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Kesh Hubermann - Kultkrieg

von

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Schweber, Kirche, Mainhard

In der nächsten halben Stunde rüsteten wir uns und halfterten unsere Waffen. Lyn beschwerte sich wiederholt um den Dreck, den Schmutz und über die Insekten, Käfer sowie Ratten, welche irgendwie zusammen überall zu sein schienen. Leicht amüsiert erzählt ich ihm, das ich mich einige Jahre von genau jenem Ungeziefer ernährt hatte, weitere Details spare ich ihnen hier im Bericht, nur die Zusammenfassung. Lyn aß vorerst nur noch eingepacktes Essen.

Eine weitere halbe Stunde später stiegen wir in unser Vehikel, zwecks Tarnung hatte ich meinen Gleiter am Eingang zu den Slums etwas überarbeiten lassen. Der Kotflügel besaß einige Dellen und der Lack war an einigen Stelle abgekratzt. Nun wirkte er auch alt und ziemlich heruntergekommen. Doch unter der Fassade verbarg sich eine solide Panzerung sowie die Zwillingsautokanone. Immer wieder erstaunlich wie nützlich so eine Rosette ist wenn man schnell ein paar Sachen braucht. Lyn fluchte die gesamte Fahrt. Passend zum äußerem hatte ich den Innenraum auch um dekorieren lassen. Es war alles heruntergekommener und ekliger als vorher. Passend also für die Slums. Nach fünfzehn Metern spuckte Lyn jedes Mal aus dem Fenster, ob es ein Ritual war oder nur um den beißenden Gestank aus dem Mund zubekommen weiß ich nicht. Er ließ auch auch nicht davon ab sich über den Innenraum auszulassen. Zu erste die „Sitze“, mehr oder minder waren es sitze, aber auch nur in so Fern das man auf ihnen sitzen konnte immerhin hatten sie etwas Polster und Gurte. Aber eigentlich waren es nur Metallstreben mit angemalten Flakbrettern. Weitere Katastrophen erfuhr der Motor, die Lichter, das Steuer, eigentlich jedes Teil. Es war einfach perfekt. Der Schweber flog immer noch wie ein neues Modell war sah und höhrte sich aber so verschlissen an, dass ich hellauf begeistert war. Während der fahr beeidruckte mich Lyn abermals auf wie viele unterschiedlichste Varianten er den Wagen beleidigen konnte. Die familiären Verhältnisse waren da noch der harmlose Teil. Während Lyn eine Triade nach der anderen ausspie nährten wir uns dem Zentrum, dort wo die alte Kirche stand. Wir durchfuhren immer höher wachsende Häuserschluchten, aber es waren nicht wirklich Wohnhäuser. Jedes einzelne war eine Ruine, die nur noch durch den Flickenteppich an Brettern, Nägeln und was die Bewohner sonst noch fanden um es an die Außenwand zu hämmern zusammen hielten. Besorgniserregend überragten sie uns auf beiden Seiten. Wir fuhren tiefer hinab und die Straßen wurden immer enger. Mir dränge sich das Bild von Stalagmiten auf, aber nicht aus Mineralien, sondern aus Dreck, Elend und Verzweiflung. Sollen wir uns wundern? Sollen wir uns wundern, dass sich die Bewohner dieser Ebenen dem Erzfeind, dem Chaos, anschließen? Was haben sie zu verlieren? Nichts, sie haben und hatten nie etwas wofür es sich zu leben lohnte, höchstens die Gangs. Ja die Gangs und Banden, sie sind die wahren Herrscher. Ich legte meine Hand auf das Flammenfaust Tattoo das meine Brust unter der Kleidung zierte. Sicher haben sie schon von Nekromunda gehört, jener Moloch einer Makropole in deren Tiefen die Gangs und Banden um die Vorherrschaft Kämpfen, wo Adlige in Prädatoren Rüstungen jagt auf Ganger machen. Glauben sie mir, jede Makropole hat ein Teil von Necromunda in sich, jede. Aber welche Rolle spielte dies? Nun, ich werde dazu gleich kommen. Wir überflogen einen Teil der Slums und erst kurz vor unserem Ziel senkte Lyn unseren Gleiter und dann stand sie vor mir, ein Leuchtfeuer im dunklen, erhaben und groß, stolz und würdig im Unrat ragte sie vor uns auf. Wir hatten unser erstes Ziel erreicht, die Kirche der nicht ganz so heiligen Ekklesiarchie. Ich konnte mich an die Bilder von Pater Mainhard erinnern, hatte er doch alles haarklein Dokumentiert wie er vor knapp 80 Jahren hier her kam und die Kirche wieder zu vollem Glanz brachte. Ich kann mich bis Heute noch an die vergilbten und verwaschenen Holos erinnern, jene die er so Stolz in der Kirche ausstellte. Leuchtfeuer der Hoffnung strahlte uns in glänzenden goldenen Buchstaben entgegen. Bevor Pater Mainhard herkam war diese Kirche nur eine Ruine in der sich selten, wenn überhaupt, einzelne Obdachlose oder selten mal Gläubige verirrten. Als er herkam und dies sah renovierte er sie mit Hilfe einiger Slumbewohner von Grund auf und das Ergebnis konnte sich sehen lassen. In einer Straß vor der Kirche landeten wir unser Fahrzeug und gingen die letzten Meter zu Fuß. Lyn atmete scharf ein als das Tor ins sicht kam und deutete nach Oben.

„Inquisitorin, was soll das dort?“, er wies auf einen drei armigen Mutanten der gerade die Buchstaben putzte.

„Ich glaube er putzt die Buchstaben, damit sie glänzen, Pilot.“, ich grinste ihn ein bisschen von der Seite mit meinen Keramitzähnen an.

„Das ist ketzerisch.“

„Nein, warum? Wollt ihr mich etwas auch als Ketzer bezichtigen? Pilot Lyn?“, ich sah ihn spielerisch scharf an, wusste ich doch genau wie es ihm jetzt ging. Letztendlich wusste ich doch, dass ich jene Moment genoss. Jedenfalls nicht weniger als er die Anderen, dazu aber später mehr. Lyn biss die Zähne zusammen, grummelte irgendetwas und schwieg dann.

„Also mein dickschädeliger, cadianischer Gefolgsmann, wollen sie mir nicht die Tür öffnen, so wie es sich gehört. Sowohl mir als Dame gegenüber als auch als Vorgesetzte?“, da ich Lyn nicht belasten will und Osal nicht noch einen neuen Vorwand braucht, lasse ich den genauen Wortlaut auf sich beruhen. Umschreiben wir es mal so, Lyn war nicht „zufrieden“.

Wir betraten das Hauptschiff. Groß und gotisch schlicht erstreckte es sich vor uns, die Decke wurde von einer Reihe aus Säulen getragen, welche sich vom Boden an auf einen Sockel stützend gen Himmel erhoben. Weiter oben verliefen unpassender weise Lüftungsrohre und Schächte, die immerhin dafür sorgten, dass die Luft in der Kirche angenehmer war als jene Draußen. So weit ich das beurteilen konnte war die Kirche in makellosem Zustand, ich glaube fast das sie noch sauberer war als die des Erzbischofs Erathil. Und dessen Kirche glänzte. Der einzige große unterschied war wohl das Personal. Hatte Erathil sich mit einfachen Servitoren begnügt, so hatte Pater Meinhard lieber Menschen eingestellt. Unablässig putzen sie die Bänke, Figuren und Säulen. Sie schrubbten den Boden, die Ornamente und sorgen immer dafür, dass die Kerzen am Altar nicht ausgingen. Alleine fünf, nennen wir sie einmal Personen, waren damit beschäftigt den Altar auf hoch Glanz zu polieren. Der Altar war riesig, zumindest für Slum Verhältnisse und in den oberen Stockwerken der Makropole hätte er immer noch was hergemacht. Wo bei anderen die Goldfarbe blätterte, so wurde sie hier beständig abgeschmirgelt und neu aufgetragen. Es war schon erstaunlich, es hatte sich nichts geändert. Letztendlich hieß das auch, dass Pater Meinhard noch das Sagen hatte. Ich setzte mich in Bewegung und kramte unter meiner Kluft die Sigille hervor und ließ sie offen über meine Brust baumeln. Naja, jetzt war es zumindest nicht mehr nur die Wölbung, welche die Blicke anzog, sondern das kleine Kleinod zwischen ihnen. Es zog so ziemlich alles in Reichweite auf sich, hätte ich ein Kleid getragen, es hätte wohl nicht wenige Blicke auf sich gezogen. Der einzige Unterschied war, dass sie nicht begierig auf meine Brust sahen sondern mehr erschrocken, unerstaunlicher Weise ließ einer der Bediensteten seinen Besen fallen und rannte nach Hinten zum Altar. Ich war doch etwas überrascht, ging doch aus den Protokollen hervor das diesen Monat schon zwei andere Inquisitoren hier waren. Ich weiß nicht warum, laut Berichten handelte es sich um einige Inquisitoren eines anderen Ordo und ich habe von daher keinen Zugriff auf die Daten und Berichte. Dann entsann ich mich wieder, das waren ja normale Inquisitoren, ich lächelte etwas in mich hinein. Tja, es scheint fast so, dass diese Job sich wirklich über alles stellt. Ich ging gemächlich weiter durch das Kirchenschiff und nährte mich dem Altar. Mittlerweile hatte der Bedienstete schon eine unscheinbare Tür am hinteren Ende erreicht und hämmerte darauf ein. Ich ging weiter und nahm ihn genauer in Augenschein. Es war ein Mann mittleren Alter, was aber hier nicht viel zu sagen hatte. Die ganzen Abfällen konnten einen früher altern lassen oder seltener aber langsamer. Dennoch schätze ich ihn so auf zwanzig Standartjahre ein. Sein Kopf war normal bis auf das nervös zuckende Auge am Hinterkopf und den dritten Arm, welche gegen die Tür hämmerte und vielleicht auch der Schweifansatz interessant ist unweigerlich, dass sich alles am Kopf befand. Ich hatte mittlerweile den Altar erreicht als ich schwere Schritte wahr nahm, Schritte wir Donnerschläge und er durchzuckte mich. Warum hat der so eine Panik? Was kann hier so einen Lärm veranstalten? Und warum war die Tür so verdammt groß? Ich gestehe das ich in dem Moment Sorgen hatte, hatte ich doch glatt vergessen zu recherchieren was in letzter Zeit hier passiert war. War ich gerade Wegs in irgendeinen Schlamassel rein gerannt ohne es zu Merken? Lyn hinter mir griff unter seine Jacke, wo er eine Redetierpistole versteckt hatte, meine Hand lag mittlerweile auf dem kurzen Schwert an meiner Seite. Der schock traf mich dennoch. Die Tür schwang auf auf und zwei gepanzerte Gestalten sprengten aus dem Rahmen hervor. Noch bevor ich es schaffte in Deckung zu Springen hatte ich vor mir den Altar und zu beiden Seiten jeweils eine gepanzerte Gestalt. Ich nahm die Einzelheiten eher beiläufig wahr. Die beiden Personen steckten in einer Servorüstung mit Rosenverzierung. Das ließ nur auf zwei Dinge schließen. Sororitas oder Slaneesh, wobei ich nicht weiß was mir lieber gewesen wäre. Zwei, scheinbar riesige Bolter, waren auf mich gerichtet. Genau so das sich die Schützen nicht gegenseitig treffen würde, geübtes Manöver also. Ich seufzte. Das war es dann wohl gewesenen. In einem Slum von Sororitas zersiebt, nichts hätte ich mir mehr gewünscht, war doch allgemein hin bekannt wie die Schwesternschaft mit Menschen wie mir umging. Jedenfalls hatte ich irgendwas mit Feuer und einem Drehspieß im Sinn. Nicht minder erstaunte mich jetzt Lyn. Die zwei riesigen Frauen waren einschüchternd genug aber Lyn übertraf das alles noch mal. Irgendwoher hatte er einen kurzläufigen Karabiner gezaubert, erstaunlicher war seine Gelassenheit. Jetzt wusste ich auch wieder warum ich ihn eingestellt habe, seine Stimme donnerte regelrecht durch die entstandene Stille.

„Fallen lassen, Inquisition.“, die beiden Kolosse wechselten einen kurzen Blick worauf hin die linke Gestalt ihren Bolter auf Lyn richtete.

„Ich sagte fallen lassen.“, Lyn richtete den Karabiner auf die linke Gestallt und legte an.

„Zwei gegen einen? Ohne Rüstung und nur mit dem Gewehr?“, der Helmlautsprecher verzerrte die Worte knisternd.

„Deine Waffe hat höchstens 9mm Geschosse, wie sollen sie unsere Rüstung durchschlagen? Waffe runter.“

Es war eindeutig eine weibliche Stimme, auch wenn man das unter dem ganzen knistern und verzerre kaum ausmachen konnte. Ich sah zweifelnd zu Lyn und fragte mich was er wieder im Schilde führt.

„Nicht wenn ich das Dinge hier selber zusammen gebaut habe“, Lny richtete seine augmetischen Augen auf die Linke Sororitas.

„Weiterhin unterliegt dem Modell ihrer Servorüstung ein schwerer Fehler. Sie ist ursprünglich für Astartes konzipiert. Die Anpassungen, wie wir sie Heute kennen, wurden erst nachträglich gemacht. Ich will damit sagen, das die Rüstung zwar schützt aber nicht die gleiche Leistung erzielt wie eine Vollwertige Rüstung. Sie werden eine Bruchteil zu spät reagieren und bei so einem großen Ziel kann ich nicht verfehlen. Ihre rechte Partnerin wird nicht helfen können. Sie wird zu langsam sein. Bis sie aus der Schusslinie gesprungen sind und ihre Schwester mich im Visiert hat, sind sie längst tot. Sollten dann ihre Schwester sich auf mich konzentrieren wird sie von der Frau Inquisitorin ausgeschaltet. Und zwar mit dem Sprengmesser in ihrem linken Jackenärmel. Ich sagte ihnen schon einmal, das man es sieht.“ Lyn ging leicht in die Hocke und legte auf die Sororitas an. Ich war nicht überrascht, das er das Messer bemerkt hatte, doch bluffte er. Es war nur ein einfaches Messer.

„Wie ihr seht, ihr habt ein Problem.“, ich sah die beiden Frauen an. Es ist wirklich beeindruckend zwischen zwei voll gepanzerten Sororitas zu stehen, normalerweise hätte ich mein Leben schon abgenickt aber jetzt bestand tatsächlich noch Hoffnung irgendwie heil aus der Situation zu kommen. Gelinde gesagt war ich doch arg überrascht. Lyn entsicherte seinen Karabiner und meine einzige sorge bestand darin, das unser Bluff aufging oder das Lyn endlich mal traf.

„Iris, Sahra. Waffen senken.“, jetzt war ich an der Reihe mich verdutzt umzudrehen. In der Tür stand ein alter Mann. Glatzköpfig, leicht gebeugt und in einer sauberen roten Robe. Erleichtert atmete ich auf, Pater Mainhard war also immer noch hier. Ich glaube ich muss das ganze etwas genauer ausführen und erklären wer Pater Mainhard ist und was ich mit ihm zu tun habe, beziehungsweise hatte. Grundlagen und Lebenslauf schlagen sie bitte in den Akten „Mainhard MP783“ nach. Was meine persönliche Verbindung angeht, nun ja, diese werden sie nicht in den Akten finden, außer in dieser hier. Ich halte es für wichtig ihnen jetzt schon die Informationen zu geben, da sie später sicher von Interesse sind um einige meiner Entscheidungen zu verstehen. Vor knapp 55 Jahren bin ich Pater Mainhard hier auf Thornheim begegnet. Zu jener Zeit war ich noch eine Gangerin, genaugenommen eine Redemtionistin. Es scheint mir bis Heute fast unmöglich, aber diese spezielle thornheimer Gruppierung war der Meinung, dass Twist durchaus noch Imperator gefällig handeln konnten. Indem sie sich erst mal nicht vermehrten, also Kinder zeugten oder Sex hatten und indem sie den Worten genauer folgen als andere. Ich fiel mit knapp 7 Jahren in die Hände eines Predigers. Mir wurde erzählt, dass er mich zuerst verbrennen wollte, einfach um zu zeigen wie verdorben alle sind, aber angeblich ist ihm noch vor der Verbrennung eine Heilige oder ein Heiliger erschienen. So ganz einig wurde man sich nie, jeder nahm es wie es ihm passte und jeder wollte was vom Wunder abhaben. Ich glaube ja eher, dass der alte Prediger mal wieder betrunken war und zu viel Loh geraucht hatte. Er nahm mich auf und lehrte mich bis ich 15 war. Als ich 15 wurde kam Pater Mainhard in die Slums und der alte versoffene Prediger verließ sie, mit Hilfe eines altem Häcksler, wollte er doch einen weiteren Ketzer richten und viel dann im Suff mit ihm zusammen in die Maschine. Komisch ist nur, das selbst solch ein Ereignis als Wunder wahrgenommen wurde, denn nur wenige Stunden später übernahm Pater Mainhard die Führung und im Gegensatz zu den anderen „Predigern“ war er tatsächlich von der Ekklesiarchie eingesetzt worden. Es dauerte nicht lange und das alte Kirchengebäude wurde zu neuem Glanz poliert. Was damals nicht wirklich verwunderlich war, einzig und alleine ungewöhnlich war das Personal. Pater Mainhard ging zuvor selbst durch die Baracken und klopfte an mehreren Türen um Arbeiter zu finden. Es störte ihn auch nicht ob sie nun ein, zwei oder acht Arme hatte. Meist lachte er nur und verwies auf die Arbeiten, welche ein vielarmiger Muskelberg besser erledigen konnte als einer mit nur zwei Armen. Selbst einige der Prostituierten konnte er mit Unterkunft und Essen zu Betschwestern ausbilden. Erstaunlich war nur, dass einige nach einer Woche wirklich Beteten und die Kirche putzen oder sich um die Kerzen kümmerten. Einen Mann mit Facettenaugen setzte er als Bauaufsichtshelfer ein, er hätte ja ein größeres Sichtfeld. Irgendwann dann traf er mich. Durch Zufall oder nicht, wer weiß das schon. Letztendlich ist das ja auch unwichtig. Ich kann mich noch gut dran erinnern. Es regnete mal wieder, ätzende kleine Tropfen aus Müll, Unrat und Gift gemischt mit dem Kondenswasser von Millionen von Menschen. Es war nicht besonders schön, kann aber auch nicht sagen, dass es je wirklich schön unten war. Pater Mainhard betrat den Flakbrettverschlag, welchen ich „Zuhause“ nannte. Zuerst dachte ich der alte wollte sich an mir vergehen oder schlimmer noch mir meine wenigen Habseligkeiten nehmen. Zugegeben, ich war durchaus erstaunt als er sich niederkniete und seine freundlichen Augen auf meine Höhe schob. Es war eines jener Gesichter die nichts boshaftes haben konnte, hinter denen ein endloser, tiefer ruhige See von Gelassenheit lag. Es war ungewohnt mal freundlich erblickt zu werden Ich war es gewohnt, wie ich Heute weiß meiner Unberührbarkeit verschuldet, das die Leute mich missachteten oder Fernhielten. Außer der „Prediger“ er war immer freundlich zu mir, meinte ich wäre was besonderes. Ab und an nahm er mich auch mal in den Arm. Nun stand Pater Mainhard vor mir, schon merkwürdig, das er mich anlächelte. Dann erhob er die Hand und legte sie ganz kurz auf meine Schulter, nur um sie dann etwas zu schnell wieder weg zu ziehen. Er sah fast ein bisschen traurig und schuldbewusst aus.

„Sag mal, wie heißt du?“, ich kann mich noch gut an die Stimme erinnern. Jener voller Basston der einen einfach umschmeichelte, wiegte und einen dann völlig perplex zurück ließ. Es heißt ein Unberührbarer könnte nicht von psionischen Effekten beeinträchtigt werden. Das stimmt nur zum Teil. Je nach Grad der Unberührbarkeit werden Effekte individual oder expandierend negiert. Es gibt allerdings simple Dinge, welche nichts mit psionik zu tun haben und auch Unberührbare etwas anhaben können. Nicht alles was wir gemeinhin als Ausstrahlung bezeichnen ist psionisch.

„Kesh“, erstaunt das ich überhaupt antwortete sah ich ihn an. Er lächelte wieder, oder immer noch, so sicher war ich mir nie. Dann sah er mich an, etwas anders als vorher. Wie? Ich weiß es nicht, es lässt sich nur mit anders beschreiben. Dann beugte er sich vor um mich genauer an zusehen.

„Kesh also“, er sah mich einfach an. Schweigen.

„Kesh, sag mir., wusstest du das ich komme?“

„Nein“, das schien mir auch absurd. Wer sollte sich für mich interessieren?

„Das heißt, es kam kein anderer um dich zu finden?“

„Nein“, ich überlegte kurz,“ außer dem „Prediger“, er hat mich aufgenommen.“

Mainhard sah mich, sorgen schienen sich in sein Gesicht zu schleichen.

„Und Kesh, was hat er gepredigt?“, im Rückblick erkenne ich die Geste besser. Jene Geste, wenn man vorsichtig nach seiner Pistole greift um sich schnell und wirkungsvoll zu verteidigen. Oder aber um jemanden schnell auszuschalten.

„Lesen und Schreiben. Sonst nur etwas aus dem großen Buch da.“ Ich wies auf mein einzigen Besitzt, das Buch des „Predigers“. Ein wahrer Schinken von Buch. Mehrere Kilogramm schwer, habe ich bis Heute auf Reisen bei mir.

„Darf ich?“ Pater Mainhard sah mich an und ich erwiderte mit einem Nicken. Fast ängstlich, zögerlich. Der Raum schrumpfte. Er griff zu und nahm es in eine Hand. Behutsam, mit wachsam funkelnden Augen, öffnete er es, murmelte einige Worte und ließ es dann erleichtert zu Boden gleiten. Unverwandt sah Mainhard mich an.

„Kesh, komm mit mir, ich geb dir ein neues Zuhause, vertrau mir einfach.“ Das war es, und etwas was ich mir nicht abgewöhnt habe bis Heute. Wenn wer sagt, man solle ihm „vertrauen“ dann endet es meist damit, dass man ihm nicht noch mal vertraut. Ich bin auch nur wenigen Menschen begegnet denen ich vertraut habe. Lyn, weil er Cadianer ist. Das muss irgendwo in den Genen liegen. Osal, weil er meint ich solle ihm vertrauen, das er mich wieder vor Gericht zerrt. Pater Mainhard, weil er sein Versprechen hielt und Hoolsten Grubermann, mein Mentor, ohne den ich immer noch irgendwo auf Havene vergammeln würde. Meine Wahl war also eher simpel. Vertrauen oder drauf gehen oder genauer gesagt. Vertrauen und draufgehen auf eine Art die mir wenigstens bekannt war. Aber letztendlich muss man einfach mal über seinen Schatten springen wenn man keine wirklich Wahl hat. Pater Mainhard reichte mir die Hand, ungewöhnlich fand ich, das da keine Waffe, Messer, Scherben oder Schläge drinnen waren. Dementsprechende verwirrt betrachtete ich die Hand und wusste auch nicht so recht was ich mit ihr anfangen sollte.

„Es wäre ganz gut, wenn du als Anfang mal meine Hand greifen würdest.“

„Ja.“, ich stotterte es nur kurz und griff zu. Pater Mainhard riss mich fast hoch und zuckte dann schnell mit seiner Hand zurück.

„Das ist merkwürdig.“, er sah leicht verwirrt auf seine Hand.

„Sag Mädchen, hast du keine Freund, Familie?“, er sah mich ernst an, als wäre

„Ich weiß nicht, sie haben gesagt ich wäre falsch.“

„Nein, nichts ist mit einem Menschen falsch, so lange er nicht dem Chaos dient. Kesh, das was du hast ist mehr eine Gabe.“

„Aber alle sagen etwas wäre falsch an mir. Und lassen mich alleine. So etwas will ich nicht!“

„So etwas willst du nicht? Etwas das nur ein wahrer Gläubiger erkennt?“

„Ja, dann bin ich wieder alleine. Der Prediger ist tot.“, ich habe schon lange nicht mehr geweint, aber damals tat ich es fast täglich. Man muss sich das mal vorstellen. Ein einzelnes Mutantenmädchen zwischen dem Dreck und dann noch ein Pariah, eine Unberührbare. Ich glaube, das hat mich härter gemacht. Härte ist gut, aber wir müssen wohl alle Menschen bleiben, denn wer sonst sollte die Menschheit schützen, wenn nicht Menschen? Aber ich schweife ab und es handelt sich hier um eine andere Diskussion. Mainhard holte mich an dem Tag aus dem Dreck. Er ging mit mir quer durch die Slums zur Kirche. Ich machte mich klein, wie alle. Aber Pater Mainhard nicht, er ging aufrecht durch die Baracken. Blieb immer wieder stehen, sprach einzelne Menschen an oder klopfte an Türen um mit den Gesichter dahinter einige Worte zu wechseln. Der alte Prediger hatte immer gesagt, dass nur ein Mensch ein Mensch sein kann wenn er wie ein Heiliger ist. Für sich selbst hatte er das immer dementiert und traurig gesagt, dass er kein Heiliger mehr sein wird. Er hatte auch nie erzählt was er tat bevor er nach Havene kam. Aber auf seine Art war er ein Heiliger, zumindest meiner Meinung nach, seine Intention war immer die beste. Das Ergebnis auch aber halt nicht immer. Es ist doch jedes mal wieder faszinierend wie unterschiedlich Menschen sein können, wo sie sich doch so ähnlich sind. Damals staunte ich und verstand noch nicht, was er tat oder warum. Ich verstand auch nie warum der alte Prediger immer die Leute frage ob es ihnen gut gehe, es ging ihnen nie gut. Aber mir schien es immer so, dass es ihnen besser ging wenn der Prediger da war und einfach nur saß, etwas Schnaps trank und zuhörte. Ist das denn wirklich so? Ist der Schlüssel zum Vertrauen einfach nur zuhören? Das sind Fragen die ich mir erst jetzt stelle, aber damals war es nur merkwürdig. Einen anderen Menschen sehen, welcher doch so offensichtlich das gleiche tat. Ich glaube folgendes muss ich noch ausführen und dann werde ich diese Episode beenden. Ich will sie nicht weiter mit persönlichen Geschichten langweilen.



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