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Antipasti

von

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Joyce - Die Partnerschaft

Wie jeden Tag wache ich noch vor Sonnenaufgang auf. Ich kann daran einfach nichts ändern, auch wenn ich erst nach Mitternacht zu Bett gehe. Auch nicht, wenn ich erst Mittags auf der Arbeit sein könnte. Es gibt keinen bestimmten Grund dafür. Das ist nun mal meine Routine. Wahrscheinlich breche ich diese einfach nicht gern, da dies alles ist, was noch ein wenig meines Lebens normal wirken lässt. Schließlich geht es schon so seit einigen Jahren.
 

So stehe ich in meinem geräumigen Wohnzimmer, direkt vor dem riesigen Fenster, welches zur Hauptstraße zeigt. Natürlich ist das Glas von außen verspiegelt, schließlich würde ich es mir nie trauen, mich in Unterwäsche der ganzen Welt zu präsentieren. Ich seufze, als ich die Lastwagen beobachte, wie sie in die Zufahrten zu den Geschäften fahren und wie die Ladenbesitzer ihnen die Waren abnehmen. Routine, wie jeden Tag, außer an Sonn- und Feiertagen.
 

Ich reise meine Augen förmlich von dem Spektakel, welches sich unter mir abspielt, weg und blicke auf das Handy in meiner Hand. Da ich nicht viele Freunde und Verwandte besitze, sind darauf vielleicht eine handvoll von Nummern gespeichert. Um ehrlich zu sein, reichen sie mir auch vollkommen. Schließlich fühlt es sich jetzt schon seltsam an, noch eine mehr, die des Mr. Marshalls, darauf eingespeichert zu haben, doch für unsere zukünftige Zusammenarbeit wird sie nur von Vorteil sein.
 

Diese soll nun aber nicht von meinem Interesse sein und so tippe ich so lange auf den Pfeiltasten herum, bis die Nummer meines eigentlich einzigen Freundes zu sehen ist.
 

Jay und ich kennen uns schon seit Jahren, auch wenn er immer auf Reisen durch die Staaten ist, während ich versuche ein halbwegs normales Leben zu führen. Manchmal denke ich, dass dieses einfache Stück aus Plastik und Technik das einzige ist, was uns noch verbindet.
 

Doch dem ist nicht so – das weiß ich genau. Es sind unsere Vorstellungen, unsere Ideen und unsere Vergangenheit, welche uns eng verbunden haben. Ich weiß genau, dass uns daher auch nie etwas trennen kann und wird.
 

Da Jay gewiss noch schlafen wird, oder zumindest erst versuchen wird zu schlafen, beschließe ich ihm stattdessen eine SMS zu schreiben. Ich weiß schließlich wie abgedreht er sein kann, wenn man ihn weckt und das, so viel kann ich verraten, ist eindeutig kein schöner Anblick und tut in diesem Fall meinem Gehör nicht gut.
 

'Ich habe den Job.', tippe ich langsam ein und nach kurzem Überlegen, füge ich noch 'In Liebe Joyce.' hinzu. Dann schicke ich sie ab, ohne zu zögern. Denn eigentlich stimmt die Aussage nicht vollkommen. Mr. Marshall will mir erst etwas zeigen, damit ich mir bei unserer angestrebten Partnerschaft wirklich sicher bin. Was es wohl ist? Doch das bin ich. Nichts kann das ändern – egal was er vorhat mir zu zeigen.
 

Eigentlich wollte ich das Handy auf den kleinen Beistelltisch neben mir legen, als es plötzlich vibriert. Irritiert blicke ich auf das Display, sehe dann, dass Jay mir bereits geantwortet hat. Hastig öffne ich sie, sehe dann zuerst - und dadurch muss ich fast lachen, ein Bild von Jays Hand, welche mir den Daumen nach oben zeigt, gefolgt von der Nachricht: 'Freut mich sehr. Bin stolz.' Diese fünf kleinen Worte machen mich in diesem Moment glücklicher, als ich wahrscheinlich je zugeben würde und geben mir einen guten Start in den Tag.
 

Bobby weiß, dass ich vorerst mein eigenes Ding machen will. Er hält es sogar für eine gute Idee. „So bist du nicht nur auf Taschendiebe beschränkt. Dafür hast du zu viel Potential.“, meinte er und schüttelte meine Hand am Tag davor, seine Miene emotionslos wie immer, als ich ihm von meinem Vorhaben erzählte. Er muss Mr. Marshall wirklich sehr vertrauen und sehr schätzen, denn sonst hätte er mich gewiss nicht so einfach gehen lassen. In einem gewissen Sinne muss Bobby ihm auch glauben, was die Sache mit Jeff angeht. Da ist er einer der wenigen, denn als ich Mr. Marshall nach lief, um ihm meine Bereitschaft zu erklären, mit welcher ich an diesem Fall mitwirken will, hörte ich die entnervenden Rufe meiner Kollegen, welche sich alle für etwas Besseres halten. Sie sind arrogant und ignorant, Idioten und beschränkt in ihren Ansichten, was diese Welt angeht. Daher ist es für mich unmöglich einen festen Partner zu finden, im Beruf wie auch im wahren Leben.
 

Was mache ich mir eigentlich wieder für dumme Gedanken? Sie sind total irrelevant, was das Bevorstehende angeht. Was soll ich aber schließlich anderes mit meiner Zeit bei dieser schier endlosen Fahrt anfangen? Mein Autoradio geht schon seitdem ich es erworben habe nicht und mein Navigationsgerät zeigt er nur eine schnurgerade Linie durch verschiedene Städte und Dörfer.
 

Doch als ich es am wenigsten erwarte, sagt die mechanische Stimme: 'Sie haben ihr Ziel erreicht'. Irritiert bremse ich abrupt ab, wodurch ich mir den Ärger des hinter mir fahrenden einhole. Ich sehe im Rückspiegel perfekt, wie er mir den Mittelfinger zeigt und lauthals flucht, bevor er an mir vorbei prescht. Finster sieht er mich an und beschimpft mich weiter. Ich kann mir nur wage vorstellen, was er mir versucht an den Kopf zu werfen. Noch eine Weile blicke ich ihm stumm nach, bevor ich dann, endlich möchte man meinen, vor dem Haus parke und aussteige.
 

Erstaunt blicke ich nach oben, schließlich hätte ich nicht gedacht, dass Mr. Marshall in solch einer gehobenen Gegend lebt. Von Außen ist das Gebäude perfekt in Takt, mit der milchig-grünen Farbe und den vielen Ornamenten rund um den Fenstern. Die Ziegel des Daches sind nicht zerstört, nicht einmal Risse durch Regen oder die allgemeinen Witterungen. Selbst die Tür scheint erst vor einiger Zeit gestrichen worden zu sein. Und die Lage des Hauses ist einfach perfekt. Denn auf der anderen Straßenseite erstreckt sich ein riesiger, grüner Park und ich kann deutlich Kinder spielen hören. Zudem scheint die Gegend hier ruhig zu sein. Etwas besseres kann man sich wohl kaum wünschen.
 

Noch einmal blicke ich hinauf, bevor ich laut seufze und zur Tür gehe, wo ich die Klingel nach Mr. Marshalls Namen absuche. Als ich sie endlich finde, zögre ich kurz, drücke dann aber den kleinen runden Knopf und halte ihn für einige Sekunden.
 

Dann warte ich. Eine Minute. Zwei Minuten. Schließlich werden es fünf und ich klingle erneut, länger dieses Mal. Die Frage stellt sich mir langsam, ob er unsere Verabredung vergessen hat, als ich erneut so lang warte. Es wird mir schon etwas unangenehm, denn manch ein Passant blickt mich schon schief an und ich höre auch einige jüngere Damen hinter meinem Rücken flüstern. Ich versuche sie einfach zu ignorieren.
 

Als nach dem dritten Klingeln noch einmal fünf Minuten vergehen, beschließe ich einfach wieder zu gehen. Denn anscheinend ist der werte Herr Antipasto nicht zu Hause, oder ist sich einfach zu fein, die Tür mal endlich zu öffnen. Doch gerade in dem Moment, als ich nur eine Fuß in die Richtung meines Autos setzen will, wird die Freisprechanlage betätigt und Mr. Marshall murrt mit sehr müder Stimme. „Komm hoch. Oberstes Stockwerk.“ Gleich danach beginnt das nervtötende Gedröhne, welches das Öffnen der Tür symbolisiert und ich eile, damit sie sich nicht wieder schließt.
 

Vor mir liegt ein sehr steriles, weißes Treppenhaus. Es riecht förmlich nach Farbe und als ich zur Treppe gehe, kann ich auch einige Farbeimer in einer Ecke stehen sehen. Allem Anschein nach wird hier renoviert und ich frage mich gleich, wie das Haus wohl davor ausgesehen haben muss.
 

Umso höher ich steige, umso mehr kann ich mir vorstellen, wie es wohl hier war. Dann desto höher ich komme, umso grauer wird die Wandfarbe und umso mehr bröckelt sie ab. Die Stufen beginnen immer mehr zu quietschen und ich ahne, dass viele der Wohnungen hier leerstehend sind und auf kommende Mieter warten. Das wird auch der Grund sein, warum man renoviert, doch anscheinend gibt es noch wenige Einwohner, welche sich nicht durch den Lärm der Arbeiter und deren Maschinen vertreiben ließen. Mr. Marshall ist einer davon.
 

Als ich ganz oben ankomme, steht schon eine der Türen offen und lässt mich dadurch einen langen, unbeleuchteten Gang sehen. Bei diesem Anblick läuft mir ein leichter Schauer über den Rücken, welchen ich verzweifelt versuche zu unterdrücken. Er hat etwas beunruhigendes und bedrohliches.
 

Doch Warten wird mich gewiss nicht meinem Ziel weiter bringen und daher betrete ich ohne weiteres Zögern einfach die Wohnung und schließe die Tür sacht hinter mir. Es ist vollkommen ruhig und für einen Moment frage ich mich, ob das hier auch die richtige Wohnung ist und nicht die eines Verrückten.
 

'Keine Angst, du bist Schlimmeres gewohnt.', würde Jay jetzt sagen und wahrscheinlich tut er das auch gerade, irgendwo, in einem anderen Staat. Und da hat er auch vollkommen recht.
 

„Hallo?“, rufe ich daher und hoffe auf Antwort. Denn leider fühle ich mich dennoch etwas verloren in diesem Gang, welcher so verlassen wirkt, trotz der vielen, vielen Jacken an der imposanten Garderobe und den Bildern an den Wänden. Gerade betrachte ich eines, welches wahrscheinlich Mr. Marshall mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter zeigt. Sie sehen so unbeschreiblich glücklich aus, so wie sie für die Kamera lächeln. Wahrlich ein perfektes Bild einer Bilderbuchfamilie. Nicht jeder hat solch ein Glück...
 

„Joyce?“ Erschrocken drehe ich mein Gesicht zu der Quelle der Stimme und erblicke Mr. Marshall, wie er mit den Händen in seinen Hosentaschen an einem Türrahmen gelehnt steht. Licht fällt von dem Zimmer dahinter in den Flur und ich höre das leise Röcheln einer Kaffeemaschine. Das muss wohl die Küche sein.
 

„Ja?“, frage ich etwas stimmlos, da gerade in diesem Moment so viele Eindrücke auf mich einwirken. „Milch, Zucker oder doch schwarz?“, erkundigt er sich etwas genervt, als hätte er diese Frage schon einmal gestellt. „Zucker. Ein Teelöffel.“ Er nickt, bevor er wieder verschwindet und ich höre das Klirren von Geschirr.
 

„Hängen sie ihre Jacke auf und die Schuhe bitte an den Rand. Hausschuhe?“ „Nein. Nein danke.“ Immer höflich bleiben, ermahne ich mich im Gedanken. Daher tue ich das, wonach er mich gebeten hat, auch wenn ich meine Sachen lieber bei mir behalten würde.
 

„Wollen sie etwas essen, Joyce?“ „Danke, ich habe schon.“, erwidere ich, als ich die geräumige Küche betrete. Sie ist recht modern eingerichtet und anhand von einigen roten, blumigen I-Tüpfelchen, wie die Kissen auf den Stühlen oder Topflappen, welche über dem Herd hängen, kann man ablesen, dass seine Frau für das Einrichten verantwortlich gewesen sein muss. Dennoch stapeln sich einige Teller und Gläser in der Spüle. Ich schätze mal, dass die Marshalls ein geschäftiger Haushalt sind und daher wenig Zeit für häusliche Dinge haben. Denn abgesehen davon, wirkt alles sauber und ordentlich.
 

„Hier.“, murrt Mr. Marshall und drückt mir eine giftgrüne Tasse in die Hand, aus welcher es verführerisch dampft. „Zucker ist drin, sagen sie, wenn sie noch etwas wollen.“ Ich nicke und nehme vorsichtig einen Schluck des nachtschwarzen Gebräus und unterdrücke danach gleich den Drang, den Kaffee nicht wieder ausspucken zu müssen. Er ist so bitter und stark, dass es mir förmlich an Worten fehlt, diesen hier zu beschreiben.
 

„Kann ich mehr Zucker haben?“, frage ich hastig und versuche mir nicht irgendwie meine Zunge abzuwischen. Ich glaube, so etwas ekelhaftes habe ich noch nie getrunken.
 

Stumm reicht er mir das Zuckerbehältnis und einen Löffel, wobei seine kalten, grauen Augen still auf mir ruhen. Sein schätzender Blick wirkt beunruhigend und das kommt nicht nur von den matt violetten Augenringen, welche von schlechtem Schlaf bezeugen müssen. Ich wette, dass Mr. Marshall noch immer der Meinung ist, dass ich nur zum Spaß hier bin und seine Arbeit nicht ernst nehme.
 

Leicht zucke ich zusammen, als der Timer des nahestehenden Toasters sich meldet und zwei Scheiben Toast hervorspringen, welche Mr. Marshall gleich nimmt. „Sicher keinen Toast?“, fragt er und hält mir das Brot hin, eine seiner Augenbrauen dabei leicht erhoben. Ich schüttle den Kopf. „Sie haben nicht oft Besuch, oder?“, frage ich vorsichtig. Beide Augenbrauen sind nun erhoben. „Wie kommen sie denn darauf, Joyce?“ „Man berührt nichts, was ein anderer essen soll.“ Ich denke einfach, dass er das weiß. Sicher ist er einfach nur ein fürchterlicher Morgenmuffel und hat es daher vergessen.
 

Er nickt nur knapp, setzt sich dann und deutet an, dass ich mich ihm gegenüber setzen soll. Ich bleibe aber vorerst lieber stehen und beobachte die Situation. Außerdem muss ich versuchen, den Kaffee wenigstens ein wenig genießbar zu machen.
 

„Sie wissen, dass die Geschichten wahr sind?“ „Was für Geschichten?“ Ich blicke nicht auf, sondern rühre einfach in dem Gesöff weiter. „The Rake, Eyeless Jack, Masky, Bob...“, zählt er die Kreaturen der Creepypastas auf und ein bestimmtes Wesen verfängt sich dabei regelrecht in meinen Gedanken. „...Slenderman...“ Ich drehe mich um und halte die Tasse zwischen meinen Händen, da diese sich plötzlich so unendlich kalt anfühlen und sie auch begonnen haben zu zittern. Er nickt sanft. „Sie sind alle echt.“ Aufrichtig antworte ich und blicke ihm dabei fest in die Augen: „Ich weiß.“ Sein Mundwinkel zuckt dabei kurz auf und er lehnt sich, scheinbar interessiert nach vorne. „Und was wirst du tun, Joyce?“ Langsam atme ich aus, Gänsehaut macht sich dabei auf meinem ganzen Körper breit. Was werde ich tun? Eine gute Frage.
 

„Ich werde nicht rennen.“, antworte ich ehrlich, hebe dabei leicht mein Kinn an, als wolle ich selbst bedrohlicher wirken. Dabei muss Mr. Marshall leicht grinsen, was in Kombination mit seinem wuscheligen, grau-blondem Haar und dem ewig währendem Dreitagesbart etwas zwielichtig wirkt. „Genau das wollte ich hören. Sollten sie tatsächlich einen von ihnen mal gegenüberstehen, brauche ich niemanden, der sich aus Angst in die Hose macht und dann flieht. Sie wollen eine Partnerschaft? Dann sollen wir auch Seite an Seite stehen, sollte es zu einer Begegnung kommen. Darauf bestehe ich.“ Ich nicke knapp.
 

Er lehnt sich wieder in seinem Stuhl zurück und streckt sich, wobei sein Rücken lautstark dabei knackt.
 

„Also, Joyce, was wissen sie alles über Jeff? Deswegen sind sie schließlich hier.“ Erneut deutet er an, dass ich mich setze, was ich dieses Mal auch tue. „Also?“ Ich seufze und beginne zu erzählen:
 

„Jeff war der jüngere Sohn einer Familie, vermutlich Mittelschicht und seine Veränderung fand nach dem Umzug statt, welcher durch den Beruf seines Vaters hervorgerufen wurde. Sein älterer Bruder hieß Liu, welcher nach dem Angriff von gewaltbereiten Jugendlichen von der Polizei in Gewahrsam genommen wurde-“ „Grund?“ „Liu war nicht Schuld an der Verletzung der Jungen, es war Jeff. Doch der ältere Bruder nahm die Schuld auf sich.“ „Gut, weiter.“ „Nachbarn luden Jeff und seine Eltern später zu einer Feier ein, welche durch die eben selben Jugendlichen unterbrochen wurden und den Jungen angriffen, ihn sogar mit Waffen bedrohten. Es kam unausweichlich zum Kampf, wobei es nicht einmal die Erwachsenen wagten, einzugreifen. Dieser Kampf zog sich bis zum Badezimmer des Anwesens.“ Ich stocke, auch wenn ich genau weiß, was, dann geschah. „Joyce, was ist dann passiert?“ „Bei dem Kampf viel ein Behälter mit Bleichmittel auf Jeff, welches durch einen der Jungen entzündet wurde. Jeff..., er...begann zu brennen und niemand half ihm, bis jemand die Feuerwehr rief und er so gerettet werden konnte. Er wurde in das Krankenhaus gebracht, während man Liu aufgrund der mangelnden Beweise freiließ. Als man die Bandagen vor seiner Familie lüftete, sahen alle die gebleichte, schneeweiße, ledrige Haut und das schwarze Haar. Entgegen aller Annahmen gefiel Jeff sein neues Äußeres.“ Erneut werde ich still und trinke einen Schluck. Mr. Marshall sieht mich dabei fordernd an, doch ich lasse mir Zeit.
 

Ich kann einfach nicht anders.
 

Erneut atme ich tief durch und beende meine Ausführungen: „In der selben Nacht schnitt er sich das Lächeln in die Wangen und verbrannte seine Augenlider, damit er sich immer sehen könne ohne zu zwinkern. Er sieht sich als schön an, entgegen aller anderen Meinungen. Entgegen der seiner Familie. Da diese ihn als ein Monster an sehen, bringt er sie um und verschwindet dann in die Nacht. Alles, was man hört, wenn Jeff ein Opfer nimmt, ist: 'Geh Schlafen.'“
 

Mr. Marshall nickt zufrieden und verspeist seinen letzten Happen Toast. „Du hast dich also informiert.“ „Das ist das Mindeste, was man im Internet finden kann. Man muss dabei sagen, dass Jeff anscheinend viele Fans besitzt.“ „Weil diese Menschen ignorant sind und die Gefahr nicht sehen, welche von ihm hervorgerufen wird.“ „Wenn die Polizei seine Morde veröffentlichen würde, könnte man die Meinung der Allgemeinheit ändern.“ Er schüttelt den Kopf. „Nein.“ „Nein?“ „Nein. Das wird nicht passieren. Die Medien erfinden ihre Geschichten dazu und verfälschen die Wahrheit. Außerdem müssten alle dann zu geben, dass es Dinge in den Schatten gibt, welche unsere Vorstellung weit überschreiten. Das will doch keiner. Lieber naiv und sich fälschlicher Weise sicher fühlen, als anders. So ist es doch überall.“
 

Ich bleibe stumm, doch, in der Tat, Mr. Marshall hat dabei vollkommen recht.
 

„Kommen sie jetzt, Joyce?“ Er steht auf und ich folge ihm, lasse dabei im Geheimen das Kaffee-Zucker-Gemisch in der Spüle verschwinden.
 

„Wie sind sie eigentlich an meine Nummer gekommen?“, fragt er über seine Schulter, als wir bis zum Ende des Flures gehen. „Ich?“ „Ja, sie. Sonst ist hier niemand weiter in dieser Wohnung.“, knurrt er, plötzlich sehr verärgert. „Die ist in ihrer Polizeiakte vermerkt.“ „Wie kommen sie an die?“ „Hacken. Bobby weiß davon aber nichts. Er denkt, dass sie mir die Nummer freiwillig gegeben haben.“ „Sie sind eine Hackerin?“ Als er das fragt, wird mir gerade bewusst, was ich ihm gerade preisgegeben habe und schelte mich selbst dafür. Verdammt! Schließlich geht es ihn nichts an. Daher sage ich einfach nichts weiter, damit ich mich nicht weiter in die Scheiße reite.
 

Mr. Marshall öffnet die Tür am Ende des Flures, wobei das Zimmer dahinter nur durch das Licht, welches durch die Schlitze der Jalousien fällt, beleuchtet wird. Es wirkt alles so eng und bedrückend und ich habe das Gefühl, dass ich gleich viel schlechter atmen kann. Es riecht nach Mottenkugeln und Staub wirbelt durch die Luft. Wer weiß, wann er zuletzt diesen Raum gelüftet hat.
 

Das Licht geht flackernd über unseren Köpfen an und ich kneife automatisch meine Augen zusammen, welche zu schmerzen beginnen.
 

„Sehen sie sich richtig um und sagen sie mir dann noch einmal, ob das wirklich die richtige Entscheidung für sie ist.“
 

So öffne ich langsam wieder meine Augen und sehe mich um. Mir klappt fast das Kinn runter. An den Wänden müssen hunderte Fotografien von Tatorten und Opfern hängen. Alles ist so blutig und rot. Menschen mit aufgeschlitzten Körpern. Das Blut an Kleidung, Bettdecken und Wänden. Das eingeschnittene Lächeln in ihren Wangen, die Augen dabei weit geöffnet, als wäre Jeff tatsächlich das letzte gewesen, was sie sahen, bevor sie starben. Die Alter sind so unterschiedlich, genau wie die Formen der Körper, die ethnischen Herkünfte und natürlich auch die Geschlechter. Es scheint einfach unmöglich Zusammenhänge zwischen ihnen allen feststellen zu können, wie man es normaler Weise bei Massenmördern tut.
 

Ich halte mir die Hand vor den Mund, denn ich habe das Gefühl, dass der Kaffee um ein Wiedererscheinen kämpft.
 

„Das ist alles Jeffs Werk. Unverkennbar der Vorgehensweise, wie er seine Opfer tötet. Immer dieselbe Waffe. Immer dasselbe eingeschnittene Lächeln auf deren Wangen. Genau so, wie bei seinen ersten Opfern.“ Dabei deutet er auf einige Bilder neben dem Türrahmen, welche Jeffs Eltern zeigen müssen. Doch bei all dem Blut, ist es nur schwer auszumachen.
 

Er bleibt ruhig und sieht mich an, wartet anscheinend auf meine Reaktion, darauf, wie ich aus der Tür, aus dieser Wohnung flüchte und diese Partnerschaft beende, noch bevor sie begonnen hat. Doch dafür bin ich nicht hier.
 

„Ich weiß, worauf ich mich eingelassen habe.“, meine ich steif und sehe Mr. Marshall direkt in die Augen. „Und sie sind sich absolut sicher?“, fragt er und hält mir seine Hand hin, welche ich gleich nehme und sie fest schüttle. „Zu 110 Prozent, Mr. Marshall.“
 

Unsere Partnerschaft ist besiegelt und als wäre es ein unheilvolles Zeichen, klingelt gleich im nächsten Moment sein Telefon.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ElliotAlderson
2013-05-04T15:45:32+00:00 04.05.2013 17:45
Mhm ja Graham meint es ernst. Joyce meint es ernst. Scheint so als könnte es nun richtig losgehen *__*
Was ich total mag ist, dass du den Dialog von der gif-Story komplett übernommen hast, da hab ich richtig gefeiert, hihi <3 Solides Kapitel! Ich freu mich riesig auf das dritte *♥*


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