfinden, was in der Vergangenheit passiert ist?“ fragte Sait schließlich.

Arsura überlegte.

„Ja und nein. Interessieren würde es mich auf jeden Fall, aber ich habe auch Angst davor, was mich erwarten könnte.“

Sie seufzte schwer und sah in den klaren Himmel. Der Vollmond warf sein blasses Licht auf die umliegenden Häuser, Berge und den Fluss, der unter ihnen gemächlich vor sich hinfloss.

Sait sah sie an und schnaubte.

„Egal wer du gebürtig bist und wo du herkommst... Ich werde immer für dich da sein und zu dir halten“ lächelte er nach einer Weile des Schweigens.

Arsura nickte.

„Ich danke dir.“

„Du solltest du Ayasha gehen. Sie wird dich brauchen um den Verlust zu verarbeiten“ meinte Sait dann und stand auf.

„Ja du hast recht. Lass uns gehen.“

Auch Arsura erhob sich und die beiden machten sich auf den Heimweg.



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