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OS Sammlung

Verschiedene Kurzgeschichten
von

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Hear me out - (Wishshipping)

Wir hatten uns gestritten, waren wütend auseinander gegangen. So viele Emotionen, die in die falsche Richtung gelenkt worden waren, obgleich sie ein gänzlich anderes Ziel hatten. So war es doch dieses Gefühl, das uns nun verband, das was uns zerstören sollte.
 

Immer waren wir füreinander da, gaben uns Halt und Kraft, stützten einander den Rücken und hatten nie wirklich über uns selbst nachgedacht. Es war so selbstverständlich geworden. Unsere gemeinsame Zeit, das Lachen und die Berührungen. Wirklich glauben konnten wir es beide nicht. Sollte alles vorbei sein? Unsere langjährige Freundschaft? Kennen gelernt hatte ich dich in der Schule, aber unsere Beziehung zueinander war anfangs anders, als diese, die wir später miteinander teilten. Du hattest mich gehasst und ich hatte Angst vor dir. Aber tief in mir, da wusste ich schon immer, dass du ein sensibler Mensch warst, der seine Gefühle durch Gewalt und harschen Worten unterdrückte, um so nicht in sich selbst zu verfallen. Eine Mauer hattest du um dich gebaut, schottetest jeden von dir ab, auch deine Familie und Freunde. Hattest du überhaupt richtige Freunde? Ich überlegte lange über diese Bedeutung. Was bedeutete Freundschaft überhaupt? Wann war der Zeitpunkt, wo aus Freundschaft Liebe wurde? Diese Fragen müsste ich eigentlich beantworten können, aber ich konnte es nicht. Denn ich hatte Angst vor der Wahrheit. Denn ich hatte es all die Zeit gewusst.
 

Es war ein schöner Nachmittag, als wir uns wie jeden Tag in der Stadt trafen. Die Sommerferien hatten angebrochen und es war heiß. Ein Eis sollte uns die nötige Abkühlung verschaffen, die wir beide dringend notwendig hatten. Dass dies der Anfang eines tragischen Desasters werden würde, hätten wir beide nicht ahnen können.
 

Wir gingen ruhig nebeneinander her. Dein dunkelblondes Haar, das sich mit jedem Schritt ruhig vor und zurück bewegte, deine bernsteinfarbenen Augen, die mich nicht immer in deine Seele blicken ließen, die aber dennoch so viel über dich verrieten, hatten mich in den Bann gezogen und es fiel mir sehr schwer den Blick abzuwenden. Für mich warst du einfach schön und vollkommen, immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich dich ansah. Aber dieses Sehen war anders. Irgendetwas war da in mir, dass da mehr als nur einen guten Freund sehen wollte und dir, so wusste ich, ging es auch so. Als sich unsere Hände kurz berührten, sahen wir beide erschrocken auf, lachten verlegen und taten so, als wäre nichts passiert. Aber dieses Kribbeln konnten wir beide nicht verleugnen. Deine Hand war so warm und angenehm und ich hätte sie am liebsten in meine geschlossen, aber aus Angst tat ich es nicht. Denn ich wusste, was dies bedeutete. Ich wusste es.
 

Du hattest dir ein großes Vanille Eis bestellt und schaufeltest wortlos einen Happen nach den anderen in dich hinein. Wir sprachen kaum miteinander, zumindest heute. Die letzten Wochen vor den Ferien waren anders als sonst gewesen. Anzu hatte mir bewusst gemacht, dass wir uns anders verhielten als sonst und dass da etwas Ungreifbares zwischen uns lag, das uns imaginär gefangen nahm und uns leise umrundete. Ihre Worte gaben mir den Anstoß über unsere Beziehung nachzudenken und ich musste ihr Recht geben, denn ich hatte verstanden.
 

Wie viele Jahre kannte ich dich nun schon? So richtig? Nicht als meinen Peiniger, sondern als guten Freund? Es mussten ungefähr drei Jahre sein, innerlich nickte ich mir selbst zu und häufte ein wenig meines Erdbeereis auf den Löffel, den ich langsam in meinen Mund schob. Ich zuckte aufgrund der Kälte kurz zusammen.
 

„Stimmt etwas nicht, Yuugi?“, fragtest du besorgt und ich lächelte, machte dir klar, dass alles in Ordnung war. Du grinstest und aßt ruhig weiter, mein Blick schweifte zur Seite aus dem Fenster, zu der befahrenen Straße. Als der Pharao noch da war, war dieses Gefühl nicht so präsent wie nun. Es gab einfach zu viele Dinge, über die ich damals nachdenken musste. Am meisten machte mir der Pharao Sorge, denn ich wollte nicht dass er ging. Aber verhindern konnte ich es nicht, über ein Jahr war seitdem vergangen. Ich schluckte, schloss die Augen für wenige Sekunden, nur um sie wieder zu öffnen und ihn vorsichtig anzusehen.
 

„Sollen wir gleich noch in die Spielhalle gehen? Sie haben einen neuen Virtualfighter aufgestellt.“ Du grinstest und antwortetest mir. „Na klar, was glaubst du denn?!“ Alles schien wie immer zu sein, aber das war es nicht.
 

Unterwegs lachten wir, alberten herum und nahmen uns gegenseitig auf den Arm. Ein Tag wie jeder andere auch, so sollte man meinen. Wir betraten die Spielhalle und gingen sofort auf den neuen Automat zu, warfen einige Münzen herein und schon flimmerte der Bildschirm in verschiedenen Farben auf und eine packende Melodie ertönte. Nach ungefähr zwei Minuten hatte ich gewonnen, nicht umsonst hatte man mir den Titel König der Spiele verliehen. Aber du nahmst deine Niederlage an, lachtest und wuscheltest mir durch das Haar. Doch genauso schnell zogst du sie zurück, wurdest rot und räuspertest dich unbeholfen.
 

Wieder merkte ich, dass wir so nicht weiter machen konnten, dass wir etwas tun mussten. Aber wir beide waren so unglaublich zurückhaltend und trauten uns nicht es auszusprechen. Noch eine Runde, zu deinem Erstaunen hattest du gewonnen, aber ich verriet nicht, dass ich mit meinen Gedanken nicht voll und ganz bei der Sache war. Wann hatte ich mich das letzte Mal so komisch gefühlt? Mein Herz schlug ungewöhnlich unruhig und ich hörte in meinen Ohren das Rauschen meines eigenen Blutes. Ein Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet, als ich vorsichtig zu dir rüber schielte, konnte ich deutlich sehen, dass auch dir etwas durch den Kopf ging, das du vor mir verheimlichtest.
 

Dann standst du auf und erklärtest, dass du uns etwas zu trinken holen wolltest. Unweigerlich musste ich an damals denken, denn eine ähnliche Situation hatten wir bereits einmal durchlebt. Da hatte ich noch das Puzzle. Ein Spieler, welcher immer wieder gegen mich verlor, war wütend, weil er sich selbst als Gewinner sah und er seine Niederlage nicht einsehen konnte. Da wusste ich nicht, dass dieser geheimnisvolle Spieler mir direkt gegenüber saß. Als ich seine Anfrage ablehnte, kam er auf mich zu und ohne dass ich mich hätte wehren können, schlug er auf mich ein. Als seine Trophäe stahl er mein Puzzle und verließ das Gebäude. Als du zurück kamst, hattest du deinen heißen Kaffee fallen lassen und warst zu mir gerannt.
 

Die Sorge, die du um mich hattest, konnte ich spüren und ich fühlte mich so erbärmlich, weil ich so schwach und hilflos war. Du warst es immer, der mich aus meinen Problemen heraus boxte und auch dieses Mal hattest du nicht vor, die Sache so zu belassen wie sie war. Wutentbrannt liefst du dem Mann hinterher und hattest um mein Puzzle und meine Ehre gekämpft. Wieder hattest du dein eigenes Leben riskiert und ich konnte nichts für dich tun. Ich hatte dir niemals gesagt wie dankbar ich war, denn für dich war es selbstverständlich für mich da zu sein. Aber an diesem Abend konnte ich nicht anders als nur an dich und deinen Mut zu denken. Vielleicht warst du mir schon damals so wichtig gewesen, hattest dir einen Platz in meinem Herzen verschafft, ohne dass ich es wusste.
 

Mit zwei Dosen Cola kamst du lächelnd zurück und überreichtest mir eine. Dankend nahm ich sie an und schlürfte die kühle Flüssigkeit, sog sie in mich ein und versuchte mich von unnötigen Gedanken abzulenken. Tatsächlich funktionierte dieser Plan genauso gut, wie ich es mir vorstellte. Einige Spielrunden später und nicht mehr ganz so gut gefüllten Taschen, verließen auch wir das Gebäude und liefen planlos umher. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und drehte mich erschrocken um.
 

„Bakura-kun!“, brachte ich heraus und der Weißhaarige Junge lächelte, in beiden Händen trug er kleine Plastiktaschen, wahrscheinlich war er gerade einkaufen und nun auf den Rückweg. An der Sparkasse auf der gegenüber liegenden Straßenseite war ein Schild, die Temperatur und Uhrzeit anzeigte. Es war bereits nach 18 Uhr, die Zeit war einfach weitergelaufen und ich hatte gar nicht mitbekommen wie lange wir nun wieder zusammen waren. Als das Schild mit einem Mal auf die Temperatur um schwang, stöhnte ich auf. Es war zwar kühler geworden, aber noch immer zu warm!
 

„Was macht ihr zwei denn? Geht es auch gut?“, kam es von Ryou, der immer noch lächelte und uns beide musterte.
 

„Ach, wir waren gerade in der Spielhalle und jetzt spazieren wir nur so rum.“, kam schnell die Antwort meines blonden Freundes.
 

„Ja, stimmt. Und du warst wohl gerade einkaufen, hm?“ Meine Frage beantwortete sich von selbst, aber auch ich wollte einen Teil zu dieser Konversation beisteuern.
 

Er nickte, erklärte, dass er es eilig habe, weil er noch eine Fernsehsendung sehen wollte und lief dann an uns vorbei, immer noch lachend und fröhlich, so wie wir ihn kannten. Aber ich wusste, dass auch er etwas verbarg. Wir alle trugen unsere Geheimnisse wie Bürden auf unseren Rücken, nur unsere Blicke verrieten selten etwas über unser Seelenleben. Der Abschied vom Pharao selbst war für Ryou nicht so schmerzhaft wie für mich oder Anzu. Meine beste Freundin trauerte ihm immer noch etwas hinterher. Früher hatte ich Gefühle für sie, aber als ich erfuhr, dass ihre Aufmerksamkeit nicht mir sondern dem Pharao galt, nahmen auch diese schneller ab als es mir selbst lieb war. Für mich war sie einfach nur noch eine Freundin, die ich mittlerweile nicht mehr so oft sah, als wie zu den Zeiten als der Pharao noch unter uns weilte.
 

Aber das hatte ich bereits vorausgesehen, wir hatten uns schon vorher auseinander gelebt, unsere Interessen gingen einfach zu weit auseinander und wir konnten nicht immer etwas miteinander anfangen. Sie fand mich kindisch und verspielt und das wusste ich, für sie war es komisch, aber ich fand mich in Ordnung wie ich war. Mein bester Freund Jonouchi akzeptierte das, denn mein Verhalten hatte leicht auf ihn abgefärbt. Ryou war ein guter Freund, aber mit keinem meiner damaligen Kumpanen, verbrachte ich so viel Zeit wie mit ihm. Wir sahen uns sehr oft und sprachen über alle möglichen Dinge und erlebten viel.
 

Gemeinsam liefen wir weiter umher, bis wir uns entschieden einen ruhigeren Ort aufzusuchen, in dem wir ungestört waren. Wir steuerten den Park an und setzten uns an die Nähe des kleinen künstlichen Sees in den Rasen, betrachteten die Wasseroberfläche, die, sich aufgrund kleiner Insekten, die sich auf ihr bewegten, mit kleinen Kreisen geziert wurde. Aber wir sprachen nicht. Langsam verdunkelte sich der Himmel, aber es war noch immer hell genug um klar und deutlich zu sehen. Ich kratzte mich am Hinterkopf und wartete darauf, dass er etwas sagte, aber genau wie ich fand er einfach nicht die richtigen Worte. Sich gut auszudrücken fiel ihm schon immer schwer und ich hätte ihm gerne diese schwere Bürde abgenommen, aber ich hatte zu große Furcht vor dem, was geschehen könnte, wenn ich ihm die Wahrheit sagte.
 

Also entschloss ich nichts zu sagen und einfach nur hier zu sitzen und den See anzustarren. Nicht, dass dieser sonderlich interessant gewesen wäre, aber mir war unwohl bei dem Gedanken ihn anzusehen. Denn ich wusste, dass ich mich womöglich wieder in ihm vergucken würde und ich es nicht schaffen würde aufzuhören ihn anzustarren. Doch dann näherte er sich mir. Wir saßen nah aneinander und sahen uns nicht an, stattdessen war unser beider Blick stur nach vorne gerichtet. Ich wusste, was dies zu bedeuten hatte.
 

Langsam legte er seine Hand auf die meine und ich spürte einen plötzlichen Impuls, der durch meinen ganzen Körper jagte und mich dazu zwang, meinen Selbstschutz aufzugeben. Dieses Gefühl, das uns verband, musste ich einfach genießen, denn ich konnte es nicht länger mehr ignorieren. Ich wollte, dass er mich berührte. Nicht nur meine Hände, sondern meinen ganzen Körper, meine Lippen, meinen Bauch und auch meine Lenden, die allein vom Gedanken leicht erbebten.
 

„Du, Jonouchi-kun?“, fragte ich leise und er richtete seinen Blick auf mich.
 

„Wie lange kennen wir uns eigentlich schon?“
 

Er schien nachzudenken und antwortete mit einem 'Lange', seine Lippen wurden zu einem breiten Grinsen, das sein ganzes Gesicht zierte. Er war verlegen, meine Beobachtung erwies sich als richtig, als er dann noch die Hand hob, um sich am Hinterkopf zu kratzen. „Stimmt.“, sagte ich kaum hörbar und schloss die Augen, befreite meine Hand die unter seiner lag nur um eine noch engere Bindung zu schaffen und seine wie meine Finger ineinander zu legen. Ruckartig sah er mich an, senkte dann den Blick und sagte nichts. Das leichte Lächeln und diese Zufriedenheit in seinen bernsteinfarbenen Augen verrieten alles. Wir kannten uns zu lange und zu gut, um Geheimnisse voreinander zu verbergen.
 

„Darf ich näher kommen?“, fragte ich und als er nur etwas auf zuckte, kam ich ihm noch näher und schmiegte mich an ihn, lächelte glücklich vor mich hin. Unsere Hände legten sich ineinander, völlig automatisch, ohne dass wir großartig darüber nachdachten. Mein Kopf hob sich beinahe ohne Zusteuern und wir sahen uns in die Augen, kamen einander noch näher, ich spürte seine warme Stirn auf meiner. Sein Atem war unruhig und hastig, plötzlich lagen unsere Lippen aufeinander und wir küssten uns. Dieser Moment dauerte nur wenige Sekunden, genauso schnell war er zu Ende wie er angefangen hatte und wir sahen uns wieder an.
 

Seine Hand fuhr durch mein Haar, vorsichtig schob er mir einige Ponysträhnen aus dem Gesicht, nur um dann seine Wange an die meine zu schmiegen. Diese Berührungen waren intensiv und feurig, mein ganzer Körper bebte und ich wusste, dass es ihm genauso ging. Ich drückte ihn runter und küsste ihn noch einmal, dieses Mal länger und leidenschaftlicher. Unsere Zungen stießen aneinander, umspielten sich gegenseitig und ich hatte das Gefühl, dass die Zeit für mich stehen geblieben war, aber ich wusste, dass dies nur ein trügerisches Gefühl, hervorgerufen durch mein Verlangen, war. Bisher hatten wir mit diesen Gefühlen leben können, doch nur ein Moment der Unachtsamkeit zerstörte dieses perfekte Bild der Freundschaft. Denn wir wussten, dass es falsch war. Und dennoch fühlte es sich so unheimlich richtig an, dass wir nicht aufhören konnten und einander begehrten.
 

Deine Hände hinterließen auf meiner Haut ein angenehmes Kribbeln und ich hatte das Gefühl, als würden hunderte Ameisen auf ihr laufen. Elektrisierende Impulse schossen erneut durch meinen Körper und meine Hände fanden deine Brust, streichelten willkürlich und ohne Halten deine Muskeln. Es fühlte sich sehr real an, obwohl unsere Kleider uns trennten. Diese Kleidung störte. Plötzlich war alles um uns weg, es fühlte sich so an, als überschritten wir die Grenze der Realität. Tief in mir glaubte ich, dass wir uns bewegten, dass wir sämtliche irdischen Fesseln hinter uns gelassen hatten.
 

Ein geheimnisvolles Land, nur für uns Zwei und wir fühlten uns so unendlich frei von jeglichen Ängsten, die uns sonst immer festhielten, die uns aufwiesen was falsch und was richtig war. Deine kräftigen Hände strichen über meine Taille bis hin zu meiner Hüfte und ich konnte mir ein Stöhnen in den Kuss nicht verkneifen, aber wir lösten uns nicht voneinander, sondern genossen diese Nähe, diese Hitze und die Flammen, die uns umgaben. Unnatürliches Rot entzündete sich auf meinen Wangen, deine Zähne bissen in meine Unterlippe und ich legte meine Hände an deine Wangen, meine Ellbogen abgestützt im kühlen Gras, betrachtete ich dich und musste wieder feststellen wie unheimlich atemberaubend du warst.
 

„Yuugi...“, stöhntest du und legtest deine Lippen auf meine, verlangtest mehr von mir wie ich von dir verlangte.
 

Ein plötzlicher lauter Ton ließ uns beide hochfahren, kurz sahen wir uns an und erschraken, als wir merkten in welcher Situation wir uns befanden. Sofort ließ ich von dir ab und setzte mich neben dich, die salzige Flüssigkeit in meinen Augenwinkeln ließ sich nicht lange aufhalten und sie fiel hinab. Tränen rollten unaufhaltsam über meine Wangen, fielen zu Boden und versickerten in der Erde. Du standst auf und blicktest auf mich, sagtest kein Wort, fuhrst dir mit deinen Fingerspitzen über deine Lippen. Kurz glaubte ich dich lächeln zu sehen, im selbigen Moment schlossen sich deine Augen und du wandst dich von mir ab.
 

Wir sagten beide keine Silbe, nichts glitt über meine und deine Lippen, wir standen unter Schock, waren atemlos. Noch immer spürte ich deine hitzigen Berührungen, konnte mir aber nicht erklären, wieso ich auf einmal dieses eigenartige Gefühl verspürt hatte. Ich wollte dir nahe sein und doch wusste ich, dass es falsch war. Die allgemeine Auffassung von falsch tat mir weh, aber ich allein konnte dieses Weltbild nicht ändern, hatte ich es selbst doch längst als richtig angesehen. Aber war es das?
 

„Ich werde nach Hause gehen, Yuugi.“, sagtest du und verschwandst schnell, ohne dich wirklich verabschiedet zu haben. Energisch wischte ich mir die Tränen weg und rannte davon. Weg von diesem sündhaften Ort, der eine Begebenheit eingeleitet hatte, die so nicht vorgekommen wäre, wenn wir uns wo anders befunden hätten. Die Straßen auf dem Nachhauseweg durchquerend, bemerkte ich immer wieder die verhöhnenden Lichter, die wie Blitzschläge auf mich zu zeigen schienen. Die Vorstellung war eigenartig und unrealistisch, dies war mir klar, aber ich hatte schreckliche Angst vor dem, was wir getan hatten. Wozu wir uns hatten hinreißen lassen.
 

Man sagte, dass Wollust die schlimmste Sünde von allen sei und nun verstand ich auch warum. Zu Hause angekommen, lief ich die Treppen zu meinem Zimmer hoch, warf mich auf mein Bett und weinte bittere Tränen. Auf meinem Nachtisch lag mein Handy, vorsichtig, so als könnte es zerbrechen, nahm ich es in die Hand und betrachtete den dunklen Display. Ich wollte wissen was du dachtest. Wie du über mich dachtest. Du warst doch mein bester Freund, warum warst du mir nur so wichtig geworden? Wieso musste ich ausgerechnet dich begehren und nicht eine Frau? Das Handy umfasste ich in meinen Händen, in der Hoffnung, dass wenn ich es das nächste Mal ansah eine freudige Nachricht auf mich wartete.
 

Ich hasste mich, weil ich ihn liebte. All die Zeit hatte ich es gewusst. Und wenn ich nun an die Zeit, die wir gemeinsam verbrachten, zurückdachte, konnte ich nicht anders als so über ihn zu denken. Als Insector Haga meine Exodia Karten ins Meer warf, sprang er, ohne nachzudenken, hinterher, um sie zurückzuholen. Er riskierte sein Leben für mich, so wie ich meines für ihn riskierte. Denn ich wollte ihn nicht verlieren, schon damals nicht. Als er mich aus den wütenden Flammen des brennenden Lagerhauses rettete, war ich froh sein Gesicht sehen zu können. Da hatte ich bereits mit meinem Leben abgeschlossen, aber als er mich mit Tränen in den Augen anlächelte und hochhob, mich heldenhaft aus dem Gebäude trug, da konnte ich nicht anders als überglücklich zu sein. Ich war froh, dass ich das Milleniumspuzzle zusammensetzen und mein anderes Ich retten konnte, aber noch glücklicher war ich, dass er gekommen war, um mich zu retten.
 

Als mir die Sinne schwanden, flüsterte ich noch 'Arigatou, Jonouchi-kun', aber ich war mir nie wirklich sicher ob er es gehört hatte. Er war mir so unglaublich wichtig, so sehr sogar, dass ich ihn mit niemanden teilen wollte. Wie egoistisch, stellte ich fest und drückte das Handy an mich. Die Tränen, die ich zurückhalten wollte, überkamen mich und ich ließ ihnen freien Lauf.
 

„Jonouchi-kun... ich liebe dich so sehr.“, flüsterte ich und schluchzte, wartete und betete dafür, dass er mich anrief. Aber es geschah nichts. Noch nie in meinem Leben hatte ich solche Angst wie jetzt.
 

Meine Augen fielen zu und langsam wurde alles schwarz um mich, nichts nahm ich mehr wahr und ein Teil von mir war froh, dass mein Verstand abschaltete und ich endlich einschlafen und vergessen konnte. Geplagt von Alpträumen, hervorgerufen durch meine schreckliche Verlustangst, wälzte ich mich hin und her, dennoch tief schlafend. In meinen Träumen kamen die verschiedensten Szenarien vor, wie er mich anschrie und mir die Freundschaft kündigte, Worte so eiskalt, dass ich nicht glauben konnte, dass sie von ihm stammen konnten. So kannte ich ihn nicht. Nur früher, als er mich stets aufzog und ärgerte, aber ich wollte diese Zeit vergessen. Die Wunden, die sie hinterließ, waren noch nicht geheilt, immer noch fürchtete ich ihn zu verlieren, dass er sich von mir abwenden und mich alleine zurücklassen konnte. Dass diese Gedanken unbegründet waren, wollte mir nicht in den Sinn, zu sehr hatte ich mich an die Vorstellung verbissen, dass ich wieder alleine sein könnte.
 

Erst nachdem der Pharao mich verlassen hatte, kamen diese Gedanken wieder, aber ich wollte sie ignorieren und ein schönes Leben haben. Aber als sich Honda, Otogi und Anzu sich zunehmend von mir entfernten, bekam ich es mit der Angst zu tun. Schon immer war ich feige und konnte die Einsamkeit nicht ertragen, aber das Milleniumspuzzle hatte vieles geändert und in all der Zeit, wo er da war, hatte ich verdrängt, dass diese Menschen, die mir so wichtig wurden, nicht immer an meiner Seite gewesen waren. Trotzdem wollte ich sie nicht verlieren, vor allem Jonouchi nicht. Er bedeutete mir alles. Und ich hatte die Ahnung, dass er mich auch nicht verlieren wollte, aber genau wie ich war er feige, zumindest wenn es um Sachen Liebe ging. Wir liebten uns, aber wir fürchteten uns vor dem Gedanken schwul zu sein und dadurch eine Minderheit in der heutigen Gesellschaft zu werden. Außenseiter und verachtet. Das machte mir Angst, denn ich wusste wie es sich anfühlte ein Opfer zu sein.
 

Am nächsten Morgen erwachte ich, mein Großvater musste im Zimmer gewesen sein, denn die Decke wurde sorgsam um mich gelegt und auf meinem Nachttisch stand eine Tasse warmer Tee, ebenso ein Brötchen belegt mit Käse. Der Duft stieg in mir in die Nase, doch als ich mich aufrichtete, spürte ich, dass ich noch immer mein Handy fest umklammert in meinen Händen hielt. Die Geschehnisse des Vortages kamen wieder hoch, ließen mich schlucken und bangen. Vorsichtig nahm ich die Finger vom Display, meine Augen weiteten sich hoffnungsvoll als ich den Satz 'Eine neue Nachricht' las. Sofort drückte ich auf den Knopf, der mir die Nachricht offenbarte und sie schien tatsächlich die zu sein, auf die ich sehnlichst gewartet hatte.
 

„Yuugi, es tut mir Leid, dass ich einfach gegangen bin. Ich war so verwirrt und durcheinander, ich weiß einfach nicht wie ich mit dieser Situation umgehen soll. Denke bitte nicht, dass ich dich nicht mehr mag, es ist nur so, dass ich mich etwas fürchte und nicht recht weiter weiß. Ich komme morgen gegen 13 Uhr zu dir, dann können wir reden. Liebe Grüße Jonouchi.“
 

Ich musste lächeln, schloss meine Augen und wenn ich meine Gefühle in diesem Moment hätte beschreiben müssen, dann hätte ich nicht die richtigen Worte gefunden. Ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich mich erhob und mir langsam verständlich wurde, dass unsere Freundschaft noch nicht ganz kaputt war und wir sogar in solchen heiklen Situationen zusammenhielten.
 

Vielleicht hatte ich mich in Jonouchi getäuscht und meine Angst war unbegründet, doch noch war dieses schwierige Thema nicht ausgestanden. Ein Blick zur Uhr verriet mir, dass es bereits nach Elf war. In wenigen Stunden würde er hier sein und dann waren wir dazu gezwungen mit einander zu reden. Über unsere Gefühle, Gedanken und über das, was gestern geschehen war. Verdrängen konnten wir es nicht, dafür war zu viel geschehen. Sowohl er als auch ich waren noch nie gut darin unsere Gefühle in Worte zu fassen. Einen Moment lang überlegte ich was ich ihm sagen sollte, wenn er eintreffen würde. Ich musste reinen Tisch machen und ihm deutlich machen, dass ich nicht mehr sein Freund sein konnte, weil mein Verstand bereits umgeschaltet hatte und ich ihn in einer völlig anderen Sichtweise sah. Da waren Begehren und Freundschaft, die auf einander stießen und es war unklar welche Seite schwerer wog.
 

Ein Läuten ließ mich aufschrecken, jemand war in den Laden meines Großvaters eingetreten. Im Sommer kamen immer mehr Kunden, da die meisten zu dieser Zeit Urlaub und daher viel Freizeit hatten. Aber als ich meinen Großvater so vertraut mit dem Gast reden hörte, wusste ich, dass es sich um meinen besten Freund handeln musste. Langsam stieg ich die Treppen hinab und blieb im Flur stehen, mein Herz schlug schnell und unregelmäßig, ich wusste einfach nicht wie ich ihm jetzt gegenüber treten sollte. Mein Großvater ließ ihn ohne Bedenken ins Haus und wir trafen uns im Flur, sahen einander an.
 

Mit einem lockeren „Hi, Yuugi!“, begrüßte er mich und ich lächelte freundlich zurück, ein Außenstehender hätte wahrscheinlich nicht bemerkt was zwischen uns vorgefallen war. Wir spielten unsere Rollen perfekt und dieses Theater, in welchem wir ein Teil waren, hätte niemanden den wahren Hintergrund vermuten lassen. Vorsichtig gingen wir die Treppen herauf, in meinem Zimmer angekommen, setzte er sich auf den Bürostuhl und machte es sich bequem. Seine dünne Sommerjacke flog mit einem Mal auf mein Bett, ich lächelte und setzte mich direkt neben diese. Wir schwiegen, darauf hoffend, dass der andere etwas sagte. Scham lag in der Luft.
 

„Ist schönes Wetter heute, oder?“, grinstest du, ich lächelte zurück.
 

„Ja, sehr schön sogar. Wir könnten demnächst ins Schwimmbad gehen.“
 

„Das geht nicht.“, antwortete er ruhig und senkte den Kopf. Uns war klar warum es nicht ging, denn es würde uns beiden schwer fallen einander nicht so zu sehen, wie wir es bereits taten.
 

Es war alles anders, nichts war mehr so wie es hätte sein sollen. Manchmal wünschte ich, dass der Pharao hier bei mir geblieben wäre, denn er hatte mich aus den kniffligsten Situationen raus gehauen und ich hatte nie etwas zu befürchten. Andererseits wusste ich, dass ich Verantwortung für mein Handeln nehmen und meine Probleme selbst lösen musste. Mit dem Pharao war es nur um einiges angenehmer. Wie sehr ich doch von ihm abhängig gewesen war, mir selbst war es nie so bewusst, aber wenn ich rückwirkend auf die Ereignisse der Vergangenheit sah, so war er es, der stets seinen Kopf hinhielt. Ich seufzte. Was sollte dieses kindische Versteckspiel eigentlich? Warum fiel es uns so schwer einzusehen, was zwischen uns war? Wieso konnten wir damit nicht umgehen wie Erwachsene? Vielleicht, weil wir es noch nicht waren? Er hob seine Hand und strich sich einige Strähnen hinter sein Ohr. „Stimmt.“, entgegnete ich lächelnd und sah ihn an.
 

„Yuugi... ich weiß nicht wo ich anfangen soll.“
 

„Ich schon, ich habe mich in dich verliebt. Wir können keine Freunde mehr sein, weil da längst mehr ist.“, platzte es ungehalten aus mir und ich merkte wie Jonouchi kurz aufschrak, nur um dann wieder resigniert den Kopf zu senken. Er wollte etwas sagen, aber es schien ihm schwer über die Lippen zu kommen.
 

„Ich möchte dich gerne noch einmal küssen.“ Ohne, dass ich auf seine Antwort wartete, kam ich auf ihn zu und legte meine Lippen auf seine, meine Hände jeweils an seinen Wangen. Wie in Zeitlupe, zumindest kam es mir so vor, hob er seine Arme und legte diese um mich, drückte mich näher an seinen Körper, umso den Kuss noch zu vertiefen. Sanft leckte er über meine Lippen, biss zärtlich an diesen und für kurze Zeit genossen wir es, ich spürte wie er sich entspannte und sich gehen ließ. Aber ich wollte mich nicht gehen lassen, mein Wunsch war es, ihn aufrichtig lieben zu dürfen, ohne mich jedes Mal fragen zu müssen, ob es richtig war, was ich tat oder ob er es auch wirklich wollte und nichts zu bereuen hatte.
 

Plötzlich legte er seine Hände an meine Wangen und schob mich einige Zentimeter von seinem Gesicht weg, sein heißer Atem auf meinen Gesicht, verursachte ein angenehmes Gefühl in mir. Unsere Gesichter waren sich nahe, als ich meine Augen öffnete, sah ich in seine bernsteinfarbenen Augen und ich sah, dass diese vor Tränen leicht glitzerten. Ein Schlucken überkam mich, ich hatte ihn nie so wirklich weinen sehen und wenn er es tat, dann verheimlichte er es normalerweise vor mir. Es schien so als hätte er jeglichen Schutz aufgegeben. Die Mauer, die ihn einst umgab, war nun völlig abgerissen. „Ich liebe dich, Jonouchi-kun...“, flüsterte ich und mein Blick wanderte hastig hin und her.
 

Einige Tränen rollten über seine Wangen und er schloss seine Augen, ich erkannte, dass seine Wimpern mit dieser salzigen Flüssigkeit benetzt waren. Wieder kam ich ihm näher und küsste die Tränen hinfort, wir verharrten noch einige Minuten so, regungslos und ohne ein Wort zu verlieren.
 

„Yuugi....“, fing er an zu flüstern, ich horchte auf. „... ich will mit dir zusammen sein.“
 

„Mir geht es genauso.“, antwortete ich wahrheitsgemäß.
 

„Nur ich fürchte mich vor dem was sein wird.“, erklärte er und drückte mich von sich weg, ich nickte und zeigte ihm damit, dass ich dieselben Bedenken hatte.
 

Wie würde es mit uns weiter gehen? Ich wollte, dass er mich festhielt und für mich da war, so wie sonst auch. Aber dieses Verlangen von ihm berührt zu werden, ihn zu berühren passte einfach nicht in das Schema, was wir früher teilten.
 

„Wir können so nicht weiter machen.“, erklärte er, rieb sich die Schläfen und daraufhin das Nasenbein.
 

„Ich weiß.“ Meine Stimme war leise und es war herauszuhören, dass ich traurig war.
 

„Wir können es nicht so belassen.“
 

„Küss mich noch einmal.“, sagte ich und sah ihn an, grob fasste er mich und drückte mir einen harten Kuss auf, weniger leidenschaftlich aber dafür dieses Mal mit mehr Gewalt und Feuer. Ein Inferno tobte in uns, dennoch fiel es uns so unheimlich schwer zuzugeben, dass wir einander brauchten und liebten. Dass diese Berührungen uns glücklich machten, sagten wir einander nicht, nein, wir verheimlichten es und verschlossen es mit einem goldenen Schlüssel in unseren Herzen.
 

Aber immer wieder fand der Schlüssel, den wir versuchten aus den Augen zu verlieren, zu uns zurück, öffnete das geheime Kästchen und ließ Teile dessen heraus, was eigentlich eingeschlossen gehörte. Es war wie mit der Büchse der Pandora, öffnete man sie, musste man mit dem Schlimmsten rechnen. Als er den aggressiven Kuss löste, senkten wir beide die Köpfe und überlegten. Die Gesellschaft schloss Menschen wie uns aus, behandelten uns wie wertlose und abnormale Dinge, aber solange wir einander hatten, so würde uns das auch nichts ausmachen. Aber auch war da die Furcht es der eigenen Familie und den Freunden zu sagen.
 

Seit dem Kindergarten kannte ich Anzu, mein Großvater glaubte schon seit damals, dass wir eines Tages zusammen kommen und eine Familie gründen würden. Er wünschte sich für mich ein perfektes Leben, aber war dieses Leben, das er für mich heraus plante wirklich das, was ich aus tiefstem Herzen wollte? Ein klares 'Nein' konnte ich nicht geben, für mich war die Zukunft ein unbeschriebenes Blatt, das erst durch die Entscheidungen der Gegenwart an Gestalt gewann. Was würde mein lieber Großvater darüber denken, wenn ich ihm sagte, dass ich Jonouchi liebte? Wie würden unsere Freunde reagieren? Honda würde bestimmt nicht begeistert davon sein, dass seine beiden beste Freunde eine Beziehung teilten, die über Freundschaft hinaus ging.
 

Jonouchi hatte bestimmt dieselben Bedenken, auch wenn er immer so tat, als wären ihm seine Eltern völlig egal, so war es für jeden sichtbar, dass er sie liebte und sie niemals absichtlich verletzen würde. Obwohl sein Vater nur trank und ihr ganzes Geld zum Fenster raus warf, arbeitete er um jegliche Schulden zu begleichen und ihm ein guter Sohn zu sein. Wenn ich genauer darüber nachdachte, musste ich zugeben, dass ich seinen Vater nie wirklich getroffen hatte. Einmal ganz kurz waren Honda, Anzu und ich zu ihrer Wohnung gegangen, als Jonouchi im Unterricht fehlte. Ich hatte seine Füße, die auf dem Tisch lagen, gesehen und dann eine Bierflasche, die geradewegs auf uns zukam. Aber eigentlich wusste ich nichts über seine Familie.
 

Seine Eltern hatten sich geschieden als er zehn Jahre alt war, seine Mutter hatte seine kleine Schwester Shizuka mitgenommen und war einfach abgehauen. Sein Vater, welcher aufgrund seiner Arbeitslosigkeit angefangen hatte zu trinken, wurde von Tag zu Tag aggressiver und abweisender. Und obwohl Jonouchi es sehr schwer mit ihm hatte, war er geblieben. Wäre ich geblieben? Vielleicht sah ich die ganze Sache zu oberflächlich und zog nicht die Gefühle in Betracht, die ein Kind für seine Eltern empfand. Mein eigener Vater, der wegen seiner Geschäftsreisen selten zu Hause war, war auch für mich nichts weiter als ein Fremder. Trotzdem nannte ich ihn Vater und behauptete ihn zu lieben. Seine Meinung war mir wichtig, obwohl ich ihn selten sah und er kaum etwas über mich wusste. Wahrscheinlich war da ein unsichtbares Band in einer Familie, der Wunsch nach einer heilen Welt und die Bedürfnisse nach Liebe, waren die Fundamente, die dieses eine Band ausmachten.
 

Was bedeutete es eigentlich 'schwul' zu sein? Ich musste daran denken, was ich einmal im Internet gelesen hatte. Das Wort hatte eine Verbindung zum Wort 'Schwulität', das übersetzt so viel wie 'peinliche Lage' oder 'Schwierigkeit' bedeutete. Aber warum war es peinlich? Während ich darüber nachdachte, fasste Jonouchi nach meinen Händen und schloss sie in seine. Sie waren warm und ich genoss es, dass er von sich aus die Initiative ergriffen hatte und nach meiner Nähe suchte.
 

'Gay' bedeutete 'froh' und 'heiter'. Diese ganzen Begriffe verwirrten mich, musste ich doch einsehen, dass ich unser Problem allein mit der Definition des Wortes nicht lösen konnte. Ein Coming-Out war mit dem Bewusstsein und dem sich selbst eingestehen verbunden, aber gehörte nicht auch der Mut dazu in der Öffentlichkeit dazu zu stehen? Diese ganzen Fragen konnte ich einfach nicht beantworten und irgendwo hatte ich die Ahnung, dass Jonouchi es genauso wenig konnte. Für uns waren lediglich die Gefühle füreinander von Bedeutung und nicht das, was andere sagten oder behaupteten. Wieso also konnten wir nicht einfach dazu stehen? Warum war die Angst vor der Gesellschaft so riesig?
 

„Yuugi, lass uns zusammen sein.“
 

Seine Worte, die wie aus heiterem Himmel auf mich herabfielen, holten mich aus meinen Gedanken zurück. Ich spürte eine Wärme auf meinem Gesicht, die sich langsam verbreitete, vorsichtig sah ich zur Seite und überlegte. Wir hatten Angst vor der Gesellschaft, aber wer sagte denn, dass wir uns in der Öffentlichkeit zeigen mussten? Eventuell konnten wir vor den anderen so tun als wäre nichts zwischen uns, aber anderseits würden wir sie damit nur belügen.
 

„I- in Ordnung.“, hauchte ich und setzte mich wieder auf das Bett, faltete die Hände und betrachtete den Boden. Der Staubsauger verstaubte in der Ecke und mein Boden verdreckte, typische Kombination. Kurz hob ich den Kopf und sah zu ihm, er sah mich mit einem freundlichen Lächeln an und schien sich darüber zu freuen, dass ich einfach so zugesagt hatte. Was hätte ich denn auch anderes sagen sollen? Immerhin war dies mein Wunsch, mal ganz davon abgesehen, dass ich schon vor Wochen angefangen hatte mir auszumalen wie es wohl wäre mit ihm zusammen zu sein oder gar mit ihm zu schlafen.
 

„Also ist es für dich in Ordnung mit mir zusammen zu sein?“
 

„Ja, denke schon.“, antwortete ich wahrheitsgemäß und hob meine Hand, um mit einem Finger meine Wange zu kratzen. Meine Bewegungen verrieten ausreichend was gerade mir durch den Kopf ging und wie ich mich fühlte.
 

„Und was ist mit deinem Opa?“
 

„Er wird es schon akzeptieren, die Frage ist wie du damit umgehen willst.“
 

„Weiß nicht... ich werde das meinem Vater nicht sagen und Shizuka wird es nicht von mir erfahren. Zumindest vorerst nicht. Über Honda mache ich mir zwar Sorgen, aber ich werde ja ohnehin nicht sofort zu ihm hinrennen und ihm sagen, dass ich schwul bin.“
 

„Geht mir genauso.“ Ich seufzte und ließ meinen Oberkörper auf das Bett fallen, starrte die Decke an.
 

„Weichst du meinen Blicken aus?“
 

„Ich, nein, gar nicht. Warum fragst du?“
 

„Weil du mich nicht ansiehst, vielleicht?“ Er wirkte etwas genervt, als er das sagte.
 

Natürlich, mein Verhalten in diesem Moment war verletzend, das wusste ich, aber mir fiel es schwer mit dieser Situation umzugehen. Da waren so viele Dinge, über die ich nachdenken musste und es fiel mir schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Schnell setzte ich mich auf und sah ihn ernst an, an seinem Adamsapfel, der sich plötzlich bewegte, erkannte ich, dass er erschrocken schluckte, wohl wissend, was ich ihm sagen musste.
 

„Lass es uns erst einmal geheim halten vor den anderen. Ich möchte sie nicht sofort damit konfrontieren, das wäre mir unangenehm. Aber das heißt nicht, dass ich dich weniger liebe, ich habe eben nur Bedenken wie Anzu und die anderen es auffassen werden.“
 

„Das geht schon in Ordnung, Yuugi.“ Er nickte, stand auf und setzte sich neben mich. Die Jacke, die er eben auf das Bett geworfen hatte, wurde arg in Mitleidenschaft gezogen, als er sich einfach aus sie daraufsetzte und sie erbarmungslos zerknickt wurde. Ich sank den Kopf und wagte es nicht ihn anzusehen, als er aber seine Hand unter mein Kinn legte und mein Gesicht sanft zu sich drehte, war ich dazu gezwungen ihn anzusehen. Mein Gesicht glühte und bei genauerer Betrachtung erkannte ich, dass er ebenfalls leicht rot geworden war. Mit seiner freien Hand fasste er nach meinen und drückte sie, legte dann seine Lippen auf meine. Der Kuss dauerte nur wenige Sekunden, er nahm seine Hand von meinem Kinn weg und umarmte mich, drückte mich fest an sich. Wohlig seufzte ich und sog diese Nähe in mich ein, wollte sie mit niemanden teilen.
 

„Ich liebe dich, Yuugi. Ich liebe dich wirklich.“
 

„Jonouchi-kun...“, seufzte ich auf und schloss genüsslich die Augen, legte nun auch meine Arme um ihn.
 

„Nenne mich doch nun einfach Katsuya. Zumindest wenn wir unter uns sind, okay?“
 

Wir sahen uns an und ich überlegte. Nicht einmal gedanklich hatte ich es gewagt ihn bei seinem Vornamen zu nennen, nach all der Zeit, in der wir uns kannten, hatte ich mich daran gewöhnt ihn bei seinem Nachnamen zu nennen. So tat man es eben als gut erzogener Japaner und mein Großvater hatte seinen Job eben gut und ordentlich gemacht.
 

„Ich liebe dich, K- k- k-...“ Er lachte als ich anfing beim ersten Buchstaben seines Namens zu stottern. Es war mir wirklich peinlich ihn nach so langer Zeit bei seinem Namen zu nennen, es war so ungewohnt und neu für mich.
 

„Gut, bleiben wir erst einmal beim 'Jonouchi-kun'!“ Erst lächelte er, ehe er anfing lauthals zu lachen und mir die Haare zu verwuscheln. Ich glaubte, dass eine schöne Zeit auf uns zukommen würde, zumindest machte alles den Anschein. Die Sommerferien hatten gerade angefangen und wir hatten genügend Zeit einander näher zu kommen und uns Gedanken zu machen wie wir den anderen erklären würden, dass wir einander liebten.
 

Aber... in erster Linie wollte ich bei ihm sein, selbst wenn es Komplikationen geben würde und wir eventuell davor fürchten mussten, unsere Freunde zu verlieren. Noch hatten wir genügend Zeit, den Kopf konnten wir uns zerbrechen wenn es so weit war. Aber wer konnte schon sagen was die Zukunft brachte? Hätte man mir gesagt, dass ich mich in meinen besten Freund verlieben würde, dann hätte ich es nicht geglaubt, aber alles kam so, wie es kommen musste. Möglicherweise hatte Isis Recht und es gab für jeden von uns ein vorbestimmtes Schicksal, das man nicht ändern konnte?
 

Wenn es so war, dann war ich froh, dass wir gemeinsam diesen langen Weg bestreiten durften. Jede Reise begann mit dem ersten Schritt und wir würden auch diese Reise gemeinsam meistern, so wie wir es in der Vergangenheit getan hatten, als wir die Welt vor allen möglichen Gefahren retten mussten. Ich hoffte, dass auch der Pharao so glücklich war wie ich. Er hatte mich so viele Jahre begleitet und wurde ein sehr wichtiger Teil meines Lebens. Aber dieser Abschnitt war Geschichte, etwas völlig Neues würde anfangen. Mein Abenteuer würde ab jetzt beginnen und ich hoffte, dass es eines war, mit einem schönen Ende.
 

Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  jyorie
2014-01-20T20:47:00+00:00 20.01.2014 21:47
Hey ◠‿◠

XD auf das OS hab ich mich gefreut, man merkt das du Wishshipping
magst. Zwischen drin dachte ich schon das es ein trauriges OS wird,
da Yugi immer nur hofft und sich unsicher ist, ob die Gefühle erwidert
werden, ob er Joey verliert, wenn er es wüsste. Ich fand es gut, das du
eine Geschichte geschrieben hast in der es auch mal um die Bedenken
geht, die jemand hat der so etwas entdeckt und es geheim hält, das es
nicht immer so leicht ist, wie es in vielen FFs gezeigt wird und gerade
die Akzeptanz Familie/Freunde ein Knackpunkt sein kann.

CuCu, Jyorie



(So diese mal auch ein Kommi vom PC und nicht per Handy^^)



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