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How to be ...

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Sorry, ein bisschen verspätet, aber ich bin im Moment ganz schön im Stress! : ) Komplett anzeigen

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CRIME SOLVING

“Any truth is better than indefinite doubt” – Sir Arthur Conan Doyle

 
 

Als das Feuerwerk vorbei war, fanden sich alle Gäste – geladen und ungeladen – wieder im Tanzsaal ein. Dort wartete eine Überraschung auf die zwei jungen Frauen. Sherlock stritt sich gerade – in einer dezenten Lautstärke – mit jemanden, der nochmal ein wenig größer war als der Detektiv. Der Mann trug einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug, ein weißes Hemd, eine Weste und eine rote Krawatte. Er hatte rötlich braunes Haar, hellblaue Augen und eine markante Nase. Sein schmaler Mund sah verkniffen aus.

  „Was ist denn das für einer?“, fragte Cathy und trank ihr Weinglas auf ex aus.

  „Keine Ahnung. Die scheinen sich ja nicht unbedingt gut zu verstehen“, erwiderte Jaina, die inzwischen neben Cathy stand. Die Männer hatten sich zum geöffneten Buffet begeben. „Wollen wir hingehen?“

  „Da bin ich dabei.“

Die beiden nickten sich verschwörerisch grinsend zu und gingen dann zu Sherlock und dem Mann.

  „Ah, Sherlock. Deine Mitbewohnerinnen“, sagte der Unbekannte. Er lächelte säuerlich.

  „Hey, hi! Ich bin-“

  „Dr. Dr. Catherine Romeck“, beendete der Mann und ignorierte die Hand, die sie ausgestreckt hatte. „Und Prof. Dr. Jaina White.“ Er bedachte die beiden mit einem desinteressierten Blick.

  „Ja, also… ich wusste gar nicht, dass du von uns erzählst“, sagte Jaina etwas verwundert zu Sherlock.

  „Habe ich auch nicht“, antwortete dieser bloß.

  „Aber wie…“ Cathy hob nur abschätzend eine Augenbraue.

  „Mycroft Holmes!“, platzte es aus Jaina heraus. „Wow! Was für eine Ehre, Sie kennen zu lernen!“ Da stand er, in persona vor ihnen, der schlauste Mann der Welt! Sie war beeindruckt. Er wirkte genauso unterkühlt, wie sie es sich vorgestellt hatte.

  „Ah, der mysteriöse Bruder.“ Cathy verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie haben ja nicht das beste Verhältnis mit Sherlock.“

  „Sherlock, wirklich?“, wollte Mycroft stattdessen wissen und warf seinem Bruder einen vorwurfsvollen Blick zu. Der jüngere wusste, was der hieß: Im Ernst, solche Dumpfbacken lässt du bei dir wohnen? Wie erträgst du das nur.

  „Nun, sie erweisen sich von Zeit zu Zeit recht nützlich“, verteidigte Sherlock seine Entscheidung.

  „Nützlich?“, entfuhr es Jaina und Cathy gleichzeitig. Die Kupferhaarige warf dem Detektiv einen entgeisterten Blick zu, den Sherlock schon zu gut von John kannte. Jaina fasste sich an die Stirn. „Cathy, wir ziehen wieder in unsere Wohnung. Was meinst du?“

  „Oh, davon bin ich überzeugt.“

  „Sie werden nicht ausziehen“, prophezeite Mycroft und wandte sich wieder an Sherlock. „Du weißt schon, dass Dr. Romeck ein romantisches Interesse für dich hegt, kleiner Bruder?“

  Cathy schnappte empört nach Luft und setzte an, um dies zu dementieren, doch der Detektiv brachte sie mit einer einfachen Bewegung seiner Hand zum Schweigen. „Natürlich weiß ich das.“

  Jaina schaute ihre Freundin ratlos an, während Cathys Kopf immer röter wurde. Das hatte Jaina ja noch nie erlebt! Dass sich die vorlaute Medizinerin einmal schämte!

  „Das stimmt nicht“, murmelte Cathy erbost.

  „Natürlich stimmt es“, sagte Mycroft wenig beeindruckt und drehte sich zu Jaina. „Genauso wie es stimmt, dass Sie immer noch an starker Migräne leiden. Es tut mir Leid, Sie werden heute noch abserviert.“

  Die Mathematikerin schnaubte kurz und fasste einen Entschluss. „Gut, also… äh. Mycroft, es war…interessant… Sie kennenzu lernen. Sie, ähm… viel Spaß noch.“ Jaina entfernte sich so schnell sie konnte, bevor sie ihre Beherrschung verlor.   

 Was für eine unangenehme Person dieser Mycroft war. Schlau, ja, um jeden Preis. Aber Diskretion im privaten Bereich schien ihm unbekannt.

  „Also, ich mach mich dann auch mal… äh… vom Acker“, stammelte Cathy und lief zum Buffet. Sie fühlte sich entblößt und gedemütigt. Sie hatte keine romantischen Gefühle für Sherlock. Keine Minute später stand sie wieder bei den Brüdern Holmes. „Nur um das klarzustellen: Ich bin nicht verliebt in Sherlock!“

  Dann erst machte sie sich wieder davon und gönnte sich, neben Jaina stehend, ein Schinken-Ei-Sandwich.

  Jaina hatte sich für einen kleinen Wurstsalat mit einem Stück Weißbrot entschieden. Die Engländer hatten es nicht so mit Schwarzbrot, das vermissten die zwei Frauen schon.

  „Super unverschämt“, motzte Jaina plötzlich los.

  „Echt wahr“, stimmte Cathy bröselnd zu.

  Beide aßen noch ein wenig harmonisch vor sich hin, beobachteten die Leute, die wieder tanzten und die, die noch am Buffet waren und waren sich einig, dass der Abend schon hätte besser laufen können.

  Da knackte das Mikrofon erneut. Fragend guckten sich die zwei an.

  „Noch ein Feuerwerk?“, schlug Cathy vor.

  „Oder eine Tombola?“, sagte Jaina hoffnungsfroh. Tombolas waren irgendwie schön. Nicht das beste, aber doch schon erheiternd.

  „Meine Damen und Herren, ich bin Philipp Anderson vom Scotland Yard“, ertönte da eine vertraute Stimme. Die Leute hörten auf sich zu vergnügen und schauten zu dem Mann in dem furchbaren Anzug, der auf der Bühne stand.

  „Um Gottes Willen“, entfuhr es Cathy.

  „Steh mir bei, was ist das denn für ein hässlicher Fummel?“ Jaina, eher nicht religiös, tat das, was sie in englischen Filmen oft sah: Sie bekreuzigte sich. Anderson trug eine schwarze, viel zu enge Hose, ein weißes Unterhemd und – das Schlimmste – ein blau-leopardengemustertes Jackett mit Glitzereinsätzen. Die Knöpfe bestanden aus rosa Sternen. Es war zum Fürchten. Er konnte doch nur eine Wette verloren haben, so ging man doch nicht freiwillig vor die Haustür!

  „Wie Sie alle wissen, geht in London der Beheader um, ein Mörder, der seine Opfer köpft und die Körper versteckt.“ Anderson verschwieg, wie Cathy bemerkte, wohlweislich, dass keiner der Körper gefunden worden war. „Und wir haben allen Grund zu der Annahme, dass der Mörder heute unter uns ist.“

  Schockiert hörte Jaina das Kauen auf, sowie Cathy. Der Mörder – hier? Langsam schluckte Cathy ihr Sandwich und wischte ihre Hände am Tischtuch des Buffets ab. Jaina verlor keinen Kommentar über dieses schlechte Benehmen – besser das Tuch als das Kleid. Die Mathematikerin stellte ihren Wurstsalat und ihr Brot weg, nahm ihr Weinglas und leerte es eilig. Die Bedienung, die gerade vorbeihuschte, wurde von Jaina angeschnipst. „Noch zwei Gläser von dem roten Wein. Randvoll.“ Schon nach zwei Minuten hielten die zwei jungen Frauen die erneut gefüllten Gläser in ihren Händen.

  „Und ich werde ihn überführen!“, triumphierte Anderson.

  „Lass mich bitte sterben“, flüsterte Jaina, trank einen großen Schluck und sah sich um. „Wo sind eigentlich die anderen?“ Sie sah sich um, fand aber nur Jim und winkte ihm zu. Er zwinkerte zurück.

  „Welche anderen?“ Cathy schaute ergeben in ihr Glas. Dann kippte sie es weg. „Anderson zerstört unseren Ruf.“ Sie rief die Bedienung. „Noch eines, randvoll!“

  „Und eines für mich auch!“, warf Jaina ein, leerte ihren Wein und gab das leere Glas ab. Cathy sah ihre Freundin erschüttert an. „Was?!“

  „Du trinkst fast nie!“

  „Und?“

  „Warum heute?“

  „Der Abend ist grauenhaft! Da darf man doch noch trinken!“, verteidigte sich Jaina. Die neu gefüllten Gläser wurden den beiden gereicht.

  „Darauf trinke ich!“, lachte Cathy plötzlich und nahm einen guten Schluck. Dann stießen die beiden an, während Anderson vom Podest sprang.

  „Der Mörder muss ein geheimes Versteck haben, wo er die Leichen lagert. Er ist schnell und unauffällig. Er kann jeden überwältigen und sieht harmlos aus, man vertraut ihm. Entweder eine große, starke Frau oder ein Mann, der den Schein erweckt, nicht allzu kräftig zu sein.“

  „Blabla“, machte Cathy nur und trank weiter. „So findet der den Mörder nie.“

  „Und dann lässt der sich nie wieder in so einer Gesellschaft sehen! Cathy, wir müssen ihn schnappen!“, rief Jaina, trank ihr Glas schnell aus und sah ihre Freundin eindringlich an. „Du weißt doch alles nötige!“

  „Ach, komm, Lestrade wird schon den richtigen einfangen“, widersprach Cathy, trank ihr Glas aber auch leer. „Komm, lass uns mal sehen, wen er denn für den Täter hält.“

  Dass Chan immer noch auf ihrer Liste der Verdächtigen stand, das verbargen Jaina und Cathy geschickt, während sie suchend herumliefen, um Anderson zu finden. Das durfte bei der Kleidung allerdings kein Problem sein.

  Sie entdeckten Anderson, der gerade herumlief und den Leuten erzählte, warum sie nicht der Täter sein konnten. Zu Chan sagte er tatsächlich: Zu liebenswürdig. Liebenswürdig? Dass Cathy nicht lachte! Der flog einfach nach Thailand und sagte ihr nichts davon! Das war überhaupt nicht freundlich gewesen.

  Nach etwa einer halben Stunde war nur noch eine Person übrig. Cathy kannte ihn, Jaina – zu ihrem Glück –nicht. Es war der Leiter eines Opernhauses in London, eines ziemlich bekannten Opernhauses. Doch Anderson machte keinen Halt davor. Mr Zhao war ein begnadeter Sänger und auch Sportler. Nur sein enges Team – Cathy hatte einst dazugehört – wusste, dass er Kampfsport jeglicher Art liebte. Er war ein Meister des Wushu, einer anspruchsvollen chinesischen Kampfkunst, und hatte immer damit angegeben, jemanden mit einer speziellen Technik des Wushu innerhalb von Sekundenbruchteilen K.O. schlagen zu können. Anderson nun vor ihm stehen zu sehen schien für Cathy wie ein zweites Weihnachten!

  „Wer ist das?“, flüsterte Jaina nicht halb so leise, wie sie im angeheiterten Zustand dachte.

  „Akuma Zhao, der Besitzer des Opernhauses, in dem ich mal gearbeitet hab neben dem Studium. Du erinnerst dich?“

  „Klar. Ich war doch mal bei zwei oder drei Vorstellungen von dir.“ Jaina nickte und starrte den ältlichen Chinesen beeindruckt an.

  „Er ist ein Meister des Wushu. Irgendwie hatte er in China sogar eine eigene Schule dafür, aber dann hat er die Oper entdeckt. Er ist genial. Und superstark. Aber sau unhöflich, wenn man was nicht genau so macht, wie er es will“, führte Cathy weiter aus.

  „Sie sind der Beheader, Mr Zhao. Sie haben kein Alibi! Sie haben nur Menschen einer anderen Rasse als Ihrer getötet!“ Dramatisch deutete Anderson auf den Chinesen.

  Jaina und Cathy konnten sich nur kopfschüttelnd ansehen, dann wanderte der Blick der beiden zu Chan, der seltsamerweise lächelte. War er etwa erleichtert?!

  „Mr Anderson, wieso sollte ich unschuldige Leute töten?“, fragte Zhao und rümpfte die Nase. Er sah sogar aus, wie ein Kampfkunst-Opa. Sein Oberlippenbart – über der Lippe gestutzt, seitlich hängend – war lang und weiß, sein Haar voll und ebenfalls farblos. Die Haut war wettergegerbt, doch der dunkle Anzug stand ihm gut.

  „Nun, Sie sind der einzige, der übrig bleibt“, erwiderte Philipp Anderson im Brustton der Überzeugung. Schon lies er Handschellen schnappen, Jaina registrierte aus den Augenwinkeln, wie Chan fast befriedigt an seinem Glas nippte und stellte ihn immer mehr unter Verdacht. Der war garantiert nicht ganz sauber.

  „Ach, na dann“, machte der Opernhausbesitzer, schürzte die Lippen – und im nächsten Moment lag Anderson niedergeschlagen am Boden! Der Wushu-Meister hatte so schnell und effizient zugetreten, dass viele Leute schockiert und irritiert miteinander das Schwätzen anfingen.

  Der Zeitpunkt für Cathy, loszuklatschen. Und Jaina, überwältigt von solcher Schnelligkeit, machte begeistert mit. Zhao verbeugte sich in die Richtung der beiden, erkannte seine ehemalige Mitarbeiterin und warf ihnen dann noch zwei Luftküsse zu.

  „Der wahre Täter ist jedoch immer noch hier.“

  Die Leute verstummten und starrten auf Sherlock, der neben Chan aufgetaucht war. Groß und kühl stand der Detektiv neben dem schrulligen Chinesen. Dieser schien ein wenig zu schrumpfen und sah gar nicht mehr so entspannt aus, was Jaina in ihrer Vermutung nur noch mehr bestätigte. Cathy hingegen musste sich einen Würgereiz unterdrücken – Chan war ihr Asisstent, sie hatte ihn mit wichtigen Aufgaben betraut!

  „Oh nein“, machte die Medizinerin und lehnte sich an die nächstbeste Schulter, die sich ihr bot. Diese Schulter hing an Señor Matemática, dieser schaute etwas verwirrt. „Er ist mein Angestellter.“

  „Das… ist ja…“ Der Mathematiklehrer wusste gar nicht, was er dazu sagen sollte.

  „…echt kacke“, fand Jaina.

  „Er ist niemand anderes als Tao Chan. Der forensische Assistent weiß genau, was er zu beachten hatte bei seinen Morden“, meinte Sherlock vernichtend. Dann sah er Jaina und Cathy, die beide ziemlich gequält aussahen.

  „Ich? Wieso sollte ich so etwas tun?“, höhnte Chan da plötzlich und sah Sherlock herablassend an. Er stellte sein Glas jedoch gleich auf den nächstbesten Tisch ab.

  „Nun, mal von den gesamten persönlichen Gründen abgesehen, hat man ein unanfechtbares Beweisstück gefunden. Ihr Haar war zwischen den Zähnen des letzten Opfers“, erwiderte Sherlock lässig. „Außerdem ist

es Ihnen leicht anzusehen, dass…“

  „Halt! Stop!“

  „Cathy?!“ Jaina versuchte noch, ihre beste Freundin am Arm zu packen, verfehlte sie aber. Entsetzt beobachtete sie, wie die Kupferhaarige auf Sherlock zustöckelte, zielstrebig aber elegant. Die Rechtsmedizinerin starrte Chan böse an, dann drehte sie sich zu Sherlock.

  „Das kannst du unmöglich wissen! Dieses Haar ist bis jetzt unter Verschluss und Geheimhaltung gewesen!“

  Beim Sprechen merkte Cathy, dass es vielleicht nicht gerade intelligent war, von dem Haar zu sprechen, da Lestrade im Raum war.

  „Jaina hat es im Wohnzimmer herumgebrüllt, nachdem sie Jim angerufen hat. Es war schwer, diese Information zu überhören.“

  „Jaina?“ Erbost drehte sich Cathy um und funkelte ihre Freundin an.

  „Was?! Ich dachte, ich hätte auf Auflegen gedrückt!“ Sie warf die Hände in die Luft und versuchte, nicht zu erröten. Es war Jaina sehr peinlich, dass Sherlock durch sie von dem Haar erfahren hatte. Furchbar!

  „Ja, du dachtest! Das war voll geheim!“

  „Er rennt weg!“, schrie da plötzlich eine ältere Dame in großgeblümt – wohl eine Wirtschaftsdozentin – und zeigte auf Chan, der schon fast den Ausgang erreicht hätte. Doch Sherlock und alle anderen waren schneller. Ungehemmt zog der Detektiv plötzlich eine Pistole und schoss damit in die Luft!

  Alle Gäste – einschließlich Chan – starrten den schwarzhaarigen Mann erschrocken an, in diesem Moment warfen sich Lestrade, John und Mr America auf den Mörder. Dieser ging unter so viel geballter Kraft unter.

 
 

Nachdem Chan abgeführt worden war, legte sich der Trubel im Tanzsaal etwas, man verzieh sogar Sherlock für das Auslösen eines Herzinfarktes eines alten Geschichtedozenten – dieser wurde mit weniger Brimborium abtransportiert. Cathy und Jaina hockten auf dem abgeräumten Buffet und schlürften alkoholfreie Cocktails, noch aufgewühlt und schockiert.

  „Also wirklich, kaum lässt man euch alleine, passieren die unglaublichsten Dinge.“

  „Ach, Herr Reinstriezel“, seufzte Jaina und zog eine Schnute. „Am Anfang macht das alles ja auch noch Spaß. Bis dann einer weint.“

  „Das war doch nicht böse gemeint“, sagte der pensionierte Lehrer und setzte sich zwischen die zwei hübschen Frauen und legte jeder einen Arm um die Schulter. „Ihr könnt doch nichts dafür.“ Gleichzeitig lehnten sich Jaina und Cathy an den Mann, der ihr Opa sein könnte und genau das ausstrahlte.

  „Aber Jim geht nicht an sein Handy – und finden konnte ich ihn auch nicht!“

  „Jaina! So kenne ich dich ja gar nicht!“, entfuhr es Herrn Reinstriezel, der ganz offenbar überrascht war von solch heftiger Reaktion.

  „Ich mich auch nicht“, bestätigte sie etwas aufgebracht.

  „Der hängt bestimmt völlig abgestürzt in einer Ecke rum! Viel schlimmer ist, dass Chan ein Mörder ist! Er hat Leuten den Kopf abgehackt!“, jammerte Cathy auf der anderen Seite nicht sehr empathisch für ihre Freundin herum.

  „Dieser Abend ist für euch beide nicht so einfach, oder?“

  „Señor Matemática!“, rief Jaina, als sie den Spanier näher kommen sah. „Haben wenigstens Sie Jim gesehen?“

  „Deinen Freund?“ Er schaute sich um. „Nein.“

  „Hier ist er ja auch nicht“, gab Jaina erschlagen zurück und trank den Rest des Cocktails.

  „Wer hat uns eigentlich diesen alkoholfreien Mist gegeben?“, stänkerte Cathy plötzlich los und starrte ihr Glas vorwurfsvoll an.

  „Das war ich“, warf Mr America ein und kam mit zwei Gläsern Wasser fast gangsicher angeschlendert. „Ihr zwei habt schon weitaus zu viel getrunken. Wird Zeit, dass ihr wieder ausnüchtert.“

  „Ausnüchtern!“ Die Mathematikerin starrte den selbstbewussten Englischlehrer nur an. „Im Ernst?“ Sie kniff die Augen zusammen. „Außerdem… torkeln Sie etwa?!“

  „Wir müssen erstmal richtig betrunken werden dafür. Mr America, da sind Sie uns halt schon voraus“, befand Cathy und lachte leise. Einem vorbeilaufenden Kellner bedeutete sie, eine Runde Tequila für die Lehrer, Jaina und sie zu schmeißen.

 
 

Sie waren betrunken, ganz sicher. Fast so betrunken wie damals, als Jaina und Jim auf Sherlocks Couch geschlafen hatten. Allerdings waren sie heute vergleichsweise nicht so gut drauf. Die Lehrer erzählten zwar allerlei Schwänke aus dem Unterricht und versuchten so, die Stimmung zu bessern, aber das half nur unzureichend. Inzwischen hatte Jaina nämlich erkannt, dass Mycroft wohl doch die Wahrheit gesagt hatte und sie von Jim versetzt wurde. Das machte sie wütend und tat weh. Vor allem aber fühlte sie sich allein gelassen, in ihrem betrunkenen Zustand. Die ganzen Leute, die um sie geschart waren, waren bloß ein jämmerlicher Ersatz für den charmanten Mathematiker – der sie versetzt hatte. Die Brünette hätte am liebsten geweint vor lauter Enttäuschung, verbarg das aber relativ schnell wieder. Den anderen den Abend versauen, das war nicht ihre Art. Da spürte sie, wie jemand einen Arm um sie legte. Jaina schaute auf und sah, dass es Cathy war, die sie besorgt anschaute. Anschielte traf es wohl besser, aber darauf kam Jaina in ihrem Zustand nicht.

  „Jaina, warum weinst du?“, wollte die Kupferhaarige wissen und versuchte, den sich anbahnenden Schluckauf zu unterdrücken.

  „Ich weine gar nicht“, erwiderte Jaina trotzig.

  „Und was ist dann das Nasse in deinem Gesicht? Regenwasser?“

  „Ich weine nicht wegen Jim!“ Sie versuchte, böse zu klingen, schaffte das aber nur mäßig bis nicht.

  „Du musst doch nicht wegen einem Kerl heulen! Ehrlich! Du hast auf jeden Fall was besseres verdient, als jemand, der dich auf so einer tollen Party sitzen lässt!“

  „Er soll mich aber nicht sitzen lassen!!“ Und das brachte das Fass dann zum Überlaufen und Jaina schluchzte los, schnäuzte sich in das Tuch, das Cathy ihr hinhielt und wischte sich mit dem Handrücken unladylike über das Gesicht. Neben ihr hörte sie Gelächter. „Was gibt’s da zu lachen?!“, giftete Jaina weiter und musste wegen so viel Unhöflichkeit gleich noch mehr weinen. Es war alles so ungerecht!

  „John! Lach nicht!“, rügte Cathy zischelnd und hielt dem Arzt das vollgeschnäuzte Tischtuch hin. „Lass das lieber verschwinden!“

  „Aber ihr zwei hockt auf dem Rest vom Tuch!“, keuchte John kichernd. Er hätte sich im Traum nicht vorstellen können, wie lustig es aussehen würde, wenn sich jemand mit einer Tischdecke die Nase putzte!

  Und Jaina hatte das mit so viel Enthusiasmus und Konzentration getan, dass er sich nicht mehr hatte halten können.

  „Hör auf zu lachen!“, verlange da Jaina mit einer wütend und verletzt bebenden Stimme, während sie aufstand. „Ich will hier nicht mehr sein.“

  „Was? Du willst schon gehen?“, wollte da Herr Reinstriezel wissen, der gerade vorbeilief, um auf die Herrentoilette zu gehen. Dann bemerkte er, in welch erbärmlichen Zustand die Dozentin war. „Jaina, was ist denn los?“

  „Jim hat mich sitzen lassen und alles ist schrecklich!“

  „Jaina kommt nur nicht mit Abfuhren zurecht!“, berichtigte Cathy und legte mit einer großen Geste der Trunkenheit ihren Arm um die beste Freundin. „Aber das bekommen wir auch noch hin!“

  „Wir können doch nicht schon gehen!“, rief John entrüstet, als er sah, dass Jaina und Cathy zielstrebig zum Ausgang gingen. Sofort eilte er den beiden hinterher, mit Sherlock im Schlepptau. „Jaina! Cathy!“ Doch die beiden hörten nicht oder wollten nicht hören und torkelten fröhlich weiter.

  „Was soll das, John? Warum bleiben wir nicht?“, stänkerte Sherlock und weigerte sich, mit seinem Mitbewohner Schritt zu halten. „Du wolltest doch die Nacht durchfeiern, also hab ich mich darauf eigestellt.

  Und jetzt kneifst du?“

  „Halt die Klappe, Sherlock.“ Genervt verdrehte John die Augen und erblickte dabei eher zufällig Herrn Reinstriezel, der die beiden jungen Frauen gerade eben eingeholt hatte. „Eeey! Herr Reinstriezel!“

  „Was denn?“ Der ältere Mann drehte sich gleich um, eine erfreuliche Reaktion, wie der Arzt fand.

  „Wo wollt ihr hin?“

  „Limousinen-Party! Habt ihr das nicht mitbekommen?“ Herr Reinstriezel schaute etwas irritiert und wartete höflich auf die Nachzügler. „Die zwei Mädels sind so schlecht drauf, dass Señor Matemática auf die Idee gekommen ist, sie nach hause zu fahren und während der Fahrt weiterzufeiern, damit sie unser Vorhaben nicht bemerken.“

  „Brilliant, echt wahr.“ Warum hatten die Leute immer so verkorkste Ideen, fragte sich John mit zunehmender Verzweiflung.

  „Also ich geh da nicht mit“, verkündete Sherlock, der sich noch immer von John wegen dem frühen Verlassen der Feier verraten fühlte.

 

 

„Was macht’n der jetz‘ im Auto?“, murmelte Jaina unzufrieden und zeigte mit dem Mittelfinger auf Sherlock, der schon in der Limousine hockte, die Fenster heruntergelassen hatte und trotzig glotzte.

  „Weiß ich auch nich‘“, erwiderte Cathy eher schmollend. „Hab‘ gehofft, den für heute los zu sein.“

  „Also ‘ne Party sieht anders aus“, fand auch Mr America, der sich zu den beiden anderen Lehrern gesellte.

  „Kommt noch, ich hab die beste Musik rausgesucht“, grinste Herr Reinstriezel.

  In der Limousine stellte sich heraus, dass das wohl nur Herr Reinstriezel so sah. Alle anderen schauten eher gequält aus der Wäsche, als die blecherne 90er-Jahre-Party Musik aus den Lautsprechern plärrte.

  „Wer ist denn dafür verantwortlich?!“ John schaute sich etwas entsetzt in der Limousine um, und im selben Moment wurde ihm von irgendwoher eine Flasche Rotwein an den Kopf geworfen. Kommentarlos öffnete er diese und nahm einen großen Schluck daraus. Anders lies sich das auch nicht ertragen. Gleich darauf wurde ihm die Flasche von Jaina entwendet und sie kam auch zu keinem anderen Insassen mehr.

 



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