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Misfits: Herzkönig

{boyxboy}
von

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Veränderung

Verwunderlich wie ein einfaches Blatt Papier so unterschiedliche Gefühle in einem hervorrufen konnte. Es ging auch mehr darum was drauf stand, um diese schwarzen Zahlen und Buchstaben, die der Lehrer auf die vorgeschriebenen Lehrer gekritzelt hatte, unterzeichnet und unterschrieben von der Schuldirektorin und unserer Oberstufenleiterin. Gemeinsam waren wir in der Turnhalle versammelt, beide Gebäudeflügel. Leider mussten wir trotzdem getrennt voneinander sitzen, damit die Lehrer den Überblick behalten konnten. Mittlerweile saß so gut wie keiner mehr. Die Schüler, die ihre Zeugnisse noch nicht hatten, weil ihr Nachname spät im Alphabet kam, hatten sich weiter nach vorne gesetzt um die beiden Lehrer zu verstehen, die sie aufriefen. Und alle anderen Schüler liefen herum, unterhielten sich, tauschten ihre Zeugnisse oder saßen wie ich stumm auf ihrem Platz und starrten dieses Blatt Papier an.
 

Vor ein paar Tagen war Silvester gewesen. Nach einigen Drinks konnte ich Gaara, Noah und die anderen vergessen und genoss die Zeit mit meinen besten Freunden und den alten Klassenkameraden. Wir schossen Feuerwerkskörper ab, machten Fotos, tranken selbstgemachten Glühwein und als das neue Jahr schließlich anbrach, gaben mir Genesis wie auch Lynn einen Kuss auf die Wange und Simon und ich umarmten uns. Ein paar Minuten später rief mich Noah an und nach dem er mir ein neues Jahr gewünscht hatte, reichte er das Handy weiter an Samantha und sie gab es Gaara. Selbst Kiaro war bei ihnen anwesend und wünschte mir ein neues Jahr. Am meisten hatte ich mich jedoch über Gaara gefreut... am Telefon verstand ich deutlich, dass er schon ein wenig was getrunken hatte, doch er hatte mich wieder Süßer genannt und das war der schönste Rutsch ins neue Jahr den ich mir hätte wünschen können.
 

Warum machte es mich so glücklich? Darüber hatte ich mir bei der Rückfahrt nach Berlin Gedanken gemacht. Nun, wäre Gaara ein Mädchen, wäre der Fall vollkommen klar: Ich hatte mich verliebt. Aber da Gaara ein Junge war, wurde die Sache viel komplizierter. Warum wusste ich selbst nicht, es fühlte sich einfach komplizierter an. In meiner Überlegung hatte ich an Noah und Fynn denken müssen und wie sie sich vor dem Dreams geküsst hatten und ich spürte erneut, dass es mich erregte. Ich war nicht dumm, eigentlich müsste es bedeuten, dass ich auf Jungs stehe. Aber das konnte nicht sein... warum es nicht sein konnte, wusste ich aber nicht. Es konnte einfach nicht sein.
 

Nun waren diese Gedanken jedoch nur zweitrangig. Es zählte bloß dieses blöde Papier in meinen Händen. Das wohl schlechteste Zeugnis, dass ich je bekommen hatte. Nicht mal das Abschlusszeugnis der zehnten Klasse, das Jahr in dem mein Vater gestorben war, war so schlecht wie dieses hier zwischen meinen Fingern, das ich am liebsten zerknüllen und wegwerfen wollte.
 

Leistungskurse:

Deutsch – sieben Punkte (entspricht einer 3-)

Geschichte – acht Punkte (entspricht einer 3)
 

Grundkurse:

Englisch – zwei Punkte (entspricht einer 5)

Mathematik – neun Punkte (entspricht einer 3+)

Physik – acht Punkte (entspricht einer 3)

Erdkunde – zehn Punkte (entspricht einer 2-)

Kunst – sechs Punkte (entspricht einer 4+)

Religion – vier Punkte (entspricht einer 4-)

Sport – sieben Punkte (entspricht einer 3-)
 

Es war zum Lachen, aber tatsächlich hatte ich meine beste Note in einem Fach in dem ich früher nie wirklich gut gewesen war, welches jedoch das einzige Fach war in dem ich keiner der Idioten um die Ohren hatte. Das einzige Fach in dem ich mich traute mich zu melden. Es war die einzige Note mit der ich zufrieden war, eben weil ich nicht mit einer zwei gerechnet hatte. Englisch überraschte mich kein bisschen, schließlich war ich scheußlich in Fremdsprachen. Über Deutsch ärgerte ich mich, über Geschichte und Mathematik, über Physik und Sport. Über Religion, weil es ein Fach war in dem man total einfach gute Noten bekam und über Kunst, weil die schlechte Note daher rührte, dass ich das Halbjahresprojekt nie abgegeben hatte. Es war einfach nie fertig geworden.
 

Ich hatte viel zu wenig Zeit und Konzentration in die Schule gesteckt und das war die Strafe dafür. Schnell packte ich das Zeugnis in meine Tasche, zog mir meine neue schwarze Mütze über den Kopf und wollte aus der Halle verschwinden, doch die Oberstufenleiterin Frau Beyl-Schüller stellte sich mir in den Weg.

„Ich würde dich bitten kurz mit in mein Büro zu kommen“, sagte sie freundlich. Ich nickte bloß und folgte ihr aus der Halle heraus. Ihr grauer, geflochtener Zopf schwang über ihren schmalen Rücken und der dicke Wollrock hüpfte ein wenig, während sie ging. Sie trug immer Röcke und eine Brille auf ihrer Nase.
 

Im Büro angelangt bat sie mich mich zu setzen, was ich auch sofort mit einem mulmigen Gefühl tat. Vermutlich ging es wieder um meinen Vater. Nach seinem Tod hatte ich mit der Schule, dem Schulamt und dem Jugendamt einen Haufen Formulare ausfüllen müssen, die sich um sonst etwas handelten, was ich nicht verstand und ständig hatte mich dieser ätzende Vermittlungskerl als einen Halbwaisen bezeichnet. Ich hatte diesen Ausdruck gehasst und jedes Mal wenn ich an das Wort dachte, schmerzte es in meiner Brust. Ich wollte kein Halbwaise sein, es war ein trauriges Wort.
 

„Lukas, bevor wir die Zeugnisse ausfüllen, treffen sich alle Lehrer, um über die Noten der Schüler und die Schüler selbst zu diskutieren“, begann Frau Beyl-Schüller zu erklären und für einen Moment war ich froh, dass das Gespräch in eine andere Richtung verlief. Dann jedoch versteifte sich meine Körperhaltung und ich spürte die altbekannte Hitze in mir aufsteigen. Es ging also um mein beschissenes Zeugnis...

„Wir sind uns alle darüber einig, dass du mehr kannst“, sagte Frau Beyl-Schüller und bedachte mich mit einem beinahe vorwurfsvollen Blick. „Mit Ausnahme von Englisch und Religion waren all deine schriftlichen Arbeiten gut mit einigem Platz nach oben. Der Grund für deine mittelmäßigen bis schlechten Noten liegt im mündlichen Bereich, in deinen Referaten und deinen fehlenden Beiträgen. Mittlerweile befindest du dich in der Oberstufe.“ Sie wurde strenger. „Und wirst dieses Jahr volljährig und trotzdem sitzt du dort und sagst nichts, wenn man dich etwas fragt. Solches Verhalten sieht man noch bei den schüchternen Fünft- und Sechstklässler, aber als junger Mann sollte man dazu in der Lage sein es wenigstens zu versuchen oder zu sagen, dass man keine Ahnung hat, aber nicht schweigend den Tisch anstarren. Lukas, schau mich bitte an, wenn ich mit dir rede.“
 

Ich schaute von der Tischplatte auf, die ich mit finsterem Ausdruck und rotem Gesicht angestarrt hatte und schaute Frau Beyl-Schüller in die harten, grauen Augen. Sie machte mir keine Angst, ich hatte großen Respekt vor ihr und doch mochte ich sie. Hinter dem Harten sah ich ihre Freundlichkeit. Sie fuhr wieder etwas ruhiger fort.
 

„Die meisten Lehrer sagten deine Referate wären gut aufgebaut und sowohl inhaltlich als auch sprachlich sehr gut, doch würde die Art deiner Vortragsweise alles wieder zerstören. Stottern und rot werden, auf den Boden starren, zitternde Finger und so leise sprechen, dass niemand dich versteht. Ich glaube dir, dass du Referate nicht sonderlich gut leiden kannst.“

Ich nickte zustimmend und wollte wieder auf die Tischplatte starren, dann erinnerte ich mich an ihre Worte und schaute ihr weiterhin ins Gesicht.

„Natürlich sind wir Lehrer nicht blind“, sagte sie. „Es gibt da wohl ein paar Herrschaften denen man die Schuld an deinem fehlenden Selbstbewusstsein im Unterricht zuschreiben kann. In Erdkunde nimmst du aktiv am Unterricht teil und in Physik hat dich wohl ein Mädchen aus dem zweiten Gebäudeflügel an die Tafel gezwungen, wo du einen guten Eindruck bei deinem neuen Lehrer hinterlassen hast. Wir haben lange darüber diskutiert und sind uns einig geworden, dass bestimmte Situationen bestimmte Maßnahmen erfordern.“
 

Ich richtete mich ein wenig im Stuhl auf und hatte Angst vor dem, was nun kam. Wollte sie mich jetzt zur Schulpsychologin schicken? Bei meiner Mutter anrufen und ihr alles erklären? Meine Finger krallten sich in den harten Stuhl, bis die Kuppen schmerzten.
 

„Die Direktorin wollte dem Vorschlag erst nicht zustimmen. Sie sagte und ich zitiere 'Mit beinahe 18 Jahren sollte man dazu in der Lage sein mit solchen Situationen umzugehen und sich selbst zu verteidigen'. Gelegentlich der Einwand, dass der Tod deines Vaters deiner Psyche und deinem Selbstbewusstsein schwer zugesetzt haben könnte, überredete sie doch zuzustimmen.“

„Und was genau passiert jetzt?“, fragte ich, der langsam ungeduldig wurde. Frau Beyl-Schüller lächelte ehe sie schlicht sagte: „Wir verlegen dich in den zweiten Gebäudeflügel.“
 

Es war eine so einfache Lösung für mein Problem, dass ich sie einen Augenblick lang überrascht anschaute, dann brach ein Schwall von Erleichterung und Freude in mir los und ich musste lächeln.

„Ich wusste nicht, dass das geht“, gab ich zu.

„Normalerweise machen wir so etwas auch nicht“, sagte Frau Beyl-Schüller mit einem Augenzwinkern. „Aber ich habe mich für dich eingesetzt.“

„Wie kann ich Ihnen jemals dafür danken?“ Ich hätte sie am liebsten umarmt und ihr einen Kuss auf die Wange gedrückt.

„Schreib ab sofort einfach bessere Noten“, lächelte sie und ich musste mich zurückhalten ihr zusagen, dass ich sie in diesem Moment liebte.
 

„Bambi gehört ab sofort zu uns?“

Samantha stand mit einem breiten Lächeln vor mir. Über ihren hellbraunen, buschigen Haaren trug sie eine weiße Wollmütze mit Bommeln dran und ihre Winterjacke reichte ihr bis zu den Knien. Ihre Haut bildete dazu einen seltsamen Kontrast, denn die sah immer aus als hätte Samantha lange in der Sonne gelegen.
 

Der Unterricht war bereits zu Ende und normalerweise wäre ich sofort nach Hause geflohen, aber heute wollte ich ihnen die Neuigkeiten überbringen und ich wusste, dass sie sich immer am Ende des Schultages noch für eine Zigarette und ein paar abschließende Worte in der Raucherecke versammelten. Gaara hatte ein gerade zu freches Grinsen aufgesetzt und Noah hüpfte glücklich auf der Stelle. Auch Kiaro freute sich und klopfte mir kumpelhaft auf die Schulter.
 

„Eine Bereicherung für unsere Stufe, würde ich sagen“, sagte er mit einem Lächeln. Und es war Gaara der zustimmend meinte: „Ja, auf jeden Fall.“

Obgleich mein Zeugnis beschissen war, war ich an diesem Tag der glücklichste Mensch der Welt. Ich hatte das Gefühl eine riesige Last wäre von meinem Herzen genommen, viele schwere Steine, die mich nun nicht mehr in die Knie zwingen konnten. Ich hatte das Gefühl ich wäre die Idioten losgeworden, dabei war mir bewusst sie würden trotzdem noch jede Möglichkeit suchen mich zu ärgern, mich herum zu schubsen und zu beleidigen, aber das war mir egal. Ich war sie im Unterricht los. Ich musste nicht mehr eine dreiviertel Stunde lang still sitzen, während sie mir Beleidigungen zuflüsterten, über mich lachten und mich mit Papierkügelchen oder Schinkenbrot abwarfen. Nur um fünf Minuten später wieder eine solche dreiviertel Stunde über mich ergehen zu lassen. Ich war befreit.
 

Zuhause musste ich das erste Mal in meinem Leben nicht so tun als wäre ich gut gelaunt obwohl ich es nicht war, sondern ich musste so tun als wäre ich schlecht gelaunt obwohl ich es nicht war. Bei meinem Zeugnis wäre es nur seltsam gewesen, wenn ich breit grinsend vor Mum herumgelaufen wäre. Schließlich wusste sie nichts von den Idioten und mit Sicherheit würde sie nie etwas davon erfahren. Einmal, weil es zu peinlich war und zum zweiten Mal, weil sie genug um die Ohren hatte. Wie die Direktorin selbst meinte, ich war 17 Jahre alt und sollte alleine mit solch einer Situation umgehen können.
 

Am Abend erzählte ich Simon, Genesis und Lynn in Skype von der guten Nachricht und las ihnen ebenfalls mein Zeugnis vor. In Nordrhein-Westfalen würde es noch ein paar Tagen dauern bis sie ihre Zeugnisse bekamen und sie hatten ebenfalls noch drei Tage Ferien, wofür mich Simon ein wenig aufzog, doch es konnte mir nicht gleichgültiger sein. Nächste Woche begann das zweite Halbjahr, nächste Woche begann meine Zeit im zweiten Gebäudeflügel. Gemeinsam mit Noah, Samantha, Kiaro... und natürlich Gaara.
 

Ich konnte es kaum erwarten und mir kam es vor als würden die Tage noch langsamer vorbei gehen. Im Unterricht quälten mich die Idioten so schlimm als ob sie wüssten, dass ich bald nicht mehr ihr Opfer sein könnte. Als ich daran dachte, dass ich sie bald los sein würde, fiel mir erst auf, dass ich nicht der Einzige war, der ihnen ständig zum Opfer fiel. Es gab noch andere, die von ihnen gemobbt wurden, aber niemand so schlimm wie ich. Nächste Woche war ich sie dann alle los. Jeden einzelnen. Die, die daneben standen und lachten und die, die daneben standen und so taten als würde es sie nichts angehen.
 

Als ich dann endlich am Freitag aus der Schule ging, schien ich über den Boden zu schweben vor Glück und meine Laune wurde gleich noch einmal gehoben als mir Noah den Weg versperrte und mich mit einem Lächeln fragte: „Was hast du morgen vor?“

„Noch nichts“, antwortete ich. Wie immer.

„Ich treffe mich mit Fynn und noch einer Freundin bei mir Zuhause, es wäre cool, wenn du kommen würdest. Wir wollten nur ein wenig Shisha rauchen und zocken. Es wird ein ruhiger Abend“, sagte Noah. Für einen Moment war ich enttäuscht, dass Gaara nicht kommen würde, aber sie konnten wohl kaum jeden Tag ihres Lebens miteinander verbringen. Für das Wochenende hatte er sicher andere Pläne.
 

Plötzlich kam mir in den Sinn, dass er andere Pläne mit einer festen Freundin oder einem festen Freund haben könnte und dieser Gedanke gefiel mir überhaupt nicht. Einen Augenblick lang war ich sogar sauer auf die Person, die mit Gaara zusammen sein könnte. Ich schüttelte diese dummen Gedanken ab und fragte mich, was in letzter Zeit mit mir los war. Alles drehte sich nur noch um Gaara und ich verstand die Welt nicht mehr. Ich kannte ihn doch überhaupt nicht richtig.
 

„Klar, ich würde gerne kommen. Ich weiß nur nicht, wo du wohnst“, sagte ich und auf Noahs Lippen machte sich ein glückliches Lächeln breit.

„Kein Problem, ich sage dir zu welcher Station du mit der Straßenbahn fahren musst, dann hole ich dich dort ab!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Onlyknow3
2014-01-06T18:23:18+00:00 06.01.2014 19:23
Alles wendet sich zum guten? So sieht es wenigstens aus,und das wäre schön für ihn.
Mach weiter so,ich freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Leviathena
2013-10-04T21:26:41+00:00 04.10.2013 23:26
Oh das ist mal positiv :D dat gibt Mut und Hoffnung. Nun nur noch das sexuelle orientierungsproblem lösen, dann wird das mein kleena xD
Von:  Medieval
2013-10-04T16:14:23+00:00 04.10.2013 18:14
Jaay! Lukas ist die Idioten Truppe endlich los \(^o^)/
Super Kapi ^^
Bin schon auf das nächste Gespannt ^^


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