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Die Legende von Shikon No Yosei

Das Schicksal einer Elementarmagierin
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
>>Das Ende der Legenden?« ist nicht nicht das Ende der Legenden ... denn hier kommt »Die Zukunft der Legenden«!

Diese Geschichte spielt in der Welt von Guild Wars – Factions; einem Online-Rollenspiel, das von ArenaNet entwickelt wurde. Die Handlung jedoch ist der Fantasie von Ami Diana Saphira Mercury entsprungen.
Fünfzehn Jahre sind seit der Geburt von Yoso No Koshi und Ryukii No Mai vergangen. Die Legende von Shikon No Yosei hat sich über die ganze Welt verbreitet, selbst in den entlegensten Winkeln erzählt man sich ihre Geschichten …
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Buch 06: Die Zukunft der Legenden

Der Zukunft entgegen

Es war früh am Morgen. Shikon No Yosei und Seiketsu No Akari saßen auf einer Wiese vor dem Dorf Tsumei. Und dachten an einen ganz bestimmten Tag zurück.

„Es ist heute genau zwanzig Jahren her.“, meinte die Elementarmagierin nostalgisch, „Dieser Tag hat damals unser aller Leben verändert. Meister Togo hat mich zur Verteidigerin von Shing Jea gemacht und …“

„Und ich habe mich auf mein Studium vorbereitet, dass ich dank ihm absolvieren durfte.“, fuhr Seiketsu No Akari fort, „Manchmal glaube ich, jeder Schritt, den wir getan haben, seit Meister Togo zu uns kam, wurde vom Schicksal gelenkt … um uns dahin zu bringen, wo wir jetzt sind.“

Shikon No Yosei nickte zustimmend: „Ich weiß genau, was du meinst. Die Fähigkeiten, die du durch dein Studium erhalten hast, und deine Liebe zu Shing Jea haben dich schließlich zur Leiterin des Klosters bestimmt. Etwas, das du mehr als verdient hast, Seiketsu …“

„Danke, Shiko.“, erwiderte sie lächelnd, „Aber nicht nur bei mir war das Schicksal im Spiel. Bei dir war es doch genauso …“

Die Verteidigerin von Cantha sah sie verwirrte an und fragte: „Wie meinst du das?“

„Für Shing Jea hast du Cantha vor Shiro´s Verderben gerettet … Und im Verlauf dieses Kampfes hast du dich in Ohtah verliebt.“, erklärte Seiketsu No Akari lächelnd.

Nun lachte Shikon No Yosei: „Ja … ja, das habe ich, das habe ich wirklich. Und seine Liebe hat mir unzählige Male das Leben gerettet … Nicht nur im Kampf gegen Shiro. Auch im Kampf gegen den Untoten Lich, Abaddon und den Großen Zerstörer. Ohtah war immer an meiner Seite!“

„Je länger ich darüber nachdenke … Das Schicksal war uns wirklich gewogen.“, murmelte Seiketsu No Akari nachdenklich, „Und nun machen unsere Kinder ihren Abschluss.“

Shikon No Yosei schloss die Augen und flüsterte: „Eigentlich überrascht es mich gar nicht. Ryukii hat den Weg einer Assassine gewählt … Yoso hat sich dazu entschieden Elementarmagier zu werden …“

„Und Toki hat sich bereits als Mönchin bewiesen …“, fügte Seiketsu No Akari hinzu und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Ihre Seelen-Schwester legte ihr eine Hand auf die Schulter und sagte: „Sie ist zwar nicht deine leibliche Tochter ist … doch sie ist dir sehr ähnlich. Du hast ihr auch nicht grundlos den Namen >Toki No Kibo< gegeben.“

„Noch ein schicksalhafter Moment …“, schwelgte Seiketsu No Akari in Erinnerungen, „Wir haben wirklich unser Glück gefunden, Shiko …“

Shikon No Yosei erhob sich und bestätigte: „An jenem Tag begann unser Weg in die Zukunft … Jetzt sind unsere Kinder an der Reihe. Komm´ … sie warten sicher bereits auf uns.“
 

Im Hof des Klosters von Shing Jea wurde der Abschluss der diesjährigen Absolventen gefeiert – Großmeister, Schüler, Schaulustige, Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo und Seiketsu No Akari versammelten sich.

„Ihr, meine ehrenwerten Absolventen, habt eure Ausbildung beendet, so wie viele Tausende vor euch. Doch eines dürft ihr nie vergessen … jeder von euch ist etwas besonderes! Ihr seid Kinder Cantha´s! Ihr seid die Zukunft unseres Landes! “, sprach die Leiterin des Klosters und lächelte stolz, „Eure Großmeistern werden euch nach und nach aufrufen. Die Urkunden, die ihr von ihnen erhaltet, befähigen euch für alle Zeit in eurer Klasse tätig zu sein!“

Großmeister Zhan rief die Krieger zu sich. Danach folgten die Waldläufer, die zu Großmeister Greico gingen. Die Nekromanten, die von Großmeisterin Kuju ausgebildet worden waren, kamen als drittes dran. Die Mesmer hängten sich an und gingen zu Großmeister Kaa.

Großmeisterin Amara, die als Mönchin tätig war, rief: „Toki No Kibo … ich gratuliere dir. Du bist eine qualifizierte Mönchin!“

Toki No Kibo verbeugte sich vor ihr und sie überreichte ihr die Auszeichnung. Danach wandte sie sich ihrer Ziehmutter zu, sie strahlte. Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo beobachteten derweil wie Großmeister Vhang vortrat.

Der Elementarmagier sagte lächelnd: „Yoso No Koshi … du bist ein wahrlich mächtiger Elementarmagier! Ich beglückwünsche dich.“

Yoso No Koshi ging zu ihm. Auch er nahm das Schreiben mit einer Verbeugung entgegen. Doch er musste sich nicht umdrehen, um in das Gesicht seiner Mutter zu blicken. Er konnte ihren Stolz und ihre Freude sichtlich spüren. Genauso wie die Anspannung von Ohtah Ryutaiyo, als die Großmeisterin der Assassinen Vhang ablöste.

Großmeisterin Lee schaute seine Tochter an und erklärte ausdrucksstark: „Du bist eine wahre Assassine! Ich bin stolz auf dich … Ryukii No Mai.“

Sie unternahm einen Schattenschritt und nahm gleichzeitig die Qualifikation an. Anschließend wirbelte sie herum und sah, wie ihr Vater Tränen in den Augen hatte – ein größeres Geschenk konnte er ihr nicht machen! Damit hatten es Toki No Kibo, Yoso No Koshi und Ryukii No Mai geschafft. Der erste Schritt auf dem Weg in ihre Zukunft war getan …
 

Meister und Schülerin

Ein halbes Jahr war vergangen seit dem Abschluss von Yoso No Koshi, Ryukii No Mai und Toki No Kibo vergangen. Eine friedliche Zeit … die wieder einmal enden sollte. Seiketsu No Akari betrat das Kloster mit sehr ernstem Gesichtsausdruck.

„Seiketsu … was ist denn passiert?“, wollte Shikon No Yosei besorgt wissen.

Die Mönchin antwortete seufzend: „Ich war eben einige Schüler besuchen. Sie … sie sind erkrankt.“

„Wenn … wenn du sagst >erkrankt<, dann … dann meinst du doch nicht etwas …“, unterbrach Ohtah Ryutaiyo sie, schaffte es aber nicht weiterzusprechen.

Sie schüttelte den Kopf: „Nein. Zum Glück ist es nicht die Pest … aber es scheint trotzdem äußerst gefährlich zu sein. Sie haben hohes Fieber und sind nicht bei Bewusstsein. Das Schlimmste jedoch ist, dass sie bereits andere Dorfbewohner angesteckt haben. Wir müssen etwas unternehmen! Shing Jea darf keiner Epidemie zum Opfer fallen!“

„Wir müssen herausfinden, was vor sich geht!“, entschied Shikon No Yosei entschlossen.

Leise Schritten näherten sich den drei und eine weise Stimme erklang: „Ihr seid die einzige, die sich gegen diese Krankheit zur Wehr setzen kann … Shiko.“

Sie wirbelten herum. Vor ihnen stand Suun, das Orakel der Nebel. Das letzte Mal hatten sie ihn auf der Hochzeit von Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo gesehen. Seitdem hatte er noch zurückgezogener gelebt als zuvor.

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht fuhr er fort: „Es erfüllt mich mit großer Freude, Euch wiederzusehen … Die Geister der Nebel haben mich nicht ohne Grund zu Euch zurückgeführt. Ich hatte eine Vision, die Euch und diese mysteriöse Krankheit betraf.“

„Ihr wisst, was diese Erkrankung ist?!“, hakte der Assassine überrascht nach.

Suun schloss die Augen und sprach: „>Aus Ruhe und Frieden wird erneuter Kampf … Die Schülerin folgt des Meister´s Tat. Und was einst gewesen war, wird neue Gegenwart. Wenn die Krankheit kehrt zurück zu beiden, treten sie aus dem geöffneten Tor … um zu Erfüllen ihren Schwur nach Jahren<!“

„Dann muss ich sofort zum Tahnnakai-Tempel.“, schlussfolgerte Shikon No Yosei leise.
 

Shikon No Yosei kniete vor dem Denkmal nieder, welches Kaiser Kisu einst für seinen Halbbruder hatte bauen lassen, und murmelte: „Ich bitte Euch, verlasst die Nebel und tretet in diese Welt über. Folgt meinem Ruf … bitte, Meister Togo, kommt zu mir!“

Langsam nahm der Geist Meister Togos vor ihr Gestalt an.

Tränen traten in die Augen der mächtigen Elementarmagier, als sie sagte: „Ich bin so froh, Euch zu sehen! Ich brauche dringend Eure Hilfe, Meister. Die Bewohner Shing Jea´s wurden von einer Krankheit befallen … Sie zeigt sich durch Fieber und Bewusstlosigkeit. Wir machen uns große Sorgen! Suun erzählte mir von einer seiner Visionen und schickte mich zu Euch …“

Seine ehemalige Schülerin rezitierte die Worte des Orakels der Nebel, während sich auf dem Gesicht des Ritualisten ein gequälter Ausdruck breitmachte.

„Ich verstehe. Leider …“, erwiderte er, nachdem sie geendet hatte, „Diese Symptome, von denen du berichtet hast … so hat es schon einmal begonnen. Das ist sehr lange her …“

Daraufhin wollte Shikon No Yosei verständnislos wissen: „Wovon sprecht Ihr?“

„Von der Zeit der Tengu-Kriege …“, antwortete Meister Togo mit trauriger Stimme, „Damals fielen die Canthaner vor allem einem Krankheitsbild zum Opfer, das man in der späteren Geschichtsschreibung nur noch die >Tengu-Krankheit< nannte. Denn sie waren davon zuerst infiziert und haben die Krankheit auf die Menschen übertragen. Es gab viele Wortführer, die die Tengu deshalb ausrotten wollten … Das war der Beginn der großen Tengu-Kriege. Ich selbst konnte schließlich das Friedensabkommen aushandeln. Denn nicht alle Tengu wollten mit Krieg antworten. Der Stamm der Angchu, die noch heute mit uns Frieden halten, waren bereit dem Abkommen unter bestimmten Bedingungen zuzustimmen. So darf auch heute noch kein Unbefugter ihr Land betreten … Anders ist es mit dem Stamm der Sensali, die am liebsten alle Menschen Cantha´s auslöschen würden.“

Seine Schülerin dachte einen Augenblick nach, bevor sie zusammenfasste: „Die Menschen und die Tengu haben also wegen einer Epidemie Krieg geführt … Und diese Krankheit, die damals für so viele Todesopfer gesorgt hat, ist jetzt wieder ausgebrochen?“

„So ist es.“, bestätigte der Ritualist, „Es gibt da allerdings noch etwas, das du wissen solltest … Die Anführer der Tengu, die gegen die Menschen gekämpft haben, wurde allesamt ermordet. Doch zuvor haben sie Rache geschworen … Eines Tages würden sie zurückzukommen und das Land von den Menschen befreien.“

Die Augen von Shikon No Yosei weiteten sich und sie erwiderte: „Suun´s Prophezeiung … Das bedeutet … die kriegerischen Tengu werden aus den Nebeln wiederkehren!“

„Ja … Wenn du Krankheit bei beiden Völkern wieder ausbricht.“, ergänzte er ihre Schlussfolgerung, „Du musst dich beeilen, Shiko … Shing Jea braucht dich erneut!“

Shikon No Yosei zögerte noch einen kurzen Moment. Jetzt da sie Meister Togo nach all den Jahren wieder gegeben über stehen konnte, brannte ihr eine Frage auf der Zunge … Doch er hatte recht – jede Sekunde war kostbar. So verbeugte sie sich tief vor ihm und verließ den Geist des Mannes, der höchstwahrscheinlich ihr Vater war …
 

Die Armee der Untoten

Die Elementarmagierin berichtete Ohtah Ryutaiyo und Seiketsu No Akari von der Situation, in der sie sich befanden und bald befinden würden. Es war unklar, ob sie die Rückkehr der verstorbenen Tengu verhindern konnten. Darum mussten sie sich darauf vorbereiten zu kämpfen – Shikon No Yosei musste zu den Angchu, darum übernahm Ohtah Ryutaiyo die Kriegsvorbereitungen. Und Seiketsu No Akari suchte nach einem Heilmittel gegen die Krankheit. Wie zu erwarten gewesen war, wollten sich natürlich auch ihre Kinder nützlich machen – Yoso No Koshi und Ryukii No Mai halfen ihrem Vater, Toki No Kibo ging ihrer Ziehmutter zur Hand.
 

Als sich Shikon No Yosei dem Dorf Adlerhorst näherte, wurde sie von zwei ihrer Wächter aufgehalten.

„Wer seid Ihr? Was wollt Ihr hier?“, wollte einer von ihnen wissen.

Mit eiserner Entschlossenheit antwortete sie: „Mein Name ist Shikon No Yosei. Ich bin hier, um mit eurer Anführerin zu sprechen.“

„Was willst du von ihr?“, fragte der andere skeptisch nach.

Die Shing Jea blieb ernst und meinte: „Das werde ich nur mit ihr persönlich besprechen.“

„Mutig seid Ihr …“, bemerkte eine neue Stimme und die Wächter gingen in die Knie, „Ich erkenne Euch … Ihr seid Meister Togos Schülerin, die einst gegen Shiro Tagachi gekämpft und gesiegt hat. Damit habt Ihr auch uns Tengu gerettet.“

Soar Ehrenklaue gab ihr einen Wink ihr zu folgen: „Die Angelegenheit, die Euch zu mir führt, sollten wir in meiner Hütte vertiefen.“

Ein Lächeln breitete sich auf Shikon No Yoseis Gesicht aus. Der Anfang war gemacht. Wenn die Botschaft auch durchaus besser hätte sein können …

„Das darf nicht wahr sein!“, rief Soar Ehrenklaue erzürnt, nachdem Shikon No Yosei ihr alles erklärt hatte, „Jetzt verstehe ich. Mein Sohn … Er ist eines der ersten Opfer gewesen.“

Traurig entgegnete Shikon No Yosei: „Dann hat es bei den Tengu also auch begonnen … Suun hatte wirklich recht. Ich hätte es gern verhindert …“

„Ihr seid wahrhaftig eine Schülerin Meister Togo´s.“, lobte die Tengu sie, „Ich habe ihm vertraut, darum vertraue ich Euch ebenso. Die Tengu stehen Euch zur Seite. Vielleicht finden wir gemeinsam ein Gegenmittel für diese Krankheit.“

Shikon No Yosei nickte dankbar: „Meine Schwester ist bereits auf der Suche nach einem Heilmittel. Ich bete zu den Sechs Göttern, dass sie Erfolg hat …“

Ein Warnruf unterbrach das Gespräch der beiden unterschiedlichen Frauen. Soar Ehrenklaue stürmte als erste aus der Hütte, Shikon No Yosei folgte ihr. Was sie sahen, versetzte sie in Angst und Schrecken – in der Nähe des Adlerhorstes war ein dunkles Portal erschienen … Ein Portal aus der Unterwelt, dem Teil der Nebel, in den die bösen Seelen verbannt wurden. Doch das schreckliche war eben das, was aus dem Portal strömte – eine Armee untoter Tengu versammelte sich, bereit Shing Jea ein für alle Mal dem Erdboden gleichzumachen und die Menschheit auszulöschen!
 

Währenddessen reiste Ohtah Ryutaiyo mit Hilfe des tragbaren Portals quer durch die Lande. Er suchte all ihre früheren Verbündeten auf und brachte sie nach Shing Jea. Nur zu gern nahmen sie die Chance wahr, sich bei Shikon No Yosei zu revanchieren … Bruder Mhenlo war selbstverständlich als Vertreter Tyria´s mit seinen engsten Freunden erschienen. Aus Elona waren Tahlkora, Dunkoro, Koss und Melonni aufmarschiert. Natürlich hatten auch Vekk, Odgen, Jora, Gwen und Brandor ihre Heimat verlassen, um ihnen zu helfen und hatten sogar Freiwillige ihrer Völker mitgebracht. Genauso wie Danika und Argo, die neuen Oberhäupter der Kurzick und der Luxon. Selbst Kuunavang war dem Ruf gefolgt. Und der Kaiser hatte fünfzig seiner besten Männer und Frauen antreten lassen. Yoso No Koshi und Ryukii No Mai hatten von ihrem Vater den Auftrag erhalten, sich um die verbliebenen Klosterschüler zu kümmern, die nicht von der Krankheit befallen waren. Den Abschlussstudenten wurde gestattet, am Kampf teilzunehmen. Die übrigen wurden von den beiden in die Hauptstadt von Kaineng gebracht. In Shing Jea wären sie nirgends sicher gewesen. Als sie zurück waren, nahm Ohtah Ryutaiyo das Portal wieder an sich. Sorge durchzuckte seine Gedanken. Shikon No Yosei war schon viel zu lange fort … Selbst wenn die Verhandlungen mit den Tengu sich hingezogen hätten, so lange konnte es nicht dauern. Der Assassine befürchtete, dass etwas geschehen war. Er übertrug es seinen Kindern, ihre Freunde und Verbündeten in den Quartieren des Klosters unterzubringen. Er selbst würde zu seiner Geliebten eilen.
 

Soar´s Schwert beschrieb blitzende Bögen. Doch wann immer sie glaubte, einen Feind niedergestreckt zu haben, schlossen sich dessen Wunden und er stand erneut auf. Bei den anderen Tengu sah es nicht anders aus. Nur die Körper, die Shikon No Yosei zu Asche verbrannte, waren endgültig vernichtet. Doch der ständige Einsatz ihrer Magie hinterließ seine Spuren … normalerweise löste die Elementarmagierin ihren Zauber auf, sobald der Gegner besiegt oder getötet war. Durch die vollständige Verbrennung büßte sie das doppelte Maß an Energie ein.

Das Schwinden ihrer Kräfte blieb auch der Anführerin der Tengu nicht verborgen, sodass sie rief: „Zieht euch zurück!“

Erleichtert kamen ihre Krieger der Anweisung nach. Offenbar hatten sie bloß auf diese Erlösung gewartet. Shikon No Yosei und Soar Ehrenklaue blieben bis zum Schluss auf dem Schlachtfeld. Mit einem letzten Aufbäumen ihrer magischen Kräfte riss die Elementarmagierin eine Feuerwand hoch, welche die feindlichen Tengu am Näherkommen hinderte. Im selben Moment, da sie vor Erschöpfung zusammenbrach, tauchte Ohtah Ryutaiyo neben ihr auf. Er hatte sich gewünscht, an den Ort zu gelangen, an dem sich seine Geliebte aufhielt – so konnte er sie wieder einmal gerade noch rechtzeitig auffangen, bevor sie zu Boden fiel.

„Keine Zeit für Erklärungen!“, blaffte er, „Schnell! Alle sollen sich aneinander festhalten.“

Verwirrt blinzelte die Tengu, dann nickte sie. Augenblicklich kamen ihre Untertanen der Aufforderung nach und Soar berührte Ohtah Ryutaiyos Rücken. Der Assassine zögerte keine Sekunde. In einer schwarzen Wolke verschwanden sie und die Feuerwand brach in sich zusammen.
 

Ratsversammlung

Wenn es nach Ohtah Ryutaiyo gegangen wäre, hätte Shikon No Yosei für die nächsten drei Tage keinesfalls das Bett verlassen. Aber so viel Zeit blieb ihnen nicht. Stattdessen rief sie all ihre Freunde zu einer Ratsversammlung zusammen. Seiketsu No Akari, Bruder Mhenlo und Danika sowie Toki No Kibo, Yoso No Koshi und Ryuukii No Mai nahmen nicht daran teil. Sie mussten die Erkrankten versorgen. Dafür aber Soar Ehrenklaue.

„Ich danke euch, dass ihr alle gekommen seid. Ich weiß nicht, wie wir allein siegen könnten.“, begann Shikon No Yosei.

Tahlkora lächelte und meinte: „Ich habe dir doch gesagt, dass wir dir jederzeit wieder folgen würden, Shiko. Wobei … ich gehofft hatte, dass es nicht notwendig sein würde.“

„Ach was!“, rief Koss aus, „Einmal Sonnenspeer, immer Sonnenspeer!“

Melonni gab ihm Konter: „Nur dass wir euch diesmal helfen.“

„Danke, Freunde …“, erwiderte die Elementarmagierin und wurde schlagartig todernst, „Vor wenigen Stunden habe ich zum ersten Mal Bekanntschaft mit unserem neuen Feind gemacht. Zusammen mit den Angchu-Tengu habe ich gegen sie gekämpft … Normale Waffen können nichts gegen sie ausrichten. Man muss ihre Körper vollständig zerstören.“

Ein Lachen hallte auf der freien Fläche wieder, auf der sie sich versammelt hatten: „Na, da ist unsere Feuermagie ja genau das richtige Mittel für diese Typen, meine liebste Shiko.“

Nur die Ernsthaftigkeit der Lage und der nahende Krieg ließen Ohtah Ryutaiyo ruhig genug bleiben, seine Wut hinunterschlucken. Argo war schon immer ein rotes Tuch für ihn gewesen. Das hatte sich in all den Jahren nicht geändert.

„Das stimmt, Argo.“, bestätigte Shikon No Yosei, „Allerdings befinden sich in unseren Reihen zu wenig Feuermagier, um sich allein auf diese Methode zu verlassen. Wir müssen überlegen, mit welchen Methoden man die Untoten noch austreiben könnte.“

Nun herrschte betretenes Schweigen. Jeder Einzelne von ihnen grübelte über die Informationen nach, die ihnen zur Verfügung standen, und suchte darin nach einer Lösung.

„Die heilige Kraft mancher Mönche vermag Untote auszutreiben.“, bemerkte Dunkoro nach einer Weile.

Vekk´s Blick verengte sich und er sagte: „Du sagtest, diese Viecher wären aus einem Portal gekommen … Vielleicht könnte ich ein Portal öffnen, das sie wieder zurückschickt.“

„Dann sollten wir uns aufteilen.“, schlug Odgen vor.

Jora zog ihr Schwert mit den Worten: „Wer mit einer Waffe umgehen kann, soll neben mir an vorderster Front kämpfen!“

„Meine Brüder und ich schließen uns dir an!“, stimmte Brandor begeistert zu.

Shikon No Yosei schwieg noch einen Moment, bevor sie erwiderte: „In Ordnung … Jora, ich übertrage dir die Befehlsgewalt über die Kampftruppe. Brandor, du unterstützt sie dabei. Egal, mit welchen Mitteln wir die Untoten auch vertreiben, ihr musst sie uns vom Leib halten! Und du, Vekk, kümmerst dich bitte mit deinen Asura um den Zugang eines Portals. Vergiss nicht, es muss in die Tiefen der Unterwelt führen. Odgen und Dunkoro, setzt euch bitte mit den Mönchen der Abschlussklasse des Klosters in Verbindung. Sucht nach Mönchen, die bereit sind, ihre Kräfte für den Kampf einzusetzen.“

„Die Ebon-Vorhut kümmert sich um die Verpflegung und Versorgung der Kämpfer.“, meldete sich Gwen zu Wort, „Ein Krieg kann einen bis an seine Grenzen treiben.“

Die uralte Drachin schlug mit den Flügeln und sprach: „So gut ihr euch auch vorbereitet, es wird ein harter Kampf werden. Ich sehe Shing Jea am Rand der Vernichtung stehen … Eine falsche Entscheidung könnte unser Ende sein.“

„Ich weiß …“, antwortete Shikon No Yosei zur Überraschung aller, „Die Begegnung mit ihnen, hat es mir deutlich gezeigt … Wir sind zahlenmäßig weit in der Unterzahl. Aber ich lasse meine Heimat nicht untergehen! Jeden einzelnen meiner Kämpfe habe ich zum Schutz Shing Jea´s bestritten … und jedes Mal hat mir der Gedanke daran Kraft gegeben. Ich werde auch diesmal nicht aufgeben! Gemeinsam können wir siegen! Daran glaube ich fest …“

Zustimmende Rufe erklangen. Shikon No Yosei´s Worte hatten sie wahrlich berührt.
 

Sorgen einer Anführerin

Im Westen Shing Jea´s hatte die Armee der untoten Tengu inzwischen vollzählig die Unterwelt verlassen. Was Soar Ehrenklaue und Shikon No Yosei gesehen hatten, war nur ein Bruchteil der Streitmacht gewesen. Die unterschiedlichen Stämme hatten sich fein säuberlich in Legionen aufgeteilt. Zweitausend Untote gegen nicht einmal zweihundert Kämpfer für Shing Jea. Einige der Zivilisten, einfache Bauern und Viehhirten hatten sich trotz Protestes von Shikon No Yosei ihrer Einheit angeschlossen. Aber schlussendlich hatte sie sich von dem herausragendsten aller Argumente breitschlagen lassen – sie durfte anderen nicht jenes Recht nehmen, welches für sie selbst immer die Antriebskraft gewesen war … der Wunsch ihre Heimat zu schützen, für Shing Jea zu kämpfen. Die übrigen Bewohner, vorrangig die Kinder, Frauen und Alten waren, wie die anderen Schüler des Klosters, nach Kaineng gebracht worden. So konnten sie weder den Tengu zum Opfer fallen, noch behinderten sie den Kampf.

Shikon No Yosei stand vor ihrem Schrein, den sie Meister Togo und Teinai gewidmet hatte. Doch sie bete nicht. Meister Togo hatte ihr im Tahnnakai-Tempel alles erzählt, was er wusste. Und Teinai konnte ihr nicht mehr raten, als das sie selbst bereits wusste. Die Kraft lag in ihr. Sie musste sich auf ihre Freunde und Verbündeten verlassen … Trotzdem hatte die Rothaarige Angst. Eine solch schreckliche Angst hatte sie noch nie zuvor verspürt. Nicht als Shiro Tagachi zurückgekehrt war … nicht als sie die Titanen befreit hatte … nicht im Reich der Qual … nicht im Kampf gegen die Zerstörer …

„Ich wusste, ich würde dich hier finden.“, sagte eine bekannte Stimme hinter ihr.

Sie drehte sich um und sah in das Gesicht ihres Mannes. Ohtah Ryutaiyo war längst nicht mehr der reumütige Assassine, dem sie in der Unterstadt begegnet war. Er war viel reifer geworden, markanter. Neben dem Mann, der er geworden war, erkannte sie gleichzeitig immer noch etwas von demjenigen in ihm, in den sie sich verliebt und der sie in jedem ihrer Kämpfe beschützt hatte. Selbst jetzt noch, nach all der langen Zeit konnte Shikon No Yosei kaum aussprechen, wie dankbar sie ihm war.

„Ich habe Angst …“, gab sie offen zu, „Dies ist unser erster offener Krieg. Es gibt keinen grausamen Anführer, den wir aufhalten müssen. Es keinen Shiro, der mir Befallene oder Shiro´ken entgegenschickt; keinen Lich, der mich gegen Mursaat oder Titanen kämpfen lässt; kein Abaddon, der von Dämonen oder Kourniern begleitet wird; keinen Großen Zerstörer, dessen Brut sich zusehends vermehrt. Diesmal ist jeder Gegner unser Feind, um den wir uns kümmern müssen. Wir stehen einer leibhaftigen Armee auf Augenhöhe gegenüber …“

Ohtah Ryutaiyo legte beruhigend den Arm um sie, bevor er entgegnete: „Wir haben zwar noch keinen offenen Krieg bestritten … aber wir haben bereits Armeen bezwungen. Oder glaubst du all die Befallenen, Dämonen und Zerstörer, die wir getötet haben, waren weniger zahlreich? Du bist nicht allein … Wir sind bei dir. Wir folgen dir.“

„Ja … und dennoch werde ich dieses Gefühl nicht los.“, antwortete Shikon No Yosei schwer besorgt, „Ich befürchtete, dieser Krieg wird schlimmer als alles, was wir je erlebt haben. Etwas tief in meinem Innern sagt mir, wir werden dieses Mal mehr, als nur unser Leben einsetzen müssen, wenn wir Shing Jea retten wollen.“

Der Assassine zwang sie ihn anzusehen und erklärte: „Ich bin zu allem bereit. Solange du nur an meiner Seite bist, Shiko … Selbst den Tod oder schlimmere Schicksale fürchte ich nicht!“

Er beugte sich leicht zu ihr herunter, um sie zu küssen. Noch während sie den Kuss erwiderte, fragte sie sich, was wohl geschehen würde, wenn sie irgendwann nicht mehr bei ihm sein könnte … Wenn dieser Kampf nicht ihn oder einen ihrer anderen Verbündeten forderte, sondern ihr Leben.
 

Provinz Kinya fällt

Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo hatten ihre Armee durch das Sunqua-Tal, über das Gelände der ehemaligen Menagerie von Minister Cho bis hin in die Provinz Kinya geführt, in welcher die untoten Tengu lagerten. Der Adlerhorst war nicht mehr wiederzuerkennen. Aus dem hellen Dorf war eine verbrannte, zerstörte Ruine geworden. Soar Ehrenklaue erschauderte, Wut flammte in ihr auf. Sie hatten es gewagt, ihre Heimat anzugreifen, das sollten sie ihr büßen! Auf Geheiß von Shikon No Yosei verteilten sich die einzelnen Trupps. Jora und Brandor verteilten ihre Männer und Frauen an vorderster Front – die Norn hielten sich links, die Charr rechts, die Tengu flankierten sie, in der Mitte mischten sich die Ebon-Vorhut, die kaiserlichen Wachen, die Kurzick, die Luxon und die Bewohner Shing Jea´s, samt der Klosterschüler. Hinter ihnen folgten die Pein-Mönche unter Dunkoro´s Aufsicht. Verstärkt wurden sie von den ausgewählten Magiern, welche das Feuer beherrschten. Yoso No Koshi war einer von ihnen. Vekk und seine Asura arbeitete unterdessen weiterhin an dem Portal. Doch um ehrlich zu sein, wussten sie bereits, dass sie es für diese Schlacht nicht rechtzeitig schaffen würden. Zu knifflig war die Berechnung des Zielortes in der Unterwelt, selbst nach asurischem Maßstab.

Auf einem erhöhten Hügel hinter der Armee standen Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo. Sie verschafften sich gerade einen Überblick über die Aufstellung. Soweit war alles bereit. Und das keine Sekunde zu spät. Denn die beiden lebenden Legenden konnten erkennen, dass die Linien der Feinde vom anderen Ende des Tals bereits auf sie zukamen. Sie tauschten einen langen, intensiven Blick. All ihre Liebe zueinander, die Erinnerung an ihre vergangenen Abenteuer und der Wunsch auch in Zukunft miteinander zu leben lagen darin. Dann nickte die Elementarmagierin und der Assassine unternahm einen Schattenschritt zur Front, direkt neben seine Tochter. Sie waren beide nicht davon abzubringen gewesen, in der ersten Reihe zu kämpfen. Ohtah Ryutaiyo atmete tief durch. Von dieser Position aus konnte er die Kraft der Feinde einschätzen und sie auf Abstand zu den Zauberern halten, um seine Geliebte am Besten beschützen zu können – das war das einzige, was für ihn zählte. Mit jedem Herzschlag, mit jedem Atemzug kamen die Feinde näher. Die Kämpfer Shing Jea´s waren angespannt. Ihre Gefühlen teilten sich in Furcht, Schrecken und freudige Erwartung.

„Für Shing Jea! Für Shiko!“, brüllte Ohtah Ryutaiyo regelrecht und stürmte als erster auf die gegnerischen Tengu zu.

Die anderen Kämpfer stimmten in seinen Kampfschrei mit ein und folgten ihm mit erhobenen Waffen. In einem ohrenbetäubenden Lärm krachten sie aufeinander. Schwerter wirbelten, Pfeile surrten, Äxte wurden geschwungen, Dolche platziert, Speeren geworfen. In den hinteren Reihen konzentrierten die Mönche und Elementarmagier ihre Energie. Sie fassten sich an den Händen, schlossen ihre Augen und murmelten lautlos die Worte, welche die magischen Kräfte bannten. Es dauerte eine Weile, bis ihre Zauber wirken. Doch plötzlich verdunkelte sich der Himmel. Glühende Gesteinsbrocken regnete, weiße Blitze schlugen überall auf dem Feld ein. Die heilige und flammende Magie hatte sich vereinigt. Die Körper der Untoten wurden versengt. Asche war das Einzige, was von ihnen übrig blieb. Im ersten Moment schöpfte Shikon No Yosei Hoffnung, aber als sie ihren Blick schweifen ließ, schluckte sie. Die Lücken, welche die Gefallenen hinterlassen hatten, waren schon wieder geschlossen. Es nahmen noch nicht einmal alle Gegner an der Schlacht teil. Dagegen kämpften bereits alle ihre verfügbaren Einheiten. Bislang – zumindest soweit sie es einschätzen konnte – gab es noch keine Verluste. Die folgenden Minuten und Stunden waren pure Qual. Sowohl für die Kämpfer, welche an der Front ihr ganzes Können einsetzten, um die Untoten auf Distanz zu halten, als auch für die Zauberer, die im Hintergrund ihre Magie woben und auf ihre Feinde niederfahren ließen. Es gab keine Verschnaufpause, kein Ende war in Sicht. Die gegnerische Zahl schien nicht zu schrumpfen, auf der anderen Seite sah es diesbezüglich inzwischen wesentlich schlechter aus. Shikon No Yosei´s Befürchtung hatte sich bestätigt – sie waren schlichtweg zu wenige, um diese Schlacht für sich entscheiden zu können. Ohne Vekk´s Portal, welches die gegnerischen Tengu zurück in die Unterwelt verbannen würde, hatten sie keine Chance. Vor allem nicht in dem Zustand, in dem sie sich nun befanden. Ihre Reihen waren zu erschöpft. Also tat Shikon No Yosei als einzig Vernünftige, was sie als Anführerin tun konnte.

„Rückzug“, schrie sie mit durch Magie verstärkter Stimme, „Rückzug!“
 

Der letzte Stützpunkt

Die nächsten Wochen waren das schlimmste, was Shikon No Yosei jemals erlebt hatte. Tag für Tag hatten ihre Verbündeten gegen die Untoten gekämpft. Erfolglos … Sie wurden immer weiter zurückgedrängt. Bis sie sich ins Kloster als letzten Stützpunkt zurückziehen mussten. Das Gelände, das sie zurückließen, war – in einem Wort gesagt – zerstört. Kaum etwas erinnerte noch an die einstige Schönheit Shing Jea´s – die Schönheit, welche Shikon No Yosei und Seiketsu No Akari so sehr liebten und für die sie so oft gekämpft hatten. Auf Ohtah Ryutaiyo´s Bitte hin, hatte die Mönchin ihren Posten bei den erkrankten Schülern verlassen, um ihrer Seelen-Schwester beizustehen. Auf eine Art, wie er es niemals können würde. Sie nahm Shikon No Yosei in den Arm und beide weinten an der Schulter der anderen. Tränen wie die wunderbaren Qi-Wasserfälle ihrer Heimat.

„Shing Jea wird wieder aufleben!“, flüsterte Seiketsu No Akari beruhigend ihr ins Ohr, „Ihre Schönheit kommt von den Menschen, die hier leben. Solange wir noch am Leben sind, ist es auch diese Insel …“

Die Elementarmagierin nickte mit einem schwachen Lächeln. Das Kloster verschaffte ihnen ein bisschen Zeit. Es einzunehmen würde dauern. Die magischen Barrieren, welche es schützte, würden die Untoten erst einmal abschrecken. Damit bekamen die Asura die notwendige Zeit, weiter an dem Portal zu arbeiten. Und die übrigen Kämpfer konnten sich etwas ausruhen, neue Kräfte schöpfen.
 

Ein gewaltiges Beben riss Shikon No Yosei aus dem Schlaf. Durch die Veränderung der magischen Wellen in der Luft wusste sie sofort, was das Beben verursacht hatte – die Barrieren, welche das Kloster schützten, waren gelöst, gewaltsam. Ohtah Ryutaiyo, der neben ihr gelegen hatte, konnte an ihrem Gesichtsausdruck ablesen, was geschehen war. Ohne ein Wort verschwand er via Schattenschritt. Die Elementarmagierin eilte derweil ins Nachbarzimmer. Es war leer. Wieder eine Nacht, in der Seiketsu No Akari keine Ruhe gefunden hatte. Sie rannte weiter. Diesmal war die Krankenstation ihr Ziel. Dort fand sie die Mönchin … inmitten der Lager, auf denen sie erkranken Schüler ruhten. In den vergangenen Tagen waren immer mehr Schüler und Tengu der Krankheit zum Opfer gefallen, was ihre Reihen sichtlich gelichtet hatte.

„Sie kommen.“, stellte Seiketsu No Akri in die Stille hinein fest.

Als Leiterin des Klosters war sie gewesen, welche die Kontrolle über die Barrieren inne hatte. Gab es einen Angriff war sie die erste, die es wusste.

Shikon No Yosei nickte, obwohl es viel zu dunkel war, um gesehen zu werden, und antwortete: „Wir können uns nirgends mehr zurückziehen. Wenn das Kloster fällt, fällt Shing Jea. Hier entscheidet sich alles …“

„Warum bist du nicht ehrlich zu mir, Shiko?“, wollte ihre Cousine wissen.

Ihre Gegenüber senkte den Kopf, bevor sie erklärte: „Du hast recht. Wenigstens dir sollte ich es sagen … Wir können diesen Krieg so nicht gewinnen. Die untoten Tengu sind zu stark. Die Asura haben das Portal nicht fertig stellen können. Aber …“

„Aber?“, hakte sie nach, nachdem Shikon No Yosei verstummt war.

Sie lächelte leicht, als sie fortfuhr: „In den vielen Jahren, die vergangen sind, seit Meister Togo mich zur Verteidigerin von Shing Jea machte, war ich in vielen gefährlichen Situationen und habe schon häufig beinahe mein Leben verloren. Aber … wenn ich schon sterben muss, dann bin ich froh, dass ich gemeinsam mit meiner Heimat untergehe!“

„So sehe ich das auch.“, stimmte Seiketsu No Akari ihr zu.

Im selben Augenblick ertönte der Hall der Glocke des Klosters. Ohtah Ryutaiyo schlug Alarm. Die Zeit war um, Shikon No Yosei musste gehen.

„Wir sehen uns in den Nebeln!“, sprachen beide Frauen in einem Atemzug.
 

Schneller als gedacht, waren alle verfügbaren Kämpfer auf dem Hof des Klosters erschienen. Angst stand in ihren Gesichtern geschrieben. Eine Angst, welche Shikon No Yosei kannte und teilte. Nicht nur in diesem Moment, ihr war es in ihrem ersten, großen Kampf nicht anders gegangen. Damals wäre sie ohne Ohtah Ryutaiyo verloren gewesen. So wie jetzt.

„Bereit?“, fragte sie den Assassinen, der zuverlässig an ihrer Seite stand.

Er nahm ihre Hand und flüsterte: „Bereit, wenn du es bist!“

Im Stillen dankte sie ihm für seine Nähe, dann traten beide vor ihre Armee. Sie mussten die Worte nicht ausspreche. Jeder Einzelne von ihnen wusste, was ihnen bevorstand. Einige bissen sich auf die Lippen, um ihre Tränen zu unterdrücken, andere blicken ihr ernst entgegen. Selbst wenn sie es ihnen jetzt anbieten würde, keiner würde Shing Jea verlassen. Zu stark fühlten sie sich Shikon No Yosei gegenüber verbunden. Zu sehr war dieser Kampf zu ihrem Kampf geworden. Daher nickte die Elementarmagierin nur und die Tore zum Kloster von Shing Jea öffneten sie.

Während des Kampfes verlor Shikon No Yosei jedes Zeitgefühl. Einmal schien die Zeit zu rasen, danach wieder stillzustehen. Die sanften Sonnenstrahlen der Morgendämmerung waren nicht zu sehen. Eine Aura dunkler Energie, welche von den Untoten ausging, verhüllte den Himmel. Die grellen Laute rissen nicht ab. Kampfgebrüll mischte sich mit Schmerzensschreien. Shikon No Yosei schloss die Augen. Tränen rollten über ihre Wangen. Es gab nur eine Möglichkeit, Shing Jea zu retten … eine geringe, allerletzte Chance. Sie hatte es schon einmal getan. Damals im Kampf gegen den Großen Zerstörer hatte sie die Energie ihrer Familie, Freunde und Verbündeten in ihren Körper geleitet und als reine Magie freigesetzt. Diese Tat hatte ihre Magie für immer beschädigt. Sie wusste nicht, was diesmal mit ihr geschehen würde … Doch tief in ihrem Innern lag noch die Befürchtung, welche sie vor Beginn des Krieges hatte … dass es sie mehr kosten würde, als nur ihr Leben. Um sie herum war alles still. Sie hörte nicht mehr die gellenden Rufe, panischen Schreie oder den durchdringenden Kampflärm. Ihre Konzentration erfüllte ihren ganzen Körper. Sie sah nicht länger mit den Augen. Sie spürte jeden einzelnen mit ihrem Herzen, erkannte ihre Auren. Ihre Magie pulsierte. Die anderen bemerkten die Veränderung und hielten abrupt inne. Selbst die Untoten senkten ihre Waffen, sodass sich der Kampf einstellte. Shikon No Yosei breitete ihre Arme aus. Die Kraft der Kämpfer strömte in ihre Richtung, drang in sie ein. Als die Energie eines jeden bei ihr war, legte sie die Arme auf ihren Oberkörper. Sie kanalisierte die Macht nicht zu einem Angriff, wie sie es beim Großen Zerstörer im Norden getan hatte, stattdessen riss sie nach endlosen Sekunden die Arme wieder auseinander und schickte damit eine mächtige Welle aus reinster Energie aus. Diese Welle erfüllte zunächst das Kloster, bevor sie sich über ganz Shing Jea ausbreitete. Jeder untote Tengu, der mit der Energie in Berührung kam, erlosch … wurde vom Angesicht der Insel getilgt. Keiner konnte entkommen, keiner widerstehen. Doch damit nicht genug – die Menschen und Tengu, welche von der seltsamen Krankheit befallen waren, wurden durch die Energie geheilt! Und Shikon No Yosei fiel leblos auf den kalten, harten Steinboden.
 

An der Grenze zu den Nebeln

Als Shikon No Yosei die Augen nach einer gefühlten Ewigkeit wieder öffnete, blendete sie das weiße Licht, welches sie umgab. Sie blinzelte ein paar Mal, bevor sie sich umsah. Es war kein greifbarer Ort. Und mit Sicherheit nicht Cantha. Von einer Sekunde zur anderen stand plötzlich Meister Togo vor ihr.

„Sei gegrüßt, meine Schülerin.“, sprach er und machte eine weitreichende Handbewegung, „Du befindest dich hier an der Grenze zu den Nebeln. Dein letzter Zauber … Er war für deinen Körper und deine Seele einfach zu stark.“

Die Elementarmagierin schluckte, bevor sie beklommen fragte: „Heißt das, ich … ich bin tot?“

„Nicht ganz.“, widersprach er mit sanfter Stimme, „Die Gesandten geben dir die Wahl. Willst du die leichteste Möglichkeit gehen und Frieden finden? Oder … wählst du den harten Weg und kämpfst dich zurück in die Welt der Sterblichen?“

Verwirrt hakte sie nach: „Wie meint Ihr das, Meister? Soll … soll ich mich etwa entscheiden, ob ich leben oder sterben möchte?“

„So ist es, Shiko.“, antwortete der Ritualist, „Doch bevor du deine Entscheidung triffst, möchte ich dir noch etwas sagen … In der Geschichte von Cantha, Tyria und Elona gab es immer wieder Menschen, die den Kampf gegen das Böse zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben. Du bist eine dieser Helden … In der Welt der Menschen giltst du als lebende Legende. Nur … wenn du zurückkehrst, werden diese Zeiten endgültig hinter dir liegen.“

Die Elementarmagierin dachte an den Krieg gegen die Untoten und wollte zaghaft wissen: „Meister, könnt Ihr mir eine Frage beantworten? Ich … Bin ich der Auslöser für all die Kämpfe? Waren es meine Kräfte, die das Böse angezogen haben? Wurden meine Familie und meine Freunde etwa meinetwegen verletzt?“

Meister Togo lachte leise und erklärte: „Nein, du bist nicht die Ursache für ihr Erscheinen … Weißt du, Shiko, man kann das Böse bekämpfen, man kann es sogar besiegen … doch man kann es niemals auslöschen. Es ist ein Kampf, der nie wirklich gewonnen werden kann … und dennoch immer wieder ausgefochten werden muss. Bist du bereit, dieser Gefahr als einfacher Mensch gegenüber zu treten?“

Erst jetzt verstand Shikon No Yosei, was Meister Togo ihr vermitteln wollte. Die Erkenntnis versetzte ihr einen Schlag, sie sank in die Knie. Alles hatte sie erwartet – aber dass ihre Magie für immer erloschen sein sollte, das konnte sie nicht glauben! Sie wollte es nicht glauben … Sie war eine Elementarmagierin. Die Elemente waren ihr Leben. Das Feuer war ihre Stärke, die Erde ihr Schutz, die Luft ihre Entschlossenheit und das Wasser ihre Klarheit. Ohne die Elemente war sie nichts. Sie wäre nicht länger Shikon No Yosei, die Fee der vier Elemente …

„Ist … ist das wirklich unumgänglich?“, fragte sie gebrochen.

Meister Togo half ihr aufzustehen, während er antwortete: „Ich verstehe deine Trauer. Weißt du … alles hat seinen Preis.“

„Kurz gesagt, mit meiner Magie habe ich für die Rettung Shing Jea´s bezahlt …“, meinte Shikon No Yosei – unwissend, ob sie traurig oder wütend sein sollte.

Der Ritualist nickte: „Vergiss´ nicht, du hast Tausenden von Menschen, Tieren und anderen Wesen das Leben gerettet. Und das nicht nur einmal …“

„Ich verstehe.“, erwiderte sie knapp, bevor sie den Blick hob, „Ich habe mich entschieden. Ich weiß, was ich getan habe … und ich bin bereit den Preis für meine Taten zu bezahlen. Darum bitte ich Euch um Verzeihung, Meister … Ich kann Euch in den Nebeln noch keine Gesellschaft leisten. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als Ohtah, Seiketsu, Yoso, Ryukii und Toki wiederzusehen … Ich möchte helfen Shing Jea wiederaufzubauen. Selbst … selbst, wenn ich dies ohne Magie tun muss.“

Er lächelte und entgegnete stolz: „Du brauchst dich nicht zu erklären, mein Kind … Ich wusste, du würdest dich so entscheiden.“

„Was das angeht … bevor ich gehe muss ich Euch noch etwas fragen. Es geht um eine Aussage, die Shiro damals bei unserem letztem Kampf gemacht hat.“, meinte Shikon No Yosei und sah ihn fest an, „Er sagte, Ihr wärt … mein Vater. Ist das wirklich wahr?“

Meister Togo nickte sacht, dann erklärte er: „Ich habe dem Himmelsministerium nicht sehr lange gedient. Bei einem Routineauftrag wurde unser Team von der Jadebruderschaft überfallen … und Adept Tai, Seiketsu´s Vater … hat mir damals gerettet und ist dabei gestorben. Doch meine Zeit im Nahpuiviertel hat mir das größte Geschenk meines Lebens gemacht – ich habe nie eine andere Frau geliebt, als deine Mutter … Es stimmt, ich bin dein Vater, Shiko.“

Tränen sammelten sich in den Augen der schönen Shing Jea und sie fragte kaum hörbar: „Warum habt Ihr … Warum hast du es mir damals nicht gesagt?“

„Solange du Schülerin im Kloster warst, wollte ich es dir nicht sagen … Suun´s Prophezeiung war der Grund, warum ich dich überhaupt vor den Ministern versteckt habe … warum du bei Bishu aufgewachsen bist. Kai und ich wollten nicht, dass sie in dir eine … Waffe sehen.“, gestand Meister Togo mit einem Seufzen, „Danach … Aus demselben Grund hast du mir diese Frage nicht bereits im Tahnnakai-Tempel gestellt.“

Sie biss sich auf die Unterlippe, versuchte sich zu sammeln, bevor sie erwiderte: „Jetzt fällt es mir umso schwerer zurückzukehren. Aber ich habe deine Lehren nicht vergessen … >Der richtige Weg ist nun einmal nicht immer der einfachste Weg …< Nicht wahr?“

„So ist es … meine geliebte Tochter. Und eines Tages werden wir uns hier wiedersehen. Solange werde ich über dich wachen.“, versprach er ihr lächelnd.

Shikon No Yosei küsste ihn zum Abschied auf die Wange. Dann wandte sie sich von ihm ab, lief in die entgegengesetzte Richtung. Zurück ins Leben.
 

Gemeinsamer Wiederaufbau

Zuerst spürte Shikon No Yosei wieder das Gewicht ihres Körpers. Sie lag auf etwas weichem. Ein Bett. Als nächstes hörte sie Stimmen, die sie nicht erkannte.

„Was hat sie nur? Warum wacht sie nicht auf?“, wollte ein Mann besorgt wissen.

Eine sanfte Frauenstimme erwiderte: „Es … es sieht so aus, als stünde sie auf der Schwelle zwischen Leben und Tod. Du darfst nicht vergessen, dass es ein Zauber war, der sie in diesen Zustand versetzt hat, und keine Wunde … Aber was mit ihr geschehen wird, das weiß ich nicht.“

„Können wir irgendetwas tun?“, hakte er nach.

Die Frau zögerte, bevor sie antwortete: „Ich habe versucht sie mit Heil- und Schutzgebeten zu belegen, ohne Erfolg. Wir können nur warten …“

Jemand ergriff Shikon No Yosei´s Hand und der Mann flüsterte ihr zu: „Warum tust du mir das an? Wie oft muss ich noch um dein Leben bangen? Sag´ mir, warum können wir kein normales Leben führen, Shiko?“

Der Klang ihres Namens erweckte ihr Bewusstsein vollständig. Plötzlich fragte sie sich, warum sie beiden Stimmen nicht schon zuvor erkannt hatte – Ohtah Ryutaiyo und Seiketsu No Akari.

„Weil das Schicksal uns zu Helden bestimmt hat, Ohtah …“, sagte Shikon No Yosei, während sie langsam die Augen öffnete.

Ohtah Ryutaiyo riss die Augen auf. Seiketsu No Akari kam in ihr Blickfeld. Shikon No Yosei lächelte. Hier gehörte sie hin. Zu ihrer Familie. In ihre Heimat. Ihre Zeit war noch nicht gekommen, ihre Reise in die Nebel musste noch warten.
 

In den folgenden Wochen, gar Monaten halfen alle Verbündeten beim Wiederaufbau der zerstörten Teile Shing Jea´s. Keiner von Shikon No Yosei´s alten Freunden wollte die Insel verlassen, ehe nicht alles erledigt war. Einzig Danika und Argo konnten ihre Fraktionen nicht länger alleinlassen, was ihnen ein ziemlich schlechtes Gewissen bereitete. Tahlkora lachte herzlich auf Shikon No Yosei´s Frage, ob sie nicht nach Hause zu ihren Fürstenpflichten zurück müsse, und meinte, es täte ihrem Vater sicher gut, wenn er mal wieder auf sie warten müsse. Koss und Melonni wussten, dass in Kourna gerade die Dürre herrschte, da war es ohnehin besser, wenn ihr Dorf weniger hungrige und vor allem durstige Mäuler zu versorgen hätte. Bei Dunkoro war es ähnlich, auch wenn die Trockenheit auf Istan nicht ganz so schlimm ausfiel, wie auf dem Festland. Mhenlo blieb ebenfalls mit seinen Freunden – es wäre ihm wie Verrat vorgekommen Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo im Stich zu lassen. Vekk, Brandor, Jora und Gwen konnten sich den anderen dieser Meinung nur anschließen – ihrem Mann Keiran Thackeray hatte sie von Anfang an gesagt, sie würde erst zurückkommen, wenn sie Angelegenheit vollständig aus der Welt geschafft wäre und als Soldat der Ebon-Vorhut wusste er, dass so etwas länger dauern konnte. Hier waren sie momentan nützlicher als in ihrer Heimat. Für Shikon No Yosei selbst wurde diese Zeit zu einer weiteren Prüfung. Immer wieder hob sie aus Reflex die Arme und wollte einen Zauber weben. Doch die Energie, die sonst stets gegenwärtig gewesen war, schwieg. Kein Fünkchen Magie floss mehr durch ihren Körper. Sie war wirklich nur noch ein ganz gewöhnlicher Mensch … Ohtah Ryutaiyo und Seiketsu No Akari wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten – Shikon No Yosei hatte sich durch den Verlust ihrer magischen Kräfte verändert. Zwar war da noch ihre ausgelassene Lebensfreude, aber gleichzeitig lag etwas trauriges in ihrem Blick. Viele Stunden des Tages verbrachte sie damit zu den Sechs Göttern, Meister Togo und Teinai zu beten. Was sie ihnen in diesen Zwiegesprächen mitteilte, behielt sie allerdings für sich …
 

Als der Sommer in Shing Jea einzog, hellte sich Shikon No Yoseis Miene mit jedem weiteren Tag wieder auf. Denn der sechzehnte Geburtstag von Yoso No Koshi und Ryukii No Mai stand an. Und zusammen mit Toki No Kibo hatten sie einen Entschluss gefasst, den sie ihren Eltern an diesem Tag unterbreiten wollten.

„Es gibt da etwas, das wir euch sagen müssen.“, begann Yoso No Koshi, „Dieser Krieg hat uns etwas wichtiges gezeigt …“

Ryukii No Mai löste ihren Bruder ab: „Wir wissen jetzt, dass wir nicht annähernd so stark sind, wie ihr es seid – geschweige denn bereit eine solche Verantwortung zu tragen. Darum wollen wir mehr lernen. Mehr … als wir es hier könnten.“

„Wir wurden unser ganzes Leben von euch beschützt. Dafür danken wir euch sehr … aber es ist an der Zeit, dass wir für uns selbst aktiv zu werden. Sonst werden wir nie wissen, ob wir würdig sind für Cantha zu kämpfen.“, fuhr Toki No Kibo ernst fort.

Die drei lebenden Legenden tauschten Blicke. Dann ein stummes Nicken, bevor sie wieder zu ihren Kindern sahen.

Shikon No Yosei ergriff schließlich das Wort: „Wenn wir euch richtig verstanden haben, möchtet ihr also Shing Jea verlassen, um eure Fähigkeiten zu verbessern.“

„So ist es, Mama …“, bestätigte ihr Sohn verlegen, „Ich … ich will stark genug werden, um diejenigen beschützen zu können, die ich liebe. Ein genauso mächtiger Elementarmagier wie du es gewesen bist … Darum möchte ich bei einem ebenso talentierten Magier lernen.“

Die Vergangenheitsform war ihr nicht entgangen, doch sie ignorierte es dezent und kombinierte stattdessen: „Du meinst Argo, nicht wahr?“

„Was?“, rief Ohtah Ryutaiyo aus, „Dieser … dieser eingebildete Emporkömmling soll meinen Sohn unterrichten?“

Seine Frau legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm und fragte scherzhaft: „Bist du etwa immer noch eifersüchtig auf ihn?“

Sie lachte und Seiketsu No Akari stimmte mit ein, bis Toki No Kibo sagte: „Und ich habe Gräfin Danika gebeten, mich im Bereich der Schutzgebete zu unterrichten.“

Die Mönchin musterte ihre Ziehtochter, bevor sie antwortete: „Ich kann es dir nicht verdenken … Immerhin habe auch ich Shing Jea verlassen, um zu studieren.“

„Und was ist mit dir, Ryukii?“, wollte der Assassine von seiner Tochter wissen.

Sie erwiderte seinen durchdringenden Blick, während sie erklärte: „Der Kaiser hat mir dasselbe Angebot gemacht, wie dir einst. Ich werde Teil seiner geheimen Spezialeinheit und als kaiserlicher Schattendiener für ihn arbeiten.“

„Ihr habt euch das anscheinend gründlich überlegt.“, bemerkte Shikon No Yosei und schloss für einen Moment die Augen, „Ich verstehe, warum ihr gehen wollt … Auf einer Reise lernt man mehr, als man sich vorstellen kann. Trotzdem … habe ich zwei Bedingungen.“

„Bedingungen?“, entfuhr es den drei verwundert.

Sie nickte mit ernstem Gesichtsausdruck: „Ryukii, du wirst im Auftrag des Kaisers häufig mit anderen zusammenarbeiten und anders als zu unserer Zeit existieren die berüchtigsten Straßengilde in der Geschichte von Kaineng nicht mehr … darum hast du meine Erlaubnis zu gehen. Bei Toki und dir, Yoso, sieht die Lage etwas anders aus. Der Echowald und das Jademeer sind sehr gefährlich … Ihr wärt zwar in der Obhut der Kurzick und der Luxon, aber ich möchte dennoch, dass ihr gemeinsam reist. Ich bin sicher, ihr könnt von beiden Fraktionen einiges lernen. Und nun zu meiner zweiten Bedingung … Ihr habt ein Jahr Zeit. Dann kehrt ihr nach Shing Jea zurück und wählt den Weg, den ihr für richtig erachtet … Glaubt mir, wenn es soweit ist, werdet ihr mich verstehen.“

Yoso No Koshi, Ryukii No Mai und Toki No Kibo konnten kaum glauben, dass sie wirklich die Erlaubnis für ihr Vorhaben bekommen hatten. Sie nickten zum Zeichen, dass sie die Bedingungen verstanden hatten. Nun blieb ihnen also ein Jahr, um zu lernen, um stärker zu werden und um ihren eigenen Weg zu finden …
 

Schattendiener Ryukii

Während Ryukii No Mai durch die Nacht schlich, dachte sie zum wiederholten Mal daran, warum sie hier in Kaineng als Schattendiener arbeitete – der Krieg gegen die untoten Tengu hatte ihr, ihrem Bruder Yoso No Koshi und Toki No Kibo gezeigt, dass viel zu schwach waren und es ihnen an Erfahrungen fehlte, um als Kämpfer für Cantha einzustehen. Natürlich wünschten sich Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo und Seiketsu No Akari, dass ihre Kinder das Amt der Verteidiger von Cantha übernahmen … Aber waren sie dieser Verantwortung auch gewachsen? Solange sie unter dem Schutz ihrer Eltern standen, konnten sie es einfach nicht herausfinden. Darum hatte Yoso No Koshi vor ins Jademeer zu gehen und von Argo zu lernen. Toki No Kibo wollte sich auf dem Gebiet der Schutzgebete von Gräfin Danika weiterbilden lassen. Und Ryukii No Mai hatte das Angebot von Kaiser Kisu angenommen. Inzwischen stand sie seit fast sechs Wochen in seinem Dienst und er erwartete regelmäßig ihren Bericht über die Aufträge, mit denen sie betraut war. So auch in dieser Nacht. Es war eine anstrengende Woche gewesen … wenigstens keine Attentate. Die Menschen lebten in Frieden; die Am Fah und die Jadebruderschaft waren zerschlagen, die Kurzick und die Luxon hatten ein dauerhaftes Bündnis geschmiedet. Und dennoch blieb die Herrschaft über Cantha ein hartes Geschäft. Sie hatte zwischendurch auch mal frei gehabt, um sich zu erholen – als Kaiser hatte man diesen Luxus nicht.

Plötzlich musste Ryukii No Mai schmunzeln. Eigentlich kam ja Yoso No Koshi eher nach ihrer Mutter, aber Shikon No Yosei hatte einmal gesagt, sie wolle Cantha nicht regieren, sondern es nur beschützen … In solchen Momenten war die Assassine besonders stolz die Tochter zweier Helden zu sein – obwohl andererseits von ihr erwartet wurde genauso glorreich zu handeln. Sie seufzte resigniert und sprang auf das untere Dach des Palastes. Es war fast Mitternacht. Und so wie die Nacht ihr Ende noch nicht gefunden hatte, stand auch ihre Entscheidung noch aus.

„Da bist du ja wieder.“, bemerkte eine Stimme, „Warst du bei meinem Vater?“

Ryukii No Mai´s Blick huschte umher. Wie hatte das nur passieren können? Sie befand sich vollkommen unverhüllt im Schein des Vollmondes. Da entdeckte sie auf einmal eine Silhouette, die aus einem geöffneten Fenster lehnte. Er wartete auf ihre Reaktion. Sie blieb still stehen, verharrte bewegungslos und von einer Sekunde zur anderen verschwamm ihre Gestalt. Zwar konnte die Assassine bei solcher Helligkeit nicht wirklich mit den Schatten verschmelzen – das hätte nicht einmal ihr Vater fertig gebracht –, doch so war sie wenigstens nicht mehr deutlich zu erkennen. Der junge Mann zog sich vom Fenster zurück. Offenbar hatte er aufgegeben. Ryukii No Mai hätte nun ganz leicht verschwinden können, aber etwas hielt sie zurück. Und so unternahm sie einen Schattenschritt und landete genau auf dem Fenstersims.

„Du bist also doch gekommen …“, flüsterte er überrascht.

Ein Lächeln huschte über Ryukii No Mais Gesicht und sie erwiderte: „Du hast mich entdeckt. Das ist noch nicht vielen gelungen.“

„Ich habe dich schon öfters gesehen. Aber ich wusste, mein Vater würde mir nichts über dich erzählen.“, gestand er.

Völlig überrumpelt hauchte Ryukii No Mai: „Du bist … der Sohn des Kaisers …“

Es war mehr Aussage als Frage gewesen. Sie kannte niemanden, der etwas über den Spross des Kaisergeschlechtes wusste – nicht einmal Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo.

Ihr Gegenüber wandte den Blick ab und meinte betrübt: „Ja. Und ich bin ein Gefangener. Du bist die erste Person von außerhalb des Palastes, mit der ich rede … Wenn ich mich vorstellen darf, mein Name lautet Koichi.“

„Ryukii.“, antwortete die Assassine knapp, mehr traute sie sich nicht zu verraten.

Koichi´s Gesicht leuchtete derweil auf – er hatte eine Idee – und fragte: „Würdest du mir etwas über die Welt dort draußen erzählen? Nichts von dem ganzen Mist, den ich aus Büchern lernen soll. Ich will etwas über das wirkliche Leben wissen!“

Ryukii No Mai dachte eine Weile nach. Sie wollte ihm diesen kleinen Wunsch erfüllen … Darum begann sie die Geschichten über Shing Jea, Kaineng, den Echowald und das Jademeer zu erzählen, welche ihre Eltern ihr von Kindesbeinen an berichtet hatten. Zwar reichte eine Nacht für all die spannenden Abenteuer nicht aus – wobei sich Ryukii No Mai sorgfältig davor hütete die Namen Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo oder gar der ihrer Gegner auszusprechen –, trotzdem kehrte sie jede Nacht wieder und schon bald waren aus ihnen richtig gute Freunde geworden, wenn nicht sogar mehr als das …
 

Bis der Tag des Abschieds gekommen war … Nicht weil Kaiser Kisu von ihren Treffen erfahren und sie ihr verboten hatte – sie glaubte sogar, er wisse ganz genau in welcher Beziehung sie zu seinem Sohn stand. Nein, die Zeit war ihr Feind. Das Jahr war vorüber, ihre Entscheidung getroffen. Doch Ryukii No Mai hatte härter mit sich gerungen als sie jemals für möglich gehalten hätte. Wegen ihm. Als Schattendiener wäre es ihr möglich gewesen, weiterhin in Koichi´s Nähe zu sein. Im Amt der Verteidigerin von Cantha dagegen durfte sie ihn nicht mehr wiedersehen … Als Kaiser hatte er eine Stellung zu wahren – sie konnte dann nur noch eine einfache Untergebene für ihn sein. So oder so – sie konnten nie eine gemeinsame Zukunft haben.

An diesem Abend hatte das Gespräch mit Kaiser Kisu wesentlich länger gedauert, die Nacht neigte sich bereits dem Ende entgegen. Für den Herrscher war sie wahrlich die Tochter von Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo. In ihren eigenen Augen hatte sie sich noch immer nicht richtig bewährt – sie war noch lange nicht die Heldin, die sie sein wollte … Ein weiterer Grund, warum sie nach Shing Jea zurückkehren musste. Aber Ryukii No Mai kannte auch endlich die Sehnsucht nach Zuhause. Und den tiefen Wunsch dieses Zuhause zu beschützen – genauso wie ihr Vater ihn einst durch ihre Mutter gelernt hatte. Trotz voran geschrittener Stunde versetzte es ihr einen Stich, dass Koichi bereits schlief. Schon in der nächsten Sekunde dachte sie wieder anders – vielleicht war es besser, wenn sie einfach mit den letzten Schatten der Nacht flüchtete.

„Ich werde dich nie vergessen, Koichi …“, flüsterte sie und beugte sich tiefer zu ihm herunter, um mit ihren Lippen seine Wange zu streifen, „Hiermit versiegle ich die Gefühle für dich in meinem Herzen!“

Gerade als sie sich wieder dem Fenster zuwenden wollte, griff er nach ihrer Hand und hielt sie fest.

„Wolltest du wirklich einfach so verschwinden?“, fragte Koichi mit traurigem Unterton.

Ryukii No Mai befreite sich von ihm und meinte: „Ich gehe zurück nach Hause. Das Jahr als Schattendiener war sehr wichtig für mich … aber ich gehöre nicht hierher. Es gibt eine Aufgabe, die ich zu erfüllen habe. Genauso wie du … Du bist der Sohn des Kaiser.“

„Was sagt das schon darüber aus, wer wir wirklich sind?“, gab Koichi nachdrücklich zurück und lächelte dann, „Ich habe mich vom ersten Moment an in dich verliebt, Ryukii!“

Sie ballte die Hände zu Fäusten, während sie zwischen den Zähnen hervor presste: „Koichi, bitte … Glaubst du mir fällt das alles leicht? Ich reise morgen früh ab, Ende der Diskussion.“

„Dann haben wir aber immer noch heute Nacht, oder?“, meinte er schelmisch und hielt sie mit seinen warmen, grünen Augen gefangen.

In einer einzigen, fließenden Bewegung überbrückte er den Abstand zwischen ihnen. Seine Leidenschaft raubte ihr beinahe den Verstand. Sie hatte nie davon zu träumen gewagt, ihm jemals nahe sein zu können und gab sie dem Gefühl vollkommen hin. Selbst die dunkelste Nacht konnte ihr Herz nicht vor dem Strahlen der Sterne verschließen … Und für diese eine Nacht war Koichi nicht länger der Kaiser und Ryukii No Mai keine Kämpferin für Cantha mehr. Sie waren nur noch ein Mann und eine Frau, die sich liebten! Und wie sie sich liebten. Die Assassine hatte aufgehört zu zählen, wie oft er sie mit seinen zärtlichen Berührungen und Bewegungen an den Rand des Wahnsinns trieb. Wieder und wieder vereinten sie sich, bis die Morgendämmerung unaufhaltsam bevorstand. Koichi´s Kopf ruhte auf ihrer Brust und sie streichelte ihm durch das abstehende, tiefschwarze Haar.

Bevor er in den Schlaf dämmerte, murmelte er noch: „Ich bin der zukünftige Kaiser … Nur dir kann ich nichts befehlen. Aber ich bitte dich … komm´ irgendwann zu mir zurück. Glaub´ mir, Ryukii, ein Wort von dir … und ich lege meine Krone sofort nieder.“

Ryukii No Mai küsste ihn auf die Stirn. Tiefe Dankbarkeit durchströmte sie. Ja, nur ein Wort und sie könnte mit Koichi zusammen sein. Ohne Versteckspiel, für den Rest ihres Lebens glücklich vereint. So wie Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo.

Sie öffnete den Mund, wollte ihr Glück hinausschreien, aber es waren andere Worte, die ihn verließen: „Unser Reich braucht dich … Wer soll es führen, wenn nicht du? Du wirst ein wunderbarer Kaiser werden, Koichi. Alle werden dich verehren … und lieben. Genauso wie ich es tue.“

Jede Silbe schnitt ihr eine Wunde ins Herz – für das Wohle Cantha´s. Zum ersten Mal verstand Ryukii No Mai den Schmerz, den ihre Eltern unzählige Male durchlitten hatten. Es war nicht der Ruhm, der einen Helden ausmachte, viel mehr bedeutete es, sein eigenes Interesse zurückzustellen, um das richtige zu tun. Shikon No Yosei hatte einmal gesagt, jeder Mensch käme in seinem Leben irgendwann einmal an Punkte, an denen er sich entscheiden müsse und es keinen Mittelweg gab. So wie jetzt … Geräuschlos traten die Tränen über ihre Augenränder. Koichi war inzwischen fest eingeschlafen. Die Assassine stahl sich noch ein paar wenige Momente der Zweisamkeit, bevor sie vollkommen ungesehen durch sein Zimmerfenster hinaussprang – unwissend, dass sie von nun an einen Jungen kaiserlichen Geblüts unter dem Herzen tragen würde …
 

Von Stärke und Liebe

Ganz Gentleman-like hatte der Elementarmagier Toki No Kibo den Vortritt gelassen. Darum standen die beiden im Haus zu Heltzer vor dem Oberhaupt der Kurzick.

Gräfin Danika hieß sie in ihrer Mitte herzlich willkommen: „Es ist mir eine besondere Ehre und eine persönliche Freude die Kinder meiner lieben Freunde und größten Helden Cantha´s unterrichten zu dürfen! Toki und Yoso, ihr habt mein Wort, ich werde alles dafür tun, damit ihr euch im Echowald wie zu Hause fühlt.“

Toki No Kibo und Yoso No Koshi neigten die Köpfe. Sie schmunzelten. Shikon No Yosei hatte ihnen bereits von dem überschwänglichen Eifer Danika´s berichtet.

„Wir hätten eine Bitte an Euch …“, meinte der Elementarmagier darum plötzlich wieder ernst, „Es stimmt, wir sind die Kinder der drei lebenden Legenden … aber bitte behandelt uns deshalb nicht bevorzugt.“

Danika blinzelte überrascht, dann lächelte sie sanft und antwortete: „Ich verstehe. Ich kenne diesen Blick … So wie ihr habe ich mich früher auch mal gefühlt. Alle haben in mir nur die Tochter ihres Oberhaupts gesehen … In Ordnung, ich berücksichtige euer Anliegen.“

„Habt vielen Dank, Gräfin! Wir werden Eure Erwartungen sicher nicht enttäuschen und den Kurzick alle Ehre machen!“, bestätigte die Mönchin voller Eifer.
 

Dieser Eifer wurde in den folgenden Monaten allerdings auf eine harte Probe gestellt – Danika forderte sie, bis weit über ihre Grenzen hinauszugehen. Ungeahnte Kraftreserven brachen aus ihr hervor. Und Yoso No Koshi lernte mehr über die Kontrolle der Erde – damit kam er seinem Ziel, alle vier Elemente perfekt beherrschen zu können, einen großen Schritt näher. Schon bald konnte er das gesamte Arsenal des Echowaldes im Kampf zu seinem Vorteil nutzen, während Toki No Kibo ihm Rückendeckung gab. So wurde aus den beiden schnell ein eingespieltes Team. Kein Wunder also, dass die Gräfin am Ende des Halbjahres nicht nur Toki No Kibo prüfen wollte, sondern Yoso No Koshi sollte ebenfalls daran teilnehmen.

„Ich habe mit den Stammhaltern der fünf Häuser gesprochen … und sie zu einem Turnier eingeladen.“, erklärte Danika, „Ihr, Toki und Yoso, tretet als unabhängige Teilnehmer an. Geht ihr als Gewinner hervor, habt ihr bestanden.“

Toki No Kibo biss sich auf die Unterlippe, bevor sie fragte: „Und wenn wir durchfallen?“

„Ich glaube an euch. Ihr könnt gewinnen!“, entgegnete die Kurzick lächelnd, „Ich sehe in euch denselben Kampfgeist, den ich bereits von Shiko und Ohtah kenne … Wenn ihr euch genauso bedingungslos vertrauen könnt, werden die Vertreter der Häuser keine Chance haben! Ich meine natürlich, sie werden sich sehr anstrengen müssen. Ach ja … für das Haus zu Heltzer wird übrigens mein Sohn Darius antreten. Ich bin gespannt zu sehen, wie du dich gegen ihn schlagen wirst, Toki. Mögen die Sechs Götter uns wohl gesonnen sein!“
 

Sie standen vor dem Tor, das in die Kampfarena des Echowaldes führte. In wenigen Minuten würde das Turnier der Häuser und damit ihre Prüfung bei den Kurzick beginnen.

„Hast du Angst?“, wollte Yoso No Koshi von seiner Partnerin wissen.

Toki No Kibo griff nach seiner Hand, traute sich aber nicht ihn anzusehen, als sie erwiderte: „Nein, eigentlich nicht … Wir können es schaffen. Zusammen … Und danke, dass du mir so geholfen hast. Es war ja mein Wunsch hier zu lernen … und auch, wenn Shiko wollte, dass du mit kommst-“

„Ehrlich gesagt, wollte dich auch ohne ihren Wunsch begleiten.“, unterbrach der Elementarmagier sie und zwinkerte schelmisch, „Sonst hätte ich mich die ganze Zeit nur um dich gesorgt.“

Röte schoss ihr Gesicht und sie erwiderte etwas kleinlaut: „Und … was ist mit Ryukii? Machst du dir um sie keine Sorgen? Ich meine, sie doch deine Schwester … und stet dir näher, als sonst irgendjemand.“

Er drückte ihre Hand stärker und antwortete: „Es stimmt, Ryukii ist meine Schwester … und klar frage ich mich, ob sie allein in Kaineng zurechtkommt … aber das heißt nicht, dass sie die einzige ist, die mir etwas bedeutet.“

Bevor Toki No Kibo noch etwas anderes sagen oder tun konnte, ertönte das Signal zum Start des Turniers. Das Tor öffnete sich und gab den Blick auf ein kreisrundes Gelände frei. Ringsherum standen versteinerte Bäume, die nur vereinzeltes Zwielicht hindurch ließen. Ihr erster Gegner waren die Waldläufer aus dem Haus Lutgardis, die sich mit Melandru verbunden fühlten und wunderbare Musik komponierten, von der Natur selbst inspiriert. Yoso No Koshi lief hinaus ins Gelände. Die Waldläufer positionierten sich zwischen den Bäumen, manche kletterten sogar auf die Äste und bezogen dort Stellung. Von allen Seiten blitzen ihm schussbereite Pfeilspitzen entgegen. Da umgab ihn der kühle Hauch des Schutzgeistes. Yoso No Koshi lächelte leicht. Es wurde Zeit Toki No Kibo seine Stärke und Zuverlässigkeit zu beweisen. Er kanalisierte die Energie der Erde, zog die Kraft aus den uralten Bäumen – ein Trick, für dessen Entwicklung die Kurzick etliche Jahrzehnte benötigt hatten. Überall auf dem Platz schossen kleine Steine umher, sodass man sie mit bloßem Auge kaum noch erkennen konnte. Jedes Geschoss zog die Pfeile und Bögen der Waldläufer mehr in Mitleidenschaft. Bis sie schließlich in Holzspänen in ich zusammenfielen.

„Der Kampf ist beendet!“, rief der Schiedsrichter, ein Krieger aus der kaiserlichen Armee, der extra wegen des Wettkampfes in den Echowald gekommen war, damit es unter den Häusern keine Streitigkeiten gab, „Die Shing Jea-Kämpfer haben gewonnen!“

Toki No Kibo warf sich Yoso No Koshi an den Hals und umarmte ihn vor Freude. Er hielt sie einen Moment fest, bevor die Euphorie der beiden wieder etwas abebbte und sie sich verlegen ansahen.

Auch aus dem folgenden Kampf gegen die Durheim-Nekromanten gingen sie siegreich hervor. Die Mesmer von Brauer traten erst gar nicht an – Lyssa konnte man nur mit der Schönheit eines Erfolges ehren und den konnten sie diesmal nicht erringen. Mit den Kriegern aus dem Hause Vasburg hatten sie schon mehr Probleme, doch sie unterlagen letztendlich ebenfalls. Blieb nur noch das Haus zu Heltzer. Darius, Sohn Danika´s und bekanntester Mönch des Echowaldes, stand ihnen nun gegenüber.

Yoso No Koshi wollte das Finale eröffnen, doch Toki No Toki hielt ihn auf: „Warte, Yoso … Du hast bereits gezeigt, was du gelernt hast. Ich wollte meine Fähigkeiten im Echowald verbessern. Deshalb muss ich es diesmal allein schaffen … Darius ist mein Gegner!“

Dem Elementarmagier stand sprichwörtlich der Mund offen. Sie schritt an ihm vorbei und bezog in der Mitte der Kampffläche Stellung. In Gedanken betete sie zu Dwayna, der Göttin des Lebens und bat Seiketsu No Akari um Kraft. Sie wollte, dass ihre Ziehmutter stolz auf sie war. Entschlossen öffnete Toki No Kibo ihre Augen und Darius warf einen Speer aus Licht, der auf sie zuraste. Doch die junge Mönchin war vorbereitet – eine Aegis baute sich vor ihr auf, welche den Angriff abblockte. So ging es eine Weile hin und her. Peingebet prallte auf Schutzgebet. Darius und Toki No Kibo führten eine besondere Art von Kampf aus – derjenige mit dem schwächeren Willen würde verlieren! Der Kurzick spürte, wie seine Energie langsam zu schwinden begann, darum nutzte er seine gesamten verbliebenen Kraftreserven für einen letzten Zauber – den Strahl des Urteils. Der Schutzgeist war dem nicht gewachsen und Toki No Kibo brach unter der gewaltigen Säule aus Peinmagie in die Knie, als sich ein goldener Schein über sie legte. Mit jeder weiteren Sekunde wurde der Strahl des Urteils zunehmend schwächer. Beide Mönche kauerten am Boden, keiner verfügte mehr über ein Fünkchen Magie.

„Wage es nicht aufzugeben, Toki!“, schrie Yoso No Koshi, „Ich glaube an dich! Und Tante Seiketsu tut es auch!“

Darius versuchte verzweifelt sich hochzukämpfen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht.

Der Schiedsrichter betrachtete die Situation kritisch und meinte: „Da keiner der beiden Kontrahenten mehr aufzustehen kann, erkläre ich dieses Turnier mit einem Unentschieden für beendet.“

„Noch … nicht.“, hauchte Toki No Kibo erschöpft und stand – wie durch ein Wunder – aufrecht im Kampfring.
 

Durch diesen Kampf gegen Darius hatte Toki No Kibo erkannt, dass es für Mönche noch andere Möglichkeiten gab jemanden zu beschützen, als nur aus dem Hintergrund heraus zu heilen und zu unterstützen. Sie wollte lernen für sich und andere selbst einzustehen – mit Peingebeten. Anders als im vergangenen halben Jahr trainierten Yoso No Koshi und Toki No Kibo diesmal nicht gemeinsam, sie sahen sich allgemein nur noch selten. Argo´s Ziel war, dass der junge Elementarmagier die Verbindung von Feuer, Wasser, Erde, Luft und deren Verstärkung durch die arkane Energie beherrschen lernte. Das merkwürdigste hierbei waren allerdings seine Methoden – er band den jungen Elementarmagier in allerlei seltsame Aufgaben ein, wie die Zurückeroberung eines Schiffs von den Geächteten, Ausrottung von Naga, Kappas und Yetis. Es wirkte fast so, als wolle das Oberhaupt der Luxon ihn für die Arbeit seiner Fraktion ausnutzen, doch Yoso No Koshi glaubte an die Worte seiner Mutter, Argo hätte zwar eine etwas exzentrische Art, man könne sich jedoch vollkommen auf ihn verlassen. Viel schlimmer als unter seinen Missionen litt Yoso No Koshi unter der Trennung von Toki No Kibo, der es nicht anders ging. Sie standen beide jeden Abend an ihren Fenstern und träumten voneinander. Ohne die Gefühle und Gedanken des anderen zu kennen …
 

Yoso No Koshi stand auf einem Plateau, bereit Argo in einem Duell der Elementarmagier gegenüberzutreten. Doch er erschien nicht allein – Toki No Kibo begleitete den Luxon. Eine unbändige Wut stieg in ihm auf. Was hatte sie mit ihm zu schaffen? Ihm ging sie seit Monaten aus dem Weg, aber mit Argo verbrachte sie offensichtlich ihre Freizeit!

„Yoso.“, nickte Argo ihm zu, „Es ist Zeit, deine Fähigkeiten auf die Probe zu stellen …“

Der Jüngere erwiderte seinen Blick ernst. Toki No Kibo schwieg sich aus, suchte allerdings mit ihren Augen seine Aufmerksamkeit. Etwas lag in ihnen, das Yoso No Koshi noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte. Innerlich winkte er ab, er musste sich auf Argo konzentrieren und alles auspacken, was in ihm steckte. Flammen umhüllten seine rechte Hand, links bildeten sich Wassertropfen, Wind wehte um ihn herum und wirbelten Blätter mit sich. Der Luxon dagegen zeigte keine Anzeichen von Kanalisierung, was Yoso No Koshi nur noch wütender machte. Doch als er den ersten Zauber weben wollte, erzitterten die Jadewellen unter ihren Füßen und alle drei stürzten. Eine grässliche, gigantische Kreatur mit unzähligen Beinen und Fangarmen baute sich vor ihnen auf und nahm ausgerechnet Toki No Kibo ins Visier. Yoso No Koshi rappelte sich auf und warf sich gegen das Monstrum. Gesteinsbrocken schlugen auf ihn ein, Windböen drückten ihn gen Boden, Flammenzungen krochen seinen widerlichen Körper entlang, feiner Nebel blendete ihn – alle vier Elemente wirkten auf ihn ein und entfesselten reine Energie, die das ganze Plateau durchflutete.

Nachdem sich das Licht verzogen hatte, eilte er an Toki No Kibo´s Seite und half ihr auf, dann wandte sie sich bereits an Argo: „Gehörte das etwa auch zu deinem Plan?“

Der Luxon schüttelte den Kopf: „Das war ein … Leviathan. Glaub´ mir, ich hätte nie für möglich gehalten, dass ein Wesen aus der Tiefe an die Oberfläche gelangen kann.“

„Und was sollte das mit dem Plan?“, wollte Yoso No Koshi verständnislos wissen.

Ein beinahe melancholischer Ausdruck trat auf Argos Gesicht, als er erklärte: „Yoso, du ähnelst so sehr deiner Mutter … doch ich sehe auch deinen Vater in dir. Ich wusste, du würdest wütend werden, wenn ich zusammen mit Toki zu unserem Kampf auftauchen würde. Ohtah hat damals genauso reagiert … Ich wollte, dass du ohne Skrupel alles aus dir herausholst. Nun besteht keine Notwendigkeit mehr gegen dich zu kämpfen. Ich habe vor Jahren gegen Shiko verloren … Und du bist stärker, als sie es damals war. Vielleicht wirst du irgendwann sogar mächtiger sein, als sie es jemals gewesen ist. Deine Eltern können wirklich stolz auf dich sein! Allerdings solltest du nicht denselben Fehler machen, wie sie …“

Er sah zu Toki No Kibo und Yoso No Koshi verstand. Damit zog sich Argo zurück, seine Arbeit war getan. Die beiden Shing Jea setzten sich auf eine steinerne Welle. Anspannung lag elektrisierend in der Luft.

„Ich … habe dich vermisst, Yoso.“, gestand die Mönchin verlegen, „In den letzten Monaten … wollte ich zu einer Frau werden, die stark genug ist, um an deiner Seite stehen zu können.“

Überraschung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab und er erwiderte ernst: „Du bist stark! Deine Herzlichkeit und deine Hilfsbereitschaft sind bewundernswert … Vielleicht hätte ich dir das einfach schon früher sagen sollen. Toki, ich will, dass du bei mir bleibst!“

Er griff nach ihrer Hand und legte sie auf seine Brust – genau auf die Stelle, wo sein Herz in einem schnellen Rhythmus schlug. Ein Schauer fuhr durch Toki No Kibo. Warum nur hatten sie die ganze Zeit aneinander vorbei geredet? Sie lächelte und nickte dann. Yoso No Koshi wartete keine Sekunde länger, sondern küsste sie einfach.
 

Die neuen Verteidiger von Cantha

So war das Jahr für Yoso No Koshi, Toki No Kibo und Ryukii No Mai wie im Flug vergangen … und genau wie prophezeit, ergab die Frist nun auch für sie einen Sinn. Dagegen hatten Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo und Seiketsu No Akari regelrecht die Tage bis zu ihrer Rückkehr gezählt. Das Schiff aus Kaineng hatte bei Sonnenaufgang am Hafen von Seitung angelegt. Es war früh und ruhig, als drei Personen den großen Innenhof des Klosters von Shing Jea betraten. Sie wirkten reifer, fast schon erwachsen. Die naiven Züge waren aus ihren Gesichtern verschwunden. Zwölf ereignisreiche Monate lagen hinter ihnen. Während der Elementarmagier und die Mönchin das erste halbe Jahr von den Kurzick unterrichtet worden waren und anschließend unter den Luxon gelebt hatten, war aus der Assassine ein berüchtigter Schattendiener geworden.

Wie jeden Morgen machte Seiketsu No Akari in Begleitung von Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo ihren Rundgang über das Klostergelände. Die drei lebenden Legenden blieben wie erstarrt stehen, als sie ihre Kinder in der Mitte des Platzes erkannten. Freudentränen bildeten sich in den Augen aller Anwesenden. Ungestüm rannten sie aufeinander zu und schlossen sich herzergreifend in die Arme.

Viele Stunden lang berichteten Yoso No Koshi, Ryukii No Mai und Toki No Kibo von ihrem Abenteuer in der Ferne. Sie prahlten sogar ein bisschen. Und natürlich war die Vertrautheit zwischen dem Elementarmagier und der Mönchin besonders Shikon No Yosei und Seiketsu No Akari aufgefallen. Als das Gespräch auf dieses Thema gekommen war, hatte sie sich deutliche Mühe geben müssen, sich nichts anmerken zu lassen – der Trennungsschmerz nagte an ihr.

Am späten Nachmittag, nachdem sich alle etwas ausgeruht hatten, wurde Shikon No Yosei sehr ernst: „Yoso, Ryukii, Toki … der Zeitpunkt ist gekommen. Ihr wisst, welche Frage ich euch stellen will … Welchen Weg wollt ihr gehen?“

Darüber hatten die drei während der Überfahrt bereits gesprochen – und eine einstimmige Entscheidung getroffen: „Wir werden unsere ganze Kraft und jedes Fünkchen Leben, das in uns steckt, einsetzen, um Cantha und Shing Jea zu beschützen!“

„Dann folgt uns.“, entgegneten die drei lebenden Legenden.
 

Shikon No Yosei führte ihre Tochter aus dem Dorf hinaus ins freie Feld. Vor ihrem Schrein blieb sie stehen und bedeutete Ryukii No Mai sich neben sie zu setzen.

„Du weißt sicher, wie viel mir dieser Ort bedeutet. Ich habe dir und Yoso erzählt, dieser Ort sei eine Gedenkstätte für meinen getöteten Meister …“, begann sie mit leiser Stimme ihre Erzählung, „Aber einige Jahre nachdem ich den Schrein angelegt hatte, habe ich ihn erweitert … Es gibt etwas, das ich euch in den all den Jahren verschwiegen habe. In meinem Körper lebte eine Zeit lang auch der Geist einer anderen Elementarmagierin. Ihr Name war Teinai … Sie hat ihr Leben dem Schutze Canthas gewidmet. Nach ihrem Tod wurde sie im Tahnnakai-Tempel beigesetzt. Dort bin ich ihr begegnet … Und sie gab mir ihren Segen. Teinai war es, die mir die Kraft gegeben hat meine wahre Stärke zu finden. Während des Kampf gegen Abaddon´s Dienerin Varesh hat Teinai meinen Körper verlassen. Doch sie ist immer bei mir … Und ich weiß, sie wird auch dich beschützen. Dich … und das Kind, das unter ihrem Herzen heranwächst.“

Ein warmer Lichtstrahl ergoss sich über die beiden Frauen. Ryukii No Mai hatte hörbar nach Luft geschnappt und sich beinahe panisch die Hand auf den Bauch gelegt. Keinerlei Wölbung war zu erkennen.

„Wenn du dich genügend konzentrierst, wirst du es ebenfalls spüren … Seiketsu und ich haben es von der ersten Sekunde unseres Wiedersehens an bemerkt. Ich frage nicht, was in Kaineng geschehen ist, das du uns nicht erzählt hast. Du bist meine Tochter … und ich freue mich schon jetzt auf mein Enkelkind.“, antwortete Shikon No Yosei auf ihre unausgesprochene Frage, „Aber ich habe dich nicht nur hierher gebracht, um dir das zu sagen. Ich werde nie vergessen, wie mich Meister Togo einst auf meinen Weg geführt … Doch mein Dasein als Verteidigerin endet am heutigen Tag. Denn Ohtah, Seiketsu und ich legen die Zukunft unserer Heimat nun in eure Hände. Ihr, unsere Kinder, seid die neuen Verteidiger von Cantha!“

Während der letzten Worte löste Shikon No Yosei die silberne Kette von ihrem Hals und legte sie Ryukii No Mai um. So wie sie den herzförmigen Anhänger als Säugling einst von ihrer Mutter bekommen hatte, gab sie ihn nun an ihre Tochter weiter, die sie nur sprachlos anstarren konnte.
 

Ohtah Ryutaiyo stand wortlos inmitten der Unterstadt. Genau an der Stelle, wo er Shikon No Yosei vor so vielen Jahren zum ersten Mal gegenüber getreten war. Yoso No Koshi hielt sich hinter ihm und wartete ebenso schweigsam.

„Hier habe ich deiner Mutter versprochen, sie auf ewig mit meinem Leben zu beschützen … Ich habe meinen Schwur gehalten.“, brach der Assassine die Stille, „Eigentlich hatte meine Schuld gegenüber Cantha wieder gut machen wollen … aber in Wahrheit habe ich nur für Shiko gekämpft. Weil sie ein Teil dieses Landes ist, habe ich alles riskiert … Bis Shing Jea dann wirklich zu meiner Heimat wurde. Deshalb wünsche ich mir von ganzem Herzen, dass sie auch in Zukunft in Sicherheit ist … Ich vertraue dir, Yoso. Und ich weiß, du wirst Ryukii und Toki genauso beschützen, wie ich Shiko beschützt habe. Darum legen Shiko, Seiketsu und ich die Zukunft unserer Heimat nun in eure Hände. Ihr, unsere Kinder, seid die neuen Verteidiger von Cantha!“

Er legte ihm aufmunternd die Hand auf die Schulter. Ein stolzes Lächeln zierte sein Gesicht.
 

Seiketsu No Akari saß mit Toki No Kibo vor den Toren des Klosters von Shing Jea.

Die Leiterin des Klosters seufzte, bevor sie sagte: „Es gibt Nächte, in denen ich noch immer davon träume, wie ich dich hier gefunden habe, Toki … Du lagst in ein weißes Leinenbündel eingewickelt unter einem Baum. Es tut mir Leid, dass ich bis heute nicht herausgefunden habe, wer deine leiblichen Eltern sind … Aber glaub´ mir, ich habe dich vom ersten Moment an geliebt!“

Die junge Mönchin kuschelte sich enger an sie und antwortete: „Ich weiß, Mama, ich weiß. Und liebe dich auch! Du hast mich zwar nicht zur Welt gebracht … aber du hast mir mein Leben geschenkt! Zusammen mit Tante Shiko, Onkel Ohtah, Schwester Ryukii und … Yoso.“

„Du hast dich schon immer geweigert Yoso als deinen >Bruder< zu bezeichnen … Es freut mich, dass du glücklich bist und ihr zueinander gefunden habt.“, meinte Seiketsu No Akari mit einem Lächeln auf den Lippen, „Weißt du, obwohl ich so lange in Tyria studiert habe, kam für mich meine Liebe zu Shing Jea … und später natürlich zu dir stets an erster Stelle. Darum möchte ich dir einen Rat mitgeben, den du niemals vergessen darfst … Jede Entscheidungen zieht Konsequenzen mit sich. Und damit legen Shiko, Ohtah und ich die Zukunft unserer Heimat nun in eure Hände. Ihr, unsere Kinder, seid die neuen Verteidiger von Cantha!“

Sie streichelte Toki No Kibo sachte über die Wange und genossen gemeinsam den angenehmen Wind, der durch das Sunqua-Tal wehte.
 

Sie wussten, dass dieser Tag einst kommen würde … Dieser Tag, an dem eine neue Generation das Amt der Verteidiger von Cantha übernehmen würde. Umso stolzer waren die lebenden Legenden, ihre eigenen Kinder mit dieser Aufgabe betraut zu wissen. So geht das Leben von Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo, Seiketsu No Akari, Yoso No Koshi, Ryukii No Mai und Toki No Kibo weiter den Weg durch die Zukunft … Eine Zukunft, die neue Legenden hervorbringen wird. Denn gleichsam mit dem Ende dieser Erzählung wird ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Helden Cantha´s aufgeschlagen – die Kinder der Legenden!


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und wie angekündigt kommt auch dieses Buch - »Die Kinder der Legenden«! Aber vorher ein kleines Interlude für Zwischendurch. Komplett anzeigen

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