Wie alles begann
4. Mai. 2oo3 /FREI WIE EIN VOGEL/
1.
Ich bin eine herumirrende Seele, die ihren Frieden nicht finden kann. Ja, ich bin tod.
Ich möchte euch meine Geschichte erzählen, damit ich vielleicht etwas Frieden finde.
Wo soll ich am besten anfangen?
Wahrscheinlich am Anfang, doch wo ist der Anfang? Anfang vom Ende, wo?
Ich fange einfach da an, wo ich meine das meine Gefühle für die größte Liebe meines Lebens, den Anfang fand...
2.
Es war ein heißer und schwüler Tag. Die Sonne bräunte meinen halbnackten Rücken und meine Haare tanzten im Wind. Kurz schloss ich die Augen und ließ den Wind durch mein Gesicht streichen. Wie frei ich mich bei diesem windigen Wetter fühlte, dann auch noch auf dem Rad. Eigentlich hasste ich die Sonne und die Hitze, aber an diesem Tag war das anderes, an diesem Tag war vieles anderes. Irgendwas war da und würde noch geschehen.
"Hey, was ist los, mein kleiner Träumer?" lachte jemand und legte die Hand auf meine Schulter. Langsam öffnete ich die Augen. Wer hatte mich jetzt schon wieder aus meinen Tagträumen gerissen? "Ich bin nicht klein! Und glaub ja nicht, das ich dich jetzt auch noch ziehe!" grinste ich benommen und legte den Kopf schief. Toshi, einer meiner 5 Freunde die mit mir an diesem Wochenende Campen fuhren, lächelte mich mit seinem "Komm-und-lass-dich-knuddeln" Lächeln an. Er war eigentlich mein bester Freund, aber irgendwie war da mehr. Eine große Verbundenheit, auch etwas von Liebe, mehr von meiner Seite als von seiner. Toshi war zu dumm(wenn man es genau auf den Punkt brachte), um meine Gefühle für ihn zu realisieren. Gefühlskalt war er nicht, nein. Im Gegenteil, ich habe ihn oft weinen sehen, aber nur bei mir. Er würde nie vor anderen weinen, außer vor mir. Warum das so war, würde ich vielleicht irgendwann erfahren.
Toshi war das Gegenteil von mir, er war kein Traumtänzer. Er wollte sein Leben leben, nicht eingesperrt sein(wer will das schon? Ich vielleicht...?), er wollte viel erleben und nicht in der Bude hocken, las keine Bücher, spielte keine Konsolenspiele. Dafür ging Toshi zu gerne tanzen. Tanzen war seine größte Leidenschaft. Er wollte auf die Bretter die, die Welt bedeuten. Er wollte kein großer Star werden, sondern mit seinem Talent andere Leute glücklich machen.
Ich habe ihm beim Standarttanzen kennen gelernt... Aber nachher mehr dazu.
Da ich nicht viel Talent zum tanzen hatte, stieg ich nach einem Monat wieder aus.
Toshi war wirklich sauer auf mich. Er sagte, ich solle ihm versprechen das wir uns jeden Tag sahen. Und ab da an trafen wir und jeden Tag, immer und immer wieder... Bis zum heutigen Sommertag, ohne Ausnahme.
"Was träumst du schon wieder? Pass auf das du mir nicht gleich vom Fahrrad kippst, Kleiner!" mahnte er und ließ meine Schulter wieder los. //Leg sie wieder rauf... leg deine Hand auf meine Schulter, bitte...// Meine Gedanken schrieen nur nach seinen Berührungen.
"Nein, nein. Werd ich schon nicht!" antwortete ich und seufzte. Ich sagte schon nichts mehr wegen seiner Angewohnheit mich immer "Kleiner" zu nennen(auch wenn ich größer war!!). Irgendwie fand ich es wirklich süß...
Eine halbe Stunde noch über Wiesen, Felder, lange Straßen, Landwege...
So langweilig das auch war, ich hatte ja noch meine Träume und Toshi.
Sam, die eigentlich Samantha hieß, hielt plötzlich an. "Perfekt!" rief sie, schmiss ihr Fahrrad ins hohe Gras und streckte die Arme in die Luft: "Perfekt!" rief sie noch einmal und ließ sich nach hinten auf das warme Gras fallen.
Sie kniff die Augen zusammen und legte sich den rechten Arm über das Gesicht.
"Ja" stimmten Toshi, Zack, Cloudy(eigentliche Claudia, sprich Cloudia) und ich zu, dann ließen wir uns neben ihr ins Gras sinken.
"Sagt mal...einer muss doch alleine in dem anderen Zelt schlafen. Wer eigentlich? Wir haben ja nur zwei 4er Zelte.." fragte Cloudy und kratzte sich am Kopf.
"Ich schlaf alleine in dem Zelt. Hab da nichts gegen, wirklich..." sagte ich und lächelte bedrückt. Mir machte es wirklich nichts aus. "Ey! Ich komm mit, du schläfst mir nirgendwo alleine, Kleiner! Nachher verschleppt dich noch jemand...!" rief Toshi, machte dabei aber ein ernstes Gesicht. Ich zuckte mit den Schultern und gab ein leises "Danke" von mir, tat so als würde es mir gleichgültig sein. Doch in mir freute sich alles, einfach alles. Sogar meine Leber! Meine Schmetterlinge schlugen Purzelbäume, und mein Bauch kribbelte. "Mehr hast du dazu nicht zu sagen, mh?" grunzte er und schmiss sich auf mich, um mich erst mal richtig durchzukitzeln.
"La...lass daaa~s! Bitte!!" kicherte ich und rollte mit ihm über das Gras. Plötzlich stoppten wir. Ich lag auf ihm und schaute ihm direkt in die eisblauen Augen. Ich spürte seinen Atem auf meinem Hals und seine Hände auf meinem Rücken, die langsam auf und ab strichen. Toshis Blick war anders. Noch nie zuvor habe ich so einen weichen, einfühlsamen, traurigen und doch friedlichen Blick bei ihm gesehen. Ich schluckte einmal, zweimal. Lange würde ich es nicht mehr aushalten. Ich schluckte ein drittes Mal, ich wollte ihn so sehr, so sehr. Ich schüttelte den Kopf um meine Gedanken zu verwerfen. Sein Gesicht kam immer nähe und näher, sofort sprang ich auf. Ich setzte mich neben ihn und zog die Beine an den Bauch. Versuchte meine Gedanken zu sammeln. Musste er so mit mir spielen? Oder wusste er gar nicht, das er mich so verrückt machte?
Erst jetzt merkte ich das wir uns sehr weit von den anderen entfernt hatten, das man sie durch das dichte Gras nicht mehr sah.
"Tom, alles okay bei dir?" fragte Toshi besorgt und setzte sich auf. Er rutschte näher an mich herran, so das unsere warmen Körper sich wieder berührten.
"J..ja alles okay. Du wirst es bestimmt irgendwann verstehen..." antwortete ich und versuchte zu lächeln, versuchte es zu verstecken. Aber ich glaube auch jetzt noch, als Toter, das er zu dieser Zeit schon von meinen Gefühlen wusste.
Er nickte beruhigt, doch ich sah sein Gesicht. Das Gesicht was er aufsetzte, wenn er nachdachte, sich sorgte. Dieses Gesicht sah man nicht allzu oft bei ihm.
"Hey, denk nicht mehr darüber nach. Es wird schon dunkel, lass uns zu den anderen zurück!" sagte ich und versuchte ihn aufzuheitern. Er schüttelte den Kopf: "Nein, ich will nicht zu den anderen. Ich hohl eben das Zelt und dann lass es uns hier aufschlagen. Ich möchte die Gesellschaft der anderen jetzt nicht so gerne..." seufzte Toshi und machte sich auf den Weg zu den anderen, um das Zelt zu hohlen. Was hatte er auf einmal? Das kannte ich überhaupt nicht von ihm. Toshi und eine eigene Meinung? Toshi will mit mir alleine sein, nicht bei den anderen sein? Hat er gemerkt das ich ihn jetzt brauche, ihn alleine? Vielleicht brauchte er auch nur mich...
Ich seufzte und ließ mich nach hinten ins Gras fallen, schaute mir die wenigen Sterne an, die schon schienen, auch wenn nur schwach.
Dann hörte ich auch schon Schritte, Toshi setzte sich neben mich.
"So, die anderen wissen bescheid. Ihnen macht es eh nichts aus" auch er legte sich hin. Da lagen wir nun, dicht an dicht, starrten in den Himmel.
"Lass uns das Zelt morgen aufschlagen, regnen wird es wohl nicht. Dann macht das auch keinen Unterschied ob im Zelt oder hier unter freiem Himmel!" flüsterte ich und schloss die Augen. Plötzlich legte Toshi seinen Kopf auf meine Schulter. Er rutschte etwas runter und drehte sich auf die Seite. Was sollte das schon wieder?
Ich schluckte, entschlossen hob ich den Arm. Hielt ihn eine Weile in der Luft, legte ihn dann doch auf Toshis Kopf. Nach einer Weile strich ich über sein langes, schwarzes Haar, das meistens zu einem Zopf gebunden war. Doch heute war es offen und wild.
Fühlte er nun das Gleiche wie ich, oder nicht? Ich hatte Angst die Stille zu brechen und tat es deswegen auch nicht.
Lange lag ich noch wach. Toshi schlief schon nach 5 Minuten ein. Das merkte ich an seiner flachen Atmung und an dem leisen Schmatzen was er manchmal von sich gab.
Ich schlief nicht ein, weil ich schlafen wollte, sondern weil mich die Müdigkeit einholte.
Wie gern hätte ich diese Nacht Toshis Schlaf bewacht...
