Perfekt
Perfekt
Die Ärzte
Wütend schlage ich die Tür hinter mir zu. Kurz warte ich noch, ob er mir hinter her kommt, doch als nicht mal das der Fall ist, laufe ich. Ich rase die Treppen herunter und stolpere hinaus an die frische Luft. Die Sonne strahlt und die Vögel zwitschern fröhlich vor sich her. Dummer Tag. Ich laufe gut gezielten Schritten auf mein Auto zu. Kurz krame ich in meiner Jackentasche nach dem Autoschlüssel. Als ich ihn dann auch endlich habe, schließe ich auf und lasse mich auf den weichen Ledersitz fallen. Ich fahre nicht los. Das einzige was ich tue, ist das Radio anzuschalten. Vielleicht lenkt mich dieses Rumgejaule ja ab.
„Warum kanns nicht perfekt sein
So wie in einem Liebeslied“,
fängt wer-auch-immer schon an zu singen. Ich habe natürlich den Anfang eines Liedes erwischt und- Genervt seufze ich auf- Warum ausgerechnet dieses Lied? Hätte es nicht irgend was anderes sein können?
„Oder so wie im Film sein
Wo der Boy vor dem Mädchen kniet
Und ihre Hand nimmt und
Ihr ganz tief in die Augen blickt“
Das Leben ist halt kein Zuckerschlecken. Der „Boy“ ist mehr als einmal vor seinem „Mädchen“ nieder gekniet und Deidara hat es nie interessiert. Stattdessen macht er lieber mit irgend welchen Weibern rum. Und in seine Augen will ich auch nie wieder sehen. Sie würden mich wieder gefangen nehmen und mich zu einem willenlosen Sklaven machen. Drauf verzichte ich.
„Einfach alles stimmt
Nichts an dem wirkt ungeschickt
Kerzen brennen und Champagner steht bereit
Doch so ist es niemals in Wirklichkeit“
Ungeschickt war nichts in unserer Beziehung. Wenn man vom Anfang mal absieht. Ich hatte mich ganz schön dämlich angestellt, mit den Rosen und dem Sekt. Letztendlich war ja doch alles für die Katz'. Da hat Wer-auch-immer ganz Recht. Es ist nichts perfekt.
„Warum kanns nicht perfekt sein
Schau, der Himmel ist sternenklar
Schenk uns noch ein Glas Sekt ein
Wenn das grad keine Sternschnuppe war
Doch wir wünschen uns nichts
Weil wir so glücklich sind“
Ich bin unglücklich und jetzt, wenn ich so darüber nachdenke war ich es immer. Ich war immer unglücklich, weil Deidara mir nie treu war. Selbst „Ich liebe dich“ hat er nur ein, zwei Mal im Monat, wenn überhaupt, gesagt.
„Nichts hat jetzt mehr Gewicht
Die Liebe macht uns für alles um uns blind
Und das Radio spielt einen Song von Barry Manilow
Doch leider ists im Leben niemals so“
Ja, blind bin ich gewesen. Blind vor Liebe. Natürlich habe ich die Briefchen und Zettelchen mit Handynummern am Kühlschrank gesehen. Botschaften, wie „Die Nacht war toll, lass uns das wiederholen.“ kann man ja auch nicht leicht übersehen, wenn alles voll mit Herzchen gekritzelt ist. Aber ich habe es verdrängt. Ich wollte es nicht wahrhaben. Weil ich ihn liebe.
„Warum kanns nicht perfekt sein
Ist das denn schon zu viel verlangt
Warum kanns nicht perfekt sein
Warum haben wir schon wieder gezankt“
Perfekt. Das war er in meinen Augen. Ein Engel. Das lange blonde Haar, die blauen Augen und diese wunderschöne, männliche aber auch zarte Stimme. Sein Temperament und seine Leidenschaft. Das war für mich perfekt. Und vielleicht haben wir uns ja deswegen gestritten? Vielleicht warst du zu perfekt für mich?
„Warum denk ich an Sex
Wenn du grad romantisch bist
Du sprichst von deinem Ex
Wenns grad nicht so ratsam ist
Und im Radio spielen sie ein Lied von Klaus & Klaus
Doch sogar das hält unsre Liebe aus“
Ich verschlucke mich fast an meinem Wasser, als ich die erste Zeile höre. So etwas habe ich nie gemacht. Nun gut, einmal war das glaube ich. Viel mehr Möglichkeiten hatte ich ja auch nicht. Er war nie romantisch. Dazu war er einfach nicht der Typ. Aber die nächsten Zeilen hören sich wieder wie auf ihn und mich zugeschnitten an. Wie oft sprach er von seinem Ex? Itachi oder so? Nun, auf jeden Fall wusste ich mittlerweile wo er welche Muttermale hat und wann er auf Toilette gegangen ist. Es gibt da noch mehr Kleinigkeiten, mit denen er mir ständig auf den Ohren gelegen hat. Vor allem hat er beteuert, wie sehr er Itachi hasst, weil dieser ihn „einfach sitzen gelassen hat“? Allerdings bezweifel ich es. Denn, wenn dieser Typ nur halb so intelligent ist wie man sagt, dann muss er Deidaras Bettgeschichten lange vor mit entdeckt haben. Ein guter Grund um Schluss zu machen.
„Denn du nimmst meine Hand und küsst mich
Und mir wird klar ganz plötzlich
Er war immer da, ich habs nur nicht gecheckt
Denn ganz genau dieser Moment, er ist-“
Ich schalte den Sender um. Diese Lüge will ich nicht hören. Jetzt trällert mir Justin Timberlake, den Namen kenne ich dank...Deidara, Mirror entgegen. Ganz annehmbar. Ich starte den Motor und parke langsam aus. Ich werfe noch kurz einen Blick in den Rückspiegel und sehe mir das hässliche schmutzig-gelbe Hochhaus noch ein letztes Mal an. Hier habe ich so viel Zeit verbracht. Für einen Lügner. Einen verdammten Lügner, den ich liebe! Ich trete aufs Gas und schon rast mein schwarzer Wagen los. Perfekt, pah, denke ich mir. Ich werde etwas anders, perfekteres finden und mich nicht mehr wie ein „Püppchen“ behandeln lassen. Mein Wagen schlittert um die nächste Kurve und ich glaube, goldenes, im Wind wehendes Haar auf dem Parkplatz gesehen zu haben, bevor ich entgültig aus meinem alten Leben verschwinde.