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Das Apfelbäumchen

Eine kleine Märchengeschichte
von

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Das Apfelbäumchen

Einst, in einem fremden Land – seit sich diese Geschichte zugetragen haben mag, ist schon viel Zeit verflossen – begab es sich, dass ein alter König lächelnd seinem Sohne die Krone auf das Haupt legte, als dieser dem Burschenalter entwuchs und sich ein liebes Mädchen nahm, um es zu heiraten.

Obwohl er nur über ein kleines Reich herrschte, war sein Vater dem Volke ein

strenger, dennoch gerechter und weiser König gewesen und hatte zu Lebzeiten dafür gesorgt, dass es in Lohn und Brot stand und keine Not zu leiden brauchte.

Seinen Sohn hatte er nach gleicher Art und Weise erzogen und ihm seine Fehler erklärt - jedoch auch bestraft, wenn seine Streiche über kindlichen Schabernack hinausgingen.

Jedoch war er niemals hart oder bösartig dabei, was der Sohn ihm dankte, indem er zu einem Manne mit gutem Herzen heranwuchs.

Als der alte König nun im Sterben lag, trug er seinem Erben auf, mit der gleichen Güte über die Menschen zu wachen.

„Eine Starke und dennoch milde Hand brauchen sie, und sie werden glücklich sein und dir’s wohl vergelten.“

So schied der alte König friedlich aus dem Leben, und der Sohn und sein liebes Weib herrschten nach der Art des Vaters, wie er es angedacht hatte.

Doch eine Sorge trübte das Glück der jungen Königin.

Sie wünschte sich sehr ein Kindlein, doch der liebe Gott gab ihr keins, egal wie sehr sie ihn darum bat.

Ihr Gatte war traurig über diesem Umstand, jedoch verlor er nie die Liebe zu ihr und versuchte, sie mit allerlei Festlichkeiten aufzumuntern - küsste sie und sprach, dass alles gut werden würde.

Doch einige Jahre gingen ins Land, und noch immer fehlte das Trappeln kleiner Füßchen im Palast.

Die Königin ward blass und traurig, sie aß kaum noch, und der König war ratlos, wie er sie noch trösten konnte.

So hüllte sich die junge Frau eines Herbsttages in der Früh in ihr warmes Umtuch und ging hinaus auf eine kleine Anhöhe unweit vom Schlosse.

Sie nahm einen Apfelsamen, den sie auf dem Wege in der hohlen Hand gewärmt hatte, drückte ihn an ihr Herz und vergrub ihn mit Tränen in der Erde.

„Meine Hoffnung auf ein Kindchen ists, welche ich hier vergrabe - möge unser Herr diesen Samen jedoch für jede Frau in unserem Volke zum ausschlagen bringen, die den gleichen Wunsch hegt wie ich.“

Sie wandte sich traurig um und wollte fortgehen, als sie plötzlich eine Berührung an der Schulter gewahrte.

Sie fuhr herum, meinte für einen Augenblick, es sei ihr Mann – doch ins Gesicht sah sie einem schneeweißen Geschöpf.

Es musste ein Engel sein, so schön war es anzusehen, lichtrein und leuchtend.

Es hob mit sanfter Stimme an zu sprechen:

„Gräme dich nicht, gute Königin. Dein Wunsch wird erfüllt werden. Ehe dieses Bäumchen im nächsten Frühling die ersten Blätter entfaltet, wirst du ein Kind bekommen.“

Der Frühling kam, und die Königin gebar einen Jungen von einer Schönheit, der das ganze Volk in Staunen versetzte.

Sein Haar besaß die Farbe eines frisch gefallenen Schnees, und sein Lachen war lieblicher als die Sonne.

Der König war vor Freunde kaum wieder zu erkennen.

Er gab dem kleinen Bub den Namen Shion, die Königin nannte ihn "ihre Herzensblume."

So wuchs er schnell heran und ward ein junges Bürschlein vom Schlage seiner Eltern -

Was ihn jedoch besonders auszeichnete, war eine besondere Gabe.

Einmal begab es sich nämlich, dass zwei Nachbarsbauern in heftigem Streit ein Bittgesuch vor den König brachten - über eine Unze Gold, von der jeder behauptete, er habe sie auf seinem Stück Acker gefunden.

Sie drohten einander zu schlagen und waren im Begriff gar schlimmeres zu tun –

Da fragte der kleine Prinz unschuldig, ob sie das Gold nicht zusammen fanden, und dass das Gefühl, Spielsachen zu teilen, viel schöner war, als alles für sich zu behalten.

Und sie ließen auf gar wundersame Art voneinander ab, klopften sich entschuldigend auf die Schultern und machten sich wohl auf zur nächsten Schenke, um bei einem Humpen Bier ihre Versöhnung zu feiern – vom Gold keine Rede mehr.

Und alle dies gesehen hatten, standen und staunten mit offenen Mündern.

Der König und die Königin liebten ihren Sohn über alle Maßen – sosehr, dass sie unbegründete Angst um ihn hatten und ihn Tags als auch Nachts wie ihren Augapfel hüteten.

Schrammte er sich beim spielen auch nur den Ellenbogen auf, war in kurzer Zeit das halbe Schloss in Aufruhr.

Stahl er sich in die Küche, um dem Koch bei der Arbeit über die Schulter zu sehen und verbrannte er sich dabei ausversehen am Brotofen, war der König diesem Wochenlang böse.

Wenn der Prinz auch nur beim Gemüse zerteilen helfen wollte und sich ein wenig in den Finger schnitt, bedeutete das gleich eine ohnmächtige Königin und einen aufgebrachten König.

Wollten Dorfkinder zum spielen kommen, mussten sie sich immer erst gründlich vom Leibarzt der Majestät untersuchen lassen - Fast nie durfte der kleine Prinz eines zum Freund haben, denn sobald es auch nur einen leichten Schnupfen hatte, wurde es wieder fortgeschickt.

So verbaten die Eltern ihm in ihrer Sorge, sich aus dem Palast hinauszuwagen, es sei zu seinem besten.

Anfangs nahm der Junge es hin – war er doch ein gutes Kind – es gab doch viel Spanendes im Schloss zu erkunden und zu sehen.

Doch Menschen außerhalb der Königswelt bekam er mit den Jahren immer seltener zu Gesicht, und Einsamkeit befiel das kleine Herz.

Doch das Königspaar hatte nichts Böses im Sinne.

Die beiden versuchten es einzig und allein von der Welt und schlechten Dingen wie Elend, Leid und Krieg abzuschirmen – welchen es an den Landesgrenzen seit der Geburt des Erben immer häufiger gab.

Denn der rosige Glanz Welt war außerhalb des Schlosses – des Käfigs, in dem der kleine Shion umsorgt und umhegt aufwuchs– längst verblasst.

Ein bös Wetter hatte die Ernte des letzten Jahres kärglicher ausfallen lassen als in den anderen zuvor, und das Volk litt Hunger - doch weil der Prinz sich an einem offenen Fenster zum ersten Mal in seinem Leben eine Grippe einfing, standen die Genesung des Thronfolgers vor den politischen Notwendigkeiten.

Der Junge überwand die Krankheit, doch dieses Gefühl der Sehnsucht nach Freiheit plagte sein Herz ohne Unterlass.

Nach diesem Vorfall verbrachte er die meiste Zeit im Büchersaal und las, spielte geistesabwesend ein wenig Piano oder tagträumte vor sich hin – weder diese Fürsorge noch aller Reichtum und Geschenke konnten den immer größer werdenden Wunsch nach einem Kameraden wieder wettmachen, welcher tief im Herz des jungen Prinzen herrschte.

Einzig und allein jenes Bäumlein war ein kleiner Trost - er fühlte sich glücklich wie nie, wenn er Sommertags in seinem Schatten liegen konnte und die Sonne auf seinem Gesicht spürte, den Geruch von Gras und den lieblichen Gesang der Vögel über ihm.

Denn aus dem Lesesaal gab es – wie von Zauberhand hatte er sie eines Tages entdeckt – eine kleine Tür, gerade so groß, dass er gebückt hindurch kam – die ihn hinaus in den Schlossgarten führte, wo er durch ein Loch in der Hecke in die Freiheit schlüpfen konnte.

Unter einer Vielzahl von Vorwänden – meist, einige Stunden allein studieren zu wollen oder unter anderen kleinen Ausflüchten, stahl er sich oft hinaus – Lief in die kleine Stadt am Fuße des Schlossberges und sah zum ersten Mal auch das Leid, dass die Menschen auf ihren Schultern trugen.

Den Jungen Prinzen ward es traurig ums Herz, und er war freundlich zu den Menschen und half, wo er ging und stand – und weil sie ihm diese Gefühle zurückgaben, genoss er doch jeden Augenblick, die er seinem goldenen Gefängnis entfliehen konnte.

Und so kam es, dass er eines frühen Sommertages jenes Apfelbäumchen auf der Anhöhe entdeckte, was seine Mutter einst im Gottvertrauen pflanzen tat.

Shion verbrachte die kurze Zeit, die er ohne Fesseln atmen konnte, am liebsten an diesem Ort und sprach zu dem Baume was sein Herz betrübte, aber auch was ihn glücklich machte.

„Ach, wärest du doch ein Mensch, Bäumchen mein!“ klagte er eines Tages zu sich und befühlte die glatte Rinde, „Dann hätte ich jemanden, den ich von ganzen Herzen liebhaben kann.“

Als er so gesprochen hatte, überkam ihn eine große Müdigkeit, und ihm fielen langsam die Augen zu.

Er erwachte von einer zaghaften Berührung am Haarschopf und dachte, es sei ein Marder oder ein Vogeltier - bevor er eine tiefe, jedoch belustigt klingende Stimme vernahm.

„Ah, er ist aufgewacht. Es sah einige Momente danach aus, als würdest du nicht dergleichen tun wollen.“

Mit Schrecken setzte Shion sich auf und gewahrte, wenige Fuß von ihm entfernt kniend, einen jungen Mann, gekleidet in robustes Wildleder und einen Fellumhang, schulterlangem Haar und mausgrauen Augen von der gleichen Farbe.

Verwundert blickte er den Unbekannten an, sich nicht sicher, ob er sich noch im Traume befand – denn seine Gegenwart kam ihm höchst seltsam vor, als ob er diesen schon lange kennen würde.

„Bevor du fragst wie ich heiße und wo ich herkomme, will ich dir antworten,“ entgegnete der Fremde mit einem geheimnisvollen Lächeln, „Mein Name ist Nezumi, man nennt mich auch Mausekind, oder den Waldläufer. Und wo ich herkomme.. das wissen wohl nur Wind, Wald, und die Tiere, die darin hausen.“

Shion kam nicht umher, sich zu wundern.

„Du trägst feine Kleider.“ fuhr er nach einer kurzen Weile fort und musterte den Prinzen mit ein wenig Argwohn.

„Ich nehme an, deine Eltern sind von hohem Stande.“

„Meine Eltern sind König und Königin in diesem Land.“

Da fuhr eine Regung von Bitterkeit über des Fremden Miene, und er wandte sich verächtlich ab.

„Du bist der Sohn der Leute, die sich eher um das Wohl ihres eigenen Kindes sorgen als das eines Dutzends, das auf der Straße nächtigen muss, seit das Waisenhaus bei einem Unwetter beschädigt wurde? Kommst du von diesen Eltern? Trägst du genau so wenig Umsicht in dir wie sie? “

„Ich kenne ihr Leid von Herzen.“ Entgegnete er leise und erinnerte sich mit Wehmut an den Tag, an dem er zum ersten Mal in die Stadt gekommen war.

„Und ich würde so gern etwas tun, um es zu lindern. Doch allein..“

„Komm denn mit mir.“ Sprach Nezumi plötzlich, die Miene erhellt, und er hielt ihm die Hand hin.

„Beweise dich, Königssohn. Wenn du das kannst und mir hilfst, das Waisenhaus wieder aufzubauen – denn allein bin ich nicht dazu imstande – bin ich bereit, dir ein Kamerad zu sein und dir ein Leben außerhalb deines Palastes zu zeigen.“

Und Shion folgte ihm mit einem Lächeln.

Die Arbeit war hart, und oft nicht leicht, doch zu Beginn des Winters waren die Kinderlein in einer schützenden warmen Stube.

Nezumi hielt sein Versprechen.

Die Monate, und bald sogar ein ganzes Jahr verflossen wie im Fluge, in denen Shion so viele neue Dinge lernte wie nie zuvor in seinem Leben.

Wie man ein Feuer machte, anhand der Wolken und am Flug der Tiere das Wetter las, und bald konnte er sogar einen Kompass benutzen.

Wie die Tage verstrichen lernten sie sich gegenseitig hoch schätzen.

Für Nezumi wurde der wohlgehüteten Prinzen ein treuer Freund und gelehriger Schüler, der alles Wissen begierig in sich aufsog und seine Sorgen für einen Moment weit in die Ferne schob.

So kam es, dass die beiden bald eine tiefe Freundschaft verband - und aus Freunden...

Nun, der märchenhafte Moment kam, als sich ihre Lippen bald in einem sanften Kusse vereinten.

So saßen sie zu zwein und hätten sich am liebsten nie mehr losgelassen, doch die Zeit zwang sie bald zum scheiden.

„Ich muss fort“, klagte Shion leise, und das Herze schmerzte ihn bei dem Gedanken, einen ganzen Tag auf ihr Wiedersehen warten zu müssen.

„Morgen, eure Majestät.“ Entgegnete Nezumi, und ein Lächeln schlich über seine Züge.

„Sobald die Sonn sich neigt, komm her zum Apfelbaum. Dort wirst du mich finden.“

Sprachs, küsste ihn noch einmal, bevor er sich löste und sich auf dem Pfade hinunter ins Dorf zurückstahl.

Shion blieb in Wehmut zurück, doch das Herz war ihm federleicht und schlug ihm höher als das eines Vogels.

Er fasste bei sich den Entschluss, nach seinem eigenen Geschicke für das Wohle des Volkes Einzustehen und seinen Geliebten – und insgeheim auch seine Eltern - damit zu unterstützen, wo er nur konnte.

Diese Zeit, in der er unter den Menschen sein, ihnen helfen, die Kinderlein unterrichten und lachen konnte, waren nicht mit Gold zu bezahlen.

Doch noch kostbarerer waren diese wenigen Stunden, welche er und Nezumi allein unter dem Bäumlein verbrachten, sich zärtlich küssten - und dabei mehr und mehr wortlos wussten, dass sie füreinander bestimmt waren.

Die Zeit war knapp bemessen, das war beiden klar – doch Liebe ist bekanntlich Unbarmherzig mit den Herzen, die sie einmal füreinander gewonnen hat.

Insgeheim fasste Shion Vertrauen zu dem Plan, einst mit Nezumi fortzugehen und das Heft des Handelns in die eigenen Hände zu nehmen – doch das Schicksal hatte anderes im Sinne.

Es war an einem recht unscheinbaren Morgen, als im Volke ein Gerücht umging.

Die Kunde war schneller als das Lauffeuer, schneller als der Glockenklang vom Schlossberg.

„Der Prinz“, ging es aufgeregt durch die Mengen, durch Straßen und Stockweke, Hinterhöfe und von Kammer zu Kammer, durch alle Stuben, Gassen uns Schenken -

„der Prinz ist fort! Laufet und sucht ihn!“

Shion indessen war längst aus dem Treiben der Menschen entkommen, fest eingehüllt in Nezumis warmen Mantel saßen sie unter dem Baume.

Er weinte bitterlich; wusste er doch, dass jener Tag irgendwann hätte nahen müssen – Doch so bald?

Denn sobald er nun ins Schloss zurückkehrte, warf er seine Freiheit mit den eigenen Händen davon.

Vielleicht wurde ihm bereits ein Mädchen ausgesucht, welches er heiraten sollte?

Ein einsamer König auf einem einsamen Thron.

Das würde er werden.

Eine Furcht beschlich sein Herz, wie er sie noch nie gefühlt hatte.

Doch seine lieben Eltern an gebrochenem Herzen zugrunde gehen lassen, ohne ihnen vorher Lebewohl geboten zu haben?

Egal wie er sich entscheiden würde, es war...

„Shion,“ sprach Nezumi leise und schreckte den Prinzen aus seinen Gedanken hoch.

Er musste wohl wissen, was dieser gerade gedacht hatte.

„Mach nicht so ein Gesicht...“ flüsterte er mit traurigen Augen und strich mit den Fingern zärtlich das Haar aus seinem Antlitz.

„Du schaust ja drein, als wäre dies ein Abschied auf immer.“

„Aber ich will dich nicht missen. Gar reizende Mädchen gibt es, aber keines..“

„Du bist wirklich ein dummer, kleiner Prinz.“ Neckte der dunkelhaarige ihn sanft.

"Ich habe doch nicht vor, dich wegen so etwas aufzugeben.."

Shion erwiderte nichts - denn ein jähes Rascheln im Gebüsch hatte Nezumis Aufmerksamkeit zu sich gerissen.

Ohne sich groß zu verbergen, waren drei grobschlächtige Männer mit zerfurchten Visagen hervorgetreten, mit gar schweren Waffen waren sie gerüstet, sodass es ihm ganz Angst ward.

„Was haben wir denn da?“ Hob der Vorderste donnernd an zu sprechen, mit einer Stimme wie ein Reibeisen.

„Das allseits gesuchte Prinzlein, und..“ er spie auf den Boden - „Eine.. Waldratte?“

„Verflucht“, murrte Nezumi und schob den jungen Prinzen beschützend hinter seinen Rücken.

„Diese Halunken sind berüchtigte Wegelagerer. Bleib dicht hinter mir. Auf mein Signal fliehst du.“

„Aber ich kann dich doch nicht hier allein.. “

Nezumis Stimme war gefährlich ruhig, seine Augen zu schlitzen verengt.

„Rede meinen Worten nicht zuwider. Denk an deine Eltern. “

Wenn das Bäumchen hätte einen Mund zum reden gehabt, hätte es diese Worte gesprochen, dessen war sich Shion sicher.

Und so beschloss er, das zu tun, was er am wenigsten wollte und entschloss sich, schweren Herzens dem Rat zu folgen.

Jedoch vernahm vor Tränen nicht, wie einer der Wüstlinge weit ausholte.

Ihm kam nur noch ein Schrei zu Ohren, als die Dunkelheit ihn ergriff und ihm die Sinne schwanden.
 

Als Shion erwachte, fand er sich in einem weichen Bette vor – Seine Wunden schmerzten nicht, denn gleichsam stürzte die Erinnerung an das Geschehene seinen Kopf.

Er tat schnell Kleider an, drückte sich unbemerkt an den Wachen vorbei - die Dinge, die er gelernt hatte, waren ihm dabei sehr behilflich - und suchte rasch seine Eltern auf.

Viel größer als der Schmerz seines Leibes war doch die Sorge um seinen Liebsten.

Er fand sie alsbald im Thronsaal, doch statt ihn zu schelten oder dergleichen zu tun, führten sie ihn wortlos zu einem der Krankengemächer.

Fahl wie ein Engel lag er dort im Bette, seine Hände kalt, als würde das Leben mit jedem Herzschlag schneller aus seinem Leibe weichen.

Shion ward es bitterangst, als die eisigen Finger gegen seine Lippen presste.

„Vater. Ich..“

Der König unterbrach ihn barsch.

„Genug. Wir wissen von deinen Ausflügen, du brauchst dich nicht zu rechtfertigen.

hob er an, doch seine Stimme begann förmlich zu Donnern, während er sprach.

„Doch du bist und bleibst ein Narr!

Dieser junge Mann hat dich den gesamten Schlossberg hinaufgetragen, Obwohl er ärgere Wunden erlitt als du, das ist ihm hoch anzurechnen - Aber er hat dich in schreckliche Gefahr gebracht, mein Sohn! Fast hätten wir dich für immer verloren! Du bist unser ein und alles, das es zu beschützen gilt!

„Das ist mir bewusst.“ Gab der Prinz leise zurück.

„Aber seht, es gibt doch nicht nur mich allein - Da ist doch dieses wunderschöne, große Land..

Mit diesen vielen, wundervollen Menschen.“

Er verstummte, ohne seinen Blick von Nezumi zu wenden.

„Und ich.. habe in ihm einen Menschen gefunden, den ich mehr liebe als alles andere auf der Welt.“

Wortlos beugte er sich über das Bett und küsste schweigend den blassen Mund mit aller innewohnenden Zärtlichkeit, bevor er sich zu meinen Eltern umwand und ihnen klar und fest in die Augen blickte.

„Mutter. Vater, hört mich an. Ich mache euch für alles vergangene keinen Vorwurf…

Ihr wart stets auf mein bestes besinnt, das war mir immer bewusst.

Aber hat mir so viel gelehrt, wie kein Buch es je vermocht hat.

Er hat mir ein Leben gezeigt, das wertvoller ist als alles Gold und Geschmeide in diesem Schlosse. Und so sehr es mir zu leugnen unmöglich ist – gehört ihm mein Herz. Ich flehe euch.“

Er sah erst seinen Vater an, und dann seine Mutter mit einem Lächeln.

„Ich möchte bei ihm bleiben. Möchte mit ihm gehen. Lasst mich ziehen.“

Bei der leisen Magie in diesen Worten geschah etwas Wundersames.

In den Augen ihres Sohnes, den tiefbraunen Irden von Farbe der Rinde des Bäumchens, in seinem Lächeln – erkannte die Königin plötzlich den Engel wieder, den sie damals auf der Anhöhe getroffen hatte.

Er war ihr… zum Kinde geworden.

Nur ein stammeln Drang aus ihrem Munde, das Herzwasser lief ihr zu Augen - und auch der König ward von der Erkenntnis angerührt, und es ward den beiden innig warm im Gemüt, als sie ihren Sohn die Arme schlossen und ihn herzten.

„Wird denn.. die Zusammenkunft der Familie ohne meine Wenigkeit gefeiert?“

In der schwachen Stimme, die vom Bett herübertönte, lag noch immer eine leise Spur von freundlichem Schalk.

Des Prinzen Freudenschrei erstickte den Protest des alten Königs, als sich sein Sohn aus dessen Armen riss und zum Bett zurückstürzte.

„Kinder…“ murmelte der alte König versonnen und schmunzelte in seinen Bart,

„Euer Blut ist so.. jung. Uns meines.. Ja, was wünsche ich mir eigentlich mehr als das Glück meiner Kinder?“

Und der alte Mann lächelte versonnen in sich hinein und gedachte seines eigenen Vaters, bevor er die Hand der Königin in die seine nahm und liebevoll drückte.
 

Und wenn sie nicht gestorben sind, ziehen die Beiden wohl heute noch durch die Länder und helfen den Menschen mit all ihrer Kraft.

Denn Engel...

...begegnen den Menschen öfter, als sie eigentlich zu glauben wagen.
 

~ Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Jesment
2015-08-15T09:53:41+00:00 15.08.2015 11:53
Awww...wundervolles Ende <3 Der One Shot war richtig schön und erwärmt dss Herz. Super gut geschrieben. Ich liebe deinen Schreibstyle *-* Einfach nur WUNDERSCHÖN <3
Von:  Shizana
2015-04-27T03:44:48+00:00 27.04.2015 05:44
Ein sehr herzlicher OS. Hat mir sehr gut gefallen. Die Umsetzung finde ich gut gelungen; es macht sehr viel Spaß, diese kleine Geschichte zu lesen.
Eines der schönsten Happy Ends, die ich bisher lesen durfte. Danke.

Liebe Grüße
Shizana


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