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Ocean's True Lullaby

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von

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Waiting


 

Ich sah mich gezwungen, aufzugeben. Doch ich konnte es nicht.
 

Es regnete an dem Tag, an dem ich zwischen seiner Familie stand und mit leeren Augen auf den Sarg, versunken in dem ausgegrabenem Loch, vor mir starrte. Es war ein leeres Gefühl. Ich sah sie wieder. Eine Leinwand, dessen weiß … für immer weiß bleiben würde.

Ich konnte nicht weinen. Ich hatte gewusst, was passieren würde. Ich hatte Angst, dass meine Tränen sein fehlendes Dasein endgültig besiegeln würden. Ich hätte es wissen müssen.

Dass, als ich mein Aquarell, schön eingerahmt, auf seinem Sarg sah, doch noch weinen musste.
 

Der Wind flüsterte etwas von Vergänglichkeit, doch ich hörte ihm nicht zu.
 

In den folgenden Tagen bereitete ich mich auf meine Reise nach Frankreich vor. Ich sah es als nicht nötig, noch länger hier zu bleiben, da ich es ohnehin schon aufgeschoben hatte. Also packte ich seufzend meine Sachen zusammen.

Das Einzige, was ich jetzt tat, war zu flüchten. Zu flüchten vor Erinnerungen, die ich behalten wollte. Ich stand im Türrahmen und sah noch ein letztes Mal in mein bis zu diesem Zeitpunkt gewesenes Zimmer hinein, bevor ich es endgültig verlassen sollte. Ich verband keine sonderlichen Bindungen mit diesem Raum. Nur mit dem Garten. Der Allee. Die Vorhalle. Das Theater.

Ich wünschte mir so sehr, wir hätten etwas mehr Zeit gehabt, doch ich wusste auch, dass selbst mehr Zeit zum selben Resultat geführt hätte. Es war einfach so. Punkt. Es gab keine drehbaren, veränderbaren Punkte. Das, gegen das wir hätten kämpfen müssen, war nicht unbesiegt, aber für uns war es zu spät gewesen. Zu spät zum kämpfen. Hätte ich ihn früher gekannt, wäre vielleicht ein anderes Ergebnis herausgekommen. Hätte ich … doch ich hatte nicht und es brachte eigentlich nichts, mir auszumalen, was wäre passiert, wenn. Doch ich tat es. Ich malte mir alles mögliche aus, nur weil ich den Schmerz so nicht ertragen konnte.

Ich wollte mich endgültig von diesem Sein hier verabschieden, da fiel mir etwas ins Auge.

Etwas Rotes, Kleines, Unscheinbares.

Es war ein Speicherchip.
 

Ich setzte mich fragend auf das Bett, welches ich eigentlich schon Abreise fertig gemacht hatte, mit meinem Laptop auf den Oberschenkeln. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis der Bildschirm zur Passworteingabe aufforderte. Mit klickenden Tasten gab ich das Passwort ein und drückte auf „Enter“. Eigentlich war es unnötig gewesen, den Laptop mit einem Passwort zu sichern, doch sicher war immer noch sicher. Ich schob den Speicherchip in den entsprechenden Schlitz und wartete kurz, bis es geladen hatte und ich es ansehen konnte. Zwei Audiodateien … Ich friemelte meine Kopfhörer aus dem Rucksack und schloss sie an. Ich ging einfach mal auf Nummer Sicher, falls es irgendetwas Merkwürdiges sein sollte und kurbelte die Lautstärke ein wenig runter. Danach klickte ich die erste Datei zweimal an. Sie hatte keinen besonderen Namen, nur das Datum der Aufnahme. Die andere Datei, so vermutete ich, war ein Songname, der mir bislang unbekannt war.

Ein Rauschen füllte meine Ohren, bis ich eine Stimme wahrnehmen konnte. Sie räusperte sich.

„Öhöm … Ah, jetzt sitze ich schon hier und hab keine Ahnung wie ich beginnen soll …“, beschwerte sich die Stimme. Sie kam mir nicht wirklich bekannt vor, doch aus irgendeinem Grund konnte ich sie direkt einem Gesicht zuordnen. Das … war … doch … nicht …?

„Eh … Ja … Hi! Ich bin es, Julius! Wobei … ich weiß gar nicht, ob du mich da schon kennen wirst …“

Meine Augen füllten sich mit Tränen. Klar, der Arzt hatte gesagt, er war nicht immer stumm gewesen, aber …

„Aber egal! Mh … Oh man, dabei hab ich mir doch alles zurecht gelegt!“

Julius lachte nervös. Er lachte. Nicht lautlos, sondern seine Stimme lachte.

„Mh … Wo soll ich nur beginnen? Es ist irgendwie … merkwürdig … mit jemandem zu reden, denn ich bis hierhin eigentlich noch nicht wirklich kenne …“

Seine Stimme klang bestimmt, aber auch unsicher.

„Ah, am besten fang ich einfach von vorn an, oder?“

Ich ließ mich rücklings auf mein Bett fallen. Ich konnte nicht mehr.

„Ich hab deine Bilder immer sehr gemocht, sie waren so … na ja … wie soll ich sagen?“

Wieder ein nervöses Lachen.

„Ich denke, ich fand einfach, dass sie interessant waren. Als ich dich dann das erste Mal auf einer Kunstausstellung gesehen habe, fand ich dich direkt irgendwie … Du hast so … ernst gewirkt.“

Ich schluckte. Ich hatte ihn vorher nie bemerkt. Doch er mich.

„Dann wurde ich neugierig. Ich wollte gerne wissen, was in dem Menschen Elliot vorging … und …“

Er stockte verlegen.

„Ich … nun ja … ich … hab … dich … wohl … ziemlich … beobachtet.“

Das letzte Wort sprach er schon fast zu leise aus, ich musste nochmal zurückspulen und dabei die Lautstärke hochkurbeln. Mir stieg eine leichte Röte ins Gesicht.

„Ah, was sag ich hier nur für einen Humbug, das interessiert dich alles bestimmt gar nicht …“

Und wie es mich interessierte. Ich wollte seine Stimme hören. Ich wollte seine Stimme, die ich in den letzten Wochen nicht hören durfte, unbedingt hören.

„Ich mochte deine Bilde auf jeden Fall sehr! Und als ich gehört hatte, dass du anscheinend nicht mehr weiter wusstest … da wollte ich dir auf jeden Fall helfen! Nur ich wusste nicht, wie …“

Wieder lachte er unsicher. Er war wirklich nervös, doch sprach trotzdem so frei vor sich hin. Von mir. Von seinen Gefühlen. Von seinen Gedanken. Ich dagegen lief weg. Ich hörte weiter zu.

„Und na ja … mein Großvater hatte es mir schließlich endlich erlaubt, in den Garten zu gehen. Und … da sah ich dich. Du wirktest so verzweifelt. Da wollte ich dir helfen. Irgendwie. Nur helfen.“

Und ich wusste es schon, seitdem ich sein Gesicht vor Augen hatte. Er war es. Er war es immer gewesen.

„Da … habe ich einfach gesungen und ich war so froh, dass du dich aufrappeln konntest, ob wegen mir oder nicht war mir da ziemlich egal gewesen. Ich war einfach nur so glücklich. Ich mochte das Bild sehr, musst du wissen. Vielleicht klingt es etwas eingebildet, aber es … erinnert mich einfach … an mich selbst. Ich wollte dich unbedingt treffen! So unbedingt!“

Er sprach einfach unbekümmert weiter.

„Ich weiß nicht, wie wir uns verstehen werden, wenn wir uns begegnen. Ich hoffe nur, ich bin dir keine allzu große Last, es tut mir wirklich Leid, wenn doch!“

Er war nie eine Last. Nie, auch anfangs nicht. (Okay, ein wenig merkwürdig war er schon gewesen, doch ich hatte ihn nie wie eine Last gesehen.)

„Maah, und jetzt ist alles raus, wie peinlich!“

Seine Stimme war wirklich niedlich. Und sie brachte mich zum Schmunzeln.

„Aber gut, so wollte ich es ja auch … nur ich hoffe, niemand außer dir hört das … wenn doch, sterbe ich doch noch einmal im Grab … uh … Entschuldigung!“

Ich zuckte ein wenig zusammen, als er das sagte.

„Also dann … ich sollte langsam mal Schluss machen, was?“

Er kicherte nervös, unsicher. Doch ich wollte nicht, dass er aufhörte zu reden, egal über was. Ich wollte nur seine Stimme weiter hören, mir seine Eigenarten einprägen, die Tonlage, sein Räuspern, einfach alles.

„Vielleicht ist es auch ein wenig fies, wenn ich das jetzt sage, je nachdem, was du für mich fühlst … aber …“

Ich wollte nicht, dass die Stimme endete. Sie sollte nicht enden. Nein. Nein …

„Aber … Ich wollte es dir schon immer mindestens einmal gesagt haben: Ich hab mich in dich verliebt … Ich liebe dich mehr als jeden anderen auf dieser Erde.“

Salzige Tränen flossen über meine Wangen hinunter auf die Bettdecke, die ich eigentlich so ordentlich gefaltet hatte.

„Vielleicht klingt das etwas unglaubwürdig, ich kenne dich ja eigentlich nicht persönlich, aber … irgendetwas hatte mich schon immer an dir sehr berührt. Und ich war so froh, dass ich der Einzige war, der dieses besondere Etwas in deinen Bildern gesehen hat.“

Er kicherte.

„Wahrscheinlich kennst du es auch gar nicht … dieses Funkeln, wenn du malst. Und die Begeisterung, die du in jedem Strich zu legen pflegst. Die runden Formen, die so harmonisch zu den geraden Linien passen. Das ganze einfach … sieht so nach dir aus.“

Ich schloss die Augen. Ich sah ihn, lächelnd vor mir. Das war echt unfair.

„Ich liebe dich wirklich aus ganzem Herzen. Wenigstens das solltest du wissen.“

Was hieß hier wenigstens? Wer plapperte mich denn die ganze Zeit voll mit Informationen, die ich plötzlich verarbeiten musste? Idiot. Warum musstest du gehen? Die Tränen flossen wirklich ungehindert.

„Mh … ob ich es nochmal sagen sollte?“

Er kicherte schon wieder. Idiot.

„Ich liebe dich.“

Ich schluckte. Idiot.

„Bitte lebe, ja? Und denk immer an mich … auch wenn es wahrscheinlich ziemlich fies von mir ist.“

Ein entschuldigendes Räuspern. Idiot.

„Ich singe dir noch ein Lied, damit du mich auch nicht vergisst! Und bitte … ich weiß auch nicht.“

Seine Stimme klang stockend, auch er schluckte. Idiot.

„Vielleicht ist das ja Aberglaube, aber … würdest du warten, bis ich vielleicht wiedergeboren werde?“

Idiot.

„Entschuldige, wahrscheinlich triffst du auf jemand anderen, den du vielleicht noch mehr mögen wirst als mich. Wenn du mich denn überhaupt mögen lernst.“

Er lachte. Idiot.

„Vielleicht dauert es auch mehr als nur dein Leben … ach ja! Das heißt jetzt nicht, dass du dich umbringen sollst, ja?! Stirb auf ganz natürliche Weise, von mir aus auch mit hundert, aber … würdest du auf mich warten?“

Seine Stimme klang aufgeregt und unsicher. Idiot.

„Mh … schade, dass ich deine Antwort nicht mitbekomme. Ich hätte sie gerne noch gehört!“

Sie klang wieder fröhlicher, doch immer noch unsicher. Idiot.

„Ha … was habe ich auch nur für Forderungen?“

Er lachte wieder. Idiot.

„Aber hey! Ich hab dir noch ein Lied versprochen, nicht? Das will ich auch erfüllen, aber ich werde es dir separat abspeichern, dann kannst du mich immer mit dir herumtragen~ Von mir aus auch diese Audiodatei, aber das ist mir ein wenig peinlich, weißt du …?“

Er lachte wieder dieses unsichere Lachen. Idiot.

„Hm … summen kann ich aber noch kurz!“

Und er fing an zu summen. Es war ein ruhiges Kinderlied, dessen Name mir nicht einfallen wollte. Idiot. Er summte sogar eine ganze Weile lang. Dann rauschte es wieder und seine Stimme schaltete sich erneut ein.

„Also dann, Elliot … auf Bald!“

Damit endete die Datei und ich hatte das Gefühl, ich lag noch eine halbe Ewigkeit auf dem Bett herum, hörte mir die Lied-Audiodatei in Endlosschleife an – es war das Lied, was mich aus der tiefsten Phase meines Daseins erlöst hatte – und heulte währenddessen wie ein Schlosshund.

Ich war echt … ein Idiot.
 

Am nächsten Tag, mit nicht mehr ganz so verweinten Augen, besuchte ich sein Grab seit Langem wieder. Ich hatte es seit der Beerdigung nicht mehr gesehen, die Blumen wurden ausgetauscht und es sah wie frisch gemacht aus.

„Da kümmern sich ja welche gut um dich“, schmunzelte ich. Ich stand eine ganze Weile davor, ohne ein Wort zu sagen. Bis …

„Ich warte, du Idiot.“

Es war mein Ernst.

„Ich warte, aber wehe, du kommst nicht, dann gibt es eins so richtig auf die Rübe!“, sprach ich meine Antwort laut aus. Es war wirklich fies von ihm, so etwas von mir zu verlangen.

„Aber ich garantiere nichts“, fügte ich hinzu. Immerhin war es sein Fehler, mich um so etwas zu bitten.

Ich schwieg wieder. Und bevor ich ging, flüsterte meine Stimme: „Ich … warte auf dich, also komm, ja?“
 

Es war fast wie ein Versprechen an die leere Luft, doch ich wusste, dass es dich vielleicht erreichen würde. Vielleicht klänge sogar fast zu schön.
 

„Sicher, dass du dort zurecht kommen wirst?“, fragte mein Lehrmeister hämisch.

Seufzend nickte ich. „Du wolltest mich dahin schicken.“

„Du hast es dreimal aufschieben lassen, ich weiß nicht, ob Franzosen so geduldig sind.“

„Das werden wir ja sehen … und die haben mich doch erneut angenommen, oder?“

Er sah mich musternd an. „Deine Bilder sind ja auch besser geworden. Man erkennt mehr, auf was du hinaus willst“, merkte er an, „Nicht mehr so schwammig.“

„Tja“, antwortete ich, „Ich habe eben gelernt, dass manchmal … klare Worte einen weiter bringen als unnötiges Getuschel.“

Er sah mich nochmals musternd an, doch ich hielt seinem Blick stand.

Und dann lächelte er.

„Zeig es den Franzosen. Wie man einen Pinsel führt.“

Ich prustete.

„Wenn sie mich nicht fertig machen, hab ich ja schon fast gewonnen.“

Ich drehte mich um und ging meinen selbstgewählten Weg.

Und damit verließ ich den Ort, an dem ich ihn zum ersten Mal getroffen hatte.
 

In diesem Leben konnte ich nicht mit dir zusammen sein.

Doch im nächsten Leben … da wirst du laufen können, singen können und lachen können so viel und so oft du willst. Es wird dich keine Krankheit an das Bett fesseln.

Du wirst wie in diesem Leben immer dein Lächeln behalten und es nie verlieren.

Und ich werde … endlich mit dir zusammen sein können.

Denn ich liebe dich … genau so wie du mich, nicht wahr?
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Mit diesem Kapitel endet die Story~ Ich hoffe, es hat euch irgendwie gefallen und bedanke mich bei den Lesern herzlichst dafür~ (weil ich gestern gelernt habe, dass das Anstand ist |D)
Es ist - wenn ich mich nicht irre - das längste Kapitel?
Na, wer das Originalmärchen kennt, weiß, dass ich jemanden außen vor gelassen habe, weil ich den guten El nicht mit jemand anderem verkuppeln wollte, dafür musste nun Frankreich-nii-san herhalten >3<
Aber sei es drum, das Ende ist eh komplett verkehrt und ich bitte es zu entschuldigen ... im Nachhinein weiß ich auch gar nicht mehr, ob es überhaupt so richtig dem Märchen entspricht X'''D

Aber gut, belassen wir es dabei. Es war schon nervenauftreibend genug, wie ich finde.
Okay, noch ein Epilog und das wars.
Ich hoffe, es kommt einem nichts unlogisch vor ...

Gruß, Avalanche Komplett anzeigen

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