Zum Inhalt der Seite

Die Legende von Shikon No Yosei

Das Schicksal einer Elementarmagierin
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Die Inspiration für diese FF war das Game "Harry Potter: Hogwarts Mystery" von Jam City - aber wie üblich, habe ich es nach meinen eigenen Vorstellungen geschrieben.

Diese Geschichte spielt in der Welt der Harry Potter-Reihe von J. R. Rowling sowie Harry Potter: Hogwarts Mystery; einem Online-Rollenspiel, das von Jam City entwickelt wurde. Zudem ist die Handlung teilweise der Fantasie von Ami Diana Saphira Mercury entsprungen.
Geheimnisse … mächtig und gefährlich zugleich. Um ihnen auf den Grund zu gehen, bedarf es Neugier, Mut und ein Ziel. All dies trägt Nadeshiko Yosogawa bereits in sich – für sie ist Hogwarts mehr als nur eine Schule.[/]
Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Fanfiction 02: Die Legende der Verwunschenen Verliese

Willkommen in Hogwarts

Auf dem Bahnhof King´s Cross in London herrschte reger Betrieb – Geschäftsleute, Reisende und sonstige Pilger strömten über die Bahnsteige. Beinahe minütlich fuhren neue Züge ab oder trafen ein. Zwischen Gleis neun und zehn herrschte allerdings der größte Andrang. Vor allem an Familien mit Kindern, die alle einen oder sogar mehrere Gepäckwagen bei sich hatten, auf denen sich Koffer und zumeist auch Käfige mit Kröten, Katzen oder Eulen stapelten. Ein Anblick, der sich jedes Jahr am ersten September wiederholte. Denn an diesem Tag begann das neue Schuljahr in Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei in Schottland. Allerdings fuhr natürlich keiner der regulären Züge diesen Zielort an – nicht auszudenken wäre ein Muggel, ein Nicht-Magier aus Versehen eingestiegen. Deshalb verbarg sich hier bei der dritten von vier Säulen der Zugang zum geheimen Gleis neun dreiviertel, auf dem pünktlich um elf Uhr der Hogwarts-Express abfahren würde. Eine der neuen Schüler war Nadeshiko Yosogawa. Ihr schulterlanges, leuchtend rotes Haar verwehte wild vom Dampf der Lokomotive. Ihre braunen Augen leuchteten vor Begeisterung. Beim letzten Mal hatte sie nur ihre Schwester begleitet – vor drei, langen Jahren …

„Oneechan … endlich darf ich an jenen Ort … und ich werde dich nicht enttäuschen, das verspreche ich dir.“, murmelte Nadeshiko so leise, dass ihre Eltern sie nicht hören konnten.

Ihr Vater Togo Yosogawa – ein leicht grimmig wirkender Japaner – machte sich gerade auf den Weg, ihr Gepäck aufzugeben. Shirayuki, ihre schneeweiße Schleiereule, warf ihr einen traurigen Blick zu, doch Nadeshiko nickte aufmunternd.

Ihre Mutter Kai Yosogawa, eine Engländerin dagegen kämpfte beim Sprechen mit den Tränen: „Pass´ gut auf dich auf, ja? Hör´ immer auf deine Lehrer. Und schreib´ mir – ob du Freunde gefunden hast, wie der Unterricht ist und wann du uns besuchen kommst. Ja, Shiko?“

Eigentlich bedeutete ihr Name ja »Nelke« und sie liebte ihn sehr, aber diesen besonderen Spitznamen hatte ihre Schwester ihr einst gegeben.

„Es wird alles gut werden, Okasan.“, antwortete die Rothaarige lächelnd und umging damit absichtlich das eigentliche Versprechen, welches sie sich von ihr gewünscht hatte, „Ich muss los.“

Nadeshiko löste die Umarmung ihrer Mutter, als ihr Vater zurückkam. Leicht neigte sie das Haupt vor ihm – ihre japanische Erziehung hatte sie selbst hier in England nicht abgelegt – und er legte ihr eine Hand auf die Schulter.

„Bereite uns keine Schande.“, sagte er mit einem scharfen Unterton.

Sie sah ihn an und entgegnete: „Ich werde mir Mühe geben, Otosama.“

Bevor Nadeshiko in den Zug stieg, drehte sie sich noch einmal um und winkte ihren Eltern zum Abschied. Sie erinnerte sich noch genau an eine Zeit, da die beiden weder Trauer noch Verbitterung auf den Gesichtern getragen hatten. Sie war es gewesen, die traurig, sogar wütend gewesen war – weil Seiketsu ohne sie nach Hogwarts gefahren war … und dass nur, weil sie acht Jahre älter gewesen war. Doch nun war Nadeshiko selbst endlich an der Reihe, mit einem festen Ziel vor Augen!
 

Ein paar Stunden später entspannte sich Nadeshiko etwas in dem fast leeren Abteil. Weil sie einen Platz ganz am Ende des Zuges gewählt hatte, kam der Servierwagen zu ihr zum Schluss. Sie drängte in den engen Flur und überflog die Auslage, da knallte plötzlich jemand gegen sie, der sie zum Taumeln brachte. Ein Hand packte Nadeshiko am Arm, um sie vor einem Sturz zu bewahren. Der Junge, der sich erst angerempelt hatte und nun festhielt, hatte fransiges, braunes Haar und durchdringend smaragdgrüne Augen.

„Oh, entschuldige.“, meinte er etwas verlegen, wobei er sich mit der freien Hand am Hinterkopf kratzte, „Ich bin wohl ein bisschen aufgeregt. Meine Familie lebt dermaßen abseits von allem, dass ich eigentlich noch fast gar keinen Kontakt zu jemandem hatte, der nicht zu meiner Verwandtschaft gehört.“

Das überraschte sie im Grunde nicht weiter – es gab viele magische Familien, die sich vor der Welt verbargen. Das internationale Statut der Geheimhaltung wurde stetig verschärft, je weiter die Muggel ihre Technologien entwickelten.

Lächelnd erwiderte sie: „Mein Name ist Nadeshiko Yosogawa, aber man nennt mich Shiko. Wenn du möchtest – in meinem Abteil ist noch ein Platz frei.“

„Danke!“, gab der Braunhaarige sichtlich überrascht zurück, „Ich bin Ohtah … Ohtah Shadowdragon. Kennst du eigentlich schon jemand in Hogwarts?“

Ein kaum merklicher Schatten huschte über ihr Gesicht: „Nicht wirklich … das hat sich ja gerade geändert.“

Sie suchten sich eine riesige Menge Süßkram aus und teilten ihre Beute miteinander. Während der gesamten restlichen Zugfahrt unterhielten sie sich über allerlei – bis die einsetzende Dämmerung von einer baldigen Ankunft kündete und sie ihre Umhänge überstreiften.

„Was glaubst du, in welches Haus du eingeteilt wirst?“, fragte Ohtah, nachdem sie sich wieder gesetzt hatten.

Die Rothaarige schwieg kurz, bevor sie knapp entgegnete: „Gryffindor.“

Für das, was vor ihr lag, brauchte sie den Mut von Godric Gryffindor; Seiketsu dagegen war eine Anhängerin Rowena Ravenclaws gewesen.

Ohtah wirkte leicht mitgenommen, als er erklärte: „Ich befürchte, mich wird es wie alle aus meiner Familie nach Slytherin verschlagen. Shiko … selbst wenn wir in unterschiedliche Häuser kommen, können wir doch Freunde sein, oder nicht?“

Ein glockenhelles Lachen drang aus ihrer Kehle: „Natürlich! Was dachtest du denn? Und außerdem ist kein Haus verwerflich – wir können weit mehr sein, als ihr Ruf.“

In diesem Moment geschah es – Ohtah´s Herzschlag erhöhte sich und er errötete. Den Grund dafür würde er aber erst sehr viel später wirklich begreifen …
 

Kaum waren sie am Bahnhof von Hogsmeade angelangt, rief ein mehr als hünenhafter Mann die Erstklässler zusammen. Er trug einen dicken, braunen Pelzmantel, der ihn so breit wie hoch wirken ließ. Sein Gesicht wurde von zotteligen Haaren auf dem Kopf und von Ohr zu Ohr eingerahmt. Auf einen dicken, roten Wangen lag ein breites Lächeln. Es war Rubeus Hagrid, ein Halbriese, der Hüter der Schlüssel und Ländereien von Hogwarts sowie Professor für Pflege magischer Geschöpfe. Er geleitete die Schüler des ersten Jahrgangs zum Anlageplatz am Schwarzen See, wo sie in kleinen Grüppchen in Boote mit Laternen stiegen. Nadeshiko hielt sich dicht bei Ohtah, damit sie nicht schon jetzt getrennt wurden. So schipperten sie über das Wasser auf das gewaltige Schloss zu, dessen Silhouette sich schwarz gegen das Mondlicht abhob. Kein Wunder, dass sie Hogwarts auf diese Weise zum ersten Mal zu sehen bekamen – es war ein magischer Anblick, der nicht von besonderen Fähigkeiten geschaffen worden, sondern einzig ein Schauspiel der Natur war. Nun begriff Nadeshiko, was Seiketsu ihr hatte begreiflich machen wollte … warum Hogwarts ein so besonderer Ort war, mehr als nur eine Schule. Im Stillen dankte sie den Kami, japanischen Shinto-Göttern dafür, dass sein Vater ins englische Konsulat versetzt worden war – Mahoutokoro befand sich im Innern eines Vulkans und hatte ein vollkommen anderes Schulsystem. Allerdings wäre ihr dort vielleicht mancher Schicksalsschlag erspart geblieben …

Auf der anderen Seite machten sie in einem kleinen Bootshäuschen fest und stiegen zickzackförmige Treppe hinauf zum Eingangsportal, das von selbst aufschwang. Die Wände im Innern waren unglaublich hoch, es gab unzählige Treppen und an jedem Fleckchen hingen Gemälde, die sich bewegten. Nichts zeugte mehr davon, dass das Schloss vor zehn Jahren bei der sogenannten »Schlacht von Hogwarts« fast vollkommen zerstört worden war – damals hatte Harry Potter den finalen Kampf gegen den bösesten aller schwarzen Magier angeführt. Ihre Familie hatte zu diesem Zeitpunkt noch in Japan gelebt, doch selbst dort war die Angst vor Lord Voldemort deutlich spürbar gewesen. Kein Wunder, schließlich war ihre Mutter genau deshalb nach Asien ausgewandert …

„Hinter mir befindet sich die Große Halle; sie ist das Zentrum von Hogwarts, die Speisen werden dort eingenommen und zwischenzeitlich auch als Aufenthaltsraum und für schriftliche Prüfungen genutzt.“, erklärte Hagrid und deutete auf ein weiteres, hölzernes Tor ihrer Rechten, „Aber ich will euch gar nicht damit langweilen – die anderen Schüler sitzen bereits auf ihren Plätzen. Ach, für jedes Haus gibt es einen eigenen Tisch und wenn der Sprechende Hut gewählt hat, setzt ihr euch einfach entsprechend. Um den Rest werden sich dann die Vertrauensschüler kümmern.“

Er kehrte ihnen den Rücken, stieß die Tür auf. Sofort drang Stimmengemurmel an ihre Ohren, welches jäh verstummte. An der Stirnseite stand der Tisch für die Lehrer quer im Raum auf einem Podest. Davor entdeckten die Neuankömmlinge einen Hocker mit einem uralten Filzhut und einen Stuhl. Daneben stand eine ältere Hexe in grüner Robe, in Händen hielt sie ein zusammengerolltes Pergament.

„Ich heiße Sie willkommen in Hogwarts! Wie Sie sicher wissen, gibt es bei uns vier Häuser – Gryffindor, Ravenclaw, Huffelpuff und Slytherin; eines davon wird für die nächsten sieben Jahre Ihre Familie sein.“, berichtete Professor Minerva McGonagall mit schneidender Stimme.

Da begann sich der zerknautschte Hut zu bewegen und zu singen: „Familie und Freunde, das ist fein – große Hexen und Zauberer wollt ihr sein. Als Lernstätte einst erbaut, ich bin schon ganz ergraut, so viel Zeit ist vergangenen, seit im Zeichen der Schlangen, Dachsen, Löwen und auch Raben, die Gründer unterrichtet haben. Wer geht hier ein und aus? Schüler – frisch von zu Haus´. ZAG und UTZ sie bekommen, dabei haben sie noch gar nicht vernommen, Geheimnisse sich noch immer verbergen und Verliese unerkannt beherbergen.“

Nadeshiko erstarrte und hörte nicht mehr, was der Sprechende Hut noch so alles von sich gab – nicht einmal als die ersten Namen aufgerufen wurden, bekam sie es wirklich etwas mit. So unglaublich oft hatte sie in unzähligen Artikeln über die angeblichen Lügengeschichten ihrer Schwester gelesen, weil die Verwunschenen Verliese nicht existierten würden … Tränen standen in ihren Augenrändern. Niemals hatte Nadeshiko daran gezweifelt und damit auf verlorenem Posten gestanden, kaum war sie dagegen in Hogwarts wurde ihr ein erster Hinweis präsentiert!

„Shadowdragon, Ohtah.“, rief die Direktorin, wobei der Klang seines Namens Nadeshiko wieder in die Realität verfrachtete.

Sie erwiderte Ohtah´s Blick und nickte entschieden, um ihre Worte im Zug nochmals zu bekräftigen, was ihn lächeln ließ.

Die Hutkrempe berührte nur für wenige Sekunde sein Haupt, da verkündete er bereits: „Slytherin!“

Ja, so hatte er es bereits geahnt … alle Mitglieder seiner Familie waren im Namen von Salazar Slytherin unterrichtet worden, so sehr er ihre Traditionen auch verabscheute, nun erfüllte er sie ebenfalls … Doch das würde nichts ändern, daran glaubte Nadeshiko fest und auch Ohtah setzte sein Vertrauen darauf!

Da die Schüler alphabetisch nach ihren Nachnamen geordnet waren, musste Nadeshiko bis zum Schluss warten. Sofort brach lautes Getuschel an den Tischen los, nach sie aufgerufen worden war – dabei hatte die ganze Zeit Schweigen geherrscht –, selbst einige der Lehrer steckten die Köpfe zusammen. Nadeshiko biss sich auf die Unterlippe, ballte die Fäuste. Ja, sie war eine Yosogawa … und stolz darauf! So marschierte sie auf Professor McGonagall zu, die ihr unbeeindruckt von der übrigen Reaktion den Sprechenden Hut aufsetzte.

Sofort hörte sie seine nachdenkliche Stimme: „Oh, wieder mal ein ganz schwieriger Kandidat … Tapferkeit, Einfallsreichtum, Hilfsbereitschaft, Intelligenz – ich sehe Eigenschaften aller in dir. Hm, und einen Wunsch … Ich verstehe, es ist dir also ernst. Nun gut – Gryffindor!“

Anders als bei ihren Vorgängern applaudierten die Schüler diesmal nicht. Geschockte Gesichter starrten ihr entgegen. Einsamkeit war für Nadeshiko kein neues Gefühl … Seit drei Jahren kam es ihr so vor, als würde ihr ein Teil fehlen. Ein stummes Seufzen verließ ihre Kehle. Von Ohtah´s wachsamen Blick begleitet, setzte sie sich zu ihren Hausgenossen.

„Willkommen in Gryffindor, schöne Frau!“, begrüßte sie zu aller Überraschung ein junger Mann, der mindestens zwei Jahre älter sein musste, „Ich heiße Argo Turtles.“

Er lächelte charmant und Nadeshiko freute sich über seine Worte, aber gleichzeitig verspürte sie merkwürdigerweise ein schlechtes Gewissen. Daher nickte sie nur knapp. Kurze Zeit später eröffnete Professor McGonegall das Bankett, in dessen Anschluss die Erstklässler von ihren Vertrauensschülern in die jeweiligen Gemeinschaftsräume und dort in ihre Schlafsäle geführt wurden. Immer fünf Mädchen oder Jungen teilten sich einen; doch es gab nur eines, dessen Anblick Nadeshiko´s Herz berührte – ihre Schleiereule saß neben ihrem Bett auf einer Metallstange. Sofort eilte sie zu ihrer gefiederten Freundin und streichelte sie, woraufhin Shirayuki einen wohligen Laut von sich gab. Mit einem Mal fühlte sich Nadeshiko unglaublich erschöpft und fiel mehr ins Bett, als dass sie sich hineinlegte.
 

Kaum war Nadeshiko am nächsten Morgen zum Frühstück in die Große Halle zurückgekehrt, hielt sie nach Ohtah Ausschau. Da legte ihr jemand von hinten die Hand auf die Schulter. Gesuchter Slytherin stand mit einem leicht verlegenen Lächeln vor ihr, da umarmte sie ihn auch schon stürmisch. Obwohl die beiden einander gerade erst getroffen hatten, kam es ihr – und auch ihm – so vor, als kannten sie sich bereits viele Jahre oder sogar ihr ganzes Leben lang.

„Wie sieht dein Stundenplan für heute aus?“, wollte er interessiert wissen.

Ein Grinsen trat auf ihr Gesicht, als sie antwortete: „Erst Geschichte der Zauberei, dann Kräuterkunde. Wir haben zusammen Verteidigung gegen die dunklen Künste und nach dem Mittagessen sogar noch … Fliegen.“

Der Unterricht in Hogwarts wurde stets in Doppelstunden und von zwei Häusern aus einem Jahrgang zusammen abgehalten. Jeder Lehrer durfte sämtlichen Schülern Hauspunkte verleihen oder natürlich abziehen – und jenes Haus, welches am Ende des Schuljahres die meisten Punkte gesammelt hatte, gewann den Hauspokal.

Nach einer kurzen Verabschiedung setzten sich Nadeshiko und Ohtah schließlich an ihren jeweiligen Tisch, auf denen ein reichhaltiges Frühstück bereitstand. Es war wohl die geschäftigste Zeit und es herrschte von zahlreichen Gesprächen eine ziemlich hohe Lautstärke. Die Rothaarige schottete sich dagegen ab; von dem kleinen Hinweis des Sprechenden Hutes einmal abgesehen, half ihr das nicht dabei ihre Vorgehensweise zu planen, und die übrigen Schüler, welche ohnehin nur verächtliche Vorurteile hegten, interessierten sie ebenfalls nicht. Fast wäre die junge Hexe derart in ihrem Grübeln über die Verliese abgedriftet, dass sie die erste Stunde verpasst hätte! Und ausgerechnet Geschichte der Zauberei … das langweiligste Fach von allen, unterrichtet von einem der Schlossgeister, Professor Cuthbert Binns – einst war er in der Nacht gestorben und am nächsten Morgen trotzdem ganz normal zum Unterricht gegangen. Wenn er nicht gerade einen monotonen Vortrag hielt, hielt er ein Nickerchen – was auch die schlechten Zensuren fast aller Schüler erklären konnte. Nadeshiko erinnerte sich, dass Seiketsu eine der wenigen Ausnahmen gewesen war … Ihr Gehirn hatte schier mühelos sämtliche Jahreszahlen und verdrehten Namen abgespeichert.

Einige ihrer Mitschüler waren bereits eingeschlafen und auch sie überkam ein Anflug von Müdigkeit, da sagte Professor Binns: „Ja, ja, so war das … die vier Gründer haben dieses Schloss komplett selbst erbaut – dennoch gibt es Gerüchte, dass auch andere Kräfte in Hogwarts wirken wie in den Verwunschenen Verliesen, was natürlich vollkommener Unfug ist. Geschichte hält sich einzig an Fakten! Wir sind hier sicher und-“

Sofort fuhr ihr Kopf hoch, doch der Geist beachtete sie gar nicht. Er war mitten im Satz abgebrochen und schlief selig. Das war etwas neues … ihre Macht entstammte einer fremden Quelle. Wenn sie selbst im Unterricht zur Geschichte von Hogwarts erwähnt wurden, würde Nadeshiko in der Bibliothek vielleicht noch mehr herausfinden! Dieser Gedanke beherrschte ihre völlige Aufmerksamkeit – bis sie Ohtah vor dem Klassenzimmer von Verteidigung gegen die dunklen Künste traf.

„Also … ich wollte dich fragen … Shiko, sollen wir zusammen sitzen?“, stammelte der Braunhaarige etwas unbeholfen.

Sie lachte, als wäre dies eine Selbstverständlichkeit, und nickte zustimmend. Die anderen Schüler wunderten sich sehr darüber – Gryffindor und Slytherin zusammen sah man wirklich nicht jeden Tag. Besonders einer Schülerin passte dieser Umstand ganz und gar nicht – Livia Daggerhood, denn sie selbst hatte ein Auge auf Ohtah geworfen. Professor Ramon Rien ließ sich dagegen davon nicht aus der Ruhe bringen.

„Was bedeutet >Verteidigung gegen die dunklen Künste<?“, begann er mit wanderndem Blick, „Es ist nicht nur der direkte Kampf gegen Schwarze Magier – sondern genauso die indirekte Auseinandersetzung mit den finsteren Kräften in uns selbst. Sie mögen jetzt vielleicht noch zu jung sein, um meine Worte zu verstehen … Jeder von uns besitzt innere Dämonen und wir können jederzeit Gefahr laufen von ihnen übernommen zu werden.“

Bei den meisten Schülern bildete sich nur ein einziges, großes Fragezeichen in ihren Köpfen – anders in Nadeshiko´s und Ohtah´s Fall. Während auch ein kleines Lächeln auf das Gesicht der Gryffindor geschlichen hatte, war der Gesichtsausdruck des Slytherins finster … so als läge ein Schatten darüber, welcher sich für den Rest der Zeit nicht mehr verzog. Stattdessen stürmte Ohtah beim Klingeln regelrecht aus dem Klassenzimmer.
 

Nach dem Mittagessen, dem der Braunhaarige ferngeblieben war, versammelten sich die Schüler zur ersten Flugstunde auf dem Trainingsgelände. Natürlich war Nadeshiko seine Reaktion nicht verborgen geblieben … Und wäre sie jemand anderes, hätte sie diese wahrscheinlich nicht zu deuten gewusst – Ohtah trug ebenso wie sie ein dunkles Geheimnis mit sich herum.

Allerdings lenkte ein weiteres Problem ihre Aufmerksamkeit auf sich … Ein knorriges Ungetüm mit widerspenstigem Reisig – der Schulbesen, welchen Madame Roland Hooch vor sie abgelegt hatte. Ein kalter Schauer überlief Nadeshiko. Sie fürchtete sich vor dem Fliegen … abzustürzen. Sie besaß keinerlei Vertrauen in diese Art der Fortbewegung.

„Strecken Sie Ihre rechte Hand aus und rufen >auf<“, erklärte die Professorin erwartungsvoll.

Einem einzigen Schüler gelang es, dass der Besen ihm gleich beim allerersten Mal gehorchte – Ohtah. Madam Hooch bedachte ihn mit einem anerkennenden Nicken. Nadeshiko dagegen traute sich noch nicht einmal das Wort laut auszusprechen.

„Du musst keine Angst haben.“, flüsterte jemand hinter ihr – Ohtah war an sie herangetreten, ohne dass sie etwas bemerkt hatte, „Es ist im Grunde genommen ganz leicht und … die Magie kommt ganz allein von dir, nicht aus dem Holz.“

Er nahm ihre Hand, um sie zu positionieren, und Nadeshiko hauchte kaum hörbar: „Auf …“

Trotz der geringen Lautstärke regte sich der Besen, er erhob sich und sie schloss ihre Finger fest um den Stiel. Dankbar drehte sie sich um, doch Ohtah war bereits zu seinem Platz zurückgekehrt und folgte der nächsten Anweisung – sich auf den Besen zu setzen. Die Halbjapanerin wusste, dass sie ganz dringend das Gespräch mit ihm würde suchen müssen …

„Na, muss dir Ohtah immer helfen oder schaffst du mickrige Gryffindor auch mal was selbst?“, kam es provokant von einer andere Slytherin.

Verblüfft starrte sie ihre Gegenüber an. Ihr beinahe schwarzes Haar glänzte rötlich im Sonnenlicht und wenn Nadeshiko es nicht besser gewusst hätte, hätte sie dieses Mädchen niemals auf gerade einmal elf Jahre geschätzt … Von der Anfeindung gegen ihre Person gefiel ihr aber vor allem nicht, wie sie den Namen von Ohtah betont hatte. Und so blieb dies in den kommenden Jahren nicht die einzige Auseinandersetzung zwischen Nadeshiko und Livia.
 

Jedoch ging Ohtah der jungen Hexe in die nächsten Tagen – mit großer Sicherheit absichtlich – aus dem Weg. Also wartete Nadeshiko nach dem Unterricht täglich an dem Ort, welchen er früher oder später aufsuchen musste – die Bibliothek. Als er eintrat, versperrte sie ihm den Weg … da er ahnte, sie würde keine Ruhe geben, ergab er sich und folgte ihr in einen leeren Gang.

„Freunde müssen einander vertrauen … Aber dafür muss man sich kennen und … aufeinander zugehen. Also … Ohtah, es gibt etwas, das du über mich wissen solltest. Ich … bedeute Ärger. Noch habe ich gegen keine Regel verstoßen – was wirklich ein Wunder ist –, das wird sich wohl sehr schnell ändern und nicht mehr aufhören, bevor ich diese Schule verlasse. Und ich kann noch nicht mal behaupten, dass ich dies mit einem Abschluss tun werde …“, sprach Nadeshiko und setzte sich resigniert auf den Boden, „Hast du schon mal von >Seiketsu Yosogawa, der Lügnerin< gehört? Sie ist meine ältere Schwester … und vor Jahren verschwand sie, irgendwo hier in Hogwarts – auf der Suche nach den sogenannten Verwunschenen Verliesen. Aber ich weiß, dass sie immer noch am Leben ist, ich spüre es einfach! Auch wenn unsere Eltern sie für tot erklärt haben … Ich werde sie eines Tages finden!“

Schweigen legte sich über die beiden. Nadeshiko rechnete damit, dass Ohtah jeden Moment anfangen würde, sie auszulachen oder für verrückt zu erklären.

Doch er berührte ihre Wange, während er entgegnete: „Und ich helfe dir dabei! Dafür sind Freunde schließlich da, nicht wahr? Ich verspreche es dir, Shiko – wir werden es schaffen, zusammen!“

Perplex schaute sie ihn an. Tränen stiegen in ihr auf. Zum ersten Mal seit Seiketsu´s Verschwinden wollte sie jemand unterstützen, glaubte ihr! Es hatte geschmerzt, als ihre Eltern das Zimmer ihrer Schwester leer geräumt hatten … und die Todesanzeige geschaltet worden war … Nun gab es eine Chance für Nadeshiko allen zu beweisen, dass sie unrecht hatten.

„Haben wir schon einen Plan?“, wollte Ohtah wissen.

Sofort wurde Nadeshiko ernst: „Nein, nicht wirklich. Ich habe absolut keine Ahnung, wie sie auf die Verliese gestoßen ist oder was es überhaupt mit ihnen auf sich hat …“

Ein schiefes Grinsen erschien auf Ohtah´s Lippen und erzog Nadeshiko zurück auf sie Füße. Sie verstand sofort, worauf er hinaus wollte – sie hätten eine Menge Arbeit vor sich … Und so kam es, dass Nadeshiko und Ohtah den größten Teil ihrer Freizeit mit der Nase in Büchern verbrachten. Je nach Wetterlage verlagerten sie ihre Studien nach draußen an den Schwarzen See, zeitweise auch in die Große Halle, wenn die Bibliothek zu überfüllt war … oder umgekehrt. Neben den zahlreichen Sticheleien, die sich allesamt auf Seiketsu bezogen, bereitete es Livia weiterhin ein ganz besonderes Vergnügen Nadeshiko herauszufordern und zu sabotieren – bei jeder Gelegenheit warf sie etwa falsche Zutaten in ihren Kessel oder forderte sie zu einem Duell heraus.

„Dieses Mal bist du fällig, Rotschopf! Locomotor Mortis!“, rief Livia und schwang den Zauberstab.

Nadeshiko wich dem Beinklammer-Fluch aus, erwiderte mit einer Ganzkörperklammer. Die Schwarzhaarige fiel bewegungsunfähig sowie erneut geschlagen zu Boden, eine neue Drohung zischend – denn die Gryffindor verlor nie ein Duell. Ab und zu wurden sie allerdings von Lehrern oder Vertrauensschülern erwischt, was Strafarbeiten bedeutete … sprich Zeitverzögerung für die Recherche – Pardon die bislang ohnehin erfolglose Recherche. Bis zu jenem beinahe schicksalhaften Tag, da Nadeshiko auf dem Rückweg vom Polieren im Pokalzimmer wie durch Zufall ein Gespräch zwischen Professor Horace Slughorn und Argus Filch belauschte.

„Wenn ich es Ihnen doch sage – verfluche Bälger, alle samt! Der ganze Korridor ist voll davon und keines meiner Mittel kann es auflösen. Sie müssen einen Trank brauen, der wieder Ordnung macht – und am besten verteilen Sie gleich noch ein wenig Veritaserum unter diesen verfluchten Rotzgören!“, beschwerte sich der schon weit, weit in die Jahre gekommene Hausmeister, während er seine Katze streichelte.

In der Hoffnung nicht entdeckt zu werden, lugte Nadeshiko um die Ecke. Das Gesicht des Meisters der Zaubertränke war unnatürlich blass … und gleichzeitig wirkte es grünlich, so als wäre ihm unsagbar schlecht. Irgendetwas war geschehen, das selbst für die Verhältnisse in Hogwarts nicht normal war … Und sie würde herausfinden, worum es sich dabei handelte! Wie ein Ninja aus den japanischen Sagen schlich sie den beiden Männern hinterher. Filch lief vorbei an seinem Büro, erklomm einen kleineren Treppenaufgang in der Nähe und blieb vor einer Holztür stehen. Professor Slughorn trat hinein, jedoch zog er Klinke hinter sich wieder ins Schloss. Da seine Aufgabe beendet schien, trottete der Hausmeister in Begleitung von Mrs. Norris davon. Die Rothaarige wartete hinter einer Skulptur – es verging wohl mindestens eine halbe Stunde, bis der Meister der Zaubertränke wieder herauskam und für sein Alter recht eilig davon spurtete, in Richtung von Professor McGonegall´s Büro! Da sich sonst niemand hier herumtrieb, kam Nadeshiko aus ihrem Versteck und wollte sich den Korridor ebenfalls ansehen. Eigentlich hätte sie sich ja denken, dass etwas, das für solchen Wirbel sorgte, nicht unverschlossen zurückblieb … Enttäuscht schlurfte sie zu ihrem Gemeinschaftsraum.
 

Ungefähr zwei Wochen später hatte Nadeshiko diesen ominösen Zwischenfall schon fast wieder vergessen. Langweilig wurde einem in Hogwarts schließlich nur selten.

Bis Professor Flitwick seinen Schüler eröffnete, dass sie einen Zauber lernen würden: „Mit >Alohomora< wird es Ihnen möglich sein, beinahe jedes verschlossene Schloss zu öffnen – von magischen Barrieren einmal abgesehen. Missbrauchen Sie ihn daher nicht!“

Sofort überlegte Nadeshiko, ob sie so wohl in den Korridor gelangen könnte … Doch wenn Professor Slughorn wirklich die Direktorin eingeschaltet hatte, käme sie mit diesem Zauber sicher nicht weit. Wobei … hieß es nicht »probieren geht über studieren«? Ohtah wäre sicher auch dafür, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Und im Grund sollte es ja nicht verboten sein, wenn man für den Unterricht übte …

Falsch gedacht – denn an diesem Abend hielt Professor McGonegall vor dem Abendessen eine kurze Ansprache: „Ich habe eine wichtige Information für Sie – ab sofort ist es Ihnen strickt untersagt, sich dem unbenutzten Korridor im zweiten Stock des Westturmes zu nähern. Ein Verstoß gegen diese neue Schulregel wird hart bestraft!“

Durch die Große Halle schaute Nadeshiko zum Tisch der Slytherins und begegnete Ohtah´s wachsamem Blick. Auf ein kaum merkliches Nicken ihrerseits, weiteten sich seine Augen. Um sich selbst machte er sich eher weniger Sorgen – Nadeshiko war diejenige, die es zu beschützen galt und er würde sein Versprechen halten. Nicht, dass es sie davon abgehalten hätte, wenn er versuchte, es ihr auszureden … Also neigte er ebenfalls zustimmend mit dem Kopf. Die übrigen Schüler bemerkten nichts von diesem stummen Gespräch – nur einer der Lehrer begann die Stirn zu runzeln; es war Professor Rien, dessen Lippen sich langsam zu einem Lächeln verzogen.

Bereits am nächsten Tag nach dem Unterricht schlichen die beiden zur verschlossenen Tür.

„Ich gehe hinein – du wartest hier auf mich. Wenn jemand kommt, klopfst du zweimal an.“, wiederholte Nadeshiko ihren Plan.

Es widerstrebte Ohtah, sie allein gehen zu lassen, trotzdem bestätigte er: „Ja … und wenn du in einer Viertelstunde nicht zurück bist, hol´ ich dich da raus.“

Die Gryffindor wandte sich der Tür zu. Die Stärke eines Zaubers hing vom Willen des Zaubernden ab … Sie dachte an ihre Schwester, die ihr versichert hatte, aus Nadeshiko würde einmal eine großartige Hexe werden. Und mit dieser Entschlossenheit hob sie den Zauberstab, sprach das Wort der Macht. Klickend fuhr das Schloss zurück und die Tür öffnete sich. Die beiden Schüler tauschten noch schnell einen überraschten Blick, dann huschte Nadeshiko in den Korridor. Der Gang lag vollkommen im Dunkeln, kein Fenster war in das Mauerwerk eingelassen.

„Lumos!“, ließ sie die Spitze ihres Stabes aufleuchten und sah sich um.

Zunächst konnte sie nichts ungewöhnliches entdecken … bis irgendetwas weiter hinter den Schein zu reflektieren schien. Langsam ging Nadeshiko darauf zu. Es war eine Ansammlung von bläulichem Eis, welche den Boden und die Wände spickte. Im ersten Impuls wollte sie die Hand danach ausstrecken, hielt jedoch inne und entschied sich stattdessen für einen harmlosen Fluch. Als wolle es sich verteidigen, schwoll das Häufchen ab, welches sie getroffen hatte. Die Rothaarige zuckte zurück und hastete hinaus. Ohtah wollte schon fragen, was vorgefallen sei, da schüttelte sie den Kopf. Sie rannten regelrecht ins Freie und suchten sich ein abgeschiedenes Plätzchen. Dort berichtete Nadeshiko von ihrem eigenartigen Fund.

„Dieses Schloss gilt als einer der sichersten Orte der Welt. Es ergibt keinen Sinn, dass der Korridor erst jetzt verboten worden ist – es sei denn … dieses Eis war bislang gar nicht da, weil aus einem Verwunschenen Verlies stammt! Wer weiß … vielleicht hat deine Anwesenheit es aktiviert; immerhin war deine Schwester die letzte Person, die es betreten hat.“, überlegte Ohtah.

Diese Möglichkeit hatte Nadeshiko noch gar nicht in Betracht gezogen … Jeder Magier verfügte über eine eigene Signatur, etwa wie ein magischer Unterton. Es wäre gut denkbar, dass sich die von Seiketsu und ihr ähnelten.

„Wir brauchen einfach viel mehr Informationen!“, grummelte sie in dem Wissen, beinahe die gesamte Bibliothek auf den Kopf gestellt zu haben.
 

Ihre Nachforschungen blieben allerdings weiterhin erfolglos und für die Verbotene Abteilung erhielten sie als Erstklässler keinen Zugang. Nadeshiko suchte noch einige Male mehr den Korridor auf, in dem sich das Verwunschene Eis erschreckender Weise stetig ausbreitete. Die Lehrer wirkten verändert … besorgt, doch verschwiegen sie den Schülern, was vor sich ging. Dafür mussten diese sich mit den Prüfungen herumschlagen. Dank Ohtah´s Nachhilfe bestand Nadeshiko sogar den Flugtest, fiel aber in Geschichte der Zauberei wie erwartet durch. In den restlichen Fächern hielten sich beide mittelmäßig bis gut. Der Notenschluss hatte einen schalen Nachgeschmack – die Sommerferien standen vor der Tür. Während sich die anderen auf ihr Zuhause freuten, wurden Ohtah´s Gedanken besonders trübsinnig. Er wusste, er konnte nicht fahren, ohne seiner besten Freundin endlich die Wahrheit zu gestehen … Die Familie Shadowdragon hatte sich bereits vor Jahrhunderten der schwarzen Magie verschrieben – allerdings gehörten sie nicht zur Gefolgschaft des Dunklen Lords. Sein Vater, Shiro Shadowdragon hätte niemals jemanden geduldet, der ihm Befehle erteilt hätte. Bei seiner Geburt war seine Mutter gestorben … doch ihr Anwesen wimmelte von Tanten, Onkeln, Cousinen, Cousins und so weiter. Ohtah war stets ein Außenseiter gewesen und hatte sich geweigert, die dunklen Rituale zu lernen. Und hier nach Hogwarts hatte es nur geschafft, weil er Professor McGonagell einen Brief geschickt und um die Aufnahme gebeten hatte … er hatte seinen Vater als überfürsorglich dargestellt, labil und ein wenig kritisch gegenüber dem Schulsystem – daher war bei ihnen ein sehr überzeugender Brief vor Beginn des Schuljahres angekommen, indem sie sogar einen persönlichen Besuch angeboten hatte. Natürlich wollte Shiro Shadowdragon nicht riskieren, dass ausgerechnet ein Mitglied des ehemaligen Ordens des Phönix vor seiner Haustür stand … und hatte seinem Sohn widerwillig die Zustimmung erteilt.

Nadeshiko hatte während seines gesamten Berichts geschwiegen. Sie ahnte, dass ihn dieselben Sorgen quälten, wie sie … als sie ihm zum ersten Mal von Seiketsu erzählt hatte. Und sie waren ebenso unbegründet.

„Du glaubst jetzt aber nicht ernsthaft, dass das irgendetwas ändert, oder? Ohtah, es ist mir vollkommen egal, was dein Vater ist – für mich zählt nur, wer du bist!“, entgegnete sie lächelnd und nahm seine Hand, „Du bist mein bester Freund … und deshalb musst du mir unbedingt schreiben! Shirayuki vertraut dir – sie wird auf deine Antwort warten, bevor sie zu mir zurückkehrt.“

Er war sprachlos. Ihm war zuvor bereits bewusst geworden, welches Glück ihm die Freundschaft mit Nadeshiko bescherte … Nun da er in die finstere Einsamkeit seiner Familie zurückkehren sollte, noch einmal umso mehr. Er konnte nicht anders, als sie fest zu umarmen. Damit endete Nadeshiko´s und Ohtah´s erstes Jahr in Hogwarts – doch ihr gemeinsames Abenteuer hatte noch gar nicht richtig begonnen …
 

Das Verlies von Eis und Schnee

Nadeshiko zählte die Tage bis zu ihrer Rückkehr zum Bahnhof King´s Cross. Neben dem ständigen Briefwechsel mit Ohtah, hatte sie sämtliche Schriftstücke von Seiketsu erneut durchforstet. Immer wieder las sie die aufmunternden Worte, die Beschreibungen des wundersamen Hogwarts und … der merkliche Hinweis, dass sie einem großen Geheimnis auf der Spur sei. Jedoch keinerlei Informationen über die Lage oder sonst irgendetwas über die Verwunschenen Verliese. Bislang hatte sie die magische Schatulle, in der Nadeshiko sie aufbewahrte, zu Hause in ihrem Zimmer verborgen gehalten … diesmal lag sie ganz unten in ihren Koffer. So hatte die Rothaarige das Gefühl ihre Schwester wäre bei ihr …

„Hey, Shiko!“, begrüßte sie eine ihr überaus vertraute Stimme am Bahngleis.

Nadeshiko räusperte sich verhalten und wies auf ihre Eltern: „Otosama, Okasan … darf ich euch Ohtah Shadowdragon vorstellen? Er ist mir in Hogwarts ein guter Freund geworden.“

„Deshalb habe ich Shirayuki in den Ferien so selten gesehen.“, sagte ihre Mutter lächelnd, „Danke, dass Sie meine Tochter unterstützen, Ohtah-san.“

Ihr Vater schwieg, neigte jedoch wenigstens leicht sein Haupt. Für den Moment genügte Nadeshiko diese Reaktion. Sie verabschiedete sich von ihnen und stieg mit Ohtah ein. Sie suchten sich wieder eines der unbeliebteren Abteile ganz hinten. Für ein paar Stunden war ihre Mission vergessen …

Jedenfalls bis Professor McGonegall die Schülerschaft erneut ermahnte: „Die Schulordnung ist strickt einzuhalten – vor allem der Wald und der verschlossene Korridor im zweiten Stock des Westturmes dürfen nicht betreten werden.“

Den Rest ihrer Rede ignorierte Nadeshiko so gut es ging, Ohtah dagegen verfolgte die anschließende Auswahl der neuen Erstklässler wie gebannt. Ein blonder Huffelpuff erregte seine Aufmerksamkeit; der Junge wirkte eingeschüchtert, beinahe fehl am Platz. Sein Tisch stand genau zwischen dem der Gryffindors und Slytherins. Als er sich setzte, bemerkte er die Musterung und mit einem zaghaften Lächeln auf dem Gesicht, winkte er. Ohtah jedoch sah zur Seite. Verwirrt hatte Nadeshiko das Schauspiel beobachtet …
 

Die Antwort darauf erhielt sie nach einigem Herumdrucksen in der Bibliothek: „Er … ist mein Halbbruder. Mein Vater hat seine Mutter früher manchmal … besucht. Zumindest hat er das so formuliert … Den Rest seiner Tirade erspare ich dir.“

Es war nicht das erste Mal, dass er Nadeshiko nicht die brutale Wahrheit an den Kopf schleuderte, sondern ihr nur in abgespeckter Form von seiner Familie berichtete. Nicht dass er an ihrer Loyalität zweifelte … er wollte sie nur vor der Grausamkeit seines Vaters beschützen.

„Weiß dein Bruder von dir? Wie heißt er eigentlich?“, wollte Nadeshiko interessiert wissen.

Ohtah zuckte leicht mit den Schultern, als er antwortete: „Klerus Monko. Ich weiß nicht so genau – wir haben uns nie vorher getroffen. Ich … habe vor ein paar Jahren einen Brief von seiner Mutter an meinen Vater … entgegen genommen und darin war ein Foto von ihm. Deshalb habe ich ihn erkannt.“

Wäre die Situation nicht so grotesk gewesen, hätte Nadeshiko über Ohtah´s Streich gegenüber seinem Vater gelacht – so meinte sie: „Dann musst du es ihm sagen!“

Der Braunhaarige starrte sie an, als wären sie von allen guten Patroni verlassen, und entgegnete leicht spöttisch: „Und ihm die Kunde über die Identität seines großartigen Vaters überbringen? Wer weiß, was ihm erzählt wurde … oder was er sich selbst zusammen gereimt hat. Soll diese Illusion wirklich zerstören?“

„Aber du bist doch nicht dein Vater!“, widersprach sie.

Natürlich hing ihre Hartnäckigkeit mit Seiketsu zusammen … Sie vermisste ihre Schwester an jedem einzelnen Tag und plötzlich hätte Ohtah die Chance, einen kleinen Bruder zu haben – sie konnte nicht nachvollziehen, wie er da zögerte.

„Ich … werde erst mal abwarten. Ihn beobachten – dann sehen wir weiter.“, entschied Ohtah.

Er kannte Nadeshiko inzwischen gut genug, um zu ahnen, dass sie es darauf nicht würde beruhen lassen … Außer sie stürzte sich auf etwas anderes.

„Wir müssen zurück in den Korridor.“, flüsterte der Braunhaarige, während er sich näher zu ihr herüberbeugte, „Am besten sofort.“

Nadeshiko wurde ernst, ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Den ganzen Sommer hatte sie sich Gedanken über das Verwunschene Eis gemacht. Natürlich wusste sie, dass Ohtah sie mit der Erwähnung von Klerus ablenken wollte … aber dennoch blieb es Realität – und so klappte Nadeshiko das Buch zu, welches auf magische Weise zurück an seinen Platz flog.

Um Unauffälligkeit bemüht liefen beiden Schüler fröhlich plaudernd durch das Schloss. Ihre Route beinhaltete einige Umwege – nicht zuletzt horchten sie kurz an der Tür zu Filch´s Büro, der drinnen wie üblich Mrs. Norris von seinen Plänen über mögliche Bestrafungen berichtete. Schließlich richtete Nadeshiko ihren Zauberstab auf das Schloss, ließ es magisch aufspringen und huschte hinein. Als sie ihren Lumos-Zauber wirkte, erschrak die Gryffindor – der halbe Gang war während der Sommerferien vom Verwunschenen Eis überwuchert worden. Draußen packte sie Ohtah´s Hand und rannte mit ihm hinaus zum Schwarzen See, wo sie ungestört waren.

„So kann das nicht weitergehen, Ohtah – wir müssen etwas unternehmen! Bevor noch jemand zu schaden kommt.“, schloss Nadeshiko ihren Bericht.

Er stimmte ihr zu, hatte jedoch auch Bedenken: „Aber wie sollen wir das anstellen? Wir müssten den Korridor noch genauer untersuchen können …“

Die Rothaarige schwieg, ihr Blick wanderte über den See. Das Schloss spiegelte sich darin.

Und mit einem Mal kam ihr ein Geistesblitz: „Ob verwunschen oder nicht – Eis kann gegen Feuer nicht bestehen!“

Ohtah blinzelte. Warum waren sie nicht eher darauf gekommen? Im Kopf ging er Band eins des Lehrbuchs der Zaubersprüche durch … keine Elementarzauber.

„Wieder in die Bibliothek?“, fragte Nadeshiko schon beinahe belustigt – wahrscheinlich hatte es in Hogwarts noch nie Schüler gegeben, die so viel Zeit dort verbrachten.
 

Die Wochen zogen dahin – aus September wurde Oktober, der Oktober wich November und ehe sie sich versahen, standen die ersten geschmückten Tannen in der Großen Halle. Wie bereits im vergangenen Jahr hatte sich Nadeshiko entschieden, über die Ferien bei Ohtah in der Schule zu bleiben – für Japaner war dies ohnehin kein Fest der Familie, sondern der Liebenden und von daher machte es weder ihr noch ihren Eltern etwas aus. Nur eine Handvoll anderer Schüler blieb ebenfalls. Alles wurde lockerer, eine einzige Tafel genügte und die beiden gönnten sich eine kleine Pause von ihrem heimlichen Training. Bei ihren Streifzügen durch den Schnee, flog Shirayuki über ihnen, fing vereinzelt Schneeflocken mit dem Schnabel. Als sie nach einem besonders langen Ausflug, der in einer heftigen Schneeballschlacht geendet hatte, durchgefroren ins Schloss zurückkehrten, hörten sie einen Tumult im Krankenflügel.

Die Tür stand offen und Professor McGonegall´s energische Stimme drang heraus: „Wie konnte es nur soweit kommen? Und wieso nur nach all diesen Jahren?“

„Wer weiß, Minerva … Hoffen wir nur, dass nicht noch mehr diesem Fluch zum Opfer fallen.“, antwortete Madame Poppy Pomfrey in ihrem französischen Akzent.

Nadeshiko und Ohtah starrten sich blass geworden an. Das Eis hatte jemand Schaden zugefügt … die Zeit lief ihnen davon! Anstatt also wie geplant eine Tasse heißen Kakao zu schlürfen, rannten sie wieder hinaus auf das Gelände zum See.

„Incendio!“, rief die Gryffindor und ein dünner Faden aus Flammen schlängelte sich daraus, der verpuffte, noch ehe er das Wasser berührte.

Fast eine Stunde lang versuchten sie sich an dem Zauber. Die Kälte zog ihnen immer tiefer in die Glieder. Dann legte Ohtah seine Hand auf Nadeshiko´s und schüttelte den Kopf. Obwohl sich Protest in ihr breit machte, wusste sie, dass er recht hatte … Für heute hatten sie ihre magischen Kräfte einfach zu erschöpft.
 

Das neue Jahr brachte weitere Schneefälle – Pflanzenkunde war für unbestimmte Zeit auf Theorie verlegt worden und die Schüler durften das Schloss nicht mehr verlassen, selbst Quidditch wurde ausgesetzt. So gab es für Nadeshiko und Ohtah keine Möglichkeit mehr, ungestört üben zu können; immerhin wollten sie nicht irgendetwas abfackeln. Doch kaum standen die Zwischenzeugnisse vor der Tür, gab es ein weiteres Opfer … Diese Schülerin hatte sich nicht wie jener in den Weihnachtsferien heimlich in den Korridor geschlichen, um dem Grund für das Verbot auf den Grund zu gehen – sie war im Westturm nur zufällig auf so etwas wie einen Splitter getreten und schon überzog das Eis ihren Körper. Natürlich waren Nadeshiko und Ohtah nicht wie angeordnet in ihren Gemeinschaftsräumen geblieben. Der Slytherin, der inzwischen fast sämtliche Geheimgänge auswendig kannte, führte sie zu einem Hohlraum in der Wandvertäfelung des Lehrerzimmers. Alle redeten wild durcheinander – die meisten besorgt, andere wütend.

„Das ist sicher wieder die Schuld von Yosogawa! Sie gehört der Schule verwiesen!“, empörte sich der Lehrer für Muggelkunde.

Nadeshiko schlug sich die Hände vor den Mund. Sie hatte es gewusst … die Blicke waren schon deutlich genug gewesen. Man machte ihre Schwester für die vergangenen Vorfällen verantwortlich, nun war sie an der Reihe.

„Nein.“, ergriff Professor McGonegall das Wort, die ganz ruhig sprach, „In Hogwarts gilt seit jeher >unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist<. Dennoch ist die Gefahr aktuell zu groß … die Schüler müssen nach Hause, bis Hogwarts wieder ein sicherer Ort ist – am besten noch heute!“

Diese Nachricht schockierte noch mehr. Weder Nadeshiko noch Ohtah ahnten, dass Professor McGonegall schon einmal diese Entscheidung getroffen hatte … vor vielen Jahren, als ein Basilisk eine Schülerin in die gefürchtete Kammer des Schreckens entführte. Damals war ein tapferer Gryffindor aktiv geworden, um seine Freundin und die Schule zu retten.

„Überspringen wir also die Testphase …“, flüsterte die Rothaarige kaum hörbar, „Wir müssen sofort in das Verlies!“

Ohtah nickte grimmig. Im Schatten der Gänge schlichen sie in den zweiten Stock des westlichsten Turmes. Nadeshiko öffnete die Korridortür, verharrte jedoch davor. Das Verwunschene Eis war beinahe vollständig verschwunden – wahrscheinlich hatten die Lehrer es zurückgetrieben. Doch genau auf einen der winzigen Splitter trat der Slytherin, als er sich umsah. Zügig breitete es sich über seine Beine

„Lumos Maxima!“, beschwor die Rothaarige einen kraftvollen Lichtstrahl, der vor ihr in der Luft schwebte, „Beweg´ dich nicht, Ohtah … Incendio!“

Das Eis wich vor den Flammen zurück und Ohtah war wieder frei – wenn auch mit einer leicht angesenkten Hose. Nadeshiko setzte schon zu einer Entschuldigung an, aber er winkte ab. Sie hatte ihn gerettet! Und nun wussten sie immerhin, dass ihr Plan soweit schon mal funktionierte … Also wandten sie sich erneut der Spurensuche zu. Wie bei ihrem ersten Besuch gab es nichts außergewöhnliches zu entdecken. Durch ein einziges Buntglasfenster fiel etwas Zwielicht, eine Bank stand darunter. Da erinnerte sich Nadeshiko, dass das Verwunschene Eis sich zuerst an einer Stelle der Wand gesammelt hatte. Zögernd streckte sie den Arm aus, strich über den rauen Stein – er war bitter kalt, was innerhalb dieser Mauern allerdings überall der Fall gewesen wäre.

„>Nichts ist wie es scheint – vor allem in Hogwarts.<“, murmelte die Gryffindor plötzlich und hob wie hypnotisiert den Zauberstab, „Revelio!“

Ein donnerndes Krachen hallte durch die Räumlichkeit; eine Platte fuhr in den Boden, hinter der eine blass blaue Treppe zum Vorschein kam. Nadeshiko und Ohtah stockte der Atem, der kleine Wölkchen bildete. Entschlossen setzte der Braunhaarige einen Fuß auf die unterste Stufe … kein Eis griff auf ihn über.

Er machte noch einen Schritt und stieg beinahe ein gesamtes Geschoss hinauf, ehe er rief: „Alles in Ordnung – wenn man davon absieht, dass wir gerade ein Verwunschenes Verlies gefunden haben.“

Sie folgte ihm. Auf dem oberen Treppenabsatz erstarrte Nadeshiko. Ein gewaltiges Tor aus massivem Eis befand sich dort … der Eingang zum Verlies von Eis und Schnee! Sie tauschten einen Blick, bevor Ohtah den Feuer-Zauber sprach – die bläuliche Schneeflocke, die als Schloss fungiert hatte, schmolz in sich zusammen. In einem Geräusch wie Fingernägel, die über eine Tafel kratzten, schwangen die mächtigen Flügel auf. Ein mit Eiszapfen übersäter Ritter trat zwischen ihnen hervor, das eisige Schwert drohend erhoben. Zunächst jagten Nadeshiko und Ohtah ihm abwechselnd die verschiedensten Flüche auf den Hals, die sie bislang gelernt hatte – jeder einzelne prallte an der kalten Rüstung ab und er kam unaufhörlich näher. »Incendio« traf … doch aufzuhalten oder gar ihn zu besiegen schien er nicht.

Panisch umklammerte Nadeshiko den Arm ihres besten Freundes, der beruhigend erklärte: „Hab´ keine Angst, Shiko … Gemeinsam können wir es schaffen!“

Sofort fühlte sie sich stärker. Solange Ohtah bei ihr war, konnte ihr nichts geschehen – daran glaubte sie fest. Synchron sprachen die beiden Zweitklässler das Wort der Macht. Ihre rot züngelnden Flammen schossen auf den Ritter zu, er versuchte der Hitze zu widerstehen … Zuerst brach die Klinge, anschließend knickten seine Beine ein. Gerade als Nadeshiko dachte, ihre magische Energie gehe zur Neige, löste sich der Eisritter in einem nebligen Dunst auf. Im ersten Moment noch ungläubig, sprangen sie hoch und klatschen sich in einem euphorischen High Five ab.

Weiterhin auf Vorsicht bedacht, wollte Ohtah durch das Tor treten, doch die Gryffindor sagte: „Die Verwunschenen Verliese sind in erster Linie meine Bürde … Sei hat mir diese Aufgabe übertragen.“

Den Zauberstab erhoben trat sie durch das gefrorene Tor, hinter dem ein gleißendes Licht blendend aufleuchtete. Der Raum in Form eines Heptagon barg kaum noch Verwunschenes Eis … vielmehr schien er aus Glas zu bestehen. Und keine Spur von Seiketsu … Dafür zog eine verzierte Säule im Zentrum Nadeshiko beinahe magisch an – sie tippte mit dem Zauberstab dagegen. Die Hülle glitt herab und darin befand sich nichts weiter, als ein zusammengefaltetes Stück Pergament. Neugierig griff die Rothaarige danach, klappte es auseinander. Darauf war fein säuberlich ein Drache gezeichnet.

„Was soll das denn?“, fragte Ohtah, der sich über ihre Schulter beugte.

Nadeshiko kam nicht mehr zum Antworten – das Leuchten an den Wänden erlosch, das Gestein erzitterte und die Flügeltüren begannen sich zu schließen.

„Sofort raus hier!“, schrie Nadeshiko.

In dieser Angelegenheit ließ sich der Slytherin nicht zweimal bitten – er packte ihre Hand und rannte hinaus, die Stufen hinunter, zurück in den verbotenen Korridor. Schnaufend kamen Die beiden dort zum Stehen.

Bevor sie sich allerdings darüber freuen konnten, erklang eine schneidende Stimme: „Was tun Sie denn hier, Miss Yosogawa und Mister Shadowdragon?“

Professor Minerva McGonegall, Professor Fillius Flitwick, Professor Horace Slughorn sowie Professor Ramon Rien starrten sie entsetzt an.

Nadeshiko wurde blass, während Ohtah stammelte: „Wir … Also … Der Fluch … Wir haben ihn gebrochen.“

„In mein Büro!“, wetterte die Hauslehrerin der Gryffindors.

Dort angelangt berichtete Nadeshiko allen Anwesenden, wie ihr bereits letztes Jahr durch das Verbot der Gedanke gekommen war, das Verwunschene Verlies würde sich in besagtem, zweiten Stock befinden und dass sie auf Feuer als Gegenkraft zum Eis gekommen waren. Den Kampf gegen den Eisritter schmälerte sie etwas ab.

„Haben Sie Kontakt zu Ihrer Schwester?“, wollte der Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste wissen.

Sie schüttelte den Kopf, ihre Augen wurden feucht. Eineinhalb Jahre hatte sie gehofft, das Lösen dieses Rätsels würde sie Seiketsu näher bringen … stattdessen stand ihr und noch viel schlimmer Ohtah nun vermutlich der Rauswurf aus Hogwarts bevor. Die Direktorin schwieg, ihr Blick ruhte unverwandt auf den beiden Schülern. Man konnte ihr ansehen, dass sie angestrengt nachdachte.

Irgendwann wandte sie sich an den Meister der Zaubertränke: „Mister Shadowdragon ist in Ihrem Haus, Horace … Was halten Sie von einhundert Hauspunkten pro Person und besondere Auszeichnungen für Verdienste um das Wohl der Schule?“

Es war schwer zu sagen, wer verblüffter drein schaute – Nadeshiko, Ohtah oder gar Professor Slughorn, der beinahe zaghaft nickte.

„Wunderbar – also einhundert Punkte für Gryffindor und Slytherin.“, bestätigte sie, bevor ihr Tonfall ernster wurde, „Sie waren sehr leichtsinnig … dennoch komme ich nicht umhin zuzugeben, dass Sie etwas geschafft haben, was die Lehrer nicht vermochten, aber dass mir das nicht noch einmal vorkommt. Und jetzt schleunigst in Ihre Gemeinschaftsräume!“

Immer noch perplex erhoben sich die beiden, verließen das Büro. Um die überraschende Mildtätigkeit von Professor McGonegall folgten sie ihrer Anweisung. Ohtah begleitete Nadeshiko bis zum Porträt der Fetten Dame, die den Zugang zum Gryffindor-Turm bewachte.

„Ist … alles in Ordnung, Shiko? Wir haben zwar keinen Ärger bekommen, aber … über Seiketsu haben wir auch nichts neues erfahren.“, meinte Ohtah besorgt.

Ein trauriges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als sie entgegnete: „Diese Zeichnung … zeigt Seiketsu´s größte Angst. Und das hat irgendetwas mit dem nächsten Verlies zu tun.“

Innerhalb eines Sekundenbruchteils zog er sie in seine Arme, endlich brachen die zurückgehaltenen Tränen aus ihr heraus.

„Wir finden sie …“, versprach er, während seine Hand beruhigend über ihr Haar streichelte.
 

Ein paar Tage später, während sie in der Bibliothek gerade für ihre Prüfungen den Stoff aus Zauberkunst wiederholten, kam Ohtah plötzlich ein Gedanke: „Wie bist du eigentlich auf >Revelio< gekommen?“

Nadeshiko stockte in ihrer Arbeit und erklärte lächelnd: „Mir ist eingefallen, was Seiketsu in ihrem letzten Brief geschrieben hat. Es ist fast ein wenig albern … seit jenem Tag trage ich ihn und das Stück Pergament ständig mit mir herum.“

Da ihr Ohtah´s interessierte Miene auffiel, zog sie das Papier aus der Innentasche ihres Umhangs und reichte es ihm.

In säuberlicher Handschrift stand darauf: „>Meine geliebte Shiko, ich weiß, es wird noch einige Jahre dauern, bis du mich verstehen wirst … Aber ich weiß nicht, ob ich dir diese Worte dann noch persönlich sagen kann. Nichts ist, wie es scheint – vor allem in Hogwarts! Vergiss´ das niemals … und verzeih´ mir. In Liebe, Sei<“

„Es ist, als hätte sie gewusst, was mit ihr passieren würde … und dass ich nach ihr suchen würde.“, murmelte die Gryffindor etwas nachdenklich.

Der Slytherin dagegen blieb stumm, las die Zeilen erneut. Dieser eine Satz, der Nadeshiko auf die zündende Idee gebracht hatte, beschäftige ihn.

„>Nichts< …“, wiederholte er und zückte seinen Zauberstab, „Revelio!“

Ihr entsetzter Blick wanderte von Ohtah zu dem Brief, der sich langsam ausdehnte und schließlich als ledernes Notizbuch zwischen ihnen lag. Noch vollkommen sprachlos schlug Nadeshiko es auf.

Nach einer kurzen Widmung »Für das Wohl der Zaubererschaft und die Zukunft meiner kleinen Schwester« kam der erste Eintrag: „>Meine geliebte Shiko, wenn du mein Notizbuch in Händen hältst, hast du bereits mindestens ein Verwunschenes Verlies überwunden. Ich schreibe dies für den Fall, dass mein Unterfangen scheitert – dann wirst du es sein, die es zu Ende bringt! Ich weiß nicht, wie viele genau es von ihnen gibt … drei, vier, fünf oder sogar noch mehr? Im letzten von ihnen soll sich etwas unglaubliches befinden, das die Zaubererwelt auf den Kopf stellen könnte, wenn es in die falschen Hände geraten würde. Die Welt hat genug schwarze Magier gesehen – was auch immer die Verwunschenen Verliese verbergen, es muss unbedingt beschützt werden! Du fragst dich jetzt sicher, warum ich mich überhaupt danach auf die Suche mache, wo sie doch Jahrhunderte geheim gehalten worden waren … und ich frage dich, warst du denn für das erneute Ausbrechen des Fluches verantwortlich? Nein … genauso wenig wie ich. Aber irgendjemand sucht nach den Verliesen. Wann immer ihnen jemand auf die Spur kommt, bricht ein Fluch aus, um denjenigen aufzuhalten. Verzage nicht, Shiko – in dir brennt ein Feuer, mit dem du jedes Hindernis überwinden kannst! Ich liebe dich, kleine Schwester. Deine Sei<“

Nadeshiko´s Kehle war wie ausgetrocknet. Dies war der Hinweis, nachdem sie gesucht hatte … natürlich hatte sie niemals an der Unschuld ihrer Schwester gezweifelt – es war kein eigennütziges Handeln gewesen. Mit zittrigen Fingern blätterte sie weiter.

Der folgende Abschnitt lautete: „>Das nächste Verlies versetzte mich in Angst und Schrecken … Du bist sicher eine Gryffindor geworden, nicht wahr? Doch du wirst mehr als nur ein wenig Mut brauchen … das Wissen, das ich als Ravenclaw schätze, ist ebenso nützlich.<“

„Ist das alles?“, entfuhr es dem Braunhaarigen, woraufhin Nadeshiko den Kopf schüttelte – alles schien rätselhaft formuliert, aber etwas mehr hatte Seiketsu ihnen dennoch hinterlassen.

Sie zog den zweiten Zettel aus ihrem Umhang, legte es daneben und flüsterte: „Danke, Schwesterherz … jetzt wissen wir wenigstens, was uns erwartet.“
 

Nach dem Frühstück des letzten Schultages wartete Ohtah wie üblich vor der Großen Halle auf Nadeshiko. Alle Zweitklässler hatten keinen Unterricht mehr – dafür Berufsberatung bei den Hauslehrern, um sich für passende Wahlpflichtfächer zu entscheiden – obwohl Nadeshiko ihre Ängste großteils abgelegt hatte, würde aus ihr nie eine große Besenfliegerin werden und sie war erleichtert, den Flugunterricht überstanden zu haben.

„Was wirst du Slughorn nachher erzählen?“, wollte die Gryffindor interessiert wissen.

Der Braunhaarige seufzte: „Meine Zukunftsplanung geht genauso weit wie deine – die Verliese stehen an erster Stelle. Und danach? Wer weiß, wohin es uns verschlägt.“

Nadeshiko blieb unvermittelt stehen und sagte: „Ohtah … du bist mein bester Freund und ohne dich wäre ich mehr als aufgeschmissen – trotzdem hast du immer noch ein eigenes Leben! Was ist mit deinen Träumen? Es reicht schon, dass du es abgelehnt hast, Teil des Quidditch-Teams zu werden.“

Denn genauso war es gewesen – ungefähr zum Halbjahr hatte Nadeshiko zufällig mitgehört, wie Ohtah angesprochen worden war … doch er hatte den Kapitän der Slytherins rigoros vor den Kopf gestoßen.

„Und mein Schwur?“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Ihre Stimme klang belegt, als sie gequält erwiderte: „Endet spätestens nach dem letzten Verlies …“

Ohtah stand mit dem Rücken zu ihr, sodass sie den wütenden Gesichtsausdruck nicht hatte sehen können. Ohne ein weiteres Wort marschierte er in Richtung der Kerker davon, zu seinem Gemeinschaftsraum. Vollkommen perplex schaute die Rothaarige ihm nach. So konnte er auch sein, unglaublich bockig, verschlossen. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ebenfalls den Gemeinschaftsraum aufzusuchen – ihrer lag bekanntlich im höchsten Turm des Westflügels – und auf das Gespräch zu warten. Dabei ahnte die schöne Rothaarige gar nicht, was in ihm vorgegangen war … Sie hatte es nicht begriffen. Sein eigenes Leben, wie sie es so schön genannt hatte, ergab erst Sinn, seit er ihr begegnet war – wenn Ohtah mit Nadeshiko zusammen war, sah er sich nicht als Spross einer schwarz-magischen Familie … nicht als Schwächling oder nutzlos, was sein Vater ihm ja so gern vorwarf, wenn er mal wieder ein uraltes Ritual absichtlich ruinierte oder er sich weigerte irgendwelche dunklen Zauber auswendig zu lernen. Sie allein ließ ihn die Narben auf seinem Rücken vergessen, von denen er ihr vielleicht eines Tages erzählen würde … Solange würde er die Zeit mit ihr in Hogwarts vollkommen genießen, egal welche Schwierigkeiten die beiden schulisch und in Sachen Verliese auch erwarten möge! Wie sollte er sich da eine Zeit danach vorstellen?

Am frühen Nachmittag suchte Nadeshiko schließlich das Klassenzimmer von Verwandlung auf, nachdem sie einige Stunden ihren trüben Gedanken nachgehangen und sich über sich selbst geärgert hatte. Allerdings zog die Tatsache, dass jemand anderes als ihre Hauslehrerin sie erwartete, ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich.

Verwundert fragte Nadeshiko: „Äh … Professor Rien? Wo ist Professor McGonegall?“

„Ich habe Minerva gebeten, in Ihrem Fall dieses Gespräch übernehmen zu dürfen. Bitte setzen Sie sich, Miss Yosogawa, und erzählen mir, was Ihnen so durch den Kopf geht.“, meinte der Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste mit einem herzlichen Lächeln.

Sie tat wie ihr geheißen und sagte: „Ich … Um ehrlich zu sein, habe ich mir noch nicht allzu viele Gedanken über meine Zeit nach Hogwarts gemacht. Wissen Sie, mein Vater arbeitet für das japanisch-magische Konsulat … aber ich denke nicht, dass ein Bürojob etwas für mich wäre.“

„Damit können wir doch schon einmal arbeiten. Ich will Ihnen nicht zu nahe treten – haben Sie gehört, wie manche Schüler Sie nennen?“, antwortete Professor Rien und redete einfach weiter, ohne ihre Antwort abzuwarten, „>Fluchbrecher< … Das ist allerdings nicht nur einfach eine Bezeichnung für das, was Sie getan haben – es ist ein äußerst angesehener Beruf. Nur hochqualifizierte Hexen und Zauberer bestehen die fünfjährige Ausbildung bei Gringotts und erhalten im Anschluss daran dort eine Anstellung – oder Sie arbeiten, wie ich einst, freiberuflich. Wenn Sie möchten, könnte ich Ihnen ein wenig mehr darüber berichten – falls dies denn für Sie als Beruf in Frage käme.“

Die Gryffindor dachte über diese Aussicht nach. Im Grunde war die Suche nach dem Verlies nicht nur irgendeine Plackerei, eine Bürde für sie gewesen – es hatte ihr auch Spaß gemacht, das Geheimnis zu lüften. Also nickte sie und lauschte seinen Ausführungen. Als Nadeshiko über eine Stunde später den Raum verließ, hatte sie sich entschieden; sollte sie entgegen aller Vermutungen Hogwarts nicht mit einem Rauswurf, sondern einem Zeugnis verlassen, würde sie ein professioneller Fluchbrecher werden! Professor Rien nach waren Arithmantik und Alte Runen damit auf jeden Fall Pflicht bei der Entscheidung ihrer neuen Fächer; Pflege magischer Geschöpfe könnte ebenfalls nützlich sein, sollte sie zum Beispiel auf ein zur Bewachung abgerichtetes Tierwesen stoßen. Diese Gedanken begleiteten sie noch während sie in den Gryffindor-Turm zurückkehrte, um ihre Sachen für die Abreise zu packen. Dann musste die junge Hexe schon wieder zum Abendessen hinunter in die Große Halle, wo Professor McGonegall wenig später ihre Abschlussrede hielt. Und zum zweiten Mal in Folge wehten die Löwenbanner zum Zeichen, dass ihr Haus den diesjährigen Hauspokal gewonnen hatte. Kein Wunder – bei der Punktzahl, die Nadeshiko durch das Brechen des Fluches erhalten hatte; Slytherin lag ganz knapp natürlich auf Platz zwei, da Ohtah dieselbe Belohnung erhalten hatte. Apropos Ohtah – er fehlte das komplette Bankett über. Nadeshiko machte sich Sorgen, doch wen sollte sie nach seinem Verbleib fragen? Von seinem Haus stand er niemandem nahe … Professor Slughorn saß ebenfalls nicht an seinem Platz. Ob sie noch in ihr Gespräch vertieft waren?

Erst am nächsten Tag auf der Heimfahrt sollte sie erfahren, dass Ohtah an einem privaten Abendessen des Meisters der Zaubertränke teilgenommen hatte, die er gelegentlich für ein paar ausgewählte Schüler veranstaltete. Spontan bei der Berufsberatung hatte er ihn eingeladen, noch dazu zu stoßen.

„Ich habe mir Sorgen gemacht …“, gestand die Gryffindor.

Er zog kurz eine Augenbraue hoch und meinte: „Ach, ich hatte eher das Gefühl, als wolltest du mich loswerden.“

Sie biss sich auf die Unterlippe, ehe sie antwortete: „Das stimmt so nicht … Sei ist meine Schwester und ich muss alles riskieren, um sie zu retten – du dagegen hast eine Wahl.“

„Und ich habe sie bereita vor zwei Jahren am ersten September getroffen.“, entgegnete er etwas milder gestimmt, „Erzähl´, was hast du zusammen mit Professor McGonegall für die Zukunft ausgetüftelt?“

Das Lächeln kehrte in ihre Züge zurück, während sie von dem Gespräch berichtete.

„Du bist ja nicht gerade freiwillig zum Fluchbrecher geworden …“, entgegnete Ohtah leise.

Im Stillen dankte sie ihm, dann sagte sie: „Weißt du, ich halte es nicht nur für einen Spitznamen … ich glaube, diese Arbeit würde mir nach Professor Rien´s Ausführungen echt liegen. Durch die Verliese besitze ich ja eine gewisse Vorerfahrung. Natürlich, sähe die Lage anders aus, wäre ich vermutlich nicht darauf gekommen. Jetzt bist du dran!“

„Na ja, es war ja schon von vornherein klar, dass ich unter keinen Umständen das Erbe meiner Familie antreten werde … das kann mein Vater echt vergessen, nie und nimmer werde ich wie er sein – sobald wie möglich bin ich eh weg von da! Manchmal hasse ich es sogar, hier ständig mit diesem Namen angesprochen zu werden, der uns verbindet …“, grummelte der Braunhaarige völlig vom Thema abgekommen.

Sie zog ihn näher an sich und meinte: „In Japan gilt der Drache als heilig – er steht für Glück, Reichtum, Intelligenz, Güte und repräsentiert unter den vier Elementen das Wasser … Deine Familie ist diesem Namen nicht würdig, anders als du – du wirst ihm Ehre machen!“

Ohtah löste die Umarmung nicht, damit sie seine Tränen nicht sehen konnte. Dass sie sein wild klopfendes Herz bemerkte, konnte er dagegen nicht verhindern …
 

Irrwichte und andere Schreckgespenster

Je tiefer ihre Freundschaft im vergangen Jahr geworden war, desto trostloser machte es die Zeit ohne Ohtah. Zwar hatte er beinahe täglich Briefe geschrieben … Doch kaum, dass Nadeshiko ihn auf dem Bahngleis erspäht hatte, war sie auf ihn zugerannt, um ihn zu umarmen. Vielleicht hätte die hübsche Rothaarige sich das nicht getraut, wenn ihr Vater dabei gewesen wäre, doch er war geschäftlich verreist. Ihre Mutter störte sich nicht daran – sie kannte ihre Tochter einfach zu gut und wusste, dass der junge Mann einen ganz besonderen Platz in ihrem Herzen ausfüllte.

„Ich wünsche euch ein tolles Schuljahr!“, sagte sie zum Abschied mit einem Lächeln, „Pass´ bitte gut auf Shiko auf, Ohtah-san. Lass´ sie nicht allein nach Hogsmeade gehen, ja? Ich habe es nur unter dieser Bedingung erlaubt.“

Ohne auf Nadeshiko´s schockierten Blick zu achten, bestätigte er: „Natürlich, Misses Yosogawa, Sie können sich auf mich verlassen!“

Um keine weitere Peinlichkeit ertragen zu müssen, schnappte Nadeshiko sich ihren Gepäckwagen und winkte zum Abschied. Ohtah folgte ihr, ein Grinsen auf den Lippen. Wenig später war alles verstaut, das Abteil gefunden und die Lokomotive setzte sich dampfend in Bewegung.
 

Die ersten zwei Monate vergingen ohne irgendwelche Zwischenfälle – besonders die neuen Fächer fesselten ihre Aufmerksamkeit; jedenfalls von Ohtah´s Muggelkunde abgesehen … Er hatte es gewählt, falls er sich als Auror eines Tages inkognito unter Menschen mischen musste – denn auf diesen Beruf waren er und Professor Slughorn während ihres ausführlichen Gesprächs gekommen; natürlich hätte auch für ihn Fluchbrecher nahegelegen, allerdings wollte der Braunhaarige lieber schwarze Magier und Hexen zur Strecke bringen … allen voran seinen Vater. Nadeshiko dagegen war von Arthimantik und Alte Runen unglaublich begeistert, obwohl es gleichzeitig sehr schwierig war. Und Pflege magischer Geschöpfe bei Rubeus Hagrid, der ja zudem noch den Posten des Wildhüters auf den Ländereien inne hatte, faszinierte absolut – wobei manche Kreaturen, die er ihnen in der ersten Stunde vorgestellt hatte, eher fragwürdig wirkten. Während einer Stunde Kräuterkunde, in der sie in Kleingruppen das überwucherte Gewächshaus auf Vordermann bringen sollten, hallte ein Schrei durch das gläserne Klassenzimmer. Professor Pomona Sprout eilte zu der Gryffindor, die geschockt auf eine gigantische Schlange starrte, die sich aus einem Erdhügel heraus schlängelte.

„Der Unterricht ist beendet – gehen Sie sofort in ihre Gemeinschaftsräume!“, befahl die Hauslehrerin von Hufflepuff harsch.

Sofort ließen die Schüler ihre Utensilien fallen, packten in Hast noch ihre Schultaschen und rannten dann hinaus. Auf dem Rückweg zum Schloss redeten alle wild durcheinander – woher die Schlange gekommen war, ob es noch mehr von ihnen gäbe und so weiter.

Doch all ihre Sorgen wurden bereits zu Beginn der nächsten Stunde von Professor Rien beschwichtigt: „Ich habe gehört, sie haben ein … erschreckendes Erlebnis hinter sich. Nun, ich kann sie auf gewisse Weise beruhigen – es handelte sich nicht um eine echte Schlange, sondern um einen Irrwicht. Kann mir jemand sagen, was das ist?“

Eine Ravenclaw meldete sich: „Ein dunkel-magisches Geschöpf, das die Gestalt dessen annimmt, wovor man sich am meisten fürchtet.“

„Sehr gut, zehn Punkte.“, bestätigte er, „Niemand weiß, wie die wahre Gestalt eines Irrwichts aussieht – aber Sie werden schon sehr bald herausfinden, wie er für jeden von Ihnen aussehen wird. Es gibt jedoch einen Zauber, mit dem er sich vertreiben lässt … Das >Riddikulus< allein genügt jedoch nicht; Sie müssen ihm eine Form aufzwingen, über die Sie von Herzen lachen können. Schön, schön … stellen Sie sich bitte in einer Reihe auf und kommen Sie nacheinander mit erhobenem Zauberstab in mein Büro.“

Ramon Rien ging mit dem ersten Schüler voraus und befreite den Irrwicht aus einem alten Holzschrank. Er benötigte mehrere Versuche, bevor sein Zauber anschlug. Anschließend ging er hinaus und der nächste trat ein. So ging es weiter, bis Ohtah schließlich das Büro betrat. In seinem Kopf erschien zunächst ein Bild seines Vaters, wütend und grausam … dann musste der Braunhaarige allerdings an jemand anderen denken. Keine Sekunde später lag ein Mädchen vor ihm auf dem Boden – die Augen starr, das rote Haar mit Blut verklebt … Er wusste, dass sie tot war, weil er sie nicht beschützt hatte. Sein Blick verschleierte von aufsteigenden Tränen.

„Konzentrieren Sie sich, Mister Shadowdragon, das ist nur eine Illusion!“, hörte er die Stimme seines Lehrers wie aus weiter Ferne.

„Riddikulus!“, schrie Ohtah, einen schmerzlichen Unterton in der Stimme, und verwandelte den Irrwicht in tanzende Feuerbälle.

Kein Lachen kam ihm über die Lippen, aber Professor Rien nickte trotzdem, da er die Freude auf seinen Zügen erkannt hatte. Erleichtert wandte sich Ohtah zum Gehen – obwohl er gesehen hatte, wie sich der Irrwicht gewandelt hatte, musste er sich versichern, dass es ihr gut ging. Doch Nadeshiko, die eigentlich direkt hinter ihm gestanden hatte, war verschwunden … Erst beim Klingeln zum Ende der Stunde tauchte sie wieder auf, marschierte stur an ihren Mitschülern vorbei und wartete darauf, dass Professor Rien aus seinem Büro kam.

Ihre Augen klebten auf dem Boden, während sie kleinlaut sagte: „Ich … Es tut mir leid. Ich konnte es nicht ertragen, sie zu sehen … also das, was der Irrwicht mir zeigen würde.“

„Ich mache Ihnen keine Vorwürfe … Die eigene Angst zu überwinden, ist keine leichte Aufgabe. Lassen Sie sich etwas Zeit.“, antwortete er milde, „Wissen Sie, manchmal vergessen Erwachsene – besonders Zauberer – was es bedeutet, in Ihrem Alter zu sein und dennoch schon ein solch schweres Schicksal zu tragen. Wenn Sie jemanden brauchen, dem Sie sich … anvertrauen möchten, ich bin jederzeit für Sie da, Miss Yosogawa.“

Gerührt über sein Verständnis bedankte sich Nadeshiko, ehe sie zu Ohtah eilte. Der Slytherin wirkte erleichtert und zu ihrer Verwunderung schloss er sie wortlos in die Arme – nicht dass er sie nicht des Öfteren umarmte, nur das feuchte Glitzern in seinen Augen hatte sie kalt erwischt.
 

Von diesem Tag an begegneten auffallend vielen Schülern an den ungewöhnlichsten Orte irgendwelchen Schreckgespenstern, obwohl Irrwichte verborgene, dunkle Plätze schätzten und nicht hell erleuchtete Flure oder belebte Klassenzimmer. Nach dem mindestens zehnten Zwischenfall schlug sich Nadeshiko anklagend an die Stirn und ließ ihr Astronomiebuch dabei fallen – sie hatten in der Bibliothek gerade an ihren Hausaufgaben gearbeitet.

„Was ist los, Shiko? Sinistra´s eigentümliche Aufgaben sind doch nichts neues.“, meinte Ohtah, bei dem der Groschen offenbar noch nicht gefallen war.

Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern: „Das ist der nächste Fluch! All diese merkwürdigen Irrwichte, das ist nicht mehr normal – nicht einmal für Hogwarts. Erinnere dich, was Seiketsu geschrieben hat … >Angst und Schrecken<!“

Nun dämmerte es auch dem Braunhaarigen … und er klatschte sich mit der Hand ebenfalls gegen die Stirn: „Du hast recht – das bedeutet, wir sind in Level zwei. Schon irgendwelche Vermutungen, wo es sich befinden könnte?“

Dies war natürlich eine rhetorische Frage gewesen. Beide dachten seit Ende des letzten Schuljahres darüber nach … Noch konnten sie mit Seiketsu´s Hinweis nichts anfangen. Vergessen war der Aufsatz über die Monde des Merkur – sie sammelten mehrere Bücher über Begegnungen mit Irrwichten ein, sogar ein Buch über die Gewächshäuser, wo der erste von ihnen aufgetaucht war.
 

Nachdem Nadeshiko und Ohtah am folgenden Montag von Professor Sinistra und Professor Binns Rüge samt Strafarbeiten aufbekommen hatten, weil sie ihre Abgabetermine nicht eingehalten hatten, mussten sie ihre Recherchen auf außerhalb ihrer schulischen Verpflichtungen verschieben; es war ja ein Wunder, dass sie nicht vom Astronomieturm hängen mussten. Währenddessen trafen immer mehr auf ihre schlimmsten Alpträume … und jeden Abend brütete die Gryffindor über dem Eintrag im Notizbuch. Es war merkwürdig, es enthielt sonst nur Informationen über das Verlies von Schnee und Eis sowie über das aktuelle der Angst. Hatte Seiketsu es etwa so verzaubert, dass es erst nach dem Brechen des nächsten Fluches weitere Seiten füllen würde? So sehr es Nadeshiko auch beschäftigte, diesmal klammerte sie sich jedoch an ein anderes Schriftstück, welches bei ihrer Rückkehr in den Schlafsaal auf ihrem Bett gelegen hatte. Shirayuki´s vorwurfsvoller Miene nach zu urteilen, hatte sie es nicht überbracht und einzig ihr Stolz hielt die wunderschöne Schleiereule wohl davon ab, es nicht zu zerfetzen.

Wer auch immer ihr den Brief hatte zukommen lassen, wollte Nadeshiko anscheinend einschüchtern: „>Miss Yosogawa, Ihre Suche wird zusehends schwieriger, nicht wahr? Angst ist nicht greifbar … und genau deshalb sollten Sie sich in Acht nehmen. Stellen Sie sich selbst die Frage, ob Sie bereit dafür sind, was kommen möge! Und was es für alle Beteiligten bedeutet, wenn sie es nicht sind …<“

Nein, bereit war sie nun wirklich nicht – sie hatte es als einzige in ihrem Jahrgang nicht geschafft, ihrem Irrwicht gegenüberzutreten. Diese grauenhafte Vorstellung verfolgte sie dafür bis in ihre Träume … Niemals könnte sich Nadeshiko verzeihen, wenn sie Wirklichkeit werden würde.

Da sich außer ihr noch niemand in den Schlafsaal zurückgezogen hatte, wagte sie es ihre Gedanken mit Shirayuki zu teilen: „Sei … ist schon so lange verschollen. Würde sie mir Vorwürfe machen, weil ich es noch nicht geschafft habe, sie zu retten? Vielleicht ist sie enttäuscht von mir …“

Aufmunternd knabberte das weiß gefiederte Geschöpf an ihrer Hand, die noch immer das Pergament hielt. Mit einem knappen Lächeln dankte Nadeshiko es ihr. Und richtete ihre Gedanken wieder auf die Frage nach dem Urheber …

Als sie erfolglos nach dieser beinahe durchwachten Nacht vollkommen ermattet zum Frühstück geschlurft kam, erhob sich Argo und sagte strahlend: „Hallo, schöne Frau.“

Stirnrunzelnd betrachtete sie den Becher mit Kürbissaft, den er ihr entgegen hielt. Inzwischen war sie seine Annäherungen ja gewohnt, doch etwas an seinem Blick ließ sie innehalten … Dann schüttete die Nadeshiko den Inhalt dennoch die Kehle hinab.

Ein süßlicher Nachgeschmack lag auf ihrer Zunge, während sie säuselte: „Argo … ich muss dir etwas gestehen … Kein Liebestrank der Welt wird mich jemals die Gefühle in meinem Herzen vergessen lassen. Gib´ es endlich auf!“

Sie gab dem geplätteten Argo das Gefäß zurück und setzte sich an den Tisch. Unwillkürlich wanderten ihre Augen zum Tisch der Slytherins, was ihrem ungebetenen Verehrer nicht entging … Ohtah begegnete ihrem Blick mit leicht hochgezogenen Augenbrauen – ihm schmeckte Argo´s Interesse genauso wenig, wie Nadeshiko darauf eingehen wollte. Dennoch mussten sie sich dringend in ihrer Ecke der Bibliothek treffen. Nadeshiko hatte ihm einiges zu berichten …
 

Allerdings sollten es zwei weitere Tage dauern, bis Nadeshiko und Ohtah endlich Zeit hatten, um ungestört miteinander sprechen zu können. Nämlich während ihres ersten Ausflugs nach Hogsmeade, dem kleinen Zaubererdorf, welches zum einen den Bahnhof des Hogwarts-Expresses beherbergte sowie als einziger Ort im ganzen Vereinigten Königreich ausschließlich von magischen Familien bewohnt wurde. Neben den Läden, die denselben offenherzigen Charme versprühten wie jene in der Winkelgasse, war besonders das Gasthaus »Die Drei Besen« berüchtigt, nicht zuletzt für sein ausgezeichnetes Butterbier. In diesem lauten und sehr vollen Rahmen erzählte die Hexe ihrem besten Freund von dem mysteriösen Brief.

„Ich finde, es klingt ein wenig nach einer Drohung.“, meinte der Slytherin nachdenklich.

Nadeshiko stimmte ihm im Stillen zu. Irgendjemand hatte schon zu Seiketsu´s Zeiten von den Verliesen gewusst … Doch warum fiel den Lehrern nur ihre Detektivarbeit auf?

Fluchend raufte sich der Slytherin die Haare: „Schon klar, warum sie in ihrem Buch keinen Lageplan hinterlassen hat … trotzdem hätte Seiketsu-“

„Oh, Ihr sprecht von Seiketsu Yosogawa, nicht wahr?“, fragte Madame Rosmerta, die Wirtin, welche gerade ihre Bestellung an den Tisch brachte, „Ich erinnere mich gut an sie … einsames, kleines Ding. War häufig ganz allein unterwegs und wurde von anderen Schülern böse beschimpft, trotzdem hatte sie immer ein Lächeln im Gesicht. Sie interessierte sich für alle möglichen Legenden rund um Hogwarts und das Dorf, keine Geschichte war ihr zu schaurig oder gar langweilig und jedes Mal, wenn ich sie gesehen habe, hat sie in ein kleines Büchlein geschrieben. Da fällt mir ein, dass sie einmal irgendwas von Irrwichten in der Bibliothek gefaselt hat … Ihr habt in der Schule gerade sehr viele, nicht wahr?“

Fast hätte sich die Gryffindor an ihrem Getränk verschluckt, was Madame Rosmerta aus ihrem Monolog riss: „Ach, ich wollte Euch nicht langweilen – entschuldigt mich, die anderen Gäste warten.“

Damit schlenderte sie davon.

„Meinst du, der Zugang befindet sich dort?“, sprach Ohtah leise ihren Gedanken aus.

Nadeshiko zog das Notizbuch aus der Falte ihres Umhangs und las den zweiten Eintrag über das Verlies der Angst vor: „>Bücher über Bücher, doch nur eines führt zum Ziel – verzage nicht, Shiko, fürchte dich nicht. Es gibt einen Zauber, der dich leiten kann …<“
 

Aus den Wochen wurden Monate, das Weihnachtsfest ging und das neue Jahr kam – der Erfolg blieb allerdings aus. Nicht immer konnten sie einfach Regal für Regal die Bibliothek durchforsten, andere Schüler und vor allem Madame Pince waren ihnen dabei sehr im Weg. Schlussendlich schmolz im März bereits der letzte Schnee, als sich die beiden zu ihrem kleinen »Kriegsrat« trafen.

„Es gibt nur einen Teil, den wir noch nicht durchforstet haben … weil wir es nicht dürfen. Wenn sich der Zugang zum Verlies der Angst wirklich in der Bibliothek befindet, dann in der Verbotenen Abteilung!“, meinte Nadeshiko entschieden, „Aber da wir noch keine UTZ-Schüler sind, wird uns kein Lehrer die Erlaubnis ausstellen … Wir bräuchten ein Ablenkungsmanöver für Madame Pince.“

Ohtah schwieg einen Moment, ehe er entgegnete: „Wie sollen wir das anstellen? Wir können nicht beides gleichzeitig machen – und ich werde dich garantiert nicht allein gehen lassen.“

„Hm, im Grunde gibt es niemanden, dem wir vertrauen können, um ihn in die Sache mit hineinzuziehen – außer vielleicht … Wie wäre es mit Klerus?“, verkündete sie ihren Einfall.

Seine Gesichtszüge entgleisten ihm und er fragte: „Fängst du schon wieder damit an? Ich dachte, wirklich das Thema wäre durch … Abgesehen davon – bedeuten Familienbande für dich gleichzeitig eine Vertrauensbasis?“

Schmerz hatte in seiner Stimme gelegen; sie wusste, er spielte damit auf seinen Vater an. Noch heute staunte er, dass sie weiterhin etwas mit ihm zu tun haben wollte – trotz seiner Familiengeschichte.

Plötzlich sprach eine neue Stimme, die beide zusammenzucken ließ: „Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob du es weißt … und mich nicht getraut, dich danach zu fragen.“

Keine Sekunde später trat ein Hufflepuff-Schüler um das Regal herum; das blonde Haar hatte er hinten zurückgebunden … Nadeshiko war ihm bislang nie so nahe gewesen und hatte daher seine verräterischen Augen vorher nicht betrachten können – dasselbe tiefe Grün wie bei Ohtah starrte an ihr vorbei und sie musste sich ein Lächeln verkneifen. Dem Braunhaarige dagegen fehlten bei der Offenheit seines Halbbruders die Worte.

Klerus kratzte sich verlegen am Hinterkopf und sagte: „Ich sollte mich wohl entschuldigen, dass ich euch belauscht habe … und, na ja, das nicht zum ersten Mal. Ich würde euch empfehlen, nächstes Mal den >Muffliato< zu benutzen …“

Während Ohtah stocksteif da saß, erhob sich die Gryffindor und schüttelte ihm die Hand: „Hallo, Klerus. Ich bin Shiko – freut mich, dich kennenzulernen. Und … Ohtah?“

Endlich erwachte er aus seiner Starre, kam ebenfalls zu ihnen und sie erkannte, wie nervös er war, als er sprach: „Ich weiß nicht, was du über mich … oder unseren Vater gehört hast-“

„Schon gut, ich habe die Geschichte von meiner Mutter gehört.“, unterbrach der Jüngere ihn und versuchte zu lächeln, „Allerdings bestimmt das ja nicht, wer wir sind … Bitte, Ohtah – gib´ mir einfach eine Chance!“

Mit der Gesamtsituation überfordert, überschlugen sich Ohtah´s Gedanken – genau deswegen hatte er Klerus im vergangenen Jahr nicht angesprochen. Zwischenmenschliche Beziehungen waren definitiv nicht sein Fachgebiet … Doch konnte, wollte er seinen Halbbruder nun wirklich noch ignorieren? Sein Zögern warf einen Schatten über das Gesicht von Klerus – genau in diesem Moment begriff Ohtah, er fürchtete sich ebenso sehr auf Ablehnung zu stoßen …

„Nur … nur wenn auch ich dir beweisen darf, dass ich nicht wie er bin.“, brach der Slytherin endlich die angespannte Stille.
 

Nachdem sie Klerus in ihr Vorhaben und dessen Hintergrund eingeweiht hatten, wollte er ihnen unbedingt helfen – sein Herz schlug voll Mitleid für Seiketsu, die nur auf den Erfolg ihrer Unternehmung hoffen konnte … Sie vertraute ihrer kleinen Schwester bedingungslos; er wünschte sich so sehr, Ohtah würde sich ebenso auf ihn verlassen … dass sie richtige Brüder werden würden.

Am letzten Tag der Osterferien lockte die strahlende Sonne selbst die Dauerbesucher der Bibliothek zum Lernen – oder Entspannen – hinaus auf das Gelände. Auf eine solche Gelegenheit hatten Nadeshiko und ihre beiden Verbündeten gewartet. In einem unbeobachteten Moment, in dem sich Irma Pince in der Stille und Schönheit der aufgeräumten Bücherregale verlor, schlich sie sich mit Ohtah zum Eingang der Verbotenen Abteilung, während Klerus seinen Zauberstab zückte und eine Stinkbombe in die entlegene Ecke der Bibliothek schickte. Sofort stürmte die um die Ordnung bemühte Hexe davon.

„Alohomora!“, murmelte die schöne Gryffindor und schlüpfte anschließend mit dem gewitzten Slytherin hinein, während dessen Halbbruder draußen Wache hielt.

Die Verbotene Abteilung unterschied sich optisch erst mal gar nicht vom Rest der Bibliothek. Nur die Titel verrieten ihre weit aus höhere Magie, als der Stand eines Drittklässlers es vermochte. Kurz flammte die Versuchung auf, sich gründlich umzusehen – dann jedoch holte Nadeshiko die Zeichnung des Drachens aus dem ersten Verlies hervor, legte sie auf ihre linke Handfläche und den Zauberstab darauf.

Mit geschlossenen Augen flüsterte sie: „Weise mir den Weg …“

Der Orientierungszauber, welcher den Zauberstab stets nach Norden ausrichtete, ließ ihn diesmal auf ein pechschwarzes Buch ohne Titel zeigen.

„Ich weiß nicht, ob ich bereit bin … und ja, ich habe Angst. Aber ich werde nicht davonlaufen!“, sagte Nadeshiko entschlossen und berührte den Buchrücken.

Die Wand klappte nach vorne auf, gab eine Treppe frei. Ohtah wollte hineingehen, da hielt ihn sie ihn plötzlich zurück. Diesmal wollte … musste sie selbst vorausgehen. Um sich, dem Verlies und vermutlich auch Seiketsu, dass sie dieser Mission gewachsen war.

„Ich bin direkt hinter dir.“, versprach ihr Ohtah, ehe sie den Fuß auf die unterste Stufe setzte.

Sofort schlug die Bücherwand zurück, verschloss den Zugang. Der Braunhaarige schrie, hämmerte mit den Fäusten dagegen, berührte das Buch, sprach dieselben Worte … nichts geschah. Das Bild des Irrwichts erschien vor seinem geistigen Auge und seine Beine versagten ihm den Dienst. Sie würde ganz sicher sterben … und es wäre allein seine Schuld! Er sollte ihr Beschützer sein – stattdessen ließ er sie offenkundig in die Gefahr rennen – wie bescheuert konnte man eigentlich sein?

Auf der anderen Seite ruhte Nadeshiko´s Hand an der hölzernen Vertäfelung. Seine verzweifelten Rufe konnte sie zwar nicht hören, doch wusste sie genau, welche Vorwürfe er sich nun machte. Was sie erwarten mochte, sie musste unbedingt zu ihm zurückkehren!

„Warte auf mich …“, flüsterte die Gryffindor und machte sich mit erhobenem Zauberstab an den Aufstieg.

Solange sie es im Unterricht durchgenommen hatten, war Nadeshiko der Begegnung mit ihrem Irrwicht aus dem Weg gegangen. Weil sie genau gewusst hatte, welche Form er annehmen würde … ihr Blick fiel zuerst auf die braunen Augen, die ein wenig dunkler waren als ihre eigenen und das braune Haar wehte von dem kalten Zug, der durch die Ritzen pfiff. Sie trug nicht die schwarz-blaue Schuluniform eines Ravenclaw, wie es in Hogwarts angemessen gewesen wäre, denn so hatte Nadeshiko ihre Schwester nicht in Erinnerung … Seiketsu trug einen hellblauen Yukata mit weißen Fächern und dunkelblauem Obi. So war sie mit ihrer kleinen Schwester während ihrer letzten Sommerferien, welche sie alle gemeinsam in Japan verbracht hatten, zu einem kleinen Schreinfest gegangen. Damals war sie der achtjährigen Nadeshiko wie eine Prinzessin aus den Sagen vorgekommen …

Doch an ihre Stelle war eine furchterregende Furie getreten, die wilde Beschimpfungen brüllte: „Wie kannst du es wagen, mir noch unter die Augen zu treten? Nachdem du mich einfach im Stich gelassen hast – es ist deine Schuld, dass ich noch immer gefangen bin! Ich habe dir vertraut … aber du hast mich enttäuscht, Shiko. Ich verfluche dich! Du wirst mit mir zusammen hier festsitzen und niemals mehr das Licht des Tages sehen.“

Tränen rannen über die Wangen der Rothaarigen. Professor Rien hatte seine Schüler davor gewarnt, in Panik oder Verzweiflung zu verfallen – einmal nachgegeben, konnte man sich nicht mehr aufraffen, dem Irrwicht entgegen zu treten.

„Oneechan, ich … Erinnerst du dich noch daran, wie du in den Gartenteich gefallen und die Seerose auf dem Kopf hattest? Damals haben wir so gelacht …“, sagte sie mit zitternder Stimme, „Riddikulus!“

Die Kleider klebten nass an ihrem Körper und die Blüte samt grünem Blatt hing Seiketsu ins Gesicht, sodass sie Nadeshiko´s trauriges Lächeln nicht mehr sah. Nichtsdestotrotz hatte sie die Ausgeburt ihrer Angst besiegt. Und damit den Zugang noch einmal geöffnet. Ohtah spurtet die Treppe hinauf – er erreicht sie gerade, als sie vor eine identische Säule trat, wie sie bereits im ersten Verlies gefunden hatten. Darin wurde ein wunderschön gearbeiteter Pfeil mit juwelenbesetzter Spitze aufbewahrt. Bewundernd griff die Gryffindor danach. Sie spürte das Erbeben der Macht, welches vom Brechen des Fluches kündete.

„Du hast es geschafft …“, hauchte Ohtah beinahe ehrfürchtig.

Sie lächelte und meinte: „Nur weil du immer bei mir bist.“

Er nahm ihre Hand und gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg zurück in die Verbotene Abteilung. Lauschend legte der Slytherin ein Ohr an die Tür und klopfte zweimal. Von draußen wurde das Zeichen erwidert. Klerus war auf seinem Posten geblieben und Dank einiger raffinierter Tricks hatte er Madame Pince ferngehalten. Ohtah und Nadeshiko traten hinaus in die Bibliothek, bevor sie zum Innenhof rannten, dicht gefolgt von dem Hufflepuff. Er wollte alles wissen, was passiert und wie das Verwunschene Verlies gewesen war.
 

In den folgenden Wochen herrschte in den Fluren des Schlosses nur ein einziges Gesprächsthema – Fluchbrecher Nadeshiko Yosogawa hatte ein weiteres Mal zugeschlagen! Obwohl es keinerlei Beweise oder gar Hinweise darauf gab, dass sie involviert gewesen wäre, gab es keinen Zweifel daran.

Und so wunderte sie sich nicht weiter, weil Professor McGonegall sie und Ohtah in ihrem Büro zu sprechen wünschte: „Niemand weiß, von wo aus die Irrwichte über Hogwarts gekommen sind – aber inzwischen sind sie verschwunden. Ich bin sicher, Sie wissen sehr genau, was die Schülerschaft vermutet … und Teile des Lehrkörpers. Hier also noch einmal ein Wort der Warnung und hoffentlich zum letzten Mal – die Verwunschenen Verliese sind gefährlich! Sollte sich eines Tages ein weiterer Fluch zeigen, werden die Lehrer sich darum kümmern.“

Auf ihren Wink wandten sie sich zum Gehen. Da bemerkte Nadeshiko, dass der Sprechende Hut gar nicht schlief, wie es sonst der Fall gewesen wäre – nein, er schaute sie direkt an und schien beinahe anerkennend zu nicken.

Da Professor McGonegall sie von da an besonders im Auge zu behalten schien, warteten die drei bis zu ihrer Fahrt im Hogwarts-Express, um das Notizbuch mit der Pfeilspitze anzustupsen.

Langsam breitete sich Seiketsu´s geschwundene Handschrift über einer weiteren Seite aus: „>Du hast es wieder geschafft, Shiko, ich bin so stolz auf dich! Das ganze Jahr habe ich mir – neben meinen eigenen Recherchen – den Kopf darüber zerbrochen, was du wohl wegen der sehr … hm, mauen Informationen denken wirst. Es tut mir leid, aber ich kann nichts genaueres niederschreiben; es wäre zu gefährlich, sollte es jemand anderes in die Hände bekommen. Ich bin mir sicher, du wirst meine Hinweise dennoch entschlüsseln können. Folge dem Zentauren zum Spinnen-Tor! Und sicher hast du inzwischen herausgefunden, wie dieses Buch funktioniert – je mehr du selbst herausfindest desto weiter gehen meine Ausführungen. Ich glaube ganz fest an dich!<“
 

Von Acrumantulas, Zentauren und Liebe

Schon so einige Schulregeln waren von Nadeshiko und Ohtah gebrochen worden – noch wussten sie allerdings nicht, dass dies erst der Anfang gewesen war … Ein neues Schuljahr, ein weiteres Verlies und eine Prüfung der ganz anderen Art erwartete die beiden, die im Hogwarts-Express bereits ihre nächsten Schritte planten und versuchten Seiketsu´s eigentümliche Notizen zu entschlüsseln.

„Also eines sag´ ich dir, Shiko – sobald wir Seiketsu gerettet haben, werde ich sie erst mal für ihre kryptische Ausdrucksweise zur Rede stellen.“, scherzte der Braunhaarige, „>Folge dem Zentauren zum Spinnen-Tor!< Ich meine, wovon genau spricht sie denn da – von einem Sternbild, einer Statue oder was? Na ja, wir werden es auf jeden Fall herausfinden und ihr wieder einen Schritt näher kommen …“

Nadeshiko war ebenso ratlos. Dennoch musste sie ein wenig schmunzeln. Ohtah schaffte es stets, ihr neuen Mut zu geben … Und mehr noch – die Rothaarige rückte etwas näher an ihn heran, lehnte den Kopf gegen seine Schulter. In seiner Nähe fühlte sie sich unglaublich wohl – die Ferien waren erneut ein Graus gewesen; natürlich verschwieg Nadeshiko weiterhin eisern die Suche nach ihrer Schwester, sie fürchtete sich vor der Reaktion ihrer Eltern. Sicher wären sie keineswegs begeistert, erneut ihre Tochter in Gefahr zu wissen … Einzig er verstand, was ihr diese Mission bedeutete; nein, ganz stimmte das auch wieder nicht – Klerus öffnete die Abteiltür und reichte ihnen jeweils einen Kesselkuchen mit einem Becher Kürbissaft. Seit er und Ohtah sich einander angenähert hatten – von ihrer Suche nach den Verwunschenen Verliesen hatte er ja auf eigene Faust erfahren –, war der Huffelpuff ein enger Vertrauter geworden. Er kannte diese Sehnsucht aus erster Hand … Es war seltsam gewesen zu seiner Mutter zurückzukehren, ohne ihr von ihm zu erzählen; doch die Brüder hatten es besser gefunden, wenn sie erst einmal nichts davon wusste. Vor allem ihr Vater sollte es nicht erfahren – nicht dass Ohtah ihm überhaupt jemals etwas über die Schule berichtete; ja, nicht einmal von Nadeshiko hatte er Kenntnis. Nun da er endlich wieder bei ihr und Klerus sein konnte, blühte der Braunhaarige geradezu auf, nur hier bei ihnen konnte er er selbst sein – die Ferien hatte er vorrangig damit verbracht, tagelang irgendwie durch Wiesen, Felder und Wälder zu streifen …
 

Der erste Monat verlief ohne größere Zwischenfälle – von dem Berg Hausaufgaben der Viertklässler und den Vorträgen über die ZAG-Prüfungen einmal absah, die ihnen allerdings erst nächstes Jahr bevorstanden und trotzdem von jedem einzelnen Lehrer erwähnt wurden. Was es mit dem Pfeil auf sich hatte, konnten Nadeshiko, Ohtah und Klerus immer noch nicht sagen. Ihnen war nur der Gedanke über einen möglichen Zusammenhang mit dem Sternzeichen des Schützen gekommen, welcher häufig als Zentauren mit gespanntem Bogen dargestellt wurde; leider gab es nirgendwo im Schloss eine solche Darstellung oder ähnliches. Trotzdem suchte sich die Rothaarige die dazu passende Lektüre aus der Bibliothek und las zumeist vor dem Einschlafen darin, auf der Suche nach Verbindung zu Spinnen.

Während einer Stunde Verwandlung geschah es – die Tür wurde ohne vorher anzuklopfen aufgerissen und ein Vertrauensschüler Gryffindor´s stürmte zu Professor McGonegall ans Pult, die lediglich seine totenbleiche Miene an einer Schimpftirade hinderte.

Stattdessen fragte sie scharf: „Wo?“

„Im rechten Korridor des vierten Stocks.“, kam die Antwort kaum mehr als ein Windhauch.

Nadeshiko drehte es den Magen um, als ihre Hauslehrerin den Unterricht beendete und die Schüler bis zum Beginn der nächsten Stunde in den Gemeinschaftsraum schickte. Im Grunde hatte der Gesichtsausdruck des Fünftklässlers genügt, um ihr begreiflich zu machen, was geschehen war – ein neuer Fluch war in Kraft getreten! Einen kurzen Moment erwog sie, ihnen zu folgen, doch damit würde sie sich nur Ärger einhandeln; mit Ohtah und Klerus konnte sie sich ebenfalls nicht sein treffen, ihr Unterricht lief ja noch; blieben nur ihre üblichen Studien. Im Gemeinschaftsraum hielten sich lediglich einige UTZ-Schüler, die über ihren Hausaufgaben brüteten.

Als Nadeshiko überlegte, welches Buch sie sich vornehmen sollte, hörte sie einen von ihnen sagen: „Professor Hagdrig hat angekündigt, uns das nächste Mal ein kleines Exemplar der Acrumantula-Kolonie aus dem Verbotenen Wald vorzustellen! Kannst du dir das vorstellen? Ich meine, die Biester sind doch vollkommen gefährlich – das Ministerium hat ihnen die höchste Gefahrenstufe verpasst!“

Acrumantula … Etwas klingelte im Hinterkopf der Rothaarigen. Sie ging hinauf in den Schlafsaal und nahm »Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind« von Newt Scamander zur Hand.

Gleich nach dem einleitenden Text fand sie in dem alphabetisch geordneten Buch den entsprechenden Eintrag: „>Die Acrumantula ist eine monströse, achtäugige Riesenspinne, die der menschlichen Sprache mächtig ist. Sie hat ihren Ursprung im dichten Dschungel von Borneo. Auffällige Merkmale sind ihr dichtes, schwarzes Haar, das den ganzen Leib überwuchert, die bis zu drei Meter langen Beine, die Klauen, die ganz eigentümlich klicken, wenn die Acrumantula erregt oder wütend ist, und schließlich ihr giftiges Sekret. Die Acrumantula ist eine Fleischfresserin und bevorzugt große Beutetiere. Ihre Netze spinnt sie als Kuppeln über dem Erdboden. Das Weibchen ist größer als das Männchen und legt in einem Wurf bis zu hundert weiche und weiße Eier, die so groß sind wie Strandbälle. Nach sechs bis acht Wochen Brutzeit schlüpfen die Jungen. Die Abteilung zur Führung und Aufsicht Magischer Geschöpfe stuft die Eier der Acrumantula als 'Nicht verkäufliche Güter der Klasse A' ein, das heißt, Einfuhr und Verkauf dieser Eier werden mit schweren Strafen geahndet. Dieses Tierwesen ist vermutlich von Zauberern gezüchtet worden, wahrscheinlich, um Behausungen oder Schätze zu bewachen, wie es bei den auf magische Weise geschaffenen Ungeheuern häufig der Fall ist (Der menschlichen Sprache fähigen Tierwesen erlernen diese nur selten von allein; eine Ausnahme ist der Jarvey. Das Verbot experimenteller Zucht trat erst im [Edit] 21. Jahrhundert in Kraft, lange nach der ersten verbürgten Sichtung einer Acrumantula im Jahre 1794.). Trotz ihrer fast menschenähnlichen Intelligenz lässt sich die Acrumantula nicht abrichten und stellt eine große Gefahr für Zauberer und Muggel gleichermaßen dar. Gerüchte, wonach sich eine Kolonie von Acrumantulas in Schottland niedergelassen habe, wurden [Edit] im Jahr 1993 offiziell betätigt.“

Eine Spinne … Und wenn sie sich nicht sehr täuschte, lebten nicht nur Acrumantulas im Verbotenen Wald, sondern dort lag auch irgendwie ein Zentauren-Dorf!
 

„Also, wie kommen wir am besten dorthin?“, fragte Nadeshiko, als sie am nächsten Tag Ohtah und Klerus geschützt durch den »Muffliato«-Zauber in ihrer Bibliotheksecke alles über ihre Erkenntnis berichtet hatte.

Der Hufflepuff zählte sofort verschiedene Möglichkeiten sowie deren Machbarkeit auf – Professor Hagdrig nach einer Exkursion zu fragen oder gleich Professor McGonegall, sorgten bei ihnen trotz der ernsten Situation für einen kleinen Lachanfall. Außer bei dem gewitzten Slytherin, der eisern schwieg – ihm gefiel es ganz und gar nicht, welche Risiken ein solcher Ausflug für sie mit sich brächte. Nicht dass er nicht mit Gefahren gerechnet hätte …

„Hast du dir das gut überlegt?“, warf Ohtah plötzlich ein, seine Miene zeigte keine Regung.

Sein Halbbruder verstummte und die Gryffindor meinte verwirrt: „Wieso diese Frage? Erde an Ohtah – hier geht es um Sei.“

Diese Antwort wunderte ihn keineswegs, eigentlich ärgerte er sich sogar über seine Worte – als ob seine oder irgendwelche anderen Bedenken Nadeshiko jemals umgestimmt hätten. Nichtsdestotrotz wären die Acrumantulas nicht zwingend das gefährlichste Problem – außer dem übrigen, was im Verbotenen Wald keuchte und fleuchte, machten ihm vor allem die Zentauren Sorgen. Im Allgemeinen verachteten sie die Zauberschaft, die ihr Volk nicht als gleich oder sogar höher gestellt betrachteten. Es würde ziemlich schwierig werden, sie zu überzeugen, ihnen zu helfen … noch dazu sie überhaupt erst mal trotz ihrer erstklassigen, waldläuferischen Fähigkeiten aufzuspüren, ohne vorher aus dem Dickicht von einem ihrer Pfeile erschossen zu werden.

„Immerhin steht >Arania Exumai< im Lehrplan der Viertklässler.“, sagte Ohtah, ohne auf den aktuellen Gesprächspunkt geachtet zu haben, „Du lernst ihn dann einfach, während wir ihn üben, Klerus.“

Nadeshiko sah ihn verdutzt an. Es war nicht zu übersehen gewesen, dass er ihr nicht zugehört hatte – und dennoch hatte er sich mit dem Thema beschäftigt.

Mit dem Thema beschäftigte sich auch der Lehrkörper und so kam, dass Professor McGonegall sämtliche Schüler in der Großen Halle versammeln ließ, um ihnen mitzuteilen: „Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit … Aufgrund der neuerlichen Zwischenfälle haben die Lehrer beschlossen, Ihnen ein wohl gehütetes Geheimnis anzuvertrauen. Hogwarts birgt sechs sogenannte Verwunschene Verliese … Jedes von ihnen trägt einen anderen Fluch in sich – Sie erinnern sich sicher an das sogenannte Verwunschene Eis und diese ganzen merkwürdigen Irrwichte. Niemand weiß heutzutage mehr, warum es die Verliese gibt – nur dass sie aktiv werden, wenn sich ihnen jemand nähert; ich beschwöre daher Sie alle … halten Sie sich von den Verwunschenen Verliesen fern und sollte Ihnen irgendetwas verdächtig vorkommen, scheuen Sie nicht, einen Ihrer Lehrer zu informieren – spielen Sie nicht den Helden, dies ist unsere Aufgabe!“

Besonders zwei Schüler ahnten, dass die Warnung besonders an sie gerichtet war. Zudem horchte Nadeshiko bei der neuen Information auf – endlich wusste sie, mit wie vielen Verliesen sie es zu tun hatten! Und Seiketsu befand sich mit großer Wahrscheinlichkeit im letzten von ihnen, vermutlich gefangen … Gleichsam spürte die schöne Gryffindor einen Stich schlechten Gewissens – es schmerzte Nadeshiko, ihre Hauslehrerin enttäuschen zu müssen; sie mochte die weise Hexe, bewunderte sie sogar. Aber nichts auf der Welt würde sie davon abhalten, weiter nach ihrer Schwester zu suchen! Dennoch beunruhigte sie dieser Fluch mehr, als die vorherigen … Die Betroffenen fielen in einen Schlaf, aus dem sie sich nicht mehr wecken ließen – bislang hatte keine Aktion, Zauber oder eingeflößter Trank geholfen.
 

Selten hatte in Hogwarts während der Adventszeit ein derart betrübte Stimmung geherrscht … Madame Pomfrey war zusammengebrochen. Jeden verunglückten Zauber hätte sie heilen können, aber der Schlaffluch trieb sie an den Rand ihrer Kräfte und seelischen Belastbarkeit, dabei brachte sie sonst nie etwas aus dem Konzept. Viele Eltern forderten eine Verlegung ihres Kindes in das Sankt Mungo Hospital für magische Krankheiten und Verletzungen, wovon das Krankenhaus zunächst jedoch noch abriet – die Ursache lag innerhalb der Schlossmauern und es war nicht abzusehen, was mit jenen geschehen würde, die sich nicht dort befanden, sobald diese verschwand – allerdings stimmten sie zu, die Verfluchten in einem gesonderten Bereich unterzubringen, sollte sich ihr körperlicher Zustand so weit verschlechtern, dass Lebensgefahr bestand. Zudem rückte ein kleines Team aus Heilern an, um Madame Pomfrey und die betroffenen Schülern zu versorgen.

Häufig trieb sich Nadeshiko in der Nähe des Krankenflügels herum, denn ein Teil von ihr fühlte sich schuldig. Sie war ihre Bestimmung die Flüche der Verwunschenen Verliese zu brechen! Und zur Zeit schien sie einfach nur zu versagen – viele der anderen begannen inzwischen einen ähnlichen Psycho-Terror, wie einst bei Seiketsu. Davon war mit dem Finger auf sie zu zeigen und sie als »Fluchmacher« zu beschimpfen noch das harmloseste.

Einmal hatte Ohtah gehört, wie sie Shirayuki ihre Sorgen anvertraute: „Manchmal habe ich Angst, sie könnten recht haben … dass ich durch meine Anwesenheit ganz Hogwarts in Gefahr bringe. Bislang ist alles noch relativ glimpflich ausgegangen – aber was, wenn eines Tages jemand durch meine Suche ernsthaft zu schaden kommt? Dieser Fluch … ist viel gefährlicher. Wer weiß, wie lange sie diesen Zustand … überstehen.“

„Das lassen wir nicht zu – glaub´ mir, ich werde dir und allen anderen beweisen, dass du nicht der Auslöser für all diese Flüche bist!“, versuchte er sie aufzubauen, doch es half nicht.

Ihr Glaube lag brach. Verzweiflung legte sich über ihre Gedanken … und so kam es, dass sie noch jemand auf ihr Unterfangen ansprach – nach einer Stunde Verteidigung gegen die dunklen Künste, in der Nadeshiko nicht einmal den simpelsten Zauber zustande gebracht hatte, rief Professor Rien sie zu sich in sein Büro.

„Sie können es abstreiten … doch wir beide wissen, dass ganz Hogwarts glaubt, Sie seien gleichsam für das Ausbrechen … und Brechen der Flüche verantwortlich, Miss Yosogawa. Sie haben bei den ersten beiden Verliesen sehr gute Arbeit geleistet – einem künftigen Fluchbrecher würdig. Und dennoch habe ich meine Bedenken, ob Sie es diesmal wieder schaffen werden … Damit bin ich nicht allein, nicht wahr? Vor allem da die Direktorin Ihnen im Nacken sitzt … und mich gebeten hat, eine Lösung zu finden.“, meinte er, nachdem sie sich ihm gegenüber gesetzt hatte.

Professor Rien hatte ihr bereits erzählt, dass er vor seinem Lehramt als Fluchbrecher aktiv gewesen war. Wenn gerade er ihr die Sache nicht recht zutraute, gab es wohl keine Chance mehr für sie …

„Das heute … nun, Ihre magische Energie wird blockiert. In Wahrheit sind Sie viel stärker … und sturer.“, fuhr er lächelnd fort, „Sie werden Ihre Suche nicht einstellen, selbst wenn Sie dafür sämtliche Schulregeln brechen müssten. Aber da auch ich um Ihre Sicherheit besorgt bin, werde ich Sie wenigstens vorbereiten. Natürlich unter der Voraussetzung, dass Sie von mir überhaupt in höherer Magie unterrichtet werden möchten – und was sonst noch zu einem echten Fluchbrecher dazu gehört.“

Perplex starrte Nadeshiko ihren Lehrer an. Er wollte ihr tatsächlich helfen, sie trainieren?

„Was … was ist mit Professor McGonegall? Sie werden sicher Ärger bekommen.“, fand die Rothaarige doch noch ihre Stimme.

Jetzt lachte er richtig: „Gut möglich. Allerdings müssen wir unsere Sitzungen ja nicht mit den Verliesen in Verbindung bringen – ich bin sicher, ich kann Minerva davon überzeugen, wie gut es Ihnen täte, etwas über die … sagen wir, echte Arbeit eines Fluchbrechers zu erfahren und Sie dementsprechend hinsichtlich Ihres Berufswunsches vorzubereiten; schließlich schafft es gerade einmal die Hälfte aller Teilnehmer die Ausbildung abzuschließen.“

Nadeshiko staunte immer mehr und hauchte ungläubig: „Wie kann ich Ihnen jemals dafür danken?“

Er winkte ab, stattdessen schwang er seinen Zauberstab und eine Reihe von Fotografien, Büchern sowie verschiedener Gegenstände kamen aus einem Koffer in der Ecke auf den Schreibtisch geflogen.

„Fangen wir gleich an – was glauben Sie, ist die wichtigste Eigenschaft, über die ein Fluchbrecher verfügen sollte?“, fragte Professor Rien mit strengem Unterton.

Einen kurzen Moment dachte sie darüber nach, wie es ihr während den Prüfungen der Verliese ergangen war und antwortete entschieden: „Konzentriert bleiben zu können … im Angesicht von Gefahr.“

Ihr Gegenüber nickte zufrieden. Anhand der zahlreichen Dinge, die er herbeigezaubert hatte, klärte er sie über die Grundzüge des Berufes auf; auch erzählte er von seinen eigenen Erlebnissen.

„Neben dem ganzen Wissen über Arithmantik und Alte Runen, müssen Sie vor allem in der Lage sein, sich selbst und das Ziel Ihres Auftrages zu beschützen – das setzt natürlich ein hohes Level der Schutzzauber voraus, aber auch den passenden Gegenfluch und -zauber parat zu haben. Niemand wird Ihnen jemals vorher sagen können, mit was Sie es zu tun bekommen werden – magische Rätsel, Feinde, Fallen, Bannkreise … es gibt unzählige Möglichkeiten.“, mahnte der Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste, „So wie bei den Verliesen …“

Unwillkürlich zuckte Nadeshiko zusammen; vor allem das Verlies von Eis und Schnee hatte ihr durch ihre Unerfahrenheit erhebliche Schwierigkeiten bereitet – allgemein hatte sie mehr Glück gehabt, als alles andere. Vielleicht hätte sie früher, um Hilfe ersuchen sollen …
 

Es war Nadeshiko unmöglich gewesen, Ohtah nichts von ihrem fast geheimen Fluchbrecher-Training zu erzählen. Allerdings vermied sie es, ihm von Professor Rien vorzuschwärmen – dafür musste ihre Schleiereule Shirayuki herhalten. Es beeindruckte sie ungemein, was er bereits erlebt und erreicht hatte. Je länger sie von ihm Einzelunterricht erhielt, desto sicherer wurde sie, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Und es wurde Zeit, dass sie die ganze Sache wahrhaft ernst anging! Die Spuren führten zum Verbotenen Wald und genau dorthin schlich sie sich bei Abbruch der Dämmerung – zunächst hinaus auf den Innenhof, dann an den Gewächshäusern vorbei. Sie wagte es erst im Schutz der Bäume, das Licht an der Spitze ihres Zauberstabes zu entzünden. Das Dickicht wirkte vollkommen undurchdringlich … einerseits schienen es tausend verschiedene Wege zu sein und gleichzeitig kein einziger.

„Wer seid Ihr, was wollt Ihr hier in diesem Wald, Mensch?“, sprach sie plötzlich eine Gestalt an, welche mit gespannten Bogen direkt auf ihre Brust zielte.

Erstarrt stotterte Nadeshiko: „I-Ihr … Ihr seid ein Zen-Zentaur …“

Er wollte schon da Sehne loslassen, da rief sie: „Bitte, wartet – ich bin auf der Suche nach dem Verwunschenen Verlies! Mein Name lautet Shiko, Nadeshiko Yosogawa.“

Voller Erstaunen ließ der junge Zentaur seine Waffe sinken und fragte: „Yosogawa wie … Seiketsu Yosogawa?“

„Ja, sie ist meine ältere Schwester. Kennt Ihr Sei?“, hakte nun ihrerseits die Rothaarige verwundert nach.

Ein schauerliches Lachen hallte von den Baumstämmen wieder: „Kennen … ist ein wenig milde ausgedrückt. Ich würde fast behaupten, wir wären so etwas wie Freunde gewesen; so fern das zwischen unseren beiden Rassen überhaupt möglich ist – bis sie mich eines Tages verraten hat! Seiketsu Yosogawa ist dafür verantwortlich, dass ich aus meinem Rudel verbannt wurde … Weil sie mir die Insigne des Oberhauptes gestohlen hat … Ihr mögt nicht Eure Schwester sein, doch empfehle ich Euch, mir nicht noch einmal unter die Augen zu treten!“

„Sei soll …“, versuchte sie ihre Gedanken auf die Reihe zu bekommen, „Das … das kann ich nicht glauben; sie hätte doch nie … Was genau war es denn, was sie … was Euch abhanden gekommen ist?“

Grummelnd antwortete der Zentaur: „Ein Pfeil mit juwelenbesetzter Spitze … Er gehörte einst meinem Vater. Als er zu den Sternen ging, war ich noch Fohlen, deshalb ging der Posten an seinen Bruder, bis ich alt genug wäre.“

Nadeshiko traute ihren Ohren kaum; das konnte kein Zufall sein … und so berichtete ihm die schöne Gryffindor von dem Gegenstand, welchen sie aus dem Verlies der Angst erhielt. Das magische Geschöpf starrte sie an, unfähig etwas zu erwidern.

Daher schlug sie ihm einen Handel vor: „Ihr kennt sicher, den Weg zum Verlies des Waldes, nicht wahr? Wenn Ihr mich und meine Freunde ebenfalls dorthin bringt, gehört der Pfeil wieder Euch.“

„Ich habe einst Seiketsu zu jener Stelle geführt …“, kam es recht widerwillig von ihm, da er sich eigentlich geschworen hatte, niemals mehr einem Menschen zu vertrauen … doch die leise Hoffnung, die sich in ihm regte, ließ ihn nicken, „Ich, Torvus Toramason, werde Euch helfen!“

„Ich danke Euch.“, antwortete sie mit einer Verbeugung.

Euphorisch machte sich Nadeshiko auf den Rückweg zum Schloss, was sie leider auch etwas unaufmerksam machte und damit wäre sie fast den patrouillierenden Lehrern in die Arme gelaufen, da legte sich auf einmal von hinten eine Hand über ihren Mund und zog sie in eine dunkle Ecke. Ihr erster Impuls war es, ihrem Angreifer einen Tritt zu verpassen – nur dass es sich gar nicht um einen Angreifer handelte. Alles an ihm war ihr getraut … seine Statur, sein Geruch, selbst seine Finger auf ihrer Haut. Ein flaues Gefühl hatte Ohtah aus dem Bett getrieben – er ahnte, dass Nadeshiko in Schwierigkeiten steckte … wie so häufig nicht grundlos. Ohne ein Wort nahm er ihre Hand, führte sie geschickt und vollkommen unentdeckt durch die dunklen Gänge zurück zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum.

„Ohtah …“, flüsterte sie kaum hörbar und gleichzeitig überglücklich, „Wirst du es ebenfalls zurückschaffen, ohne erwischt zu werden?“

Er lehnte sich mit seinem typisch schiefen Grinsen und antwortete: „Die Schatten sind ein Teil von mir, das weißt du doch …“

„Gute Nacht, mein Held.“, sagte Nadeshiko und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

Dann kletterte sie unter dem Murren der Fetten Dame durch das Loch hinter dem Porträt in den Turm. Der Slytherin stand noch für einige Minuten wie erstarrt da, während seine Haut unaufhörlich kribbelte.
 

Am nächsten Tag trafen sich die beiden am Schwarzen See und Nadeshiko brachte ihn auf den neuesten Stand über Torvus sowie den juwelenbesetzten Pfeil. Ärger flammte in Ohtah auf, weil sie ihn nicht in ihre Unternehmung eingeweiht geschweige denn eingebunden hatte.

„Ich verstehe es nicht – warum, Shiko? Das Risiko ist mir doch vollkommen gleichgültig! Ich habe geschworen, dir zu helfen … stets an deiner Seite zu sein.“, meinte er mit abgewandtem Blick.

Sie sah ebenfalls zur Seite und sagte: „Das war dumm, ich weiß … Ich hatte das Gefühl, ich müsste es schaffen, ohne mich ständig auf dich zu verlassen. Ich wollte mir selbst beweisen, auch alleine stark sein zu können … Aber ich habe mich geirrt – ich brauche dich.“

Der geschickte Slytherin setzte sich neben sie, ihr Kopf lehnte sich an seine Schulter und er entgegnete sanft: „Du bist nicht schwach … ganz und gar nicht. Shiko, ich-“

Ohtah brach ab und schaute ihr direkt in die Augen. Für einen kurzen Moment waren sämtliche Verliese vergessen … Bis ein Schrei von Shirayuki sie wieder in die Realität riss; die Schleiereule brachte einen Notizzettel von Klerus. Eine sechsköpfige Gruppe Huffelpuffs war dem Schlaffluch erlegen … Offenbar wurde er stärker, je länger er aktiv war. Und das Schuljahr schlitterte bereits seinem Ende entgegen – jetzt oder nie, wie man so schön sagte.

Die folgenden Stunden verbrachten die drei mit letzten Vorbereitungen – begonnen damit ihre Betten mit Kissen als Doubles auszustatten. Die schwarzen Schuluniformen würden für die perfekte Tarnung in der aufziehenden Dunkelheit bieten … Von ein paar einfachen Tränken abgesehen, gab es nicht wirklich viel, das ihnen einfiel, was noch hätte nützlich sein können, und einen Besen, den sich Ohtah auf den Rücken band, und Nadeshiko hatte Shirayuki hinausgelassen, um sie notfalls schnell zu sich rufen zu können. Da Ohtah von ihnen die feinste Intuition besaß, was das Schleichen anging, fiel ihm die riskanteste Aufgabe zu – zunächst von den Kerkern aus einen Stock nach oben zu gehen und Klerus einzusammeln, anschließend mit diesem gemeinsam hinauf zum Westturm zu steigen. Und dann mussten sie noch alle unentdeckt zum Verbotenen Wald gelangen … Allerdings wäre er sicher kaum ein »Schattendrache«, wenn ihm ein solches Unterfangen nicht gelingen könnte. Die Ausläufe ihres Ziels war ein beliebter Aufenthaltsort von Professor Hagdrig, weswegen der Slytherin in Richtung seiner Hütte lauschte – der aufsteigende Rauch allein hätte ihm nicht genügt … sehr wohl jedoch das Bellen seines Hundes Fang. Der Wildhüter befand sich demnach in seinem trauten Heim und sollte ihnen erst mal nicht in die Quere kommen.

„Die Sterne haben mir bereits von Eurer Ankunft berichtet.“, begrüßte sie die ernste Stimme von Torvus, der bei ihrer Ankunft zwischen den Bäumen hervortrat, „Habt Ihr meinen Pfeil?“

Nadeshiko zog ihn aus der Tasche ihres Umhangs und erklärte: „Ich muss ihn bei mir haben, wenn ich das Verlies betrete – anschließend gebe ich Euch Euren Besitz zurück.“

Der Zentaur nickte, ehe er, gefolgt von den Schülern, die ihre Leuchtzauber aktiviert hatten, tief in den Verbotenen Wald vordrang. Eigentümliche Geräusche begleiteten ihren Weg. Der Braunhaarige ergriff die Hand der schönen Gryffindor, deren Wangen plötzlich heiß wurden, was aufgrund der Dunkelheit allerdings niemand sehen konnte … Außerdem waren sie ziemlich mit der Umgebung beschäftigt – das Areal war nicht gerade für Wanderungen geschaffen. Nachdem sie bereits eine gute Stunde unterwegs gewesen waren, entdeckte Klerus eine Tür, welche sich unter einem dichten Wurzelwerk befand.

„Dies ist der Eingang zum Verlies des Waldes … Seid vorsichtig – ich weiß nicht, was euch drinnen erwarten wird.“, bestätigte Torvus.

Als die drei näher traten, regte sich eine Gestalt in den Wipfeln der Bäume. Erst jetzt bemerkten sie die hauchfeinen Fäden, die sich überall zu gigantischen Netzen zusammensetzten und vier Augenpaare spiegeln sich im Licht, welches von den Zauberstäben ausging – es war tatsächlich eine Acrumantula!

Ihr behaarter Körper glitt auf sie zu und man konnte eine unheilvolle Stimme vernehmen: „Es ist ewig her, dass ich frisches Menschenfleisch genießen konnte … Mit wem fange ich nur an?“

„Wage es nicht, Shiko auch nur zu nahe zu kommen!“, schrie Ohtah und ging sofort in Angriffsposition.

Er kämpfte tapfer gegen das Tierwesen, schleuderte ihr einen Fluch nach dem anderen schleuderte entgegen. Schließlich richtete er »Expelliarmus« gegen die klickenden Zangen und verjagte sie endgültig mit »Arania Exumei«. Vor Erleichterung fiel ihm die hübsche Rothaarige um den Hals, drückte sich an seine Brust. Manchmal verfluchte sie ihn dafür, dass er sich zu ihrem persönlichen Beschützer erklärt hatte … denn was sollte sie nur machen, wenn seine Fähigkeiten eines Tages mal versagen würden? Daran durfte sie im Moment jedoch nicht denken – überhaupt hätte Nadeshiko diesen Gedanken gerne für immer aus ihrem Kopf verbannt. Also löste sie sich von ihm und wandte sich dem Eingang zu. Gemeinsam mit Ohtah und Klerus trat sie ein – drinnen war alles von Pflanzen überwuchert. »Diffindo« schlug ihnen dafür den Weg frei; es war ein Zauber, der fast alles zerschneiden konnte. An ein paar besonders schwierigen Stellen nutzte die Gryffindor sogar ihre Flammen. An ihrem Ziel angekommen, zog Nadeshiko den Pfeil erneut und berührte damit die Säule. Die drei staunten, als sie darin ein kleines, handliches Porträt von Seiketsu und Nadeshiko fanden.

„Das ist Seiketsu? Sie ist wunderschön …“, entfuhr es Klerus, der sich verlegen räusperte, „Äh, ich wollte sagen, ein wunderschönes Bild von euch beiden. Ihr wirkt sehr glücklich.“

Traurigkeit lag in ihrer Stimme, als sie entgegnete: „Das waren wir … Ohne Sei fehlt ein Teil von mir selbst.“

Die Rothaarige warf noch einen Blick zurück, ehe sie sich auf den Rückweg machten und vor dem Verlies von einem ziemlich nervösen Torvus erwartet wurden. Wie vereinbart überreichte sie ihm seinen Stammesschatz.

Er deutete eine leichte Verbeugung an und sprach beinahe ehrfürchtig: „Ich danke Euch – dies wird mein Exil beenden … Wenn die Sterne es wünschen, werden sich unsere Wege erneut kreuzen – Shiko, bis dahin seid gewiss, Ihr besitzt die Freundschaft eines Zentauren.“

„Und jede Menge Ärger!“, donnerte eine ihnen sehr bekannte Stimme.

Kreidebleich fuhren die Schüler herum – vor ihnen stand eine äußerst erboste Professor McGonegall.

„Miss Yosogawa, Mister Shadowdragon, Mister Monko, da das Schuljahr so gut wie zu Ende ist, werden Sie das nächste Schuljahr mit Nachsitzen verbringen – getrennt! Mir fehlen wirklich die Worte … keinerlei Achtung vor den Schulregeln … Abmarsch zurück ins Schloss und in Ihre Schlafsäle!“, befahl die Leiterin von Hogwarts und marschierte voraus.
 

Das Donnerwetter verrauchte etwas, als die verfluchten Schüler einer nach dem anderen erwachten und relativ schnell wieder auf die Beine kamen. So mussten sich wenige Tage später alle Schüler nach dem Abendessen direkt in ihren jeweiligen Gemeinschaftsräumen einfinden.

Jeder Hauslehrer hielt dort in etwa dieselbe Ansprache: „Der Lehrkörper hat entschieden, die Rettung der verfluchten Schüler mit einem Ball in der Großen Halle zu würdigen. Am letzten Samstag vor den Sommerferien, sprich heute in zwei Wochen – gesittet und ohne dem Ansehen des Hauses Gryffindor zu schaden! Das bedeutet unter anderem, Abendgarderobe ist obligatorisch und ich werde eine Liste mit den Sperrzeiten der verschiedenen Altersstufen aushängen, von denen ich erwarte, dass diese ausnahmslos eingehalten werden. Gibt es noch irgendwelche Fragen?“

Das folgende Stimmengewirr ignorierte Nadeshiko. Sie hatte sich absichtlich in eine Ecke des Raumes verzogen, um dem Blick der Direktorin zu entgehen. Gerade als sie sich dennoch den Besuch des Balls vorstellen wollte, bekam sie unerwartet Gesellschaft.

Argo hielt ihr eine gezauberte Rose entgegen und sagte überheblich: „Nicht einmal die schönste Blume kommt dir gleich – du wirst alle anderen überstrahlen. Mehr noch, wenn du als meine Begleiterin dort erscheinen würdest …“

Es war ja nicht das erste Mal, dass Argo ihr Avancen machte, daher antwortete sie bestimmt: „Dieses Angebot muss ich leider ablehnen. Es tut mir leid, Argo.“

Ohne ihn noch weiter zu Wort kommen zu lassen, eilte sie in den Schlafraum und warf sich auf ihr Bett. Neugierig beäugte Shirayuki dieses seltsame Verhalten.

„Ich könnte es nicht ertragen …“, murmelte die Rothaarige halb zu ihrer schneeweißen Gefährtin, halb in ihr Kissen, „Allein es mir vorzustellen, bringt mich fast um den Verstand! An der Seite eines anderen Mannes … oder schlimmer noch – eine andere bei ihm. Ach, Shirayuki, ich wünsche mir, dass er mich fragt …“

Die Schleiereule schlug mit den Flügeln, als wollte sie Nadeshiko aufmuntern natürlich gab es keinerlei Zweifel, von wem sie gesprochen hatte … Doch genau dieser Besagte ging eben einer solchen Situation mehrfach aus dem Weg. Ohtah machte Nadeshiko keinerlei Andeutung – geschweige denn dass er den Ball ihr gegenüber überhaupt erwähnte. Hätte sie nicht einige Slytherins darüber tuscheln hören, hätte sie gedacht, sie wären von Professor Slughorn erst gar nicht erst informiert worden. Wollte er etwa vor ihr verheimlichen, dass er bereits ein anderes Mädchen gefragt hatte – womöglich sogar Livia? Kaum hatte sich dieses Bild in ihr Gedächtnis gebrannt, mied Nadeshiko die Große Halle so gut es ging und sah beim Essen nicht mehr von ihrem Teller auf. Dem Gemeinschaftsraum und der Bibliothek blieb sie ebenfalls fern; stattdessen verbrachte sie noch mehr Zeit als sonst mit Shirayuki auf Streifzügen um den Schwarzen See. Ein Teil von ihr wollte nicht zugeben, wie sehr sie dieser Umstand verletzte … welche Hoffnungen sie sich noch gemacht hatte.

In Wahrheit waren Nadeshiko´s Wünsche gar nicht so abwegig – nur Ohtah´s mangelndes Selbstvertrauen stand ihnen im Weg. Für ihn gab es keine intelligentere und schönere Hexe auf der Welt, nur wer war er dagegen? Der Abkömmling eines dunklen Zauberers … ein Schatten in der Dunkelheit, ihrer nicht würdig. Er konnte ein Freund für sie sein, ein Beschützer ... solange sie seine Gegenwart wünschte … Und gleichzeitig kam er nicht umhin die Veränderung Nadeshiko´s zu bemerken, seit der Ankündigung der Hauslehrer … wie hätte ihm auch ihr leidender Blick entgehen können. Derselbe Schmerz, den er selbst empfand, wenn er sich Nadeshiko mit einem anderen Mann an ihrer Seite vorstellte. Schließlich ertrug er es nicht länger und nahm die Schreibfeder zur Hand. Anschließend wartete er in der Eulerei auf Shirayuki – keiner anderen hätte er diesen Brief anvertraut.

„Flieg´ zu ihr …“, murmelte er ihr Federkleid kraulte, „Beenden wir diesen Zwist.“

Die Augen der Tytus funkelten verschwörerisch. Bevor Ohtah nach Hogwarts gekommen war, hatte er die Verbindung von manchen Zauberern mit ihren tierischen Gefährten für übertrieben gehalten – Nadeshiko und Shirayuki hatte ihn eines besseren belehrt. So fand die Schleiereule ihre Herrin problemlos am Ufer des Schwarzen Sees sitzend.

„Was bringst du mir denn da, meine Schöne?“, wollte sie verwundert wissen, denn das Kuvert trug weder Absender noch Empfänger.

Kaum hatte sie das Pergament jedoch entfaltet, erkannte Nadeshiko die Handschrift sofort und begann zu lesen: „>Liebste Shiko, verzeih´ mir. Ich bin echt ein ziemlicher Feigling, das weiß ich jetzt – ich habe mich nicht getraut, dich nach dem zu fragen, was ich mir so sehnlich wünsche … und nun da ich endlich diese Zeilen schreibe, befürchte ich, es ist ohnehin zu spät. Doch wenn dem nicht so ist … möchte ich dich bitten, mir die große Ehre zu erweisen, dich zum Ball begleiten zu dürfen. Dein Ohtah“

Nadeshiko hatte viele Schriftstücke von ihm in Händen gehalten – Mitschriften des Unterrichts, Aufsätze ihrer Hausaufgaben, Notizen zu den Verliesen oder auch kurze Nachricht. In keiner davon hatte er diese Anrede verwendet … Dieser Brief war nicht ohne Plan aufgesetzt worden und diese Tatsache berührte ihr Herz, an welches sie das Schreiben fest presste. Seine Schritte waren für ihre Ohren unverwechselbar – davon abgesehen dass Shirayuki bei jedem anderen Alarm geschlagen hätte. Langsam näherte Ohtah sich ihnen, nahm neben ihnen Platz.

„Direkt nachdem Professor McGonegall uns vom Ball berichtet hatte, hat Argo mich zu seiner Begleiterin auserkoren …“, berichtete Nadeshiko, den Blick unverwandt auf den Schwarzen See gerichtet, „Tja, ich habe natürlich abgelehnt – es gibt nur einen Jungen, mit dem ich diesen Abend verbringen möchte … Ohne ihn hätte ich diesen oder überhaupt einen Fluch niemals brechen können.“

Als hätte ihm jemand einen Schockzauber verpasst, starrte er sie perplex an. Sie lächelte und lehnte den Kopf gegen seine Schulter. Wie nur konnte er überhaupt an ihren Gefühlen für ihn zweifeln …
 

Die restliche Zeit verging, wie im Flug. Und Ohtah war nervös. Gut, genau genommen war das eher die Untertreibung des Jahrtausends. Unruhig lief er vor einer Säule neben dem Treppenaufgang hin und her. Und wenn sie gar nicht kam? Bereits eine Sekunde später schallte er sich einen Idioten … er vertraute Nadeshiko. Sie bedeutete ihm alles … Niemals hätte er es für möglich gehalten, solche Gefühle empfinden zu können.

Plötzlich ließ ihn sein sechster Sinn aufschauen. Ein Schauer lief ihm durch den ganzen Körper. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn ihn jemand gekniffen hätte – Nadeshiko war immer wunderschön, besonders in seinen Augen … doch nun gab sie dem Adjektiv eine völlig neue Dimension. Sie trug ein bodenlanges Kleid im asiatisch geschnitten Stil mit hohen Stehkragen aus einem tiefblauen Satin mit aufgedruckten, silbernen Sternenkonstellationen. Ihr Haar hatte sie zu einem eleganten Knoten hochgesteckt, abgerundet wurde ihre Frisur von einer mit Sternen geschmückten Tiara. Würdevoll schritt sie die Stufen hinab auf ihn zu und musterte dabei auch sein Outfit, bestehend aus einem weinroten Frack mit schwarzer Fliege und passendem Hemd sowie Weste. Als ihr Blick auf die rote Nelke in seiner Knopfleiste fiel, errötete Nadeshiko.

„Mir fehlen die Worte …“, hauchte der Slytherin und hielt ihr seinen Arm hin, „Prinzessin, darf ich Euch hineinführen?“

Sie lächelte ihn strahlend an, während sie sich bei ihm einhakte. Schon unzählige Male hatten sie einander berührt … und dennoch schlug ihr heute das Herz bis zum Hals. Sie wusste es schon lange, aber nie schien der sagenumwobene Moment gekommen. Die Suche nach den Verwunschenen Verliesen hatte im Grunde ihre gesamte Aufmerksamkeit gefordert – als sie nach Hogwarts gekommen war, hätte sie nicht damit gerechnet, jemandem wie Ohtah zu begegnen …

„Alles in Ordnung?“, fragte er leise.

Nadeshiko erwachte aus ihren Tagträumen und antwortete: „Ja, entschuldige. Weißt du, ich musste nur gerade daran denken, dass ich mir mein Leben ohne dich gar nicht vorstellen kann …“

Nun gebührte die verräterische Farbe Ohtah´s Wangen. Bevor er allerdings noch etwas erwidern konnte, erreichten sie den Eingang zur Großen Halle, die nicht mehr wiederzuerkennen war – die Haustische waren verschwunden und an der Stirnseite befand sich die Tanzfläche. Statt den Kerzen schwebten Lichtkugeln durch die Luft. Ohtah und Nadeshiko staunten über die aufwendige Dekoration, die definitiv auf Professor Flitwick´s Konto ging, und setzten sich an einen der runden Tische, auf denen Essen sowie Getränke aufgebaut waren.

In diesem Augenblick begann Professor McGonegall bereits mit ihrer Eröffnungsrede: „Langeweile ist ein Begriff, den Hexen und Zauberer nicht wirklich kennen – vor allem in Hogwarts. Leider kann das Gegenteil davon auch schreckliche Gefahren bergen … Es gleicht einem Wunder, dass wir diesen Abend gemeinsam begehen mit jenen, die dieses Schuljahr dem Schlaffluch erlagen. Daher sei dieser Ball ein Ausdruck der Freude und Mahnung – das Leben ist kostbar und sollte keineswegs leichtfertig riskiert werden, seien die Absichten auch noch so edelmütig.“

Die Rothaarige ahnte, dass dieser letzte Satz ihr galt … Ganz Hogwarts glaubte, die Flüche wären ihretwegen erneut aktiv. Ohtah drückte ihre Hand und Nadeshiko schüttelte kaum merklich den Kopf – dies war nicht die Zeit für trübe Gedanken. Mit einem Wink gab die Direktorin die Tanzfläche frei. Sofort sprangen die beiden auf und bewegten sich rhythmisch zur Musik. Der Großteil der Schüler folgte ihnen. Doch für Nadeshiko und Ohtah war es beinahe so, als wären sie allein im Saal. Die ersten Stunden vergingen wie im Flug und irgendwann zogen sie sich nach draußen zurück, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Unerwartet hielt Ohtah inne, sah zu Boden. Er hatte sich diesen Schritt fest vorgenommen …

„Shiko, es gibt da etwas, das ich dir sagen muss …“, erklärte er bedächtig und suchte den Blick ihrer schokoladenbraunen Augen, „Ich bin in dich verliebt … seit unserer ersten Begegnung!“

Vollkommen überrumpelt von dieser Offenbarung, schlug sich die Hände vor den Mund und Freudentränen liefen ihr über die Wangen. Wann hatte sie angefangen, von diesen Worten zu träumen? Und gleichzeitig sich davor gefürchtet, er könnte sie abweisen …

„Und ich liebe dich, Ohtah … von ganzem Herzen!“, schluchzte sie überglücklich, während sie ihm um den Hals fiel.

Im ersten Moment konnte Ohtah es nicht glauben, dass sie seine Gefühle wirklich erwiderte – eher hätte er damit gerechnet, sie würde ihm erklären, dass sie nur Freunde sein könnten … Um jeden Zweifel auszulöschen, überwand er den Abstand zwischen ihnen und berührte zärtlich ihre Lippen mit seinen. Ihre Arme zogen ihn noch näher an sich heran, sodass er ihren beschleunigten Herzschlag spüren konnte. Er lächelte in den Kuss hinein. Zum ersten Mal seit sie ihre Schwester verloren hatte, fühlte sich Nadeshiko wieder vollkommen lebendig …

Als sie sich etwas voneinander lösten, sah die Rothaarige dieselbe Empfindung auch in seinen Augen und flüsterte: „Sag´ mir, dass das wirklich kein Traum ist …“

Auf seinem Gesicht erschien das schiefe Grinsen, welches maßgeblich mitverantwortlich für ihre Gefühle ihm gegenüber war, als er sie leicht in den Arm zwickte. Unter gespielten Protest ihrerseits, begannen beiden zu lachen und Ohtah hob sie hoch, wirbelte Nadeshiko herum. Er war einfach nur unsagbar glücklich! In seiner Familie hatte er stets nur Disziplin und die Lehren der dunklen Magie zu spüren bekommen – sie befreite ihn von dieser Bürde. Für sie wollte er jemand gutes … besseres sein.

„Ich würde gerne noch einen Tanz wagen … mit meinem Liebsten.“, sagte Nadeshiko zwinkernd.

Elegant verbeugte er sich vor ihr und hielt ihr erneut den Arm hin, um sie wieder hineinzuführen.
 

Am nächsten Morgen stellte Shirayuki einen weiteren Brief an Nadeshiko zu – allerdings von Professor McGonegall, die sie unverzüglich zu sich ins Büro zitierte.

Die Direktorin erwartete sie an dem gewaltigen Schreibtisch sitzend, die Finger ineinander verschränkt und einem strengem Unterton in der Stimme: „Sie ahnen sicher, was ich Ihnen zu sagen habe, Miss Yosogawa. Es stimmt, ich bin Ihnen in gewisser Weise dankbar dafür, dass Sie erneut einen Fluch gebrochen haben … aber ich habe Ihnen letztes Jahr bereits gesagt, dass meine Mildtätigkeit eine Ausnahme sein wird. Ihre Tapferkeit würde wahrscheinlich selbst Godric Gryffindor mit Stolz erfüllen … doch Ihre Unvernunft und Naivität bringen Dutzende von Schülern in Gefahr! Daher kann ich Ihre Suche nach weiteren Verliesen nicht dulden – stattdessen können Sie Ihre überschüssige Energie beim Nachsitzen verbrauchen und hoffentlich beim Lernen für ihre ZAGs.“

Nadeshiko blinzelte ein paar Mal. Die ältere Hexe wusste, warum sie sich so verbissen voran kämpfte – und dennoch hatte sie die Rotharrige nicht der Schule verwiesen oder zumindest suspendiert, was ihr allerdings durchaus noch blühen konnte, wenn sie ihre nächsten Worte nicht weise wählte.

„Professor, es stimmt, ich bin eine Gryffindor … von ganzem Herzen.“, antwortete Nadeshiko und zog ihren Zauberstab aus der Umhangtasche, „Ebenholz, elfeinviertel Zoll, unnachgiebig und der Kern aus Phönixfeder – er hat mich erwählt … Ich werde das Vertrauen nicht enttäuschen, das in mich gesetzt wird!“

Professor McGonegall nickte nur. Es hatte keine Lüge darin gelegen … jedoch auch keine Zustimmung.
 

Vertrauensschüler beim Nachsitzen

Wenige Tage bevor Nadeshiko und Ohtah endlich wieder gemeinsam mit Klerus im Hogwarts-Express saßen und Pläne schmiedeten, bekamen die beiden Fünftklässler Briefe von ihren jeweiligen Hauslehrern. Statt der erwarteten Ermahnung bezüglich ihres Nachsitzens oder einer Erinnerung an das bevorstehende Prüfungsjahr, beinhalteten diese ihre Ernennungen zu Vertrauensschülern. Nadeshiko´s Mutter tanzte mit dem Abzeichnen durch die Wohnung und ihr Vater nickte anerkennend. Ohtah dagegen hatte seinem Vater natürlich wie üblich nichts davon erzählt – wahrscheinlich bekäme er ohnehin nur vorgeschlagen, seine neue Macht zu nutzen, um die Erstsemester zu tyrannisieren, anstatt auf sie zu achten … Allerdings stellten sich die Gryffindor sowie der Slytherin dieselbe Frage – warum war die Wahl ausgerechnet auf sie gefallen, wo sie doch selbst für ziemlichen Ärger in der Schule sorgten?

Professor McGonegall hatte wohl scherzeshalber sogar ein P.S. angehängt: „Ich glaube, in der Geschichte von Hogwarts sind Sie die einzigen Vertrauensschüler mit einer derartigen Strafarbeit … Ich weiß, Sie werden Ihre Sache gut machen.“

Ihr Vertrauen ehrte sie … doch brachte es, Nadeshiko nicht von ihrem Ziel ab. Zunächst einmal wollte sie Ohtah davon berichten – die Wochen ohne ihn schmerzten diesmal umso mehr, nun da sie sich einander endlich ihre Liebe gestanden hatten … Neben dem bevorstehenden Nachsitzen, der Prüfungen, ihrer neuen Vertrauensschülerarbeit, dem Fluchbrecher-Unterricht und der Suche nach einem weiteren Verlies ganz zu schweigen, war es jedoch vor allem das erste Jahr, welches sie als richtiges Paar verbringen würden … Manchmal erschien es der Rothaarigen noch immer wie ein Traum – ein Traum, von dem sie kaum zu träumen gewagt hatte.
 

Und so schwebten die beiden am ersten Schultag erst mal vollkommen auf Wolke sieben – nur abgelenkt von den zahlreichen Vorträgen über die ZAG-Prüfungen wie etwa dem von Professor McGonegall: „Sie wissen sicher, welche Bedeutung diesem Schuljahr für Ihr zukünftiges Leben inne wohnt – da einige Berufe bestimmte UTZ-Noten erfordern, entscheiden die Ergebnisse Ihrer ZAG-Prüfungen, welche Karrieremöglichkeiten Ihnen nach Hogwarts offen stehen. Daher kann ich nur jeden einzelnen von Ihnen beschwören, diese Sache ernstzunehmen – und überdenken Sie noch einmal rechtzeitig, wo Ihre Schwerpunkte liegen.“

Kannte man einen, kannte man alle. Dennoch zumindest ein kleiner Teil von ihr ging ihre Prioritäten für den Beruf des Fluchbrechers durch – als aller erstes Arthmantik und Alte Runen, dann natürlich Verteidigung gegen die dunklen Künste, Verwandlung und Zauberkunst, wobei Pflege magischer Geschöpfe ihr ja ebenfalls hilfreich sein konnte und im Grunde auch Zaubertränke. Bei Ohtah sahen die benötigten Noten nicht sonderlich anders aus. Hinzu kam noch, dass manche Lehrer sogar den höchsten ZAG, anstatt nur bestanden, für ihre UTZ-Klassen verlangten. Es würde eine Art Glücksspiel werden – denn ohne weiterführenden Unterricht, gab es keine Berechtigung in Hogwarts bleiben zu dürfen und damit nicht weiter nach Seiketsu suchen zu können …

Nadeshiko dachte erneut an den Hinweis zum vierten Verlies: „>Ich gratuliere dir … und will dich gleichzeitig warnen – die Verliese werden immer gefährlich, selbst wenn dir das gar nicht so erscheint. Und die nächste Lösung liegt im Fluch selbst versteckt!<“

Bedeutete das sobald sie den Fluch kannte, wusste sie, wo sie nach dem Zugang suchen musste?
 

Beim abendlichen Festessen fielen sowohl Nadeshiko, als auch Ohtah auf, dass Klerus fehlte – wie auf Kommando erhoben sich beide von ihren Plätzen und traten unter den verwunderten Blicken der restlichen Schülerschaft an den Lehrertisch.

Der Slytherin richtete sich an die Hauslehrerin seines Bruders: „Professor Sprout, verzeihen Sie unsere Unhöflichkeit, nur … wissen Sie, wo Klerus ist?“

Die Meisterin der Pflanzen sah zu ihrem Haus und antwortete: „Mister Monko? Also … nein, es tut mir leid. Sind Sie sicher, dass er nicht irgendwo zwischen den Schülern sitzt?“

Die beiden Vertrauensschüler schüttelten den Kopf. Von der Geschichte mit dem Verliesen einmal abgesehen, war Klerus die Korrektheit in Person – grundlos würde er der Begrüßungsfeier sicher nicht fernbleiben.

Professor McGonegall, die seine Abwesenheit ebenfalls beunruhigte, winke den Fetten Mönch, den Hausgeist von Hufflepuff zu sich: „Ein Schüler wird vermisst – Klerus Monko, viertes Jahr. Bitte, suchen Sie nach ihm und holen sich gern bei den anderen Geistern Unterstützung, diskret. Noch sehe ich keinen Grund, die restlichen Schüler in Panik zu versetzen. Das gilt übrigens auch für Sie, Miss Yosogawa und Mister Shadowdragon, halten Sie diese Situation für den Moment noch geheim. Ich denke, Sie wissen, warum …“

Nadeshiko sah zu Ohtah. Er wirkte blass – Angst hatte ihn ergriffen. Verschwundene Schüler bedeuteten in Hogwarts selten etwas gutes … Sie griff nach seiner Hand und kehrte mit ihm auf ihre Plätze an den Haustischen zurück, wo ihnen jedoch der Appetit vergangen war.

Die Schülerschaft bemerkte nicht, wie die Schulgeister die Nacht damit verbrachten, Klerus auf dem gesamten Gelände zu suchen. Kurz vor Sonnenaufgang alarmierte Peeves die Schulleiterin sowie die übrigen Hauslehrer – schockiert versammelten sie sich auf beim großen Treppenaufgang und betrachteten eines der zahlreichen Porträts, das nicht mehr nur eine einfache, schottische Landschaft zeigte ... ein in einem schwarzen Umgang mit gelben Applikationen gekleideter, blonder, junger Mann hämmerte gegen von innen gegen die Leinwand. Klerus war darin gefangen!

„Wir … haben es hier wohl mit einem neuen Fluch zu tun …“, hauchte Professor McGonegall, wobei sie die Tränen nur mühevoll unterdrücken konnte, „Die Vertrauensschüler sollen alle aus ihren Häusern in den Gemeinschaftsräumen versammeln.“

Und so kam es, dass die vier Hausgeister unter anderem Nadeshiko und Ohtah weckten. Die Botschaft war wie ein Schlag ins Gesicht – der Slytherin wollte am liebsten hinausstürmen und Klerus sehen, doch etwas hielt ihn zurück. Sein Bruder wäre sehr enttäuscht, wenn er die Pflicht seiner Anstecknadel vernachlässigen würde … Von den Lehrern wusste niemand von ihrem verwandtschaftlichen Verhältnis, daher konnten sie darauf keine Rücksicht nehmen. Dabei hätte er sich unbedingt bei ihm entschuldigen müssen … Im Hogwarts-Express hatte es keine Gelegenheit gegeben, da er Nadeshiko nichts von ihrem Streit erzählen wollte. Es war in den Sommerferien gewesen, da Klerus auf die Idee gekommen war, Ohtah könne ihn jetzt doch mal bei sich zu Hause besuchen … und so unter anderem die Mutter seines Halbbruders kennenlernen. Allerdings hatte sich alles in ihm gegen diese Begegnung gesträubt – jene Frau, die ihr Vater nur ausgenutzt und anschließend fallen ließ, konnte für ihn doch nur Abscheu empfinden … und er wollte die Verbindung mit ihm unter keinen Umständen negativ belasten. Natürlich war Klerus entsprechend beleidigt gewesen … In einem kurzen Moment der Schwäche schlug Ohtah die Faust gegen die Wand. Er hätte ihn beschützen müssen, irgendwie … Er war schließlich der Ältere! Egal zu welchem Preis – diesmal ging es nicht nur darum Nadeshiko zu helfen … dieser Fluch musste schnellstmöglich gebrochen werden!

Besagte war zu demselben Schluss wie ihre Hauslehrerin und ihr Liebster gekommen. Die Schüler von Hogwarts schwebten erneut in Gefahr … und sie wusste immer noch nicht, wer anstatt ihrer selbst der »Fluchmacher« sein könnte … Selbst wenn jemand aus Versehen in die Nähe des Verlieses von Eis und Schnee gekommen wäre, ein älterer Schüler zufällig das Buch in der Verbotenen Abteilung berührt und Professor Hagdrig im Verbotenen Wald ausgerechnet auf jene Acrumantula gestoßen wäre … Was könnte so kurz nach Schulbeginn zufällig den nächsten Fluch auslösen? Nein, irgendjemand innerhalb dieser Mauern kannte immer noch Seiketsu´s Geheimnis – alle Standorte und womöglich, was sie bewachten, warum sie existierten … jemand, der Nadeshiko weder behinderte noch unterstützte … und dennoch schien sie beinahe wie eine lebendige Schachfigur zu sein … Dieser grauenhafte Gedanke war ihr in den vergangenen Wochen bereits mehrfach gekommen – dass jemand die Suche nach ihrer Schwester ausnutzte, um die Rothaarige aus dem Weg zu räumen, sobald sie alle Drecksarbeit erledigt hätte …

Nachdem Professor McGonegall den Gryffindors die schreckliche Neuigkeit verkündet hatte, nahm sie Nadeshiko noch zu sich auf die Seite: „Ihren ersten Einsatz als Vertrauensschülerin haben Sie gut gemeistert. Ich hoffe doch sehr, Sie forschen nicht entgegen meiner Anordnung weiter nach den Verwunschenen Verliesen – Sie sollten Ihre verbliebene Zeit in Hogwarts besser dem Studium der Zauberei widmen. Und … sich nicht unnötig in Gefahr bringen. Überlassen Sie die Auswirkungen der Verliese Ihren Lehrern, Miss Yosogawa, und konzentrieren Sie sich auf Ihre Wiederholungen sowie das Nachsitzen – jeden Donnerstag um halb sieben werden Sie sich in der Küche einfinden. Der Zugang befindet sich im ersten Untergeschoss hinter dem Porträt mit dem Stillleben – Sie müssen nur die Birne kitzeln.“

Die Fünftklässlerin nickte. Sie musste dringend mit Professor Rien sprechen, wie es mit der Fluchbrecher-Nachhilfe weitergehen sollte und entgegen dieser Anweisung musste sie den Fluch schnellstmöglich aufheben, um Klerus zu retten! Allerdings sollte sie bald feststellen, dass die Meisterin der Verwandlung ihr mit der zusätzlichen Arbeit sogar einen Gefallen getan hatte – denn als sich Nadeshiko der Anweisung nach in der Küche eingefunden und ein rundlicher Hauself namens Pitts in die Arbeit, die hauptsächlich durch Geschirr spülen bestand, eingewiesen hatte, spitze sie sofort die Ohren. All die vielen Kreaturen, die hier unten arbeiteten, waren ebenso für die Instandhaltung und Ordnung im Schloss verantwortlich, wodurch sie vieles hörten, was zum Beispiel nicht für Schüler bestimmt gewesen wäre.

Eine der Hauselfen, die gerade unweit von ihr entfernt das Porridge mit Waldbeeren für das Frühstück vorbereitete, murmelte vor sich hin: „Es passiert immer wieder und wieder … kein Ende, arme Schüler … Das letzte Verlies müsste gefunden werden! Von dort kommen alle Flüche.“

„Woher weißt du davon?“, entfuhr es Nadeshiko, ehe sie sich beherrschen konnte, „Ach und kochst du die Grütze eigentlich immer? Das ist nämlich mein Lieblingsfrühstück!“

Lob war der Lohn eines Hauselfen, das wusste die junge Gryffindor nur zu gut – Mimi diente ihrer Familie seit vielen Jahren mit großem Eifer und als Kinder hatte es ihnen Spaß gemacht, sie so lange mit Komplimenten zu überhäufen, bis sie schamrot zu ihrer nächsten Aufgabe geflüchtet war.

„Oh, Ciri arbeitet so gern für die Schüler von Hogwarts! Miss Yosogawa´s ältere Schwester hat einmal dasselbe zu Ciri gesagt.“, entgegnete die Hauselfe mit einer tiefen Verbeugung, „Ciri hört immer zu – aber mehr weiß Ciri auch nicht, sehr geheimnisvoll die Verliese sind. Keiner ihren Ursprung kennt. Miss Yosogawa, muss sehr, sehr gut auf sich aufpassen, jawohl!“

Die Sorge ließ Nadeshiko schmunzeln. Zudem erfreute es sie, wieder etwas über Seiketsu´s Schulleben erfahren zu haben – ob ihr Vater davon wohl wusste? Seine beiden Töchter waren eben alles andere als perfekt.

„Danke, Ciri. Wenn … wenn du oder die anderen Hauselfen ganz zufällig etwas über die Verwunschenen Verliese erfahren, könntest du mir dann davon berichten? Damit ich … na ja, damit ich entsprechend auf mich und die anderen Gryffindor Acht geben kann, schließlich bin ich ja Vertrauensschülerin.“, meinte sie weiterhin lächelnd.

Ciri nickte eifrig: „Oh ja, selbstverständlich wird Ciri das tun. Miss Yosogawa ist so ein nettes Mädchen!“

Da musste die Rothaarige ihrer Professorin für die Strafarbeit wirklich dankbar sein. Wäre die Sache nicht so schrecklich, könnte man möglicherweise darüber lachen, auf welch kontroverse Weise Klerus dem entgangen war … Wobei einem Ohtah genauso leid tun konnte – er musste Argus Filch, dem gefühlt uralten, Katzen vernarrten und Schüler hassenden Hausmeister als Hilfskraft zur Hand gehen; was vor allem stundenlanges Polieren im Pokalzimmer beinhaltete. Apropos Klerus – er konnte ebenso wie die sonstigen Gemäldeabbilder von Rahmen zu Rahmen spazieren. Und so erschien er ein paar Tage später im jeweiligen Klassenzimmer, in dem sein Jahrgang unterrichtet wurde. Allerdings bleib der Hufflepuff dabei nicht allein – nach und nach verschluckten die Porträts immer mehr Schüler. An einem weiteren Donnerstag in der Küche wäre Nadeshiko beinahe zusammengebrochen, weil der Küchenchef Pitts den anderen Hauselfen verkündigte, dass bereits siebenundvierzig Schüler nicht mehr an den Mahlzeiten teilnehmen konnten. Von Jahr zu Jahr schienen die Flüche mehr Opfer zu fordern … und niemand vermochte zu sagen, wie sich die Gefangen auf sie auswirken würde. Kurz vor Ende ihrer Schicht kam Ciri in die Küche geeilt. Die Rothaarige hatte sich bereits gewundert, wo ihre geheime Verbündete wohl stecken mochte.

„Ciri hat Neuigkeiten gehört, als Ciri den Kamin im Lehrerzimmer gereinigt hat! Professor McGonegall hat sich mit Professor Rien unterhalten – über den Fluchmacher. Miss Yosogawa wird von vielen verdächtigt, aber nicht von den Professoren! Sagen, sie hätten beim letzten Mal schon den Fehler gemacht, Miss Yosogawa´s Schwester in die Enge zu treiben … und für ihr Verschwinden mitverantwortlich zu sein.“, berichtete das kleine Wesen so leise, dass sie niemand sonst hörte, „Miss Yosogawa muss wirklich sehr, sehr vorsichtig sein! Gefährlich ist die Macht der Verliese, verlockend … ja, ja.“

Nadeshiko drückte kurz ihre Hand, bevor sie erwiderte: „Ja, Ciri, ich weiß … Es muss einen Grund für ihre Existenz geben – etwas, das sie beschützen. Und was es auch sein mag, es darf nicht in falsche Hände geraten!“

„Miss Yosogawa ist eine wahrhafte Gryffindor!“, lobte die Hauselfe sie bewundernd.

Mit einem Lächeln dankte Nadeshiko ihr. Es wurde höchste Zeit für neue Nachforschungen! Und so verbrachte sie die nächsten Nachmittage erneut in der Bibliothek mit Studien über die hiesigen Porträts. Hinzu grübelte die Rothaarige über Seiketsu´s Beschreibung – beim letzten Wort blieb sie hängen. Auf einen Wink ihres Zauberstabs rief Nadeshiko Buchpassagen zu sich, welche sich mit Verstecken in Hogwarts beschäftigten.

„>Es befindet an jenem Ort, an dem alles versteckt ist – wer danach fragen muss, der wird es nie wissen … wer es weiß, für den genügt eine Frage.<“, las sie einen merkwürdigen Absatz, „Wo könnte man denn hier im Schloss >alles< verstecken? Sei … ich weiß einfach nicht, wo ich nach vier Jahren immer noch suchen soll …“
 

Es sollte angesichts der Umstände nicht recht verwunderlich sein, dass sich auch Ohtah´s Laune stetig verschlechterte – sein Halbbruder von einem Fluch malträtiert, seine Freundin kaum Zeit für ihn … Er selbst war ja neben den zahlreichen Hausaufgaben schon ständig mit seinen Aufgaben als Vertrauensschüler beschäftigt, hinzu kamen die wöchentliche Strafarbeit. Doch für das kommende Wochenende war wieder ein Ausflug nach Hogsmeade angesetzt und er wollte endlich mal ein paar unbeschwerte Stunden mit Nadeshiko verbringen …

Zu früh gefreut, denn einen Tag zuvor eröffnete sie ihm: „Es tut mir total leid – ich hab morgen eine Extrastunde bei Professor Rien. Du weißt ja, ProfessorMcGonegall nach London geflogen und da-“

„Soll das heißen, du verbringst deine Zeit lieber mit ihm?“, unterbrach der Braunhaarige sie wütend, „Warum, Shiko? Was will der Kerl eigentlich ständig allein mit dir?“

Im ersten Moment konnte die Gryffindor nur erstaunt blinzeln, ehe sie sich verteidigte: „Er ist ein Lehrer, verdammt nochmal, und riskiert trotzdem so viel, damit ich Sei finde! Was soll denn jetzt diese Unterstellung? Dabei weiß ich schon gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht – Fluchbrecher-Training überhaupt mal auf die Reihe bekommen, jede Woche Nachsitzen, wir sind Vertrauensschüler, suchen nach dem Verlies, ach und ZAG-Prüfungen haben wir auch noch vor uns! Ich … ich dachte wirklich, du würdest mich verstehen …“

Ihre Augen wurden feucht und sie wandte sich ab. Vielleicht hätten sie seinen Zorn besänftigt, so stapfte er einfach davon in Richtung Kerker. Zusammengesponnene Bilder von seiner Liebsten und ihrem Möchtegern-Nachhilfelehrer im Kopf.

Nadeshiko dagegen ging hinaus auf das Schlossgelände, um ihren Tränen freien Lauf zu lassen … nahe der Gewächshäuser setzte sich sich auf die Wiese. Es hatte bereits mehrfach Unstimmigkeiten zwischen ihnen gegeben … doch niemals zuvor war Ohtah mit ihr im Streit auseinander gegangen – es entsprach partout nicht seiner Art. Aber seit sie ein Paar waren, schien alles anders zwischen ihnen. Er liebte sie … war eifersüchtig auf Professor Rien. Und ja, wahrscheinlich trug sie eine Mitschuld an der ganzen Situation. Dass sie den Ärger mit Professor McGonegall am Hals hatte und in Sachen Verlies nicht weiterkam, trug nicht gerade zu einem harmonischen Liebesleben bei.

„Tränen stehen einer solch schönen Frau aber ganz und gar nicht … Wenn du mir verrätst, wer dafür verantwortlich ist, fordere ich denjenigen sofort zu einem Duell heraus und mache ihn in deinem Namen fertig.“, sprach sie jemand an, gewohnt eine Spur zu überheblich.

Die Rothaarige wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und erwiderte: „Was soll das, Argo? Seit Jahren weise ich dich ab, dann sei jetzt gefälligst nicht so nett zu mir!“

Unbeeindruckt setzte er sich neben sie, um sie an sich zu ziehen, was sie geschehen ließ. Argo´s warme Arme trösteten sie.

„Ich kann nicht anders … meine Gefühle für dich sind einfach zu stark. Ich … wünschte, du würdest mir eine Chance geben, dir das zu beweisen, Nadeshiko …“, flüsterte er ihr ins Ohr.

»Nadeshiko« … das waren nicht der Name und die Stimme, die sie hören wollte. Dieser Körper gehörte nicht ihrem Geliebten … Ihn wollte sie in Wahrheit bei sich haben, sich wieder mit ihm vertragen. Hastig löste sie sich von dem verblüfften Argo und stand auf, wandte sich zum Gehen.

Da rief er ihr hinterher: „Ich gebe dich nicht auf!“
 

Währenddessen erging es Ohtah nicht gerade viel besser. Im Gemeinschaftsraum – genauer gesagt aufgrund Livia´s Aufdringlichkeit – hatte er es nicht mehr ausgehalten und war durch das Schloss gewandert. Ein Teil von ihm wünschte sich, Nadeshiko zu begegnen … und gleichzeitig wusste er, musste er sich zuerst abreagieren. Nur wo? Im Duellierclub würde Ohtah momentan noch aus Versehen einen seiner Mitschüler verletzen und im Klassenzimmer von Verteidigung gegen die dunklen Künste zu üben, kam erst recht nicht in Frage. Als er bereits im siebten Stock angelangt war, lief er vor einem überaus hässlichen Wandteppich, der einen Zauberer sowie zwei Trolle in rosafarbenen Kleidchen zeigte, unruhig hin und her, wie eine eingesperrte Raubkatze. Es musste doch irgendwo eine Möglichkeit geben, seiner Wut unbeschadet Ausdruck zu verleihen! Hogwarts wäre nicht Hogwarts, wenn es nicht unzählige Geheimnisse bergen würde … So erschien in der Wand, vor der Ohtah gerade auf- und abtigerte, mit einem Mal eine seltsam verzierte Tür, die sich klickend öffnete. Ohne dieses Geräusch hätte der Braunhaarige sie wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen – verwirrt betrat er den fremden Raum, der voll gepackt war mit Übungspuppen, beweglichen Zielen, Büchern für Flüche und Gegenflüche. Ohtah staunte nicht schlecht. Von diesem Ort hatte er noch nie etwas gehört. War dies etwa so etwas wie ein geheimer Raum für die Lehrer? Doch wie und warum hatte er dann Zugang dazu erhalten? Als wären seine Gedanken gelesen worden – und das wurden sie, wie Ohtah gleich erfahren sollte –, flog eines der Bücher aus den zahlreichen Regalen auf ihn zu.

Seine Augen wanderten über die aufgeschlagene Seite: „>Der Raum der Wünsche kann jede mögliche Gestalt annehmen, ganz nach den Bedürfnissen desjenigen, der ihn aufsucht. Irgendwo in Hogwarts verborgen, zählt er zu dessen größten Mysterien.< Ich verstehe … Wow, Sei hatte wirklich recht – in Hogwarts ist nichts, wie es scheint.“

Da kam ihm plötzlich eine Idee.
 

Es war so etwas wie sein sechster Sinn, der ihn zielgenau zu Nadeshiko führte – in der Eulerei hatte sie die Nähe zu Shirayuki gesucht und sie mit Eulenkeksen gefüttert. Ebenso wie er, spürte sie sofort seine Gegenwart.

„Shiko …“, sprach Ohtah sie, was ihr eine sanfte Gänsehaut verursachte, „Ich möchte dir etwas zeigen.“

Die Ernsthaftigkeit in seinem Tonfall ließ die schöne Gryffindor ihren Streit beinahe vergessen, sie nickte und folgte ihm zurück ins Schloss, ohne ein weiteres Wort. Erneut an jener Stelle angelangt, schloss der Braunhaarige die Augen, visualisierte seinen Wunschvorstellung, ehe er dreimal auf- und ablief. Nadeshiko erschrak, als die massive Tür urplötzlich in der Wand erschien. Ohtah lächelte mild und bat sie voranzugehen. Beinahe kam es ihr so vor, ins Freie zu treten – nur der blaue Himmel fehlte; der Boden war mit saftigem Gras bedeckt, an den Seiten entlang standen japanische Zierkirschbäume. Manche der strahlend rosafarbenen Blüten lagen bereits auf der Erde, andere tanzten in der Luft. Wie lange war es her, dass sie einen solchen Anblick erlebt hatte? Ein Jahr vor Seiketsu´s Einschulung in Hogwarts waren ihre Eltern mit ihnen von Japan nach England gezogen … in ein Land, in dem sich diese empfindlichen Pflanzen nicht wohl fühlten.

Nun trat Ohtah in ihr Gesichtsfeld, nahm ihre Hand und sagte: „Dies ist meine Entschuldigung. Verzeih´ mir … Ich war wie von Sinnen aus Verzweiflung über Klerus´ Zustand und vor Eifersucht auf Rien. Weil ich liebe dich, Shiko! Dir allein gehört mein Herz, für immer …“

„Schönheit, Vergänglichkeit und Liebe – die Lektion der Kirschblüte …“, entgegnete sie, während sich eine leichte Röte auf ihre Wangen legte, „Ich war auch nicht gerade fair zu dir. Und natürlich liebe ich dich auch!“

Ihre Augen hielten einander gefangen, bevor sich ihre Lider schlossen und ihre Lippen sich berührten.

Lange lagen die beiden Hand in Hand im Gras und beobachteten, wie die Kirschblüten zu Boden sanken. Irgendwann setzte sich Nadeshiko auf, Sorgen warfen einen Schatten über ihre Züge.

„Diesmal sind wir – und besonders du – mehr von dem Leid des Fluchs betroffen …“, meinte sie schweren Herzens, „Ohtah, hältst du dem Druck dieser Mission in Zukunft wirklich stand?“

Er ergriff erneut ihre Hand, als er antwortete: „Klerus könnte ernsthaften Schaden nehmen, wenn wir ihn nicht befreien … vielleicht sogar sterben. Zum ersten Mal kann ich nachvollziehen, wie du dich die ganze Zeit fühlst – ich habe dir versprochen, dass wir es gemeinsam schaffen werden; ich lasse dich nicht im Stich, niemals!“

Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. Ohne Ohtah hätte die Gryffindor sicher nicht die Kraft, mit all dem fertig zu werden … Und nun brauchte er sie genauso.
 

Die Monate verflogen – immer wieder ertappte sich Nadeshiko dabei, wie sie manchmal sogar tageweise gar nicht an das Verlies dachte; stattdessen stand Lernen häufig auf der Prioritätenliste, zumindest einige Fächer, andere ignorierte sie vollkommen. Selbst beim Strafdienst ging sie Formeln der Arithmantik durch oder malte mit dem Spülschaum Runen auf die Töpfe. Pitts, der Küchenchef beobachtete ihr Verhalten auf Anweisung der Direktorin.

So geschah es, dass er sie vier Wochen vor Beginn der Prüfungen zu sich rief: „Nadeshiko Yosogawa hat ihren Strafdienst in der Küche abgeleistet … Aber Professor McGonegall warnt sie, sich weiterhin nicht mit den Verwunschenen Verliesen zu beschäftigen, sondern an ihre ZAGs zu denken.“

Verwundert betrachtete sie den rundlichen Hauself, ehe die Gryffindor breit grinste: „Vielleicht handle ich mir ja nochmal Nachsitzen ein – ich bin froh, euch alle kennengelernt zu haben, wo ihr euch doch sonst vor den Schülern versteckt haltet.“

Damit machte Nadeshiko auf dem Absatz und erstarrte. In Hogwarts gab es viele Orte, welche verborgen lagen – die genaue Lage beziehungsweise den Zugang der Gemeinschaftsräume kannten nur die jeweiligen Hausmitglieder … die Küche konnte nur durch einen Trick betreten werden … und ein Raum bot einem alles, was man sich wünschte oder anders gesagt danach fragte … Wie vom Donner gerührt, rannte sie nun zur Tür hinaus – Richtung Eulerei. Vor dem Tür blieb sie nach Luft ringend stehen und rief nach ihrer geliebten Schleiereule.

Da die Gryffindor während ihrer Strafarbeit natürlich keine Schreibutensilien dabei gehabt hatte, erklärte sie: „Du musst Ohtah finden! Es ist sehr dringend – bring´ ihn in den siebten Stock zum Wandteppich. Bitte, Shirayuki, beeil´ dich!“

Einen kurzen Moment starrte das schlaue Tier ihrer Herrin noch in die Augen, ehe sie lautlos davonflog. Nadeshiko biss sich auf die Unterlippe – Shirayuki würde es schaffen! In all den Jahren war auch Ohtah ihr vertraut geworden …
 

Der Slytherin rannte so schnell, ihn seine Beine trugen. Shirayuki flatterte aufgeregt kreischend vor ihm her, peitschte ihn an. Ein Teil von ihm befürchte bereits das Schlimmste … Keuchend erklomm er die letzten Stufen zum höchsten Stockwerk und sofort warf sich Nadeshiko ihm in die Arme. Erst unfähig die Berührung zu erwidern, presste er sie anschließend nur umso enger an sich.

„Entschuldige, dass du dir Sorgen gemacht hast – aber ich weiß es jetzt!“, sagte die Rothaarige ebenfalls ganz aufgeregt.

Ohtah wusste augenblicklich, wovon sie sprach und beide sahen zur gewebten Abbildungen von »Barnabas dem Bekloppten«, welcher Trollen das Ballett tanzen hatte beibringen wollen … Und nachdem sie sich bei Shirayuki bedankt hatten, die daraufhin zu einem äußerst verdienten Nickerchen aufbrach, gingen die Vertrauensschüler gemeinsam dreimal davor auf und ab.

„Wo ist alles versteckt? Wir brauchen den Ort, an dem alles versteckt ist … Alles, alles, alles!“, murmelte Nadeshiko kaum hörbar.

Als die geheime Tür erschien, meinte der Braunhaarige entschlossen: „Für Seiketsu und Klerus!“

„Für unsere Geschwister!“, bestätigte sie und beide traten ein.

Ohtah kannte den Raum der Wünsche auf zwei Arten, Nadeshiko nur als japanisches Paradies – nun glich er allerdings einer riesigen Abstellkammer voller in Pyramiden ähnlicher Form aufgeschichteten Aschenhaufen … ein Überbleibsel der Schlacht von Hogwarts; hier hatte ein alles verzehrendes Dämonenfeuer gewütet. Ehrfürchtig erhob die Hexe ihren Zauberstab und schickte eine Lichtkugel voran, der sie folgten. Der Raum hatte unglaubliche Maße angenommen, daher dauerte es, bis Ohtah ein Stück Wand auffiel, welches anders als der Rest nur von Staub bedeckt war.

„Aquamenti!“, nutzte Nadeshiko einen Elementarzauber, um die Stelle zu reinigen.

Staunend betrachteten die zwei Schüler das fast Zimmer hohe Porträt eines Drachens, der vor einem verschlossenen Tor angekettet Wache hält.

„Wer stört meine Ruhe?“, fauchte eine Stimme, die nicht menschlich sein konnte – Macht schwang in ihr mit, alte und sehr mächtige Macht.

Mutig, wie ihr Haus es verlangte, trat sie der mystischen Bestie entgegen, welche sie kritisch beäugte, und antwortete: „Ich … ich bin Nadeshiko Yosogawa, das ist mein Begleiter Ohtah Shadowdragon – wir wollen den Fluch brechen, der von diesem Verlies ausgeht.“

„>Yosogawa< … schon wieder? Und ich dachte dieses einfältige Mädchen wäre Lektion genug gewesen.“, brummte der Drache.

Wie aus der Pistole geschossen entgegnete sie: „Was weißt du über Sei?“

„Außer, dass sie mich ebenfalls gestört?“, spottete er und bleckte die messerscharfen Zähne, „Wenn du wirklich den Wunsch hegen solltest, dasselbe Schicksal zu erleiden, musst du mein Rätsel beantworten … >Es gibt nur eines, das einen Drachen bezwingt … ist mächtiger als jede Feste und zerstört jegliches Leben.< Also, junge Hexe, wie lautet deine Antwort?“

Ihr erster Gedanke galt dem Feuer … aber gerade dieses würde den meisten Drachen nichts anhaben. Dafür würde eher das Wasser sprechen, geballt könnte keine Festung ihm standhalten … allerdings nahm es nicht sämtliches Leben, sondern schenkte es. Luft und Erde schloss sie ebenfalls aus – der Tod wäre auch einfach zu leicht als Antwort. Nervosität stieg in der Rothaarigen auf, da legte Ohtah ihr eine Hand auf die Schulter und sofort entspannte sie sich. Richtig, so lange er an ihrer Seite war, konnte sie alles überstehen!

„Die Zeit.“, sagte Nadeshiko entschlossen.

Mit einem quietschenden Geräusch öffnete sich das Tor auf dem Porträt, welches wenig später zur Seite aufschwang und einen dunklen Durchgang freigab. Im Verlies selbst war es stockfinster, was Ohtah mit »Lumos« zu beheben wusste. Ungewöhnlich kam ihnen zum einen die Länge des Weges vor, andererseits dessen Wände starren Abbildungen geplatzt – als wären sie … tot; kein lebendiges Geschnatter der Porträtierten, kein Gewandere. Kälte ergriff Nadeshiko´s Herz; für den Bruchteil einer Sekunde dachte sie darüber nach umzukehren – hier herrschte nicht die Magie … etwas ganz anderes gab den Verliesen seine Energie … Wenn sich so die Verfluchten fühlen mochten, der Quelle ihres Seins beraubt, verstand sie endlich, warum einige von ihnen nicht nach Hogwarts zurückgekehrt waren … Die Grausamkeit oder besser gesagt Gefahr, sich hierher zu wagen, lag nicht unbedingt in den Gegner, die möglicherweise lauern könnten – sondern darin, sich in diesen fremden Kräften zu verlieren. Warum war ihnen das nur vorher nie so bewusst aufgefallen? Vielleicht weil Klerus zu den Opfern gehörte? Oder wurde diese Ausstrahlung von Mal zu Mal stärker? Ohtah gingen ganz ähnliche Gedanken durch den Kopf. Ein undefinierbarer Ausdruck lag auf seinem Gesicht – die Rothaarige öffnete schon den Mund, um ihn zu ermutigen, da lächelte er. Keine Macht dieser oder jeder anderen Welt würde ihn jemals dazu veranlassen, seine Liebste zu verlassen, im Stich zu lassen! Erleichtert gingen beide weiter und fanden endlich das Herzstück – auch hier starrten leblose Darstellungen sie an. Aus der Innentasche ihres Umhangs zog Nadeshiko das Bild, welches sie und ihre Schwester zeigte, und hielt es vor der sechskantigen Säule hoch, woraufhin diese einen fein gearbeiteten, goldenen Dreizack preisgab.

„Wo sollen wir den denn verstecken?“, meinte Nadeshiko gespielt ernst.

Ohtah begann schallend zu lachen und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen.
 

In den folgenden Stunden fand man sämtliche Schüler an jenen Stellen, an denen sie verschwunden waren – bewusstlos. Professor McGonegall organisierte mit den übrigen Lehrern schnellstmöglich den Abtransport ins Sankt Mungo Hospital. Währenddessen sollten die Vertrauensschüler ihre Häuser beruhigen und ihnen die frohe Kunde überbringen – die beiden heimlichen Helden waren dafür gerade rechtzeitig in ihre Gemeinschaftsräume zurückgekehrt. Erleichtert vernahmen sie bereits am nächsten Tag, die positive Nachricht des Krankenhauses, dass sich keiner der Schüler in Lebensgefahr befand. Der Slytherin konnte nicht verhindern, in die Knie zu sinken und Freudentränen zu vergießen. Doch so sehr sich das Schloss auch in Feierlaune befand – das Ende des Schuljahres stand ins Haus und so tummelte sich die halbe Schülerschaft dicht gedrängt in der Bibliothek, während Nadeshiko und Ohtah ganz gemütlich den Raum der Wünsche zum Lernen bevorzugten, der sämtliche, benötigen Bücher ebenfalls ausspuckte. Erst am Vorabend gönnten sie sich eine romantische Pause – Ciri hatte für das liebende Paar ein paar Kleinigkeiten zubereitet und in einem Picknickkorb verpackt neben Nadeshiko´s Bett gestellt. So lagen sie auf einem Meer von Kissen gebettet, fütterten sich gegenseitig und schwelgten in Plänen für die Zukunft.

„Ich weiß nicht, wie ich nur einen einzigen Tag ohne dich sein soll …“, gestand Ohtah und dachte an die nahenden Sommerferien.

Sie hob den Kopf, um ihn zu küssen, und murmelte: „Ich glaube, es wird Zeit dich meinen Eltern nochmal vorzustellen.“

Verwunderung spiegelte sich auf seinem Gesicht, dann verzogen sich die Lippen zu seinem typischen Grinsen. Diesmal zog er sie an sich.

„Ich liebe dich, Shiko …“, flüsterte der Braunhaarige nahe ihrem Ohr.
 

Die Jahresabschlussprüfungen waren nicht mit denen für die ZAGs zu vergleichen … In jedem Hauptfach gab es am Morgen eine schriftliche Prüfung von jeweils drei Stunden und nach dem Mittagessen noch einen praktischen Teil, der von einem Mitglied des Zaubereiministeriums abgenommen wurde – abgesehen von Geschichte der Zauberei und Astronomie, dort dauerte die Prüfung ganze vier Stunden, aber ohne Praxisteil. Und genau für diese beiden Fächer hatten Nadeshiko und Ohtah so gut wie überhaupt nichts gelernt. Zaubertränke war ein Fall für sich … die Gryffindor hoffte, dass ihre schriftlichen Ausführungen genügten, um den katastrophalen Plappertrank zumindest weitestgehend wieder auszubügeln. Ähnlich – beziehungsweise genau umgekehrt – war es ihr am vierten Prüfungstag mit Kräuterkunde ergangen; die Fragen hatte sie nur mau beantworten können, dafür schaffte sie einen relativ guten Umgang mit der ihr zugewiesen Fangzähnigen Geranie. Eine der schwersten Prüfung galt es in Verwandlung zu bestehen; unter den wachsamen Augen ihres Prüfers mussten die Fünftklässler ein Säugetier komplett verschwinden und wieder auftauchen lassen. Von Freitag bis Sonntag hatten die Schüler Pause – oder eher noch etwas Zeit zum Lernen. Direkt montags ging es mit Zauberkunst weiter, wobei ihnen diese praktische Prüfung schon fast Spaß machte – ein Ball wurde dabei in die Luft geworfen und sie musste ihn mit »Arresto Momentum« ganz sacht aufkommen lassen, zudem sollten sie ihren beeindruckendsten Zauber vorführen – Nadeshiko beeindruckte den Prüfer mit der perfekten Kontrolle über ihre »Inflamarae«-Flammen. Von den Hauptfächern fehlte nur noch Verteidigung gegen die dunklen Künste, bei dem sie sich am wenigsten Sorgen machten – selbst beim schriftlichen Part; zu zaubern galt es je einen beliebigen Fluch zum Angriff und einen Zauber zur Verteidigung, dessen Schwierigkeitsniveau über die Punktzahl entschied. Das erste, geprüfte Wahlfach war Pflege magischer Geschöpfe und sehr zu ihrer Überraschung hatte Professor Hagrid tatsächlich ein ordentliches Thema zu Stande gebracht – geflügelte Tierwesen, wobei die Schüler ihr Können beim Striegeln sowie Abreiten eines Abraxaner unter Beweis stellen sollten. Danach mussten Nadeshiko und Ohtah in verschiedene Prüfungen – Arithmantik und Alte Runen wurden ebenfalls nur schriftlich geprüft, hierbei strengte sich die Rothaarige besonders an; Ohtah´s Prüfung in Muggelkunde war der fehlenden Priorität zum Opfer gefallen. Nach diesen zwei mörderischen Wochen hätten die Fünftklässler am liebsten erst mal mindestens drei Tage durchgeschlafen … stünde nicht bereits am nächsten Tag die Heimfahrt mit dem Hogwarts-Express auf dem Plan.
 

Am vorletzten Abend lag der Gemeinschaftsraum in Gryffindor beinahe verlassen dar – die meisten Schüler waren mit Packen beschäftigt und feierten ein letztes Mal für dieses Schuljahr in ihren Schlafsälen. Nur ein einziger Absolvent wartete auf einem der gemütlichen Sessel vor dem prasselnden Kaminfeuer auf die schöne Vertrauensschülerin, deren Amtszeit mit der Rückfahrt nach London enden würde. Als Nadeshiko eintrat, um sich ebenfalls dem Inhalt ihres Koffers zu widmen, erhob er sich und wies auf den Platz neben sich. Sie wusste natürlich, dass er bereits seine UTZ-Prüfungen abgelegt und Hogwarts damit für immer verlassen würde …

„Willst du die verbliebene Zeit nicht lieber mit deinen Freunden nutzen?“, fragte sie und setzte sich.

Argo´s Miene wirkte unergründlich, während er weiterhin in die Flammen starrte: „Du hast meine Gefühle nie richtig ernst genommen, nicht wahr? Vielleicht hätte ich mich dir einfach mehr beweisen müssen … aber wahrscheinlich hätte das auch nichts geändert. Du hast ihn bereits geliebt, bevor du die Mauern dieses Schlosses zum ersten Mal betreten hast … Ist es nicht so?“

„Es tut mir leid, Argo … Ich dachte, wenn ich deiner Annäherung aus dem Weg gehe, würde dich das weniger verletzen und du alsbald das Interesse an mir verlieren – denn ja, ich wusste damals bereits, dass ich sie nicht würde erwidern können, weil mein Herz bereits Ohtah gehörte.“, antwortete die Rothaarige, „Trotzdem bin ich dir dankbar für diese Momente, in denen du für mich da warst. Und ich hoffe … nein, ich weiß, du wirst ein Mädchen finden, das dich ebenso liebt.“

Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und er stand auf, ehe er meinte: „Danke, Nadeshiko. Wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja in ein paar Jahren bei Gringotts wieder – ich werde dort demnächst die Aufnahmeprüfung zur Fluchbrecherausbildung ablegen.“

„Oh, dann viel Erfolg! Und … wenn es so sein sollte, wie du sagst, nenn´ mich beim nächsten Mal >Shiko< – das tun alle meine Freunde.“, gab die Gryffindor zurück.

Er nickte und stieg die Treppe zu seinem Schlafsaal hinab.
 

Im Bann der Bande

Nadeshiko hätte nicht sagen können, wie ihre Mutter ihrem Vater die Zustimmung abgerungen hatte – zwei Wochen nach Beginn der Sommerferien hievte Ohtah seinen Schrankkoffer für Hogwarts sowie einen kleinen Trolley durch ihren an das Flonetzwerk angeschlossen Kamin. Entgegen all ihrer Erwartungen durfte er bis zum Schuljahresbeginn bei ihnen wohnen; natürlich im Gästezimmer und mit entsprechendem Benehmen – wenn sie nicht riskieren wollten, dass er wieder nach Hause geschickt würde … Trotzdem waren sie zusammen und das war alles, was zählte!

„Ryu-sama, willkommen zu Hause!“, begrüßte ihn Mimi, die hiesige Hauselfe mit einer tiefen Verbeugung.

Während sie, gefolgt von dem schwebenden Gepäck, davon tribbelte, schaute der Braunhaarige ihr verständnislos hinterher.

Nadeshiko schmunzelte und erklärte: „Mimi hat für jeden von uns Spitznamen – nach ihrer Geburt hat sie Sei als >Tenshi-sama< bezeichnet … das bedeutet Engel. Ich bin in ihren Augen eine Fee, >Yosei-sama< und du eben ein Drache. Otosama nennt sie übrigens >Oyakata-sama<, so nennt man seinen Meister und Okasan ist für sie >Kisaki-sama<, eine Königin.“

Nun umspielte seine Lippen ebenfalls ein Lächeln, als er antwortete: „Das ist auf jeden Fall etwas ganz besonderes. Was Klerus wohl für einen Namen von ihr bekommen würde?“

„Hmm … gute Frage – eine freundliche, höfliche Seele …“, grübelte sie kurz nach, „Ich weiß! >Monku-sama< – schließlich passt es zu seinem Nachnamen und er will ja auch Heiler werden, da passt Mönch sehr gut. Aber jetzt führe ich dich erst einmal herum!“

Noch nie hatte der Slytherin die Zeit außerhalb von Hogwarts so sehr genossen … sonst musste er sich in den dunklen Kammern des Anwesens herumtreiben, ging den anderen Familienmitgliedern aus dem Weg. Nun konnte er die Tage mit seiner Liebsten im Garten verbringen, gemeinsam erarbeiteten sie ihre Hausaufgaben und ihre Mutter freute sich ebenfalls über die Hilfe des jungen Mannes im Haushalt. Nach knapp einem Monat, seit Ohtah bei den Yosogawas eingezogen war, brachte Shirayuki zum Frühstück zwei dicke Briefe.

„Das müssen eure Zeugnisse sein!“, rief Nadeshiko´s Mutter aufgeregt und nahm der Schleiereule den Ballast ab.

Einen davon reichte sie Ohtah, den anderen übergab sie allerdings an ihren Mann. Dieser öffnete ihn und begutachtete die Ergebnisse mit strengem Blick, während Nadeshiko auf die Tischplatte starrte.

„Hm.“, machte er, „Genauso viele ZAGs wie erwartet, aber nur ein >Ohnegleichen< … das ist gerade noch so annehmbar. Ich erwarte bei den UTZs in zwei Jahren etwas mehr Einsatz von dir.“

Die Gryffindor nickte kaum merklich und las nun selbst – sie hatte gehofft, dass Verteidigung gegen die dunklen Künste ihr bestes Fach sein würde; wobei es bei Arithmantik und Alte Runen sicher knapp gewesen war. Dass sie in Geschichte der Zauberei durchgefallen war, überraschte sie natürlich keineswegs, ebenso wenig in Astronomie. Die beiden »Annehmbar« in Kräuterkunde und Zaubertränke bedeuteten, dass sie trotzdem beides in den höheren Klassen nicht mehr belegen würde. Ihr Zaubergrad insgesamt lag bei neun, genauso wie bei Seiketsu. Die Augen ihres Vaters wanderten zu Ohtah, der nun auch sein Kuvert öffnete.

„Zaubertränke, Verwandlung, Zauberkunst, Kräuterkunde und Pflege magischer Geschöpfe >Erwartungen übertroffen<. Und ebenfalls ein >Ohnegleichen< in Verteidigung gegen die dunklen Künste. Puh, alles geschafft!“, berichtete er Nadeshiko, die sofort zu lächeln begann.

Natürlich hatte Ohtah genauso weder bei Professor Binns noch Professor Sinistra bestanden – geschweige denn in Muggelkunde. Togo Yosogawa schnaubte leicht, doch die beiden Fast-Sechstklässler übergingen es – ihre Berufswünsche waren ein Stück realistischer geworden; zumindest falls Professor McGonegall sie nicht doch noch vor ihrem Abschluss vor die Tür setzten würde …
 

Auf dem Bahnsteig verabschiedete sich Nadeshiko von ihren Eltern und Ohtah bedankte sich herzlich für die Gastfreundschaft. Ihre Mutter zwinkerte kaum merklich. Als die beiden eingestiegen waren, suchten sie nach Klerus – ohne Erfolg. Sofort wurde ihnen unwohl zumute, bis sie endlich in der Großen Halle ankamen und ihn unter den restlichen Hufflepuffs an deren Haustisch erspähten. Wahrscheinlich waren sie irgendwie aneinander vorbei gelaufen … jedenfalls versuchte sein Bruder sich das einzureden. Allerdings blieb der Blonde die komplette Woche auf Distanz … Er mied jene Plätze, an denen sich die drei getroffen hatten und blieb stets von anderen umringt.

Irgendwann hielt es Ohtah aufgrund einer beunruhigenden Neuigkeit nicht mehr aus und fing ihn ab: „Warte, ich muss mit dir reden – Professor Sprout kam gestern auf mich zu. Sie … sie sagte, du würdest dein Nachholungsunterricht vernachlässigen. Klerus, du solltest froh sein, dass die Professoren auf die Idee kamen, mit euch den Stoff von letztem Jahr aufzuarbeiten.“

Deshalb hatten er und Nadeshiko sich bislang zurückgehalten – immerhin stand er nun als Fünftklässler vor seinen ZAG-Prüfungen. Seine Hauslehrerin ahnte zwar immer noch, dass sie sogar verwandt waren – doch hatte sie gehofft, er als sein Freund würde ihm schon ins Gewissen reden.

„Ich soll froh darüber sein? Ist das dein Ernst? Ich war in verdammten Portrait gefangen! Glaub´ mir, es hätte mich viel glücklicher gemacht ganz normal dem Unterricht zu folgen.“, keifte er vollkommen untypisch aggressiv.

Geschockt über seine Worte, wollte er sich erklären: „Wir könnten dir auch helfen, wenn-“

„Ihr?“, unterbrach Klerus ihn verärgert, „Ausgerechnet ihr … Ist diese ganze Situation nicht gerade eure Schuld? Diese widerwärtigen Flüche … alles nur, weil Shiko nach den Verliesen sucht!“

Wie im Affekt verpasste Ohtah seinem Halbbruder eine Ohrfeige und sagte: „Ich verstehe, dass du Angst hast … Diese Flüche sind furchtbar, absolut – aber Shiko ist unschuldig! Sie hat dich und alle anderen gerettet, Klerus! Seit fünf Jahren tut sie nichts anderes, als sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie sie all dem Einhalt gebieten kann. Ja, dieses Gerücht hält sich hartnäckig, Shiko würde die Flüche auslösen – trotzdem ist es einfach nicht wahr und ich dachte, du wüsstest das!“

„Denk´, was du willst … Dich hat sie längst um den Finger gewickelt – du bist ihre Marionette! Ich bin durch mit dem Thema.“, entgegnete er unbeeindruckt und wandte sich ab, „Ach, noch etwas – sprich´ mich erst wieder an, wenn du dich aus ihrem Bann gelöst hast.“

Niedergeschlagen schlurfte der Slytherin zu seiner Verabredung mit Nadeshiko am Ufer des Schwarzen Sees. Sie wollten die Magie des Raums der Wünsche schließlich nicht überstrapazieren – und bevor sie ihn gefunden hatten, war dies einer ihrer Lieblingsorte gewesen. Außerdem genoss es Shirayuki im Freien zu sein.

Als er sich neben die Gryffindor gesetzt hatte, fragte sie: „Hast du Klerus erwischt?“

Ohtah sah auf das Wasser. Die Wahrheit würde ihr hart zusetzen … vor allem da Klerus diese Worte gebraucht hatte. Sein Halbbruder war ihr beider Freund, Vertrauter geworden und nun wollte er nichts mehr mit ihnen zu tun haben …

„Er … er ist ziemlich im Stress. Also das mit der Unterrichtsteilnahme vom Porträt aus hat leider nicht so gut geklappt und jetzt muss er Nachhilfestunden nehmen.“, redete er sich heraus.

Nadeshiko nickte und meinte: „Wir könnten ihm doch auch beim Lernen helfen. So schlecht waren unsere ZAG ja doch nicht!“

„Nein!“, rief er erschrocken aus, wobei der Braunhaarige sich nur mühevoll wieder fangen konnte, „Also, Klerus möchte, dass wir unsere komplette Freizeit für das nächste Verlies nutzen.“

Enthusiastisch holte Nadeshiko das Notizbuch ihrer Schwester hervor und sagte: „Ja, da hat er vermutlich recht … Sicher will er, dass es so wenig Opfer wie möglich gibt. Gut, dann frisch ans Werk! Wo haben wir denn den nächsten Eintrag … >Meine geliebte Shiko, nun da du das hier liest, bist du alt genug, um die Wahrheit zu erfahren … Als ich von den Verwunschenen Verliesen erfuhr, wollte ich diese Macht unter allen Umständen ergründen – ich war blind! All diese Schüler werden nur unnötig in Gefahr gebracht und wer weiß, wie lange ich Hogwarts noch vor ernsthaften Verlusten bewahren kann. Würde nur ich ihr Geheimnis kennen, könnte ich meine Nachforschungen einfach sofort einstellen – aber so ist es nicht, nicht wahr? Bitte, sei sehr vorsichtig, wem du vertraust, Shiko! Der Schatz des letzten Verlieses darf niemals in falsche Hände geraten!< Schon wieder eine Warnung … Wenn ich bedenke, dass Sei ganz allein war …“

„Aber, Shiko, da steht nichts über den neuen Fluch oder sonst was!“, bemerkte Ohtah kritisch, „Ein Dreizack … Als wir Hinweise auf die Zentauren gesucht haben, wäre mir nichts zum Sternbild des Wassermanns aufgefallen.“

Sie schwieg. In ihrer Welt gab es unzählige Geschöpfe und Dinge, welche für die Muggel als Fiktion abgetan wurde … Vor ihren Füßen lag ein undurchschaubares Gewässer – wer konnte schon sagen, was sich alles daran verbergen mochte. Im Bad der Vertrauensschüler gab es eine Buntglas-Darstellung einer Meerjungfrau … Warum also nicht an ein mit Dreizacken bewaffnetes Meervolk glauben? Allerdings besaßen sie nicht die Fähigkeit unter Wasser zu atmen – und vielleicht lag Nadeshiko ja auch vollkommen daneben.

Dennoch meinte sie: „Wir sammeln Informationen über den Schwarzen See! Vielleicht können wir wenigstens einmal dem nächsten Fluch einen Schritt voraus sein …“
 

Montagmorgen brachten die Eulen wie üblich die Post. Nadeshiko rechnete nicht mit Shirayuki – stattdessen landete genauso unerwartet ein kleines Käuzchen neben ihrem Lieblingsfrühstück, das wie so häufig von der Hauselfe Ciri zubereitet worden war. Zur Belohnung fischte sie eine der Beeren auf ihrem Haferbrei und löste anschließend die Nachricht von ihrem Bein. Sofort erkannte die junge Gryffindor die tiefgrüne Tinte, welche nur von Minerva McGonegall benutzt wurde, die sie nach dem Unterricht in ihrem Büro sprechen wollte. Den ganzen Tag über plagte sie die Sorge, jemand hätte sie und Ohtah am Schwarzen See belauscht. Nichtsdestotrotz fand sie sich pünktlich bei der Direktorin ein.

„Guten Abend, Miss Yosogawa. Bitte setzen Sie sich.“, begrüßte die Lehrerin für Verwandlung ihre Schülerin, „Ich habe die Ferien genutzt, um noch einmal intensiv über Sie nachzudenken. Ich weiß inzwischen, Sie werden nicht auf mich hören, selbst wenn man Sie der Schule verweisen würde – auch wenn ich mir wünsche, Sie würden diese Sache Ihren Lehrern überlassen, komme ich dennoch nicht mehr umhin, Ihrem Erfolg Respekt zu zollen … Sie erinnern mich an einen ganz besonderen Schüler, der genau wie Sie eine … Mission hatte. Genau deswegen mache ich mir Sorgen um Sie. Macht ist verführerisch … und niemand ist gegen die Finsternis in seinem Herzen gefeit. Ich habe gesehen, wie Ihre Schwester mit dieser … Besessenheit nicht umgehen konnte, weil sie allein war – bei Ihnen ist das anders, nicht war?“

Noch konnte Nadeshiko nicht sagen, woraufhin dieses Gespräch hinauslaufen würde, dennoch nickte sie. So sehr sie sich wünschte, Seiketsu zurückzubekommen, könnte sie es nicht ertragen, Ohtah dadurch zu verlieren … Ihr Streit im vergangenen Jahr, der ihn zum Raum der Wünsche geführt hatte, war schrecklich gewesen. Urplötzlich flammte in ihr eine Erinnerung an ihre Schwester auf. Es war in den Sommerferien, bevor sie verstand …

Damals hatte sie nicht verstanden, wovon die Ravenclaw gesprochen hatte: „Shiko … irgendwann einmal wirst du mit den Erwartungen anderer an dich konfrontiert werden. Frage dich selbst, ob sie es wert sind … und verlier´ dich nicht selbst dabei.“

Ob es Argo´s Annäherungsversuche gewesen waren, die Sticheleien von Livia oder gar die Gerüchte über die Fluchmacher-Schwestern … all das hatte die schöne Rothaarige verdrängen können. Ja, manchmal war sie davon getroffen gewesen, doch sie hatte sich auf Ohtah stützen können und später sogar Klerus als Unterstützung bekommen.

„Egal, ob Glück oder Leid – ich bin daran gewachsen. Die Flüche zu bekämpfen, hat mich zu der gemacht, die ich heute bin.“, meinte Nadeshiko wie zu sich selbst.

„Dann vertraue ich darauf … Und ich kann kaum glauben, dass ich das wirklich sage – ich werde Ihnen helfen.“, sagte die Professorin und lächelte.

Sprachlosigkeit erfüllte die schöne Gryffindor, die nur mehrfach blinzeln konnte.

„>In Hogwarts wird jedem Hilfe zuteil, der sie redlich verdient.< Ich verstehe, dass ich Sie damit ziemlich schockiere … Allerdings ist dieses Schloss nicht nur das Zuhause der Lehrer – jedem sollte das Recht zuteil werden für das zu kämpfen, was er liebt. Diese Lektion musste ich bereits beim letzten, großen Kampf lernen …“, antwortete sie auf ihre entgleisten Gesichtszüge.

Die Schlacht von Hogwarts … dieser eine bestimmte Schüler … Alle Kinder der Zaubererwelt waren mit den Geschichten über den Jungen, der überlebt hatte aufgewachsen … den sagenumwobenen Auserwählten. Er war eine lebende Legende! Niemals hätte Nadeshiko gewagt, sich selbst im gleichen Atemzug zu nennen, wie Harry Potter – doch Minerva McGonegall hatte es getan, vollkommen ernst gemeint.

Gerührt betrachtete sie ihre Hauslehrerin und verbeugte sich tief, während sie entgegnete: „Ich werde Euch nicht enttäuschen, Professor! Habt vielen Dank.“
 

Um ihr Versprechen einzuhalten, begannen die beiden Sechstklässler ihre Recherche im Raum der Wünsche. Es war seltsam, Klerus nicht bei ihnen zu haben – obwohl Ohtah alles dafür getan hatte, damit Nadeshiko nicht die Wahrheit erfuhr, kannte sie ihren Geliebten einfach zu gut … Seine Lüge wäre ihr selbst mit geschlossenen Augen nicht verborgen geblieben. Daher hatte sie eigens eins und eins zusammengezählt. Und nur der pure Egoismus ließ die Rothaarige schweigen – würde der Slytherin zu seinem Halbbruder halten, käme das einem Scheitern ihrer Unternehmung gleich.

„Sieh´ dir das mal an.“, unterbrach Ohtah ihre trüben Gedanken, „Es gibt eine Theorie, nach der der Schwarze See ein Portal für spezielle Zauberkünste ist. Damit könnte genauso gut ein Verlies gemeint sein!“

Nadeshiko staunte nicht schlecht und erwiderte: „Wäre naheliegend … Professor Hagdrig hat mal erwähnt, dass die Wassermenschen-Kolonie, die Grindelohs und der Riesenkrake absolut harmonisch zusammenleben. Das Ökosystem soll selbst in unserer Welt einzigartig sein. Wir müssen mehr über sie wissen!“

Sofort kam der magische Raum ihrem Wunsch und ein aufgeschlagenes Buch mit einer ganzen Reihe verschiedener, meerischer Waffen erschien vor ihr – ihr Dreizack aus dem Verlies war zwar nicht haargenau dabei, doch erkannte sie die Ähnlichkeit der Verzierungen.

Auch der Braunhaarigen war auf einen weiteren, spannenden Aspekt gestoßen: „>Obwohl das Schloss Hogwarts vor über tausend Jahren als Stätte des Lernens erbaut wurde, sind längst nicht alle Rätsel um den angrenzenden See gelöst. Bislang erschien es unmöglich, ihn vollständig zu kartographieren.< Das heißt, selbst wenn wir es schaffen, unter Wasser zu atmen, fängt unser eigentliches Problem erst an.“

„Wobei das ja schon genügen würde …“, murmelte sie, als ihr plötzlich etwas einfiel, „Wir können Professor McGonegall nach einem Verwandlungszauber fragen! Jetzt, da sie auf unserer Seite ist, müssen wir unsere Nachforschungen ja nicht mehr verstecken.“

Beiden jagte es einen Schauer über den Rücken – fünf Jahre lang hatten sie beinahe eisern schweigen, ihre Suche geheim halten müssen … nun jedoch hatte sich ihnen eine neue Unterstützung aufgetan. Und genau diese Hilfe konnten sie gerade jetzt mehr denn je brauchen …

Denn als die Tage grauer wurden, machte eine Gruppe Schüler eine grauenhafte Entdeckung in der Nähe des Schwarzen Sees … ein Junge war vollkommen in Stein verwandelt worden! Zwar versuchten Professor McGonegall und Professor Flitwick den Zauber zu lösen, doch ahnten sie bereits, dass es sich hierbei um einen weiteren Fluch handelte. So wurde endlich das Rätsel um eine bestimmte Frage gelüftet … Warum warnten die Lehrer nicht vor der kommenden Gefahr? Jeder Verlies, jeder Fluch bildeten irgendwie eine Brücke – der Verbotene Wald beispielsweise beherbergte Wesen aus den Alpträumen mancher Hexen und Zauberer … und zum Träumen, egal ob gut oder schlecht, musste man schlafen –, allerdings zeigte sich diese Verbindung in jedem Zyklus anders … Um bei dem genannten Beispiel zu bleiben – während Seiketsu´s Zeit hatte das Verlies des Waldes wortwörtlich Alpträume über das Schloss gebracht, kaum ein Schüler schlief eine einzige Nacht noch durch.

Es war Ciri, die Hauselfe, die Nadeshiko und Ohtah im Raum der Wünsche davon und noch weit mehr berichtete: „Miss Yosogawa wollte wissen, wenn Ciri etwas ungewöhnliches hört – deshalb ist Ciri sofort hierher geeilt. Und die Grindelohs im Schwarzen See sollen sich auch schon länger ganz aggressiv verhalten.“

„Das hängt sicher ebenfalls mit dem Verlies zusammen … Dann gibt es keinen Zweifel mehr – es liegt tatsächlich unter Wasser!“, meinte die Rothaarige nachdenklich, „Ciri, wir schulden dir wirklich großen Dank!“

Mit einer tiefen Verbeugung winkte das kleine Wesen ab: „Nicht doch, nicht doch – Ciri ist es eine Ehre! Miss Yosogawa muss nur versprechen, weiterhin sehr vorsichtig zu sein. Und Mister Shadowdragon ebenfalls.“

Damit verabschiedete sie sich, eilte zurück an ihre Arbeit.

„Wir müssen uns am Schwarzen See umschauen. Und vielleicht sollten wir auch Professor Hagdrig unauffällig aushorchen.“, schlug die Gryffindor vor.

Doch der Braunhaarige schien ihr gar nicht recht zuzuhören. Seine Gedanken waren gerade bei jemand ganz anderem …

Sie berührte seine Hand, was ihn zurück in die Gegenwart holte, und sagte verständnisvoll: „Geh´ zu ihm, sprich´ mit ihm. Wahrscheinlich ist es besser, er erfährt es von dir, als durch irgendein Gemurmel auf den Korridoren. Und später schauen wir uns dann am Schwarzen See um, ja?“

Ein Teil von ihm wollte bereits fragen, wovon sie redete … doch er ließ es bleiben. Eigentlich hätte sich Ohtah von vornherein denken können, dass sie ihm seine Ausrede nicht abnahm – Nadeshiko kannte ihn besser, als er sich selbst.

„Es tut mir leid.“, flüsterte er im Hinausgehen, auf dem Weg in die Bibliothek.

Dort fand der Slytherin seinen Halbbruder mit einem Stapel Bücher – offensichtlich versuchte er den Stoff doch nachzuholen.

„Kann ich dir helfen?“, bot er an und setzte sich zu ihm.

Klerus verrollte die Augen, als er entgegnete: „War ich das letzte Mal nicht deutlich genug? Oder bist du etwa so schnell zur Vernunft gekommen?“

Fast griff Ohtah nach Zauberstab, aber er konnte sich beherrschen und antwortete: „Nicht, was du darunter zu verstehen scheinst. Du bist mein Bruder und ich mache mir Sorgen um dich! Das fünfte Verlies ist aktiviert worden – und bevor du auch nur daran denkst, Shiko hat damit absolut nichts zu tun.“

An jedem anderen Ort hätte Klerus panisch aufgeschrien. Das Grauen war zurück … Die ganzen Sommerferien lang hatten ihn Alpträume geplagt. Ein beengendes Gefühl umklammerte seine Brust. Es war leichter jemandem, den man kannte, die Schuld zuzuweisen – natürlich kannte Klerus die Wahrheit, er verhielt sich Nadeshiko und vor allem Ohtah gegenüber unfair. Aber das änderte nichts … er hatte Angst. Und Menschen verhielten sich häufig seltsam, wenn sie Angst hatten.

„Ich will nichts damit zu tun haben!“, zischte Klerus und klappte das Buch zu.

Anschließend marschierte er davon. Ohtah ballte die Hände zu Fäusten – er grollte nicht ihm, sondern den Flüchen. Es tat ihm weh, seinen kleinen Bruder so zu sehen …
 

Währenddessen war Nadeshiko in die Eulerei gegangen. Ein wenig Luftunterstützung konnte bei ihrer Erkundung nicht schaden. Shirayuki kam sofort angeflogen und landete auf ihrer Schulter. Um sie zu belohnen, gab die Rothaarige ihrer Gefährtin einen Eulenkeks. Ihre Nähe beruhigte Nadeshiko. Ohtah machte ihr zwar keine Vorhaltungen, doch ohne sie hätte er keinen Zwist mit Klerus …

„So allein, junger Fluchbrecher …“, sprach sie eine Stimme an, dessen Besitzer vollkommen vermummt war und in einen Kapuzenmantel gehüllt im Eingang stand.

„Wer bist du? Was willst du von mir?“, gab Nadeshiko schnippisch zurück.

Der Fremde zog einen Zauberstab aus dem Ärmel und richtete ihn auf sie. Mit einem Schulterzucken schickte die Gryffindor Shirayuki davon, die zurück auf ihre Stange flog.

„Sehr klug von dir, dein Haustier aus der Schusslinie zu nehmen. Da du ja gar nicht so dumm zu sein scheinst, lass´ mich dich ein letztes Mal warnen … Gib´ deine Suche auf!“, meinte ihr Gegner.

Nun zog auch Nadeshiko ihren Zauberstab und rief: „Expeliarmus!“

Doch er blockte ab und wirkte einen Blendzauber. Sie musste von dem gleißenden Licht die Augen zukneifen. Das Aufheulen der Eulen schwoll ohrenbetäubend an. Für eine Sekunde ergriff sie Panik – aber als sie wieder klar sehen konnte, war der Angreifer verschwunden. Shirayuki kehrte zu ihrer Herrin zurück, drückte ihr Gesicht an ihre Wange.

„Alles in Ordnung … Mir ist nichts passiert. Zumindest noch nicht … Wie kann so etwas nur in Hogwarts geschehen? Niemand kommt unbemerkt auf das Schlossgelände.“, murmelte Nadeshiko, bis sie stockte, „>Lass´ mich dich ein letztes Mal warnen …< Bedeutet das, von ihm stammt auch die Botschaft im Schlafsaal? Irgendjemand innerhalb dieser Mauer hat es wirklich auf uns abgesehen …“

Wenn sie Ohtah davon erzählte, würde er ihr keine Sekunde mehr von der Seite weichen … Wenn sie es nicht tat, mochte er unvorbereitet von dem Angreifer überrascht werden. Und sollte sie nicht mit Professor McGonegall darüber sprechen, dass entweder jemand in Hogwarts sie angegriffen oder sich jemand unerlaubten Zugang zu Hogwarts verschaffen konnte? Hier ging es schließlich nicht nur um sie allein … Wenn ein fremder, vielleicht sogar schwarz-magischer Zauberer auf das Gelände konnte, wären sämtliche Schüler in Gefahr! Hastig eilte sie die Turntreppe hinunter, zurück ins Schloss und hoch zum Büro der Direktorin, wo sie ihrer Hauslehrerin von allem berichtete.

„Das ist wirklich besorgniserregend … Danke, dass Sie gleich zu mir gekommen sind, Miss Yoseino.“, bestätigte Professor McGonegall, „Ich habe Gerüchte darüber gehört, dass das Ministerium von Ihren Aktivitäten in Sachen Verliese erfahren … und Interesse an Ihnen bekundet hat – das muss nichts mit diesem Vorfall zu tun haben, aber … Politik ist genauso grausam wie ein Fluch. In jedem Fall werde ich die Sicherheitsvorkehrungen erhöhen.“

Nadeshiko schluckte schwer und erwiderte: „Professor, ich … ich möchte nicht, dass sonst noch jemand davon erfährt … von der Schülerschaft. Ohtah … Es würde ihn wahnsinnig machen.“

„Ich verstehe. Mister Shadowdragon und den restlichen Schülern gegenüber kann ich schweigen – aufgrund des Statuenfluchs wollte ich ohnehin wieder eine Begleitung des Lehrkörpers zu den Unterrichtsräumen einräumen.“, erklärte sie verständnisvoll.

Dankbar verbeugte sich Nadeshiko leicht vor ihr, bevor sie das Büro verließ. In der Nähe des Schwarzen Sees fand sie Ohtah, der in ein Gespräch mit Professor Hagdrig vertieft war.

„Ich würde mich mit dem Riesenkraken nicht anlegen wollen, aber grundsätzlich hat er ein sonniges Gemüt. Die Meermenschen … tja, sie führen sozusagen eine Koexistenz mit Hogwarts, mögen allerdings keine Eindringlinge. Und die Grindelohs sind ein ganz anderes Thema. In letzter Zeit gibt es häufig ziemlich heftige Auseinandersetzungen im See … Ich weiß nicht, was mit ihnen los ist.“, erklärte dieser gerade, „Etwas muss sie unter Wasser aufgescheucht haben … Ach, was rede ich da – hätt´ ich bloß nix gesagt. Jedenfalls ist es gefährlich, verstanden?“

Damit stapfte der Hüne davon.

„Ein Irrtum ist wirklich ausgeschlossen.“, meinte der Slytherin, während sein Blick über das Wasser glitt.

Als wäre dies ihr Stichwort, erhob sich Shirayuki in die Lüfte. Die beiden lachten und machten sich ebenfalls auf Spurensuche.
 

Erfolglos hatten sich Nadeshiko und Ohtah an jenem Tag ins Schloss zurückziehen müssen … Und nur wenige Tage später, brach der Winter über sie herein. Dicke Schneedecken hüllten alles in sich ein, eine Eisschicht bedeckte den See – was auch immer sich darin befinden mochte, vor dem Frühling würden sie es nicht herausfinden.

Entsprechend niedergeschlagen über diese erzwungene Pause, kam die Ankündigung von Professor McGonegall beim Abendessen des ersten Schultages nach den Weihnachtsferien gerade recht: „Ich denke, die meisten von Ihnen wissen, dass dieses Jahr die Duell-Weltmeisterschaft stattfindet … und seit jeher gab es in Hogwarts sozusagen ein Pendant. Alle Sechst- und Siebtklässler können sich dafür anmelden – anschließend gibt es Vorrunden in den jeweiligen Häusern, bevor die vier Champions gegeneinander antreten. Der Gewinner erhält neben einem Pokal, der ihn hier in Hogwarts verewigen wird, ein einmaliges Empfehlungsschreiben für die Weltmeisterschaft! In den Gemeinschaftsräumen wird eine Teilnehmerliste ausgehängt. Sollten Sie irgendwelche Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Ihre Hauslehrer. Das Turnier beginnt in der letzten Januarwoche – Sie haben demnach noch etwas Zeit, sich vorzubereiten; aber nicht auf den Korridoren!“

So gleich wanderte Nadeshiko´s aufgeregter Blick zum Tisch der Slytherins, wo sie dem von Ohtah begegnete. Im Moment konnten sie in Sachen Verlies ohnehin nichts unternehmen … ein bisschen Ablenkung sollte da nicht schaden. Er nickte mit dem schiefen Lächeln, welches sie so liebte. Auch ihm gingen diese Gedanken durch den Kopf. Nachdem sich die Schulleiterin gesetzt und das Mahl eröffnet hatte, erfüllte sich die Große Halle von Gesprächen über das Turnier. Es herrschte begierige Aufregung, die selbst in den folgenden Tagen nicht abriss. Klerus sowie einige andere Fünftklässler murrten, weil sie noch nicht teilnehmen durften, sondern stattdessen für ihre ZAG-Prüfungen lernen mussten.

Während Nadeshiko und Ohtah Shirayuki einen Besuch abstatteten, kam das Thema erneut zwischen ihnen auf: „Ohtah, was die Duelle angeht … Du musst mir etwas versprechen – sollten wir uns tatsächlich gegenüber stehen, halte dich nicht zurück!“

„Ich wusste, du würdest das sagen …“, entgegnete er und nahm ihre Hand, „In Ordnung, ich werde dich nicht kampflos gewinnen lassen. Und du lässt dich auf gar keinen Fall von irgendwem anders besiegen, ja?“

Lächelnd lehnte sie ihren Kopf gegen seine Schulter.
 

Fast alle Schüler des sechsten und siebten Jahrgangs hatte sich angemeldet, die zunächst in einigen Vorrunden gegen die Mitglieder ihres eigenen Hauses antreten mussten, welche in den leer geräumten Klassenzimmern ihrer Hauslehrer stand fanden. Nadeshiko war erleichtert, dass Argo bereits seinen Abschluss gemacht hatte; Ohtah dagegen kam nicht so glimpflich davon – er bekam es im Entscheidungskampf um den Einzug ins Halbfinale mit Livia zu tun!

„Was meinst du – wollen wir unser Duell nicht ein bisschen spannender gestalten? Wenn ich gewinne, gehst du mit mir aus … und vergisst endlich dieses lächerliche Löwenkind!“, forderte sie ihn heraus.

Ein Raunen ging durch die Zuschauer, während Ohtah erst lachte und dann entgegnete: „Und wenn ich gewinne, schwörst du bei deinem Zauberstab, dass du Shiko nie mehr belästigen wirst!“

Livia überlegte einen Moment, ehe sie zustimmte. Anschließend deuteten sie eine Verbeugung an.

„Bald wirst du nur noch Augen für mich haben – Conjunktivitio!“, rief die Slytherin.

Doch Ohtah wehrte ihren Bindehaut-Fluch hastig mit einem Schutzschild ab, bevor er »Muffliato« einsetzte – dieser Zauber verursachte ein dröhnendes Rauschen in ihren Ohren.

Mit den Händen gegen die Schläfen gepresst, schrie Livia ohne zu zielen: „Verkestatum!“

Der Braunhaarige musste nicht einmal ausweichen, so weit schlug der Schleuder-Fluch daneben ins Publikum, das erschrocken auseinander sprang. Sein »Levicorpus« dagegen riss sie von den Füßen und ließ sie kopfüber in der Luft baumeln. Damit hatte sie den Ring verlassen – Ohtah war offiziell der Sieger.

„Handelsübliche Zauber im Duell zu verwenden, ist eine sehr ausgeklügelte Taktik – Sie scheinen mir wahrhaft das Zeug zum Auror zu haben, Mister Shadowdragon.“, lobte ihn Professor Slughorn applaudierend.

Ohtah dankte ihm für das Lob und sagte zu Livia: „Halte dich an dein Wort!“

Ohne sie herunter zu holen, verließ er den Kerker. Unterwegs zum Innenhof des Glockenturms dachte er nach – auch er hatte ein Versprechen gegeben; natürlich würde Nadeshiko als Gryffindor-Champion gegen ihn antreten … Warum nur hatte er sich darauf eingelassen? Er musste gegen die Frau kämpfen, die er liebte! Genau das war ihr Wunsch … und damit alles andere unwichtig.
 

Sie hatte sich diesen Kampf gewünscht. Sie wollte diesen Kampf. Und gleichzeitig fürchtete sie sich davor … Jede Strategie, die sich Nadeshiko auch ausdenken konnte, würde Ohtah bis ins kleinste Detail vorhersehen … Er kannte ihre Art zu kämpfen – für gewöhnlich setzte sie vor allem ihre mächtigen Elementarzauber ein, um ihrem Gegner keine Zeit zum Erholen zu lassen. So hatte sie sämtliche Vorrunden und das Halbfinale gegen Hufflepuff gewonnen.

Mit den Fingerspitzengefühl strich die Rothaarige über das Notizbuch ihrer Schwester und flüsterte: „Ich will das Turnier unbedingt gewinnen, ich muss – nur dann weiß ich, ob ich wirklich bereit sein werde!“

Die Verliese verlangten mehr, als nur den Mut von Gryffindor … Manchmal fragte sich Nadeshiko, wie sie sich in Hogwarts ohne ihren Einfluss entwickelt hätte. In der nächsten Sekunde winkte sie dann schon wieder ab – im Grunde war es egal. Entschlossenheit packte sie ihren Zauberstab fester und verließ den Raum der Wünsche. Im Gemeinschaftsraum waren ihr einfach zu viele Menschen gewesen und wenn sie ehrlich war, fühlte es sich seltsam an, bejubelt zu werden – wo man sie doch schon jahrelang als »Fluchmacher« beschimpfte. In der Großen Halle, in der eine Tribüne samt Arena aufgestellt worden war, ließ sich der Auflauf natürlich nicht vermeiden. Doch die junge Hexe achtete nicht weiter darauf – ihre Augen hatten sofort die von Ohtah gefunden. Sie hielten einander mit ihren Blicken fest, während beide die wenigen Treppen hinaufstiegen, und ihr Duell von Madam Hooch angesagt wurde. Das Finale … der letzte Kampf in diesem Turnier …

„Bist du bereit?“, wollte Nadeshiko wissen, ohne sich abzuwenden.

Ebenso unbeirrt antwortete Ohtah: „Mein Wort bindet mich …“

Sie zeigten ihre Zauberstäbe vor und verbeugte sich voreinander. Genau wie erwartet wollte der Slytherin diese Sache so schnell, wie möglich hinter sich bringen – doch sie wich gezielt aus.

„Aquamenti!“, rief die Rothaarige das Wasser zu Hilfe, welches er mit einem Imprägnierungszauber abblockte, „Du willst es mir also wirklich nicht leicht machen …“

„Werd´ bloß nicht unvorsichtig, Shiko – Obscuro!", entgegnete Ohtah, was ihr großteils die Sicht raunte, „Stupor!“

Nadeshiko schützte sich instinktiv mit einem Schild und meinte beinahe spöttisch: „Als ob dieser Trick genauso bei mir funktionieren würde – aber ich habe eine Überraschung für dich!“

Ihr Zauberstab richtete sich gen Himmel … Am gespannten Himmel über der Großen Halle leuchteten die Sterne heller auf, die auf ihren Wink tatsächlich herabregneten! Für eine kurze Schrecksekunde starrte der Braunhaarige seine Gegnerin an … seine Geliebte, die offensichtlich alles daransetzte, um zu gewinnen … Dann machte sich die Angst vor den glühenden Gesteinsbrocken vollends in ihn breit – er wich bis über den Rand der Arena zurück. Panisch beobachtete er, wie die Geschosse die Zuschauer trafen – beziehungsweise durch diese hindurch flog und in gelben Funken zerstoben.

Inmitten dieses Feuerwerks schritt Nadeshiko auf Ohtah zu und erklärte: „>Stella Cascadia< ist nur ein Illusionszauber – ich wusste, du würdest mit allem rechnen … allerdings nicht mit einem Sternenschauer. Es tut mir leid, dass du für einen Moment denken musstest, ich würde dich ernsthaft verletzen wollen …“

Während ihrer letzten Worte konnte sie ihn nicht mehr ansehen, deshalb griff er unter ihr Kinn und erwiderte: „Nein. Du hast nur das getan, was du dir auch von mir gewünscht hast … Und solange es die Frau ist, die ich liebe, die mich besiegt …“

Weiter kam Ohtah nicht mehr – Nadeshiko hatte sich so sehr davor gefürchtet, etwas zwischen ihnen zu zerstören … da war es ihr vollkommen egal, was der versammelte Lehrkörper samt gesamter Schülerschaft dachte, als sie ihn stürmisch küsste. Seine Liebe war wahrhaft der größte Preis!

Professor McGonegall wartete einen Moment länger, ehe sie näher trat, um die Siegerin zu beglückwünschen, und so leise zu warmen, damit nur sie es hörte: „Sie sind eine überaus begabte, junge Hexe. Ihr Ziel könnte Ihnen unerreichbar vorkommen, sodass Sie vom rechten Weg abkommen … Vergessen Sie niemals – die dunkle Seite kann einen leicht verführen, doch sie bietet keine Stärke! Sie müssen sich und Ihre Fähigkeiten selbst wertschätzen – sonst wird in Ihnen nie jemand etwas anderes sehen, als … ein Schatten Ihrer Schwester, Miss Yosogawa, ob Sie diesem Ruf gerecht werden möchten oder nicht. Ihre Elementarmagie und Duellierfähigkeiten sind verblüffend – etwas, das Sie von Ihrer Schwester komplett unterscheidet.“

Nadeshiko nickte ernst. Sie würde sich diesen Rat zu Herzen nehmen.
 

Nach diesem Erlebnis fiel ihnen der normale Hogwarts-Alltag zunehmend schwerer – die Lehrer bestanden inzwischen auf ungesagten Zaubern, was Nadeshiko grässlich fand. Natürlich wäre es vor allem in Zweikämpfen von Vorteil, wenn der Gegner den nächsten Zauber nicht sofort erkannte … Ohtah zeigte ebenfalls nur mittelmäßiges Talent. Wahrscheinlich auch deshalb, weil beide noch verliebter waren, als jemals zuvor. Ihre Verbindung war noch tiefer geworden – daher nahm der Raum der Wünsche eher des Öfteren das Äußere eines trauten Liebesnestes an, statt einer Stätte des Lernens … Erst ein erneuter Ausbruch des Statuenfluchs verpasste ihnen wortwörtlich einen Dämpfer. Schuldbewusst suchte die Rothaarige daher den Krankenflügel auf – dort lagen im hinteren Teil die in Stein verwandelten Schüler. Ihre reglosen Körper machten sie traurig. Etwas schreckliches musste im Innern des Verlieses lauern … In der magischen Welt gab es gigantische Schlangen mit grellgelben Augen, deren Anblick einen töten konnte … oder versteinern, wenn man nur indirekt in diese hineinsah. Allerdings bedeutete »Versteinerung« hierbei, dass der Körper vollkommen erstarrte.

„Sind Sie krank, Miss Yosogawa?“, wollte Madam Pomfrey wissen, die mit einer dampfenden Schüssel hereingedribbelt kam, „Oder suchen Sie jemand bestimmten? In letzter Zeit kommen nicht mehr allzu viele Besuchen und den meisten Schülern ist es lieber, wenn ich sie draußen behandle. Es ist die Angst davor, sich bei den Opfern anzustecken … Vollkommener Blödsinn.“

Einen Moment lang war Nadeshiko versucht, Reißaus zunehmen … dann entschied sie sich allerdings dagegen und bot ihr stattdessen ihre Hilfe beim Benetzen der Steinkörper an. Die Arbeit beruhigte ihr schlechtes Gewissen etwas – gleichzeitig bereitete sie in Gedanken ihr nächstes Gespräch vor.

Denn anschließend führten ihre Füße die Gryffindor zum Büro der Schulleiterin, die sie endlich in ihr Wissen einweihte: „Professor, das aktuelle Verlies … befindet sich im Schwarzen See. Deshalb müssen wir unbedingt unter Wasser atmen können!“

Ihre Hauslehrerin schwieg lange, ehe sie sich zu dem beinahe lebensgroßen Portrait hinter ihrem Stuhl zuwandte, welchen den vorherigen Direktor Albus Percival Wulfric Brian Dumbledor zeigte: „Er pflegte fast schon freundschaftliche Beziehungen zum Meervolk und konnte ihre Sprache fließend, das würde Ihnen jetzt weitaus besser helfen, als meine Fähigkeiten … Allerdings hat er mir einmal erzählt, sie würden Musik lieben – vielleicht lassen sie sich dadurch ja sogar etwas besänftigen.“

Ein freudloses Lächeln erschien auf Nadeshiko´s Gesicht. Dann würde sich das stundenlange Üben in ihrer Kindheit ja endlich bezahlt machen – ihr Vater hatte verlangt, dass Seiketsu und sie traditionelle, japanische Instrumente der Geishas lernten.

Und Professor McGonegall fuhr ernst fort: „Seien Sie vorsichtig, Miss Yosogawa, dieses Gewässer beherrscht noch weitere Kreaturen. Ich habe versprochen, Ihnen zu helfen … selbst wenn ich dadurch ein Professorentum aufgeben müsste. Es gibt verschiedene Möglichkeiten … Dianthuskraut oder der Kopfblasen-Zauber erscheinen mir am sinnvollsten. Beides gewährt Ihnen ungefähr eine Stunde.“

Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile über das Für und Wider. Letztendlich entschieden sie sich für die pflanzliche Variante – sollten irgendwelche Komplikationen eintreten, wovon ja auszugehen war, konnte es erneut eingenommen werden und würde sogar in kampfunfähigem Zustand seine Wirkung nicht verlieren beziehungsweise erst nach Ablauf der Frist. Allerdings gab es hierfür auch einen Haken … es konnte erst in frühestens vier Wochen gepflückt werden. Bis dahin mussten die restlichen Vorbereitungen getroffen werden – und wenn sie ihre Unternehmung erneut in die Osterferien legten, wären die meisten Schüler zu Hause in Sicherheit. Mit diesem Gedanken machte sich die Rothaarige auf in ihren Gemeinschaftsraum. Zumindest wollte sie es – denn da trat ihr der verhüllte Fremde in den Weg, diesmal reagierte sie sofort und richtete ihren Zauberstab auf ihn.

„Du hast meine Worte also nicht ernst genommen … tapfer, wie es sich für eine Gryffindor gehört – aber kannst du auch wirklich mit den Konsequenzen deines Handelns leben?“, wollte er wissen.

Nadeshiko ließ ihn mit »Flipendo« etwas zurückweichen, ehe sie sagte: „Es ist vollkommen egal, mit was du mir drohst – ich werde den Fluch der Verwunschenen Verliese auf jeden Fall brechen!“

„Ach ja? Dann mach´ dich darauf gefasst, dass schon bald der Tod nach Hogwarts kommen wird!“, entgegnete der Vermummte.

Durch seinen Schleuderzauber krachte sie gegen eine der steinernen Wände. Dunkelheit umfing ihre Gedanken. Doch das hastige Nähern von Schritten unterbrach seine Taten und er zog sich zurück. Es war – natürlich – Ohtah, dessen sechster Sinn Alarm geschlagen hatte. Erschrocken eilte er an Nadeshiko´s Seite und versuchte sie vorsichtig zum Aufwachen zu bewegen. Ihre Augenlider flatterten, doch etwas hielt sie fest … Dieser letzte Satz hallte immer wieder durch ihren Geist und sie bereute ihre Worte – damit hatte er ihren Schwachpunkt getroffen. Während ihr Geist sich damit auseinandersetzte, trug Ohtah seine Liebste behutsam in den Krankenflügel, wo Madam Pomfrey ihr ganz aufgeregt einen Aufpäppeltrank einflößte. Langsam nahm Nadeshiko ihre Umwelt wieder wahr … Noch bevor sie die Augen öffnete, liefen Tränen über ihre Wangen. Ohtah hielt ihre Hand fester in seiner.

„Hol´ … Professor McGonegall. Sie muss es wissen …“, brachte sie mühevoll über die Lippen.

Die Heilerin hastete davon, während der Slytherin sein Zittern unterdrückte. Irgendetwas war ihr zugestoßen … bei einem missglückten Zauber würde sie nicht direkt nach der Schulleiterin verlangen. Außerdem … hatte er versagt – als ihr Liebster, ihr Beschützer. Da betrat auch schon Professor McGonegall den Krankenflügel. Mit etwas dröhnendem Kopf richtete sich Nadeshiko auf – Ohtah stützte sie dabei.

Sie brachte nur ein schwaches Lächeln zustande, bevor sie an ihn gewandt zu sprechen begann: „Ich wollte nicht, dass du davon erfährst … vor allem nicht so. Ein Fremder hat mich zum zweiten Mal herausgefordert – durch seine Kapuze konnte ich sein Gesicht nicht sehen. Aber er hat etwas mit den Verliesen zu tun und versucht offenbar, mich aufzuhalten. Professor McGonegall habe ich es nach unserem ersten Aufeinandertreffen erzählt …“

„Mister Shadowdragon, bitte seien Sie nachsichtig … Sie können sich sicher denken, warum Miss Yosogawa Ihnen gegenüber geschwiegen hat. Es … es ist manchmal nicht einfach, eine solche … Rolle auszufüllen und gleichzeitig geliebte Menschen schützen zu wollen.“, unterbrach die Direktorin sie.

Der Braunhaarige sah weder sie noch Nadeshiko an. Etwas hatte nicht gestimmt … er hätte sie danach fragen sollen. Es stimmte – er wusste, warum sie geschwiegen hatte … um ihn nicht zu beunruhigen. Das tröstete ihn jedoch nicht, schmälerte nicht seine aufkeimende Wut … es tat weh, von ihr nicht ins Vertrauen gezogen worden zu sein.

„Da die Sicherheitsmaßnahmen überprüft und erhöht wurden, müssen wir also von einem Angreifer innerhalb des Schlosses ausgehen.“, fuhr die Lehrerin für Verwandlung fort, was ihre Schülerin per Nicken bestätigte.

Dieser Umstand versetzte Ohtah einen weiteren Schlag – Besorgnis machte sich ihn ihm breit, gefolgt von einem dankbaren Glücksgefühl, darüber dass es ihr soweit gut ging.

Nadeshiko lehnte sich gegen seinen Arm – egal, was er momentan von ihr dachte, sie brauchte seine Nähe für die nächsten Worte: „Er hat damit gedroht, jemanden in Hogwarts zu töten, wenn ich meine Suche nicht aufgebe.“

Zwar deutete diese Aussage nicht zwangsläufig auf ihren Tod, doch Ohtah legte von hinten seine Arme um sie, zog sie enger an sich heran. Er würde garantiert nicht zulassen, dass es soweit kommen würde! Und genauso wenig durften sie jetzt einfach aufhören – Nadeshiko könnte es niemals verkraften, wenn sie ihre Schwester im Stich lassen sollte.

Doch genau das schien Professor McGonegall zu erwarten: „Wir dürfen die Schülerschaft von Hogwarts unter keinen Umständen noch mehr gefährden.“
 

Muggle würden vielleicht von einer schleichenden Depression sprechen – in den folgenden Wochen war Nadeshiko nicht mehr dieselbe. Kein Lächeln verirrte sich auf ihre Lippen, sie blieb dem Raum der Wünsche fern und nutzte die Bibliothek nur für die Hausaufgaben. Sonst saß sie zumeist im Schlafsaal und starrte aus dem Fenster, zwar häufig in der Gesellschaft von Shirayuki … doch Ohtah ging sie, so sehr es möglich war, aus dem Weg.

„Irgendwo in diesem Schloss wartet jemand auf ein potenzielles Opfer … und Sei vergeblich auf meine Hilfe.“, murmelte die Rothaarige monoton, „Irgendwo … Und ich bin schuld – ich wollte nie, niemals, dass jemand meinetwegen in Gefahr gerät … Es stimmt, ich habe weitergemacht, obwohl ich als >Fluchmacher< bezeichnet wurde … weil nicht ich die Flüche aktiviert habe, dachte ich, ich würde jemanden aufhalten. Aber was, wenn … wenn derjenige nur die Flüche aktiviert hat, um mich aufzuhalten? Ich habe einen Fehler gemacht. Es ist meine Schuld.“

Sie musste eine ganz normale Schülerin werden … ohne Mission. Die Flüche hatten bereits genug Leid verursacht. Sie tauschte keine Leben ein … Alles in ihr schrie, aber ihre Gesichtszüge blieben ausdruckslos. Plötzlich hielt sie es innerhalb des Turms nicht mehr aus und wanderte ziellos durch die Stockwerke. Irgendwann stand Nadeshiko vor dem großen Treppenaufgang und betrachtete die lebendigen Portraits. Auch ein Fluch … jener, der Klerus in seinem Bann gehalten hatte. Seine Qual war schon ein zu hoher Preis gewesen – Seiketsu könnte es niemals ertragen, wenn jemand anderes ihretwegen gestorben wäre.

„Heute wirkt Ihr gar nicht, wie eine Anhängerin des edlen Godric Gryffindor!“, meinte der etwas in die Jahre gekommene und tollpatschige Sir Cadogan aus seinem Bilderrahmen heraus, „Sonst sah ich in Euch stets seine und vor allem meine überragenden Tugenden – Mut, Tapferkeit, Entschlossenheit, Geradlinigkeit, Gewagtheit, Ehrlichkeit, Standhaftigkeit!“

Nadeshiko sah ihn nicht an, als sie antwortete: „Mag sein. Vielleicht bin ich auch einfach nur im falschen Haus …“

Er zog sein Schwert und sprach: „>Ein Ritter gelobt die ewige Tapferkeit, sein Herz kennt nur die Tugend, sein Schwert verteidigt die Hilflosen, seine Macht unterstützt die Schwachen, sein Mund spricht nur die Wahrheit, sein Zorn zerschlägt das Böse!<“

„Aber was, wenn man selbst der Böse ist und für die Hilflosen, die Schwachen eine Gefahr darstellt?“, verlangte sie zu erfahren, während heiße Tränen in ihren Augen brannten.

Der Ritter lachte: „Dann muss ein Ritter des alten Kodex natürlich einen Weg suchen, um seinen Schwur dennoch zu erfüllen – genau das ist ja die Bürde eines solchen Versprechens. Aufgeben sind jedenfalls nie die Lösung!“

Endlich zogen sich ihre Mundwinkel wieder nach oben, während ihre Wangen von Tränen benetzt wurden. Sir Cadogan´s Worte entsprachen der Wahrheit … Weglaufen war einfach nur feige! Wenn sie jemand davon abbringen wollte, ihre Schwester zu finden, musste derjenige eben wie jedes andere Hindernis überwunden werden. Nach einer kurzen, dankbaren Verabschiedung rannte Nadeshiko hinaus auf den Innenhof und setzte sich an den Springbrunnen. Wochenlang hatte sie sich versteckt; die Chance war groß, dass er sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen würde. Und sie wurde nicht enttäuscht – nicht einmal eine halbe Stunde später löste sich eine Gestalt aus dem Schatten, welche ihr direkt einen Fluch entgegen schickte. Bereits gewappnet wollte die Gryffindor ihn abwehren, da erschien Ohtah, der sich im Dunkeln gehalten hatte, und stellte sich schützend vor sie. Niemand hätte zu diesem Moment ahnen können, dass der Drahtzieher von Anfang an ihn aus dem Weg räumen wollte – einen Keil zwischen beide zu treiben, hatte nicht funktioniert … also mussten sie auf andere Weise getrennt werden. Beinahe wie in Zeitlupe verfolgte Nadeshiko, wie er getroffen zu Boden fiel … Zum ersten Mal gelang ihr ein ungesagter Zauber, der ihren Gegner reflexartig schockte. Sofort schickte sie rote Funken in den Himmel – das allgemeine Notfallsignal in der Zaubererwelt. Kurz darauf eilten die Professoren McGonegall und Flitwick herbei.

Schluchzend flehte Nadeshiko, die seinen Kopf auf ihrem Schoß hielt: „Bitte, bitte, die helfen Sie ihm! Ein Fluch – ich weiß nicht, welcher! Bitte, Professor!“

Der Hauslehrer von Ravenclaw legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter, ehe er Ohtah mit einer Reihe von Zaubern belegte – »Finite Incantatem«, »Enervate« sowie »Episky«. So kam der ebenfalls geschockte Braunhaarige wieder zu sich.

„Ohtah!“, rief die Gryffindor erleichtert aus.

Er berührte ihr Gesicht und meinte noch etwas geschwächt: „Ich habe es dir und vor allem mir selbst geschworen – was auch immer passiert, ich werde dich beschützen … immer und immer wieder. Weil ich dich liebe …“

Schmunzelnd verordnete die Direktorin ihm einen Aufenthalt im Krankenflügel, in den Professor Flitwick in ihn begleitete. Zwar wollte Nadeshiko am liebsten bei ihm bleiben, doch hatte sie noch zu tun – während sie ihren Zauberstab auf den Fremden richtete, zog ihm Professor McGonegall die Kapuze vom Kopf herunter. Als wären sie vom Statuenfluch getroffen worden, erstarrten beide vor Schreck. Derjenige, der Nadeshiko herausgefordert, bedroht und Ohtah getroffen hatte, war Klerus!

„Ich glaube, Mister Monko schuldet uns eine Erklärung …“, hauchte die ältere Hexe, „Halten Sie sich bitte bereit, Miss Yosogawa, ich nehme jetzt den Zauber von ihm.“

Von dieser Verantwortung kam die Rothaarige wieder zu sich, umfasste den Griff des Kirschblütenholzes fester. Dann wurde der Hufflepuff von demselben Zauber geweckt, wie zuvor sein Halbbruder.

Verwirrt sah er sich um und fragte benommen: „Was mache ich denn hier im Innenhof? Oh, Professor McGonegall, was ist los? Und, Shiko, was … was soll das werden?“

„Mister Monko, haben Sie irgendeine Erinnerung daran, dass Sie sich – mehrfach – mit Miss Yosogawa duelliert haben?“, entgegnete die Schulleiterin argwöhnisch.

Wortwörtlich klappte Klerus die Kinnlade herunter und er suchte Nadeshiko´s Blick – der Schock in ihrem Gesicht ließ ihn anfangen zu zittern, als er sie ansprach: „I-Ich … Shiko, ich weiß nicht, was ich getan habe …“

„Professor, bitte, ich glaube nicht, dass Klerus aus freien Stücken gehandelt hat. Wir sind schließlich Freunde!“, verteidigte sie ihn, „Und der Angreifer … er klang auch gar nicht nach ihm – geschweige denn ist das Klerus´ Zauberstab da in seiner Hand!“

Er konnte kaum glauben, dass sie ihn für unschuldig hielt … trotz allem wie er sich in den letzten Monaten ihr ihr und Ohtah gegenüber verhalten, sich von ihnen angewandt hatte, hielt sie an ihrer Freundschaft fest … Ihre Argumente hatten auch Professor McGonegall überzeugt; sie nahm den fremden Zauberstab entgegen und überprüfte die zuletzt gewirkten Zauber – »Stupor«, den sich Ohtah eingefangen hatte, und »Imperio«!

„Der Imperiusfluch – einer der drei Unverzeihlichen Flüche … dadurch wird das Opfer komplett dem Willen des Zaubernden unterworfen.“, erklärte sie schockiert, „Wer einen solchen Zauber hier in Hogwarts gebraucht, ist sich seiner Sache sehr sicher … Mister Monko, zu Ihrer eigenen Sicherheit möchte ich, dass Sie nicht mehr allein unterwegs sind.“

Ein einstimmiges Nicken der beiden Schüler, denen es eiskalt den Rücken hinunterlief … Ohtah die Geschichte zu erzählen, entpuppte sich als ebenso große Herausforderung, wie Klerus überhaupt erst zu enttarnen. Dass er nicht sofort aus dem Krankenflügel stürmte und das gesamte Schloss nach dem Übeltäter absuchte, konnten sie nur schwerlich verhindern – vor allem da Madame Pomfrey ihn mindestens eine Nacht zur Beobachtung dabehalten wollte. Bevor sie sich verabschiedeten, umarmte Ohtah seinen kleinen Bruder fest. Klerus lächelte dabei etwas unsicher, zu groß war sein schlechtes Gewissen.

Draußen sagte er dann: „Ich habe mein Haus verraten … Helga Hufflepuff stand für Treue und Gerechtigkeit – ich dagegen war so unfair und habe euch im Stich gelassen! Aber … ich weiß einfach nicht, ob … Hogwarts überhaupt noch ein sicherer Ort sein kann. Verstehst du? Ich habe Angst! All diese grausamen Flüche … Was kommt als nächstes? Wer kommt als nächstes? Es ist wie ein immerwährender Alptraum!“

„Diese Fragen gehen mir ebenfalls durch den Kopf …“, antwortete Nadeshiko sanft, „Und … auch ich habe gedacht, ich hätte Schande über Gryffindor gebracht.“

Erst Verwunderung zeigte sich auf seinem Gesicht, anschließend sprach die Scham aus ihm: „Es tut mir leid, dass ich die Schuld auf dich projiziert habe … Ich weiß, du bist kein Fluchmacher – du bist der beste Fluchbrecher, den Hogwarts je gesehen hat!“

„Trotzdem wollte ich schon ein paar Mal alles hinschmeißen, doch das würde das Problem nicht lösen – und damit meine ich nicht nur, die Suche nach Sei … Die Verwunschenen Verliese werden so lange und immer wieder eine Gefahr für die Schüler dieser Schule darstellen, bis sie jemand endgültig bezwingt.“, erklärte sie entschlossen.

Klerus bewunderte ihren Kampfgeist. Eigentlich wollte er nicht zurück in den Gemeinschaftsraum, zumindest nicht heute Nacht. Gleichzeitig fühlte er sich nicht mehr berechtigt, den Raum der Wünsche zu benutzen … Doch Nadeshiko schlug genau dort eine gemeinsame Übernachtung vor.
 

Irgendwie hatten sie Frieden geschlossen … doch Klerus sehnte das Ende der Woche und damit den Beginn der Osterferien herbei. Anders als sonst blieb er nicht in Hogwarts bei Ohtah und Nadeshiko. Dafür hatten sie etwas zu erledigen – obwohl ihr Gegenspieler noch nicht enttarnt war, hatte Professor McGonegall ihre Zustimmung zu dem Unterfangen gegeben. Da derjenige jemand anderen benutzt hatte, wollte er oder sie offenbar nicht selbst offen in Aktion treten … Zeit selbst in die Offensive zu gehen.

„In Ordnung … Haben wir alles berücksichtigt? Dianthuskraut für die Atmung; Grindelohs und Kraken als potenzielle Gegner, Musik für das Meervolk … unsere Zauber werden nur die Hälfte ihrer normalen Kraft und Geschwindigkeit haben. Na ja, und mein Feuer können wir natürlich ganz vergessen. Irgendwie nicht gerade sehr … erfolgversprechend.“, meine die schöne Gryffindor nervös.

Der Braunhaarige zog sie auf seinen Schoß, küsste sie und entgegnete dann: „Zusammen können wir alles schaffen! Dieser Fluch muss enden.“

Lächelnd nickte sie in seiner Umarmung. Sie würden einen Weg finden … so wie Sir Cardogan gesagt hatte. Dennoch zitterten ihre Finger leicht, als sie nach ihrer Koto griff – es war eine Art Zither, die vor allem melancholisch durchdringende Töne erzeugen konnte. Wie ihre Eltern wohl geschaut hatten, als sie im letzten Brief um ihr Instrument gebeten hatte? Seit ihrem Eintritt in Hogwarts hatte sie nicht mehr wirklich darauf gespielt. Die Musik war etwas, das sie mit ihrer Schwester geteilt hatte … Nun kam es ihr so vor, als würde die Shamisen, die Laute von Seiketsu umso mehr fehlen. Während die letzten Klänge des Stücks verhallten, kräuselte sich die Wasseroberfläche des Sees … Und damit begann die Mission – sie hatten leichte Kleidung gewählt, einen Holster an ihrer Hüfte befestigt sowie einen Beutel. Nadeshiko verwahrte darin das Dianthuskraut, in Ohtah´s befand sich der verkleinerte Dreizack aus dem Verlies der Portraits. Sie packte die erste Portion heraus, reichte ihm die Hälfte. Bevor es seine Wirkung entfaltete, sprangen beide in das undurchsichtige Gewässer. Im ersten Moment schienen stumpfe Messer ihre Hälse entlang zu fahren … bis Wasser durch Kiemen flutete, Schwimmhäute zwischen ihren Händen gewachsen waren und ihre Füße in Flossen endeten. So ausgestattet glitten die beiden regelrecht schwerelos hinab in die grünlich schimmernde Tiefe. Jegliches Zeitgefühl ging hier verloren … Der See war gewaltig und genau genommen hatten sie keine Ahnung, wo sie nach dem Eingang suchen sollten. Der Grund war ihnen für den Anfang einfach am naheliegendsten erschienen – zudem hofften beide, in Ufernähe fündig zu werden, weil hier der erste Schüler versteinert gefunden worden war. Schattenhafte Gestalten ließen sie reflexartig die Zauberstäbe ziehen und die Grindelohs schocken. Sofort erschien ein Trupp bewaffneter Meervolk-Soldaten. Ihre Gesichter waren zu bedrohlichen Fratzen verzogen – außerdem ähnelten sie mit ihren gräulichen Körpern und den langgezogenen Gliedmaßen nur entfernt an die romantische Vorstellung einer Sirene, von der Schwanzflosse einmal abgesehen … dies waren schottische Selkies und jede von ihnen trug einen Dreizack, ihrem ähnlich. Die freie Hand des Braunhaarigen wanderte zu seinem Beutel, doch die Gryffindor hielt ihn zurück. Noch machten diese Wesen keinerlei Anstalten sie anzugreifen … da wäre es dumm, ihren Zorn auf sich zu ziehen.

„Ich weiß, die Auswirkungen des Verlieses belastet Euer Volk … auch deshalb wollen wir den Fluch brechen.“, sagte Nadeshiko ohne Furcht in der Stimme, „Wir sind Schüler von Hogwarts, dessen verstorbenen Schulleiter Albus Dumbledore Ihr … Respekt entgegen gebracht habt.“

Gemurmel in meerisch brach los, welches sie natürlich nicht verstanden. Eine der Selkies schwamm näher; auf ihrer Stirn glänzte ein schwarzer Obsidian, der in einem Reif eingefasst war.

Ein überraschend melodisch lieblicher Klang entstammte ihrer Kehle: „Einen Freund, so nannten wir ihn … denn Albus Dumbledore hat vor allem unsereins respektiert. Sein Verlust ist ein hartes Schicksal für diese Welt … aber nur das Wasser ist ewig.“

Ob sie damit nur vom Leben oder auch von den Verliesen sprach, mochte die Rothaarige nicht ausschließen. Auf einen Wink teilte sich die Menge, wies ihnen den Weg. Nadeshiko nickte der Anführerin dankbar zu. Das magisch erschaffene Licht konnte das dunkler werdende Wasser nur noch sehr spärlich erleuchten – und die Sonnenstrahlen kamen erst recht nicht soweit. Nadeshiko überprüfte zum wiederholten Mal ihre zweiten Rationen von Dianthuskraut … Da verstärkte Ohtah den Druck seiner Finger um ihre Hand. Und erneut erschauderte es sie, dass ihre Schwester sich diesem unwirklichen Terrain allein genähert hatte … Wie aus dem Nichts blitzten zwei glühend rote Lichter einige Meter voraus auf.

„Lumos Maxima!“, riefen sie gleichzeitig.

Vor ihnen schlängelte sich ein langer, geschuppter Körper, aus dessen Rücken ein ein spitzer Zackenkamm ragte … wie bei manchen Drachenarten – doch dies war weder ein Chinesischer Feuerball, noch ein Norwegischer Stachelbuckel, ein Ungarischer Hornschwanz oder gar ein Schwarzer Hebride. Gleichzeitig wies das Monster Ähnlichkeiten mit einem Krokodil sowie einem Wal auf … Und es schoss geradewegs auf sie zu! Der gewiefte Slytherin reagierte zuerst – er stieß Nadeshiko von sich und schoss einen Fluch auf es ab. Geschockt beobachtete er, wie sein Versuch, dem Ungetüm etwas anzuhaben, kläglich scheiterte … Wieder und wieder zauberte er – nichts schien zu helfen. Dennoch wütend geworden, schnellte der Schwanz der Bestie vor und wickelte sich um Ohtah. Vom Klammergriff gefangen genommen, verlor er seinen Zauberstab. Trotz Schockmoment schaffte Nadeshiko es, ihn per »Accio« zu retten. Da erfüllte ein Brennen ihre Lungen, ihre Haut kribbelte – die Wirkung des Dianthuskrauts endete! Eilig fischte sie einen weiteren Kloß aus ihrem Beutel, schluckte ihn herunter. Egal was … sie musste etwas unternehmen oder ihr Geliebter würde in den Fängen des Monsters ertrinken. Eine Schwachstelle musste her …

„>In Hogwarts wird jedem Hilfe zuteil, der sie redlich verdient.<“, hallten die Worte von Professor McGonegall in ihrem Gedächtnis wieder, als plötzlich etwas auf sie zugerast kam.

Nadeshiko schützte ihr Gesicht und hielt mit einem Mal einen alten Filzhut in der Hand … nein, nicht irgendeinen, alten Filzhut – sondern den Sprechenden Hut! In dessen Innern funkelte etwas … wie aus dem Affekt heraus griff sie danach und zog mit einem Ruck ein silbernes Schwert mit Rubinen heraus. Mehr Zeit, die neue Waffe zu betraten, räumte sie nicht ein – einen Strahl heißen Wassers durch »Incendio« als Antrieb nutzend, sauste die Gryffindor mit dem Schwert voran auf das Ungetüm zu. Kaum, dass es das Monster hätte durchstoßen müssen, verzerrte sich seine Erscheinung … Endlich begriff Nadeshiko, weshalb Ohtah´s Bemühungen wirkungslos geblieben waren … weil dieses Wesen nur eine Illusion war! Sie hatten geglaubt, es wäre übermächtig – in dieses Schwert dagegen hatte sie ihr volles Vertrauen gelegt. Die Bestie löste sich auf und sie eilte Ohtah zu Hilfe, flößte ihm den Nachschub an magischem Kraut ein. Sauerstoffreiches Wasser durchflutete seine Kiemen und er kam wieder zu sich. Lächelnd umarmte sie ihn, wobei Ohtah das Schwert mit großen Augen anstarrte.

„Erzähl´ ich dir später in Ruhe. Sieh´ dir das lieber mal an!“, meinte sie aufgeregt und zeigte auf das Loch, aus der ihr unechter Gegner gekommen war.

Gemeinsam schwammen sie hinein. Muscheln, Korallen, sogar Seesterne zierten die tiefe Felsspalte. Alles schien vollkommen normal für eine Unterwasserhöhle ... von der sechseckigen Säule im Boden einmal abgesehen. An Land hätte man Tränen in den Augen der Halbjapanerin sehen können – sie hatten das vorletzte Verlies erreicht! Ohtah nahm den Mini-Dreizack aus seiner Hüfttasche und gab ihm durch »Engorgio« seine ursprüngliche Größe zurück. Anschließend berührte er damit das Zentrum, welches sich sogleich öffnete – zuerst dachten beide, darin befände sich ein Ei … doch stattdessen erwachte das kleine Wesen zum Leben, hob den Kopf, streckte die Arme aus und entblößte seine Schwanzflosse. Es war eine Meerjungfrau, wie jene auf dem Buntglasfenster im Bad der Vertrauensschüler …

„Ihr habt das Abbild des Leviathan bezwungen … damit ist der Fluch gebrochen.“, sprach sie melodisch, „Nun erwartet euch nur noch ein Verlies … gefährlicher und mächtiger, als alle anderen zusammen. Geht und lauscht dem Lied des Meervolkes – es wird euch leiten.“

Damit löste sie sich in Schaum auf … Es gab keinen Gegenstand, welchen Ohtah und Nadeshiko an sich nehmen konnten – also folgten sie der Anweisung. Vor der Höhle hatten sich noch mehr Selkies versammelt … doch sie wirkten nicht länger feindselig.

Ohne ein ersichtliches Zeichen begannen alle gleichzeitig im Chor zu singen: „Ein Verlies in voller Macht, d´rum gib´ auf dich gut Acht. Die Häuser vereint … der Zwist verneint ... Suche nach dem hellen Schein und das Geschenk ist dein!“

Dies war der Hinweis … ihr Wegweiser … ein Rätsel, um das letzte Verwunschene Verlies und damit Seiketsu Yosogawa zu retten – das große Ziel in greifbarer Nähe!
 

Am Ufer erwarteten sie eine untypisch aufgedrehte Professor McGonegall, ein ebenso nervöser Professor Slughorn und ein schelmisch grinsender Professor Rien. Dankbar nahmen Nadeshiko und Ohtah die Decken an, welche sie bereithielten. Dabei starrten die drei Lehrer samt dem listigen Slytherin den Sprechenden Hut sowie die Klinge an, dessen Inschrift man nun erkennen konnte … »Godric Gryffindor«.

„Nicht vielen Schüler wird die Ehre zuteil, dieses Schwert in Händen halten zu dürfen … Nur ein wahrer Gryffindor vermag es zu führen.“, meinte die Schulleiterin anerkennend.

Etwas verlegen reichte Nadeshiko ihr die wertvollen Stücke, damit sie wieder sicher in Hogwarts verwahrt werden konnten. Um sich auf dem Weg dorthin nicht zu verkühlen, beschwor die Rothaarige ein paar tanzende Flammen herauf.

Dennoch trat Ramon Rien näher an sie heran und sagte: „Seit Jahrhunderten versuchen allerlei Hexen und Zauberer das Geheimnis der Verwunschenen Verliese zu ergründen – Sie sind dem so nah, wie sonst keiner, Miss Yosogawa. Es könnte sein, dass Sie Geschichte schreiben!“

„Es interessiert mich nicht, was für ein … Schatz am Ende auf mich warten würde – ich will einzig meine Schwester finden!“, entgegnete Nadeshiko, „Und diesem ganzen Wahnsinn endgültig ein Ende setzen.“

Seine Augen verengten sich, ohne dass er ein weiteres Wort sagte. Stattdessen schickte Professor McGonegall ihre Schüler auf direktem Weg in die Gemeinschaftsräume. Sie wollte einen größeren Auflauf um die beiden vermeiden, sobald das Ende des Statuenfluchs bekannt wurde und ging selbst zu Madame Pomfrey. Allerdings gehörten Nadeshiko und Ohtah ja bereits seit ihrem ersten Schuljahr eher zur unartigen Sorte – daher trafen sie sich, sobald Professor Slughorn und Professor Rien das Lehrerzimmer aufgesucht hatten, im Raum der Wünsche. Er wirkte fast wie ein Partyraum mit Girlanden, Luftballons und Konfettiregen. Euphorisch wirbelte der Slytherin seine Liebste umher, sie lachten und tanzten. Eis, Angst, Wald, Portrait und See – sie waren so weit gekommen!

Der Raum der Wünsche reagierte, kaum dass Nadeshiko daran gedacht hatte – Seiketsu´s Notizbuch erschien aufgeschlagen auf einem Sockel: „>Ich habe nie daran gezweifelt, dass du genauso weit kommen würdest, wenn ich scheitern sollte … Das Lied ist der Schlüssel, aber nicht der letzte Hindernis. Ein Verlies in voller Macht, d´rum gib´ auf dich gut Acht. Die Häuser vereint … der Zwist verneint … Suche nach dem hellen Schein und das Geschenk ist dein! Ob man es als Geschenk oder Schatz bezeichnet – irgendeine Macht verbirgt sich im letzten Verlies … und inzwischen habe ich eine Vermutung, wer hinter ihr … und mir her ist. Doch dieses Wissen würde dich im Moment noch in zu große Gefahr bringen. Vertrau´ nicht leichtfertig! Sei stark, meine geliebte Schwester, bis wir uns wiedersehen.<“

Seiketsu glaubte fest an die Rettung durch ihre Schwester …

Keine Tränen erfüllten die Augen der Rothaarigen – im Gegenteil, eher loderte ein Feuer in ihnen, während sie sagte: „Der Wettlauf um das letzte Verlies hat begonnen – was auch immer es beherbergt, ich werde es nicht in falsche Hände fallen lassen! Das schwöre ich, Sei …“

„Wir schwören es!“, ergänzte Ohtah zwinkerte, was ihm einen leidenschaftlichen Kuss bescherte, der allerdings jäh unterbrochen wurde – von einem Kratzen am Fenster.

Die Gryffindor ging, um nachzusehen, und ließ Shirayuki herein, welche ihr einen Brief überbrachte. Dieses Schriftstück trug das Siegel ihrer Familie! Sie erkannte an den fein säuberlichen Kanji sofort die Handschrift ihres Vater und ein lauter Jubelschrei brach aus ihr heraus. Verwundert blinzelte Ohtah mehrmals.

„Otosama bietet dir einen Platz in unserem Haus an! Also dauerhaft – du darfst bei uns wohnen!“, rief Nadeshiko euphorisch.

Nun starrte der Braunhaarige sie erst recht perplex an. Er wagte es kaum zu atmen. Bislang war ihr Vater stets als starrsinniger Japaner aufgetreten – wieso er nun mit diesem Verhaltskodex brach, konnten sich beide beim besten Willen nicht erklären.

„Hast du ihn darum gebeten?“, fragte Ohtah, etwas zynischer als beabsichtigt.

Sie setzte sich wieder zu ihn und entgegnete: „Nein … ich wollte es, sobald ich zu Hause wäre. Aber freust du dich etwa nicht?“

Diesmal ergriff der Slytherin die Initiative. Er musste ihr gar nicht mehr antworten.
 

In der folgenden Woche kamen sämtliche in Stein verwandelte Schüler wieder auf die Beine – die Gerüchte verbreiteten sich wie ein Lauffeuer … Doch besagte Verdächtige schwiegen eisern; die Professoren hatten das Seeufer während ihres kleinen Ausflugs erfolgreich vor Publikums abgeschirmt. Dafür stand bereits Ablenkung in Form des nächsten Großereignisses ins Haus, zumindest für die Sechstklässler – und genau genommen auch für Fünftklässler wie Klerus, die sich ihren ZAG-Prüfungen zuwenden mussten –, die Hauslehrer hatten sie alle in der Großen Halle zusammengerufen, um ihnen von einem freiwilligen, sechswöchigen Apparierkurs zu berichten, welcher von einem Lehrer des Ministeriums an den Wochenenden durchgeführt wurde. Apparieren war neben der Nutzung eines Portschlüssels oder Flopulver die schnellste und zudem ortunhabhängste Art zu Reisen – jedenfalls außerhalb von Hogwarts.

Ohtah schaute seufzend zu seiner Geliebten und meinte: „Schluss mit ausruhen – als professionelle Fluchbrecher und künftiger Auror wäre es wohl etwas lächerlich, nicht teilzunehmen, nicht wahr?“

„Tja, wir sind eben in Hogwarts – hier ist immer etwas los.“, antwortete Nadeshiko lachend.

Es war beinahe wie ein Déjà-vu … nur umgekehrt – in ihrem ersten Schuljahr hatte der Braunhaarige ihr die Angst vor dem Flugunterricht genommen, nun musste die Rothaarige ihm ebenso beistehen. Wilkie Twycross, der sie unterrichtete, hatte ihnen die schonungslosen Tatsachen vor Augen geführt – vom Stürzen in eine Schlucht, weil der Zielpunkt nicht erreicht worden war, über das sogenannte Zersplintern, wenn ein Teil des Körpers beim Apparieren zurückblieb, bis hin zum Gefährden der Zaubererschaft, sollte man mit unter Mugglen erscheinen. All das ängstigte Nadeshiko keineswegs – es hing allein von ihr selbst ab, nicht von einem Stück Holz, einem verzauberten Gegenstand oder einem gemauerten Raum voller grüner Flammen.

„Du musst vertrauen in dich haben.“, meinte sie beinahe beiläufig auf dem Weg zur nächsten Apparier-Stunde, „In Japan erzählt man sich, die Ninjas der alten Zeit konnten von einem Schatten zum nächsten springen, um sich ungesehen fortzubewegen – wie beim Apparieren. Und dies ist dein Element.“

Abrupt blieb Ohtah stehen. Ein Schattenschritt … Mit dieser neuen Sicht fokussierte er seine Gedanken und landete punktgenau am vorgegeben Zielort.

Auf dem Rückweg gingen sie Hand in Hand und er sagte: „Eine sehr reizvolle Aussicht immer und überall zu deiner Rettung auftauchen zu können.“

Ein Kichern entwich ihrer Kehle. Er war einfach unverbesserlich! Im Laufen lehnte sie den Kopf an seine Schulter. Bereits in diesem Augenblick wusste Nadeshiko, dass Ohtah die Prüfung mit Bravur meistern würde – sie selbst stellte sich ebenfalls sehr geschickt an. Und kaum hatten sie ihre Urkunde in der Hand, saßen sie kurz darauf schon beim großen Abschiedsbankett des Schuljahres.

„Das Schuljahr ist zu Ende … selbst wenn die vergangenen Ereignisse uns noch lange beschäftigen werden. Doch heute feiern wir eure diesjährigen Errungenschaften!“, verkündete die Schulleiterin und klatschte in die Hände, „Es ist Jahrzehnte her, dass zwei Häuser dieselbe Punktzahl erreicht haben und sich den Hauspokal teilen – herzlichen Glückwunsch Gryffindor und Slytherin!“

Dies war ihr Geschenk … ein geteilter Sieg ihrer beiden Häuser für das Brechen des Statuenfluchs.
 

Wechselspiel: Fluch und Wahrheit

Zum letzten Mal für sie neigten sich die Sommerferien ihrem Ende entgegen – bereits am nächsten Tag würde der Hogwarts-Express beide zu ihrem Abschlussjahr fahren. Hand in Hand spazierten Ohtah und Nadeshiko den kleinen, steinigen Strand entlang, während die Sonne am rötlichen Horizont versank. Da sie inzwischen volljährig waren, hatte ihr Vater ihnen etwas mehr Freiräume eingeräumt.

Unvermittelt blieb der Braunhaarige stehen und kassierte damit einen verwunderten Blick seiner Begleiterin, der sich noch verstärkte, als er ihr eine Kette mit einem Anhänger überreichte: „Also, Shiko, ich … ich wünsche mir nichts sehnlicher, als für immer mit dir zusammen zu sein. Nadeshiko Yosogawa, ich bitte dich, heirate mich …“

Ein Zittern durchlief ihren Körper, beinahe begann sie zu schluchzen: „Ich will deine Frau werden, Ohtah, so sehr … Aber ich … ich kann mich dir nicht versprechen, nicht heute.“

Aus Angst ihn verletzt zu haben, starrte Nadeshiko auf den Boden, da lachte Ohtah plötzlich: „Erst die Mission. Ich wusste, du würdest das sagen – deshalb ja heute. Denn schließlich kämpfen wir genau dafür … um gemeinsam leben und lieben zu können.“

Verständnislos beobachtet sie, wie er das Medaillon öffnete. Darin waren drei Fotos enthalten – in der Mitte zwinkerte ihr Ohtah selbst zu, Klerus winkte von der rechten Seite aus zaghaft und links zeigte das letzte Bild eine lächelnde Seiketsu.

„Ich … habe mit deinem Vater gesprochen. Er hat keine Einwände – zumindest solange wir bis nach dem Abschluss warten.“, meinte er nun eine Spur verlegener, „Und glaub´ mir, Shiko, wir werden das Abschlusszeugnis von Hogwarts mit nach Hause nehmen!“

In einem erstickten Jubelschrei warf sich Nadeshiko ihm in die Arme und sie küssten sich. In diesem Moment ahnte keiner der beiden, welche Schrecken sie bis dahin noch erwarten würde …
 

Am Bahngleis neundreiviertel geschah etwas, was Nadeshiko niemals für möglich gehalten hatte – erst umarmte ihr Vater sie selbst und anschließend Ohtah.

„Ohtah-san, mein Junge, bring´ sie mir heil wieder!“, sagte Togo Yosogawa mit leicht zitternder Stimme.

Ihre Mutter lächelte milde; wahrscheinlich kannte sie ihren Mann am besten auf die ungewohnte Art. Das letzte Jahr in Hogwarts hatte ihnen schon einmal eine Tochter geraubt … ein weiteres Mal könnten beide nicht ertragen. Doch der Braunhaarige hatte es geschafft, ihr Vertrauen zu gewinnen und vollkommen als zukünftiger Schwiegersohn akzeptiert zu werden. Seine Liebste unterdrückte mühevoll die Tränen – nun war sie nur noch entschlossener; es ging nicht nur darum, ihre Schwester zu retten … sondern ebenso das verbitterte Herz ihrer Eltern neu zu beleben!

„Ohtah! Shiko!“, rief jemand freudig.

Klerus eilte auf die kleine Gruppe zu und wurde Nadeshiko´s Eltern ohne Umschweife als Halbbruder von Ohtah vorgestellt. Weiter kam die Unterhaltung allerdings nicht mehr, denn der Hogwarts-Express mahnte zur Abfahrt. Hastig drückte die schöne Gryffindor ihren Eltern noch einen Kuss auf die Wange, was sie in Erstaunen versetzte, dann stiegen die drei ein.

Kaum waren saßen sie auf ihren Plätzen, platzte es aus dem Blonden heraus: „Und was du geantwortet?“

Ohtah schaute verlegen zum Fenster hinaus. Nadeshiko richtete ihren Blick zu Boden. Genau genommen hatte sie seinen Antrag ja abgelehnt …

„Erst müssen wir uns noch um das letzte Verlies kümmern.“, meinte der Slytherin und zwinkerte plötzlich.

Nun war es an Klerus wegzusehen, während er fast kleinlaut erwiderte: „Was das angeht … wenn ihr … also wenn ihr meine Hilfe noch wollt, dann … wäre ich gerne wieder ein Teil des Teams. Ich schäme mich, dass ich euch … und Seiketsu letztes Jahr im Stich gelassen habe.“

Der Themenwechsel verblüffte die beiden – eigentlich dachte Nadeshiko, die Sache wäre längst geklärt gewesen … Er hatte sich zunächst von ihnen abgewendet, seinen Zorn und seine Angst auf sie übertragen. Doch als sie für ihn eingetreten war, hatte er sich bei der Gryffindor entschuldigt.

„Du bist mein Bruder – der einzige Teil meiner leiblichen Familie, der mir etwas bedeutet.“, antwortete Ohtah und grinste, „Du wirst für immer zu uns gehören!“

Eine leichte Verlegenheit legte sich über ihn und er nickte kaum merklich.

„Da fällt mir ein – wie ist es eigentlich bei deine ZAG-Ergebnisse?“, wechselte Nadeshiko das Thema, um den Herren die Anspannung zu nehmen.

Erst flammten gemischte Gefühle in ihm auf, doch dann antwortete er zufrieden: „In Alte Runen und Arthmantik habe ich nur ein >Annehmbar< geschafft – zum Glück brauche ich in diesen Fächern kein UTZ für die Heiler-Ausbildung. Der Rest ist alles >Erwartungen übertroffen<. Also insgesamt neun ZAGs.“

Bedachte man die Umstände – ein Jahr im Portrait gefangen und eine unbestimmte Zeit mit »Imperio« kontrolliert – konnte man diesen Rang schon ein echtes Wunder nennen … Nachdem Klerus sich wieder mit Nadeshiko vertragen hatte, hatte er die Osterferien sowie folgende Wochen vor den Prüfungen einzig mit Lernen zugebracht.

„Das ist übrigens genau dieselbe Anzahl, wie bei Seiketsu und mir. Ohtah liegt drei darunter.“, neckte sie ihren Liebsten, der gespielt die Miene verzog, woraufhin alle laut lachen mussten.

In diesem Moment kam der Servierwagen an ihrem Abteil vorbei und zur Feier des Tages – Fast-Verlobung und Versöhnung – kauften sie von allem etwas.
 

„Es ist mir eine große Ehre, Sie wieder in diesen Hallen begrüßen zu dürfen. Jedes Schuljahr bringt neue Chancen – neue Dinge zu lernen … als junge Hexen und Zauberer zu wachsen … um die Lehren der Vergangenheit anzuwenden und in eine strahlende Zukunft zu verwandeln. Sie werden erneut auf die Probe gestellt werden – Hogwarts ist eine ehrenwerte Bildungsstätte und dieses hehre Ziel müssen wir bewahren im Namen aller, die einst selbst durch diese Tore gingen!“, begrüßte die Direktorin die Schülerschaft.

Wie wahr … seit Jahrhunderten besuchten junge Hexen und Zauberer dieses Schloss, um sich ausbilden zu lassen – nicht um irgendwelche Bedrohungen abzuwenden. So hätte ihre Schulzeit nicht aussehen sollen, die Abschlussprüfungen sollten ihre größte Sorge sein und vielleicht noch, wie sie sich gemeinsame Stunden mit Ohtah stehlen würde. Stattdessen hatte Nadeshiko seinen Antrag abgelehnt … weil sie nicht wusste, ob sie dieses Schuljahr lebend würde abschließen. Und dennoch gerade deshalb war ihre Mission von so großer Bedeutung – damit Hogwarts genauso bleiben konnte! Da wäre ein neuer Hinweis von Seiketsu natürlich umso wertvoller gewesen … aber aus einem unerfindlichen Grund hatte das Notizbuch keinen weiteren Eintrag enthüllt … und die Identität ihres Gegenspielers blieb verborgen. Vielleicht mussten sie noch irgendetwas selbst herausfinden …

„Ich habe noch eine Neuerung für die Abschlussschüler zu verkünden, da dies auch die künftigen Jahrgänge betreffen wird.“, riss die Schulleiterin die Gryffindor aus ihren Gedanken, „Wie Sie sich vielleicht erinnern, bekamen sie in der letzten Woche vor den Sommerferien ein Schreiben, das Ihren aktuellen Berufswunsch und Arbeitsplatz erfragt hat. In Absprache mit dem Zaubereiministerium wird Hogwarts Sie alle passend zu Ihren Angaben für ein zweiwöchiges Praktikum im November freistellen. Weitere Informationen werden Sie demnächst erhalten.“

Sofort war die Große Halle in heller Aufregung. Nicht nur die Siebtklässler sprachen über diese Revolution, die jüngeren Schüler schwelgten ebenfalls bereits in ihren Möglichkeiten. Die Rothaarige schloss für einen kurzen Moment die Augen – vor sich sah sie das Papier. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis sie es geschafft hatte, es auszufüllen … »professioneller Fluchbrecher, Gringotts«. Seit ihrem Gespräch mit Rien hatte sich ihr Entschluss nur noch mehr gefestigt – woran Ohtah natürlich nicht ganz unschuldig war. Sein fester Glaube an die Zukunft hatte sie gestärkt. Auch wenn sein Berufswunsch ihr immer noch einen faden Beigeschmack bescherte … als Auror, angestellt im Zaubereiministerium, in der Abteilung für magische Strafverfolgung wollte er vor allem Shiro Shadowdragon vor Gericht stellen. Wohl hatte sein Vater in den letzten Monaten endgültig begriffen, dass er seinen Sohn nicht mehr auf die dunkle Seite ziehen konnte … denn er war untergetaucht, das ganze Haus stand leer. Dieser Ausflug, um Ohtah´s verbliebene Sachen zu holen, hatte beiden Söhnen hart zugesetzt … denn Klerus hatte darauf bestanden, ihn zu begleiten – gleichzeitig würde es später einmal einen Neuanfang für sie markieren … losgesagt von der ihrer Vergangenheit, bereit für den letzten Kampf.
 

Sie ließen sich allerdings ein paar Tage Zeit, um in den Raum der Wünsche zurückzukehren. Die Gerüchte, dass Nadeshiko und Ohtah wieder einmal Hogwarts gerettet hatten, verschärften sich noch einmal um vielfaches – selbst Erst- und Zweitklässler kamen auf die beiden zu, um sie mit Fragen über die Verliese zu löchern. Daher wäre es zu verdächtig gewesen, den siebten Stock regelmäßig zu dritt aufzusuchen. Daher machten sich besagte Schüler und ihr wiedergewonnener Verbündeter einzeln auf den Weg dorthin. Klerus war an diesem Tag der erste und der Raum glich einer Ruhmeshalle mit all den ausgestellten Trophäen aus den vorangegangenen Verliesen. Direkt vor ihm stand ein üppig verziertes, hohes Podest, auf dem ein passender Rahmen ausgestellt war – und darin befand sich das Foto der beiden Schwestern aus dem Verlies des Waldes … Damals hatte er jene, die es zu retten galt, zum ersten Mal erblickt. Der Blonde bemerkte nicht, wie Nadeshiko eintrat, während er zärtlich über die Darstellung des Mädchens im hellblauen Yukata streichelte. Da war irgendetwas in ihm … ein verzweifeltes Sehnen, ein unbändiger Drang – seit er seine Angst vor den Flüchen hinter sich gelassen hatte, dachte er fast ununterbrochen daran, was ihr angetan worden war. Natürlich war ihm ebenfalls Lebenszeit gestohlen worden … sie dagegen hatte Jahre mit ihrer jüngeren Schwester verloren, war geächtet und für tot erklärt worden. Und das alles hatte sie vollkommen allein durchstehen müssen – anders als er.

„Shiko wird es vollbringen, hörst du? Ohtah und ich helfen ihr bei und … wenn es getan ist, werden wir für dich ebenfalls da sein. Hab´ nur noch ein wenig Geduld, ja? Bitte, Seiketsu, vertrau´ uns!“, versprach er ihr, wobei sich seine Wangen dunkler färbten.

Nun räusperte sich die Gryffindor, woraufhin Klerus erschrocken zusammenzuckte: „Sag´ mal, kann es sein … Bist du etwa in Sei verliebt?“

„Ohtah hat diesen Kampf deinetwegen aufgenommenen und ich habe mich euch angeschlossen, um ihm näherzukommen …“, antwortete er und lächelte beinahe träumerisch, „Inzwischen will ich Seiketsu auch aus eigenem Antrieb retten. Ich weiß nicht, ob das Liebe ist – aber es stimmt, ich fühle mich zu ihr hingezogen, obwohl ich sie nicht einmal persönlich kenne … nur fühlt es sich nicht so an. Verstehst du das?“

Nadeshiko legte ihm eine Hand auf die Schulter und erzählte: „Ja … als ich Ohtah im Hogwarts-Express zum ersten Mal getroffen habe, wusste ich nichts über ihn. Trotzdem fühlte ich sofort eine tiefe Vertrautheit … Liebe geht manchmal merkwürdige Wege – sie geschieht wie Magie. Und wir sind in Hogwarts … hier ist nichts unmöglich.“

Er nickte. Seine Zeit würde kommen. Und vielleicht konnte er ja gemeinsam mit Seiketsu Yosogawa eine Antwort auf die bohrende Frage in seinem Herzen finden … Bis dahin galt es jedoch erst einmal eine Antwort auf das Rätsel der Selkies zu finden. Und so spuckte der Raum direkt mit der Ankunft von Ohtah wieder eine ganze Reihe Bücher über die Meermenschen sowie Unterwasserlegenden aus – nicht dass sie die meisten davon nicht bereits letztes Jahr gelesen hatten, doch vielleicht hatten sie nun einen anderen Blickwinkel und zudem die Unterstützung des Hufflepuffs …
 

Ihr Gegner jedenfalls schien ebenfalls nicht untätig zu sein. Nadeshiko konnte nicht sagen, was ihr zuerst auffiel – Shirayuki´s erneut vorwurfsvoller Blick … oder das Kuvert auf ihrem Bett, wie schon einmal … von demjenigen, der Klerus verhext hatte und den Schatz des letzten Verlieses begehrte. Eigentlich sollte sie damit direkt zu Professor McGonegall gehen … Doch was, wenn sie ihr, wie nach seiner letzten Drohung, wieder ihre Nachforschungen untersagte?

Ein leichtes Zittern erfüllte ihre Hand, als sie den Brief entfaltete und dessen Worte las: „>Einmal hast du mein Vorhaben vereitelt, doch diesmal ist sein Leben besiegelt …<“

»Sein Leben« – das von Klerus oder gar Ohtah´s? Eigentlich egal … keinem von beiden durfte etwas zustoßen! Irgendwie musste sie ihrem Gegenspieler zuvorkommen. Auch wenn es für Schüler auf wichtiger Mission genauso Ärger gab, wie für alle anderen, wenn man den Gemeinschaftsraum nach Sperrstunde verließ, schlich Nadeshiko postwendend zurück in Richtung des Raums der Wünsche. Ohne es zu wollen, schlich sich trotz der ernsten Lage ein Lächeln auf ihr Gesicht – bei ihrem letzten, nächtlichen Ausflug hatte Ohtah sie gefunden und davor bewahrt, erwischt zu werden. Ob sein Instinkt ihn heute ebenso führen würde? Anscheinend lockte zumindest eine Versuchung eine weitere Person zu jenem Ort – und Nadeshiko lief prompt in sie hinein, sodass die zahlreichen Amulette um ihren Hals klirrten. Es war Professor Trelawney, die Lehrerin für Wahrsagen. Für gewöhnlich hielt sie sich die meiste Zeit in ihrem Dachgeschoss auf und kam selbst zu den Mahlzeiten nur selten hinunter in die Große Halle, daher kannte die Gryffindor sie auch nicht besonders gut – allerdings bemerkte sie die leichte Alkoholfahne.

Noch bevor sie allerdings zu einem halbherzigen Entschuldigungsversuch ansetzen konnte, erklang eine krächzende Stimme aus der Kehle der älteren Hexe: „Veränderungen umwirbeln Sie! Das allumfassende Ende wird kommen und ein Preis muss gezahlt … der allerhöchste Preis. Ein Licht wie durch trübes Wasser fällt auf Sie!“

Wie in Trance stapfte die Seherin davon, während Nadeshiko in die Knie brach und murmelte: „>Der allerhöchste Preis< … Er darf es nicht sein, das kann nicht sein! Bitte, bitte … nicht.“

Alles in ihr schrie und heiße Tränen rannen über ihre Wangen. Sie hatte geahnt, dass dies ihr härtster Kampf werden würde – schließlich war Seiketsu genau an diesem Punkt gescheitert … doch Ohtah durfte nicht der Preis für ihre Rettung sein! Und Nadeshiko fiel nur ein einziges Wesen ein, das ihr in Sachen Prophezeiung weiterhelfen konnte. Also zog sie sich an der Wand wieder auf die Füße, wischte sich über das Gesicht und kehrte zum Treppenhaus zurück. Dort stieg sie die Stufen bis ins Erdgeschoss hinab und schlug den Weg hinaus ins Gelände ein. Ihren Zauberstab zu entzünden, erschien der Rothaarigen allerdings zu gefährlich – daher brauchte sie weit länger als gewöhnlich, um den Rand des Verbotenen Waldes zu erreichen. Aus dem Schornstein von Rubeus Hagdrig´s Hütte stieg Rauch empor und das zweistimmige Schnarchen sprach von seligem Schlaf des Professors sowie dessen Hund Fang. Zerbrechende Zweige ließen Nadeshiko herumfahren, doch im Licht des Mondes zeichnete sich eine vertraute Gestalt ab.

„Es ist eine Freude, Euch wiederzusehen, Shiko.“, meinte Torvus mit Blick zum Himmel, „Die Sterne sagten voraus, Ihr bräuchtet meine Hilfe – deshalb habe ich hier auf Euch gewartet.“

Unendlich erleichtert antwortete die Gryffindor: „Oh, Torvus, was bin ich froh, dich zu sehen! Es stimmt, ich bin Professor Trelawney begegnet und sie machte mir eine … Prophezeiung.“

Hastig wiederholte sie die Unheil verkündeten Worte.

„Wir mögen von ihrer Gabe nicht gerade überzeugt sein, doch diesmal erscheinen ihre Worte wahr zu sein … Die Sterne sind so wankelmütig wie die Meere und daher schwer zu deuten – Eure Welt wird sich verändern, Ihr werdet vor eine schwierige Entscheidung gestellt. Aber Ihr habt Eure Bestimmung bereits akzeptiert und dies kann Euch Hoffnung schenken, verliert nicht den Glauben – Ihr könnt diese Aufgabe erfüllen und diejenigen retten, die Ihr liebt!“

Der Zentaur schaffte es tatsächlich ihre überreizten Nervenenden zu beruhigen. Zwar bestätigte er die Gefahr … doch ebenso realistisch war ihre Chance, zu siegen – wenn der Zweifel nicht die Oberhand gewann!

Lächelnd entgegnete sie: „Dann will ich auf die Sterne vertrauen … Danke, Torvus! Jetzt muss ich nur noch irgendwie in meinen Gemeinschaftsraum zurückkommen, ohne der Schule verwiesen zu werden.“

„Wenn Ihr Seiketsu gerettet habt, sagt ihr, ich hätte ihr verziehen …“, hielt er sie noch einmal zurück, „Oder nein, ich will es ihr selbst sagen. Exil oder nicht – es war unehrenhaft von mir, unsere Freundschaft in Frage zu stellen.“

Noch ein Grund, warum sie nicht versagen durfte.
 

Die letzte Drohung hatte sie Ohtah verschwiegen. Denselben Fehler wollte Nadeshiko nicht noch einmal machen … Klerus dagegen hatte gerade erst sein Trauma bezüglich der Verwunschenen Verliese überwunden – seine Schuldgefühlen, die er mit sich herumtrug, weil er unter dem Imperius-Fluch gestanden hatte, wollte sie sich gar nicht vorstellen. Also nutzte die Rothaarige eine der Freistunden und einen ganz besonderen Ort, um nur ihren Liebsten über die neuen Ereignisse zu informieren – jenen Korridor, in dem der Zugang zum Verlies des Eises verborgen lag.

Nachdem sie die Tür via »Colloportus« verriegelt hatte, sprach sie: „Homenum Revelio!“

Niemand zeigte sich. Im Raum der Wünsche wäre die Gefahr bestanden, dass der Hufflepuff doch hereinkam, und am Schwarzen See gab es einfach zu viele Versteckmöglichkeiten.

„Ich hatte mir ohnehin überlegt, Professor McGonegall darum zu bitten, jemand zu Klerus´ Schutz abzustellen, während wir beim Praktikum sind. Vielleicht sollten wir das jetzt schon in Betracht ziehen.“, meinte der Slytherin, nachdem sie geendet hatte.

Das Praktikum … Zum Schuljahresbeginn hatte Nadeshiko sich darauf gefreut, nun beunruhigte es sie eher, dass sie zwei Wochen außerhalb von Hogwarts verbringen sollten … die Sorge um die anderen Schüler, vor allem Klerus, und ihr unbekannter Gegner. Vorbereitungen zu treffen, wäre ihr einziger Handlungsspielraum. Und … sich, wenn auch nur für kurz, voneinander verabschieden zu müssen. Niemand konnte vorhersehen, was geschah, wenn sich Wege erst einmal trennten … würden sie wieder zueinander führen oder sich gar nie mehr kreuzen? Diese Frage stellten sich Nadeshiko und Ohtah nicht – es schien, als hätten sie bereits weit schlimmeres überstanden. Nur wie gesagt … die Zukunft ließ sich nicht auf derartige Weise planen und die Zeit sich nicht anhalten oder gar zurückdrehen …
 

Mit dem festen Versprechen des Blonden, vorsichtig zu sein und jede Ungewöhnlichkeit sofort Professor McGonegall zu melden, verschwanden Ohtah und Nadeshiko durch das Flonetzwerk an ihre jeweiligen Praktikumsstätten. Niemals zuvor betrat Nadeshiko Yosogawa das weiße Marmorgebäude am Anfang der Winkelgasse derart ehrfürchtig. Die geschäftigen Kobolde nahmen keine Notiz von ihr, dafür beobachtete sie ihr Treiben umso genauer.

„Herzlich Willkommen in Gringotts … Shiko.“, sprach sie eine bekannte Stimme an, dessen Besitzer ihr schelmisch zuzwinkerte, „Ich bin für die Zeit deines Praktikums dein Ansprechpartner.“

„Aha, Argo, und das vollkommen uneigennützig, nicht wahr?“, meinte Besagte scherzhaft.

Er lachte herzhaft und trat näher an sie heran: „Erwischt – ich habe mich freiwillig angeboten. Und Ragnok meinte, es würde meiner Ausbildung nicht schaden, da auch Fluchbrecher zeitweise mit anderen zusammenarbeiten.“

Nach dieser Begrüßung führte er die Rothaarige durch die Bank, wo er ihr den normalen Tagesablauf sowie die Ausbildung erläuterte. Außerdem stellte er ihr die Kobolde vor, die die Fluchbrecher koordinierten, und die anderen Anwärter. Nadeshiko sog alles in sich auf – von ganzem Herzen wünschte sie sich, bald zu ihnen zu gehören. Ihre erste, kleine Herausforderung an diesem Tag war ein Runenrätsel, bei dem sie mithilfe eines Drehmechanismus neue Worte bilden musste. Der Kobold, der diese Aufgabe gestellt hatte, beobachtete schweigend jeden ihrer Handgriffe.

„>Kreativität< … >Mut< … >Entschlossenheit< … >Wissen< … >Geschicklichkeit< …“, übersetzte sie ihr Ergebnis aus dem Kopf, ohne ihr Buch zu Rate zu ziehen.

Das magische Geschöpf nickte anerkennend: „Ihr seid anscheinend gar nicht schlecht … Ob Ihr allerdings über all diese Fähigkeiten verfügt, werden wir erst noch herausfinden müssen.“

Damit hatte Nadeshiko die erste Hürde genommen. Den Rest des Tages half sie Argo beim Katalogisieren einiger Fundstücke. Am Abend geleitete er sie schließlich zum »Tropfenden Kessel«, in dem von Hogwarts ein Zimmer für sie reserviert worden war.

„Danke für heute – es war einfach unglaublich!“, schwärmte die Gryffindor begeistert.

Einen kurzen Moment zögerte er noch, dann gab er ihr einen Kuss auf die Wange und flüsterte: „Schlaf´ gut, schöne Frau.“

Verlegen sah Nadeshiko ihm nach, als sie ihn noch einmal ansprach: „A-Argo, würdest du mal mit mir ausgehen?“

Vollkommen aus dem Konzept gebracht, entgegnete Argo argwöhnisch: „Wie meinst du das? Was ist mit Ohtah? Habt ihr euch etwa gestritten?“

Nun zeigte die schöne Halbjapanerin deutliche Verwirrung, während sie zurückgab: „Ohtah? Wer bitte soll das sein?“

Noch fassungsloser starrte Argo sie an. Dieser Ausdruck in ihrem Gesicht war nicht gespielt – sie hatte wirklich absolut keine Ahnung, wer dieser jemand sein sollte! Wie nur konnte so etwas möglich sein? Da erwachte in ihm eine böse Vorahnung …

Mit schwacher Stimme wollte der angehende Fluchbrecher wissen: „Shiko … sagen dir die >Verwunschenen Verliese< etwas?“

„Nein, aber das klingt spannend – hattest du etwa so kurz nach Beginn deiner Ausbildung schon eine Mission?“, erwiderte sie ihrerseits strahlend.

Argo antwortete nicht, sondern murmelte nur noch halblaut ein paar Abschiedsworte. Während er nach Hause ging, versuchte sein Gehirn das Gespräch zu verarbeiten. Nadeshiko hatte offenbar die Verwunschenen Verliesen vollkommen vergessen … und auch diejenigen, die direkt damit in Verbindung standen. Dafür gab es nur eine einzige Erklärung – ein neuer Fluch! In seiner Wohnung angekommen nahm er Papier samt Tinte zur Hand und setzte einen warnenden Brief an Professor McGonegall auf …
 

In der kommenden Woche wurde es umso deutlicher – wann immer er etwas in dieser Richtung erwähnte. Über seine Avancen dagegen, wusste sie genau Bescheid … ebenso kannte sie alle Lehrer und erzählte ihm von ihrem letzten Unterricht.

„Professor Rien hat mir schon einige Tipps gegeben, wie ich die Aufnahmeprüfung schaffen kann und was für einen Fluchbrecher wichtig ist.“, berichtete Nadeshiko eifrig, „Hast du dich eigentlich schon entschieden, ob du bei Gringotts bleiben oder freiberuflich arbeiten willst?“

Bevor Argo ihr antworten konnte, rief Ragnok sie zu einer weiteren Aufgabe. Nur wenige Minuten später flatterte eine Eule herein, die ihm eine Antworte der Schulleiterin von Hogwarts brachte. Im Schloss war es zuvor noch nicht aktiv aufgefallen – erst als Schüler gezielt auf die Flüche der vergangenen Jahre angesprochen wurden. Alles in allem bat Professor McGonegall ihn darum, sie weiter mit ihrem vergessenen Wissen zu konfrontieren … Argo seufzte resigniert – zum ersten Mal seit Nadeshiko sich zu ihm an den Tisch der Gryffindors gesetzt hatte, sah sie ihn ohne Vorurteile an und … es fühlte sich an, als wäre wirklich etwas zwischen ihnen. Warum sollte er dieses Glück wegen einem arroganten Slytherin aufgeben? Seine Gefühle ihr gegenüber waren schließlich ebenso wahrhaftig … Auch nach seinem Abschluss hatte er sie nicht vergessen können.

„Ich habe drei von fünf Aufgaben bestanden – bekomme ich zur Belohnung jetzt meine Verabredung?“, riss ihn Nadeshiko aus seinen Gedanken, „Und wenn nicht, könntest du mir das wenigstens offen ins Gesicht sagen, anstatt es einfach totzuschweigen.“

Wie von einer Acrumantula gestochen sprang der ehemalige Hogwarts-Schüler auf und entgegnete energisch: „Bist du verrückt? Das wünsche ich mir seit Jahren!“

Lächelnd verließ sie ihre Position am Türrahmen und schmiegte sich an seine Brust. Argo legte die Arme um sie, doch gleichzeitig verfluchte er sich für seine überstürzte Antwort … Dennoch führte er Nadeshiko in der Eisdiele inmitten der Winkelgasse aus. Sie lachten gemeinsam, unterhielten sich und hielten einander an den Händen, was ihnen die Röte in die Wangen trieb.

„Shiko, ich …“, wechselte Argo plötzlich in eine ernste Stimmlage, „Meine Gefühle für dich haben sich nicht geändert, seit ich Hogwarts verlassen habe, und mit dir hier zu sitzen – ja, die ganze letzte Woche fühlt sich an, wie die Erfüllung meiner Träume. Aber … gerade deshalb kann ich dich nicht anlügen. Du hast mich bislang nie erhört, weil du in Wahrheit bereits einen anderen Mann liebst … Ihr habt gemeinsam die Flüche der Verwunschenen Verliese gebrochen. Du musst dich wieder erinnern, hörst du?“

Ein stechender Schmerz fuhr durch ihren Kopf, sie riss sich von ihm los und presste mit zusammengekniffenen Augen die Handflächen gegen Schläfen. Da rauschten auf einmal unzählige Bilder durch ihr Gedächtnis, auf denen allen ein junger Mann zu sehen war … In seine smaragdgrünen Augen stand ein Ausdruck tiefer Gefühle. Immer wieder berührte er sie und ihr Herz begann zu rasen. Wer war er bloß?

Argo´s Stimme drang lediglich gedämpft zu ihr durch: „Bitte, Shiko, sei wieder du selbst! Du weißt es – wie ist sein Name?“

„Oh-Ohtah …“, brach Nadeshiko den letzten Bann, woraufhin heiße Tränen über ihre Wangen strömten, „Argo, du … Ich danke dir.“

Sanft zog er sie an sich, umarmte sie fest und flüsterte: „Immerhin weiß ich jetzt, dass ich eine Chance bei dir gehabt hätte … wenn du ihm nicht begegnet wärst.“

Die Gryffindor krallte sich in einen Umhang, unfähig weiterzusprechen. Das brauchte sie auch gar nicht – der angehende Fluchbrecher legte ihr beruhigend die Hand auf den Kopf. Die Verwunschenen Verliese waren wahrlich abscheulich … er mochte sich kaum ausmalen, wie sehr Nadeshiko in diesem Moment litt, welche Vorwürfe sie sich machte …
 

Und so hatte sie das schlechte Gewissen während der letzten Praktikumstage nicht losgelassen … zwar war die Rothaarige zu den verbliebenen Tests angetreten, doch litt ihr Ergebnis unter ihrer Schmach. Sie wollte nur noch zurück nach Hogwarts, um sich bei ihm zu entschuldigen. Nun stand sie jedoch wie angewurzelt und mit wild klopfendem Herzen vor der Tür zum Krankenflügel, die Fingernägel in die Unterarme gekrallt. In dem Gefühl, als würde ihr Inneres gefrieren, trat sie ein und schritt auf das Lager zu, vor dem bereits Klerus und Professor Slughorn standen. Der Mensch, der dort lag, hatte die Augen geschlossen, sodass die Gryffindor das tiefe Smaragdgrün nicht sehen konnte … das Haar fiel ihm noch zerzauster als sonst ins Gesicht … seine Züge wirkten einerseits erstarrt, gleichzeitig aber auch entspannt … und die Brust hob und senkte sich kaum merklich. Sie hatte sofort erkannt, was mit ihrem Liebsten nicht stimmte – drei Jahre zuvor waren bereits Schüler in diesem Zustand vorgefunden worden … in unauflöslichen Schlaf versetzt, der Fluch aus dem Verlies des Waldes! Wie konnte das nur möglich sein? Begann die ganze Geschichte etwa erneut, wenn sich ihm wieder jemand näherte? Nun lag Ohtah hier vor ihr … einem der schlimmsten Flüche erlegen und in Lebensgefahr, wenn sie nicht schnellstmöglich den Grund dafür fand! War dies die Strafe für ihr schreckliches Verbrechen in London? Sie hatte ihn vergessen … und sich einem anderen Mann zugewandt. Ein neuer Fluch … dennoch ein grauenhafter Verrat an ihrer Liebe! Wie konnte es auf der Welt eine Macht geben, die Nadeshiko die Liebe ihres Lebens vergessen ließ? Gut, letztendlich hatte sie sich aus dem Bann befreien können – allerdings nur durch Argo´s Hilfe, dessen eigener Liebestrank einst nicht gewirkt hatte! Ohne es recht zu merken, kippte Nadeshiko in verlorenem Bewusstsein zur Seite …
 

Ein paar Stunden später starrte Nadeshiko – nur wenige Meter von Ohtah entfernt – an die kahle Decke. Ihr Kopf kämpfte weiterhin mit dem Versuch, die Informationen zu verarbeiten. Im Grunde gab es nur eine Möglichkeit … sie musste zurück in den Verbotenen Wald, am besten sofort! Nach einem kurzen Anfall von Schwindel, als sie die Füße aus dem Bett geschwungen hatte, tapste Nadeshiko zum Ausgang. In der festen Absicht, kein Geräusch zu verursachen, um Madame Pomfrey nicht auf den Plan zu rufen, passierte sie die Ruhestätte ihres Geliebten, ohne ihn anzusehen. Die Ironie daran, schnitt ihr bei jedem Schritt wie tief ins Fleisch – jeder verdammte Fluch hätte es sein können! Doch ausgerechnet ein solcher, der sie derart trennte … In einem Portrait gefangen, hätten sie einander wenigstens sehen können. Irrwichte oder sogar das Verwunschene Eis zu bekämpfen, wäre ein leichtes gewesen. Ob es ihm wenigstens vergönnt war, von ihr zu träumen? Nadeshiko unterdrückte ihre Tränen, während sie in den Flur hinaustrat. Das Stimmengewirr, welches an ihre Ohren drang, verriet ihr, dass sich die restlichen Schüler gerade beim Abendessen in der Großen Halle befanden – eine bessere Chance, sich aus der Schule zu schleichen, würde die Rothaarige nicht bekommen und so wandte sie sich dem gewaltigen Tor zu.

„Wenn er nicht da ist, muss ich dich beschützen – ich bin schließlich sein Bruder.“, sagte eine vertraute Stimme, „Ich … hatte so eine Ahnung, was du tun würdest.“

Klerus hatte sich hinter einer der Säulen verborgen gehalten. Nadeshiko kam nicht umhin, ihn mit Ohtah´s überwältigenden Fähigkeiten zu vergleichen. Selbst auf dem Gelände zeigte er eine ähnlich intuitive Art der Bewegung wie sein Bruder. Ald der Verbotene Wald in Sichtweite kam, zog Nadeshiko ihren Zauberstab und schloss für einen Moment die Augen; bei ihrem letzten Besuch hatte Torvus sie geführt … nicht nur den Weg allein zu finden war daher eine Herausforderung, sondern auch die Gefahren des Waldes ohne seine schützende Anwesenheit zu bewältigen.

„Dort drinnen lauert weit mehr, als die Acrumantulas, denen wir höchstwahrscheinlich begegnen werden.“, wies die Rothaarige ihren Begleiter an und ließ ein Licht aufflammen.

Er folgte ihrem Beispiel. Das glimmende Leuchten durchdrang die Dunkelheit nur wenige Meter, doch Nadeshiko stiefelte unbeirrt los, wobei sie sich an markanten Stellen orientierte. Aus der Ferne hörten die Schüler ein gewaltiges Hufgetrippel – offenbar waren einige aus dem Zentauren-Stamm auf der Jagd; vielleicht vertrieb dieser Umstand zumindest einen Teil der Kreaturen. An einer offensichtlichen Weggabelung blieb Nadeshiko stehen. Ihr Gehirn ratterte, in dem Versuch sich zu erinnern … vergebens.

„Was machen wir jetzt?“, fragte Klerus nervös.

Sie antwortete ihm nicht. Auf ihren Wink flog die kleine Lichtkugel den rechten Pfad entlang. Kurz bevor man sie nicht mehr erkennen konnte, spielte sich das Licht auf einem weißen, langgezogenen Spinnenfaden!

„Vorsicht … Wir betreten ihr Territorium!“, warnte Nadeshiko ihn, dann ging sie langsam weiter.

Mehr aus den Augenwinkel wahrgenommen, als tatsächlich gesehen, registrierte sie eine Bewegung und richtete sofort den »Arania Exumei«-Zauber auf jene Stelle, der Spinnen zu vertreiben vermochte. Durch das Leuchten von Klerus´ Zauberstab verfolgten sie, wie das Tier sich hastig auf seinen vielen Beinen davonmachte. Mehrmals mussten die beiden sich mit verschiedenen Sprüchen gegen die kleineren Exemplare zur Wehr setzen.

„Was willst du hier … Fluchbrecher?“, raunte eine Stimme, die von den Stämmen der Bäume widerhallte, „Einmal ließen wir dich am Leben, weil du uns von dem Zwang des Verlieses befreit hast. Wieso wagst du es, diesen Ort erneut aufzusuchen?“

Nadeshiko spürte, wie Klerus hinter ihr erstarrte, und sagte laut: „Ist es denn wahr, dass ich den Fluch gebrochen habe? In der Schule … ist ihm wieder jemand zum Opfer gefallen. Deshalb bin ich gekommen, um der Sache auf den Grund zu gehen.“

Es schmerzte sie, es auszusprechen. Natürlich hatten ihr all die anderen in den vergangenen Jahren ebenfalls zugesetzt … doch an Ohtah´s Leiden zerbrach sie beinahe. Noch während die Hexe daran denken musste, erbebte der Waldboden, Blätter wurden aufgewühlt, eine Hügel vor ihnen schien zu wachsen und plötzlich glotzten vier, schimmernde, schwarze Augenpaare auf sie herab.

Klerus wollte zurückweichen und stürzte, doch die Rothaarige rührte sich nicht und lauschte erstaunt, was die Acrumantula sprach: „Die Magie ist erloschen … Kein Bann bindet uns mehr, zwingt uns seinen Willen auf. Und gleichzeitig fürchten wir uns dennoch davor, dass es erneut geschehen könnte – sag´ mir, Fluchbrecher, kannst du es verhindern?“

Die Erkenntnis durchfuhr Nadeshiko wie ein Blitzschlag. Sie war so dumm gewesen … Seiketsu und die Hauselfe Ciri hatten ihr die Antwort auf dieses Mysterium längst gegeben! Ein neuer Fluch lag über dem Schloss …

„Es ist gar nicht dieses Verlies – das waren alles nur die Wächter …“, murmelte sie vor sich hin, ehe ihre Stimme erstarkte, „Ja, mit dem letzten der Verwunschenen Verliese bringe ich alles zu einem Ende – die Flüche werden für immer ausgelöscht, das schwöre ich!“

Die gigantische Arachnide wirkte zufrieden: „So sei es – ein einziges Mal verschone ich dich … und deinen Gefährten noch.“

Nach einem kurzen Nicken schnappte sich Nadeshiko dem der Ohnmacht nahen Klerus und kehrte nach Hogwarts zurück.
 

Nach einer Schimpftirade von Madame Pomfrey, weil Nadeshiko ohne ihre Erlaubnis den Krankenflügel verlassen hatte, saß diese an Ohtah´s Seite und streichelte beinahe geistesabwesend über seine Wange. Das wahre Verwunschene Verlies wartete … doch konnte sie wahrlich danach auf die Suche gehen, während ihr Liebster hier lag? Andererseits würde er in diesem Zustand nicht ewig überstehen … Irgendwann brächte man ihn doch noch ins Sankt Mungo Hospital für magische Krankheiten und Verletzungen – bis er eines Tages den Punkt erreichte, an dem er nie mehr aufwachen würde. Es lief, wie bereits in der Vergangenheit, auf dasselbe hinaus … Nadeshiko musste den Fluch unter allen Umständen brechen! Als wäre sie tatsächlich von einer Acrumantula gestochen worden, sprang die Rothaarige auf, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und stürmte zum Büro jenes Professors, der ihr als einziger in dieser Situation würde helfen können.

Auf ihr Klopfen hin, bat Rien sie herein und sofort brach ihr Anliegen aus ihr heraus: „Ich will den Patronus-Zauber lernen!“

Etwas verwundert fragte der Zauberer daher: „Wie kommen Sie so plötzlich darauf?“

„Ich … ich habe gelesen, die gestaltlichen Patroni können zum Kommunizieren und … Wache halten benutzt werden.“, gestand sie ehrlich.

Er dachte einen Augenblick lang nach, bevor er bestätigte: „Das ist möglich – diese Art der Nutzung ist allerdings noch schwieriger, als der Zauber es ohnehin schon ist. Sie müssen sich während dem Wirken genau seine … Aufgabe bewusst machen.“

„Ich werde es schaffen!“, entgegnete Nadeshiko entschlossen und sah zu Boden.

Erneut schwieg ihr Gegenüber und sie dachte schon, er würde ablehnen, sie zu lehren, da sagte Rien: „Nun … gut. Ich kenne Sie inzwischen gut genug, Miss Yosogawa, um zu wissen, dass Sie ohnehin nicht aufgeben werden. Also zu den Grundlagen – der Patronus lässt sich nur durch ein ganz besonders starkes Glücksgefühl heraufbeschwören; denken Sie an das glücklichste Ereignis in ihrem Leben, das Ihnen einfällt, und visualisieren Sie dieses vor Ihrem inneren Auge … anschließend sprechen Sie laut und deutlich die Worte >Expecto Patronum<. Versuchen Sie es!“

Mit erhobenem Zauberstab durchforstete Nadeshiko ihr Gedächtnis – überall blitzte Bilder von Ohtah auf. Sie dachte zurück an ihre erste Begegnung im Hogwarts-Express vor sechs Jahren … an diesen unsicheren, verlegenen Junge, zu dem sie sofort eine ganz merkwürdige Verbundenheit gespürt hatte.

„Expecto Patronum …“, flüsterte sie, ohne es recht zu merken.

Kein weißer Dunst stieg auf … oder gar ein tierisches Wesen. Stattdessen rollten Tränen über Nadeshiko´s Wangen. Die Freude jenes Tages war von der Trauer über seinem aktuellen Zustand verdrängt worden … Und damit sämtliche Kraft des Patronus. Sie schluchzte, sank kraftlos in die Knie. Rien hielt ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Dankbar nahm die Rothaarige das Angebot an und setzte sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.

„Sie müssen sich nicht schämen.“, versuchte ihr Lehrer sie zu trösten.

Doch sie starrte unentwegt auf ihre um den Zauberstab geschlossene Finger. Es fühlte sich an, als würde sie nicht nur diesen Zauber nicht ausführen können, sondern als wäre ihre ganze Magie wie fortgeblasen, fortgerissen … demselben Schlaffluch erlegen, wie ihr Geliebter.

„Ruhen Sie sich aus, Miss Yosogawa. Wir arbeiten morgen Abend weiter.“, meinte Rien und Nadeshiko ging, ohne ein weiteres Wort.

In den darauffolgenden Wochen lief es jedoch nicht besser. Schlimmer noch – auch die anderen Flüche traten erneut zu Tage; in den Korridoren fanden sich kleine Splitter von Verwunschenem Eis, auf dem Gelände erschienen wieder regelmäßig Irrwichte, eine ganze Gruppe Huffelpuffs wurde auf dem Weg zur nächsten Unterrichtsstunde in ein Portrait gezogen, ein Erstklässler wurde zu Stein verwandelt und einige Schüler fragten, ob solche Zwischenfälle in Hogwarts normal wären – sie waren dem Vergessen erlegen. Wenn Nadeshiko nicht bald voran kam, wäre bei dieser Geschwindigkeit bald halb Hogwarts von den Flüchen betroffen, die sogar noch erstarkt zu sein schienen …

Professor Rien empfing sie zu ihrer allabendlichen Übungsstunde, welche inzwischen in das Klassenzimmer verlagert worden war. Die Rothaarige bezog Stellung, konzentrierte sich.

Keine Erinnerung, eine Vorstellung durchzuckte ihre Gedankenwelt und Nadeshiko schrie: „Expecto Patronum!“

Die Wucht, die aus ihrem Zauberstab herausbrach, riss sie beinahe von den Füßen. Sie hörte, den erstaunten Laut, der Professor Rien im Hals festzustecken schien – es dauerte einen Moment, bis die Hexe begriff, was da durch den Raum flog. Mit einer sanften Drehung landete die nebelartige Gestalt auf ihrem ausgestreckten Arm, legte die Flügel an, die majestätischen Schwanzfedern baumelten in der Luft und seine Augen suchten ihre.

„Ein Phönix …“, hauchte Nadeshiko überwältigt, „Das Feuer ist wahrlich mein Element. In der japanischen Mythologie ist er das Pendant zum Drachen …“

Das Räuspern von Rien ließ sie zusammenfahren, da sie ihn vollkommen vergessen hatte, und der Patroni verschwand – dafür fragte der Professor für Verteidigung gegen die dunklen Künste: „Ein Tierwesen ist sehr selten … noch dazu ein derart imposantes. Nur aus Interesse – woran haben Sie gedacht, Miss Yosogawa, um ein solches Geschöpf hervorzubringen?“

Nadeshiko war immer noch so berauschend, dass sie den eigenartigen Unterton nicht bemerkte, der fast verärgert wirkte, und antwortete: „An mein Ziel … mit Seiketsu und Ohtah wiedervereint zu sein, für immer befreit vom Fluch der Verwunschenen Verliese.“

Nichts anderes hatte ein solches Glücksgefühl in ihr ausgelöst, als die Erfüllung ihres Wunsches, wieder mit ihnen vereint zu sein …
 

Doch während in den kommenden Wochen das Schloss festlich geschmückt wurde, schwand Nadeshiko´s Kampfgeist … Egal wie oft sie das Lied der Sirenen durchging, kein Geistesblitz erfüllte sie. Ohne Ohtah, der ihr zur Seite stand, fühlte sie sich, als wäre sie nur noch eine leere Hülle. Einzig Klerus schaffte es, die Gryffindor voranzutreiben. Wo nur waren alle Häuser vereint und es gab einen hellen Schein zu finden? Laut Professor McGonegall gab es nirgends auf dem Gelände eine Gedenkstätte für die vier Gründer … Und sonst gab es keinerlei Überlieferungen, ob irgendein Ort sie besonders verbunden hätte; nur dass es irgendwann Streit zwischen Godric Gryffindor und Salazar Slytherin gegeben hatte … Helga Hufflepuff wollte zwischen ihnen vermitteln, während Rowena Ravenclaw nach einer gleichberechtigten Lösung suchte. Während sie dieser Spur nachgegangen waren, begannen die Ferien – und damit konnte selbst Klerus, ihre letzte Stütze nicht bei ihr bleiben; seine Mutter hatte verlangt, er möge traditionell nach Hause kommen und von keinem Argument wollte sie sich umstimmen lassen. Nie zuvor verfluchte der Blonde seinen Geburtstag so stark; als jüngster seines Jahrgangs würde er erst kurz vor Schuljahresende die Volljährigkeit erreichen. Der Slytherin und die Gryffindor dagegen wollten zum ersten Mal über die Ferien zu ihr nach Hause – natürlich hätte sie allein fahren können … doch ertrug sie den Gedanken nicht, Ohtah zurückzulassen. Hier konnte sie zu ihm sprechen, ihm etwas vorsingen, ihn berühren und über ihn weinen, ohne darauf angesprochen zu werden. Da sie nun von der Abwesenheitspflicht bei den Mahlzeiten befreit war und sie nicht freiwillig daran teilnahm, brachte die Hauselfe Ciri ihr dreimal täglich etwas in den Krankenflügel, wofür ihr Nadeshiko unendlich dankbar war. Von den Professoren verblieben normalerweise nur sehr wenige zwischen den Jahren im Schloss … dieses Jahr allerdings verbrachte die Schulleiterin und die meisten ihrer Kollegen die Feiertage in Hogwarts. Hinzukamen die von der Schulleiterin erlassenen Hausaufgaben, um den Schülern mehr Erholung zu ermöglichen, weswegen Madam Pomfrey ihr längere Besuchszeiten gestattete; am liebsten hätte sie auch die Nächte bei ihm verbracht … einzig Shirayuki´s Gegenwart ließ sie diesen Umstand akzeptieren. Nie zuvor war Nadeshiko das Weihnachtsfest so trostlos vorgekommen …

Während sie über ihn wachte, hatte Nadeshiko noch einmal sämtliche Briefe von Seiketsu mehrfach gelesen und versucht, ihnen verborgene Geheimnisse zu entlocken. Mit demselben Eifer widmete sie sich dem Notizbuch, das nach erfolgloser Durchforstung geschlossen auf ihren Knien ruhte.

„Ihm läuft die Zeit davon, hörst du, Sei? Ich kann ohne ihn nicht leben … Bitte, hilf´ mir, ihn zu retten! Und dich! Sei, wo finde ich es? Das letzte Verlies …“, murmelte sie wie ein Mantra.

In einem Anflug von Müdigkeit fiel das Büchlein auf einmal zu Boden. Die Gryffindor erwachte aus ihrem Delirium und wischte sich über das Gesicht, rieb sich die Augen.

Als sie sich bückte, um die Hinterlassenschaft Seiketsu´s aufzuheben, starrte sie schockiert auf deren Handschrift: „>Shiko, ich habe nicht genug Zeit, dir alle Einzelheiten zu erklären – es war Roman Rien, der mir von den Verwunschenen Verliesen erzählt hat und daraufhin zu meinem Mentor wurde. Aber inzwischen weiß ich, er ist es, der die Macht für sich allein nutzen will! Und er ahnt, dass ich das Rätsel der Meermenschen gelöst habe – ich werde das letzte Verlies betreten, bevor er mich in die Hände bekommt. Wenn ich versage, musst du ihn aufhalten! Aus Sicherheitsgründen kann ich den den Zugang hier nicht niederschreiben … Aber ich glaube ganz fest an dich, meine geliebte Schwester!<“

Minuten, Stunden oder gar nur Sekunden – Nadeshiko verlor jedwedes Zeitgefühl, bis sie sich erhob. Ihr Liebster strebte den Beruf des Auroren an … doch heute würde sie ebenfalls diesen Pfad beschreiten … für Seiketsu, für Ohtah, für alle Schüler und Lehrer von Hogwarts, für die gesamte Zaubererschaft! Wäre es ratsam gewesen einen Lehrer zu verständigen, vielleicht sogar am ehesten Professor McGonegall? Oder wenigstens Shirayuki zu Klerus zu schicken? Wahrscheinlich, ganz sicher sogar – doch Nadeshiko dachte mit keinem Fünkchen ihres Verstandes daran. In ihrem Kopf wallte nur eine unglaubliche Wut, wie sie noch nie zuvor empfunden hatte. Alles in ihr schrie verzweifelt nach Rache. Jahrelang hatte sie ihm vertraut … sich ihm anvertraut … und er hatte sie bloß benutzt, wie eine willige Schachfigur! Mit erhobenem Zauberstab betrat die Gryffindor das Klassenzimmer von Verteidigung gegen die dunklen Künste und ihr Blick richtete sich sofort auf die kleine Treppe, die hoch in sein Büro führte. Am liebsten wäre sie hineingestürmt oder hätte ihn gleich von hier aus in die Luft gesprengt für all ihr Leid, welches er für seine Pläne missbraucht hatte. Aber das durfte Nadeshiko nicht tun, sie musste sich zusammenreißen! Langsam – den Zauberstab immer noch umklammert – stieg sie die wenigen Stufen hinauf und öffnete die hölzerne Tür ohne anzuklopfen.

Überrascht sah er auf und fragte freundlich: „Oh, Miss Yosogawa, was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?“

„Ich kenne nun die Wahrheit … Die ganze Zeit war ich so unsagbar blind für das so eigentlich offensichtliche. Wie oft habe ich mich gefragt, warum Sie es riskieren, mir zu helfen? Weil Sie es sind … der >Fluchmacher<!“, meinte die Rothaarige, wobei sie ihren Schmerz nicht gänzlich unterdrücken konnte, und hielt auf seine Brust.

Ein hämisches Lachen kam als Antwort: „Wollen Sie sich jetzt etwa mit mir duellieren?“

Erneut packte sie der Zorn. Nur mit äußerster Mühe mahnte sie sich zur Kontrolle. Im Krankenflügel lag Ohtah in einem verfluchten Schlaf … Seiketsu befand sich gefangen im letzten Verlies – beide zählten auf ihre Hilfe. Selbst ihre Eltern, die an dem Verlust ihrer Tochter zerbrochen waren … und alle Menschen, die leiden würden, wenn sich Rien als schwarzer Magier erhob … So sehr Nadeshiko es sich in diesem Moment auch wünschte, der Mord an ihm würde ihre Liebsten nicht befreien. Der Fluch, der ihr auf den Lippen lag, erstarb … Sie würde sich nicht noch einmal von ihm kontrollieren lassen!

„Warum haben Sie meine Schwester und mich auf die Spur der Verliese gebracht, wenn Sie die Macht selbst wollen?“, fragte Nadeshiko gefasster.

Er wirkte vollkommen unberührt, während er antwortete: „Das ist eine berechtigte Frage. Doch war ich nicht in der Lage, den Fluch des Verwunschenen Eises zu brechen … deshalb habe ich eine einfältige Schülerin vorausgeschickt. Ziemlich weise, wenn ich jetzt so zurückdenke … Allerdings waren Sie noch leichter zu manipulieren – Ihrer Schwester musste ich erst noch schöne Augen machen.“

Flammen züngelten aus der Spitze ihres Zauberstabes – dieses Element lag ihr seit dem ersten Verlies am nächsten – und Nadeshiko zischte zwischen zusammengebissenen Zähnen: „Seiketsu wollte schon immer allem auf den Grund gehen und Geheimnisse lüften … aus der Vergangenheit lernen, um die Zukunft besser zu machen … Es ranken sich so viele Legenden um das, was in den Verwunschenen Verliesen versteckt ist – fünf von ihnen dienen nur zum Schutz … für mich waren sie eher eine Vorbereitung; wenn ich diese letzte Hürde nehme, erhalte ich den größten Schatz … und nur Sie, Professor Rien, stehen mir dabei noch im Weg. Erkennen Sie, wie fatal die Lage ist, in die Sie sich gebracht haben? Nichts in der Welt wird mich jetzt noch davon abhalten in dieses Verlies zu gelangen!“

„Möglich … Diese Entschlossenheit habe ich stets an Ihnen bewundert, so unermüdlich bei dem Versuch alles und jeden zu beschützen.“, sagte er plötzlich mit säuselnder Stimme und trat hinter seinem Schreibtisch hervor auf sie zu, „Sie sind wahrlich eine talentierte Hexe … intelligent, kreativ, stark … und wunderschön. Was halten Sie davon, wenn wir die Macht des Verwunschenen Verlieses gemeinsam nutzen?“

Schon häufig hatte die Rothaarige Schülerinnen über Professor Rien tuscheln hören … nicht bei wenigen waren es romantische Tagträume gewesen. Auch sie hatte ihn bewundert – als Lehrer, als Fluchbrecher … Tief in ihrem Herzen hatte es von Anfang an nur einen gegeben – einen etwas schüchternen und gleichzeitig verwegenen, entschlossen und dennoch unsicheren, jungen Zauberer, der eine unglaubliche Stärke verlieh, die einer ganz anderen Art der Magie entsprang. Alles ihr sträubte sich gegen die Berührung dieses Mannes, der nicht ihr Geliebter war. Dies war nicht seine Stimme, sein Duft, sein Körper. Und es gab noch etwas, das ihr nur Übelkeit verursachte …

„Ich gehe niemals auf die dunkle Seite!“, schrie die Gryffindor ihn schon fast an.

Ramon Rien zuckte mit den Schultern, bevor er meinte: „Seit Sie die Tore von Hogwarts zum ersten Mal durchschritten haben, waren Sie in einem Zweikampf noch nie unterlegen … Es wird Zeit, dass Sie lernen zu verlieren!“

Sofort wehrte Nadeshiko den Schockzauber per Schutzschild ab. Beinahe zeitgleich sprachen beide ihre nächsten Flüche, die sich gegenseitig abstießen und gegen die Wände schlugen. Die Bücherregale fielen mit flatterten Buchseiten zu Boden. Kein Zauber traf den Gegenüber, einigen konnten sie sogar ausweichen; zu erfahren waren sie im Duellieren. Während er auf die dunklen Worte der Macht übergehen wollte, kam Nadeshiko eine ebenfalls Idee – das Turnier im vergangenen Jahr war äußerst lehrreich gewesen.

„Aquamenti!“, rief sie, weil ihr ungesagte Zauber immer noch nicht recht lagen, „Incendio!“

Die Hitze des Feuers traf auf das kalte Nass und hüllte den Raum in einen dichten Nebel.

„Wollen Sie mich damit etwa überlisten? Ich zeige Ihnen, welche Macht Sie so leichtfertig ausgeschlagen haben, Miss Yosogawa!“, schrie er durch den kondensierten Schleier, „Imperio!“

Hatte sie mit diesem Fluch gerechnet? Immerhin wusste Nadeshiko, dass er einst Klerus auf dieselbe Art kontrolliert hatte … Und dennoch traf er sie in einem unvorbereiteten Moment – eigentlich hätte ihr kombinierter Zauber sie beschützen sollen. In ihren Ohren hallte Rien´s Stimme, welche die Rothaarige aufforderte, zu ihm zu kommen, weil nur er allein für sie zählte … Sie konnte kaum mehr einen Muskel rühren, während seine Schmeicheleien und Befehle in ihren Geist vordrangen.

Bis plötzlich jemand anderes zu ihr sprach: „Shiko, du warst diejenige, die mich aus der Dunkelheit gerettet hat! Weil du mein Licht bist … Ich liebe dich!“

Ohtah … nachdem er seine Familie endgültig verlassen hatte. Seine entschlossene Miene trat in ihr Bewusstsein … erst verschwommen, dann deutlicher. Nicht erneut – es genügte ihr vollkommen, ihn einmal durch den Fluch vergessen zu haben … niemals wieder! Mit jeder weiteren Sekunde verschwand dafür Rien und Nadeshiko öffnete ihre Augen. Ein höhnisches Grinsen lag auf dessen Gesicht, während sie langsam auf ihn zuging und träumerisch blinzelte. Als die junge Hexe direkt vor ihm stand, stellte sie sich leicht auf die Zehenspitzen, um sich seinen Lippen zu nähern. Beinahe triumphierend senkte er seine Lider und Nadeshiko reagierte sofort – in einer Drehung riss sie Rien seinen Zauberstab aus der Hand!

„Incarcerus!“, setzte die Gryffindor sogleich nach.

Die heraufbeschworenen Fesseln legten sich um seine Handgelenke, Arme, Fußknöchel, Beine, die Brust und knebelte seinen Mund. Ein wutentbranntes Funkeln lag in seinen Augen.

„Man sollte meinen, Ihr würdet mich besser kennen, Sir, als irgendein anderer Lehrer, nicht wahr? Ich liebe Ohtah – weder Fluch noch Trank oder gar Zauber könnten daran jemals wirklich etwas ändern!“, kam es flüsternd von ihr, ehe die Tür ein weiteres Mal aufflog.

Diesmal stand sie Direktorin im Rahmen, auf ihrer Schulter saß eine Schleiereule mit leuchtend weißem Gefieder, die einen aufgeregten Schrei ausstieß … Shirayuki.

Gewohnt streng verlangte Professor McGonegall: „Miss Yosogawa, ich hoffe, Sie haben eine sehr gute Erklärung hierfür!“

„Die lassen Sie sich besser von ihm geben …“, entgegnete die Gryffindor und wandte sich noch einmal ihrem Gegner zu, „Was auch immer der Grund für die Existenz der Verwunschenen Verliese ist … Sie werden es niemals erfahren!“

Damit marschierte sie hinaus, wo Professor Flitwick sie in Empfang nahm.
 

Einige Stunden später – nachdem Professor Rien unter Einfluss von Veritaserum ein vollständiges Geständnis abgelegt hatte und das Zaubereiministerium darüber in Kenntnis gesetzt worden war – saß Nadeshiko erneut an Ohtah´s Bett im Krankenflügel, zusammen mit Klerus, der per Flohnetzwerk ins Schloss zurückgeholt worden war. Madame Pomfrey hatte sich dezent im Hintergrund gehalten, während sie ihm und seinem Halbbruder alles berichtete.

„Es ist fast vorbei …“, versprach die Rothaarige und gab ihrem Geliebten einen Kuss auf die Stirn.

Die Tränen liefen über ihre Wange, doch sie wischte sie nicht weg. Beinahe hätte sie dem nächsten dunklen Zauberer geholfen, die Welt zu unterwerfen … Wie dumm nur war sie gewesen!

„Machen Sie sich keine Sorgen … Keiner von uns hat es bemerkt.“, meinte die Krankenschwester sanft und reichte beiden eine heiße Tasse Schokolade, „Wissen Sie, ich wusste lange Zeit nicht, was ich von Ihnen halten sollte – Sie haben andauernd für Ärger gesorgt und dennoch verdanken es unzählige meiner Patienten allein Ihnen, dass sie wieder auf den Beinen sind. Dieser Junge kann sich glücklich schätzen, so sehr geliebt zu werden … Geben Sie die Hoffnung nicht auf!“

Nein, »aufzugeben« kam wirklich nicht in Frage. Entschlossen trank sie das wärmende Getränk aus und erhob sich. Klerus machte Anstalten ihr zu folgen, aber sie schüttelte den Kopf. Sollte Nadeshiko ebenfalls versagen, bräuchte sie ihren Patroni um eine letzte Botschaft zu überbringen …

Vor dem Krankenflügel erwartete sie Professor McGonegall mit einer unergründlichen Miene – bevor diese allerdings etwas sagen konnte, meinte die Rothaarige lächelnd: „Ich danke Ihnen … Dass Sie so streng mit mir waren, hat mich nur noch mehr angespornt – um Sie und das Haus Gryffindor nicht zu enttäuschen. Die Verwunschenen Verliese mögen meine Bürde gewesen sein, aber … es gibt Kämpfe, denen kann man einfach nicht entgehen. Ich werde meine Aufgabe heute zu Ende bringen!“

Denn plötzlich hatte sie verstanden, worauf das Meermenschen-Lied verwies: „>Ein Verlies in voller Macht, d´rum gib´ auf dich gut Acht. Die Häuser vereint … der Zwist verneint … Suche nach dem hellen Schein und das Geschenk ist dein!<“

Wie oft hatte sie die Wappen über und im Kamin der Großen Halle schon betrachtet, ohne je deren Bedeutung zu begreifen? Dies war der einzige Ort, der alle Schüler zusammenbrachte … Die Wärme des prasselnden Feuers auf ihrer Haut spürend, streckte sie eine Hand nach ihnen aus und die Flammen stoben auseinander.

„Gryffindor … hier regieren Tapferkeit und Mut; diesem Haus gehöre ich selbst an. Ravenclaw … nutzt Weisheit und Verstand; genauso wie Seiketsu es tut. Huffelpuff … bedeutet Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit; so hat sich Klerus stets verhalten. Slytherin … weiß um Tücke und Geschick; darum kann Ohtah stolz darauf sein. Vier Häuser – ein Herz …“, sagte sie und klappt das Medaillon an ihrem Hals auf, „Gemeinsam haben wir alle Hindernisse überwunden, um das wahre Verwunschene Verlies zu finden! Du hast Verwunschenes Eis, doch mir gebührt das Feuer … der Angst, die du verbreitest, trete ich mutig entgegen … und den verfluchten Schlaf fülle ich mit meinen schönsten Träumen … selbst wenn mir Gefangenschaft droht … bezwinge ich sämtliche Untiefen und alle Gefahren, um mein Ziel zu erreichen!“

Nach und nach waren die vier Teile des Hogwartswappens aufgeleuchtet, zuletzt fuhr das Wandstück mit einem steinernen Schlurfen in den Boden hinab. Ein tiefschwarzer Gang voller Spinnweben lockte Nadeshiko. Kaum war sie hindurch gegangen, verschloss sich der Zugang wieder. Jeder weitere Schritt brachte sie einem schwachen Lichtfleck in der Ferne näher, während Kälte in ihre Glieder zog. Wie fast schon erwartet, führte der Pfad sie in einen Raum, der von einem gewaltigen, bläulich glitzerndem Tor beherrscht wurde. Es war weit größer als sein Vorbote – ebenso der Eisritter, der bereits mit erhobenem Schwert auf sie wartete. Ein schon belächelnder Ausdruck trat auf ihr Gesicht; augenblicklich tanzten Flammen um sie herum, die aus ihrem Zauberstab schossen. Ein knapper Wink damit und sie schlossen den Eisritter ein, der ohne Widerstand in sich zusammenschmolz. Dieser Zauber hatte ihre Zauberkunst-Note bei den ZAG gerettet – dabei hatte sie Ohtah noch leicht angesengt, als sie ihn vom Verwunschenen Eis befreit hatte. Inzwischen beherrschte sie die heraufbeschworenen Flammen fast ausschließlich mit ihrem Willen. Innerlich wappnete sich die Rothaarige bereits für ihren nächsten Gegner – nach Eis kam Angst … Der Irrwicht hatte bereits die Gestalt von Seiketsu angenommen und beschimpfte Nadeshiko lauthals, warf ihr Unfähigkeit sowie Versagen vor.

„Es stimmt … genau davor hatte ich Angst – meine Schwester zu enttäuschen. Das ist vorbei, ich muss nicht mehr fliehen oder dich mit einem Zauber verscheuchen.“, erklärte sie entschlossen, ging auf einen der Irrwichte zu und schloss ihn in die Arme.

Zuerst erstarrte die Kreatur, dann löste er sich auf. Eine einzelne Träne blieb auf Nadeshiko´s Wange zurück, die aber nur ihre Entschlossenheit stärkte. Was ihr gegen ihre nächsten Gegner nur helfen konnte – ein beängstigendes Klicken erregte ihre Aufmerksamkeit und als ihr Blick zur Decke wanderte, erblickte sie drei gigantische Acrumantulas. Langsam glitten diese an ihren Fänden herab. Die Hexe erinnerte sich an ihr Versprechen, sie wurde am Leben gelassen und würde daher ebenfalls gnädig sein …

„Stupor! Stupor! Stupor!“, rief Nadeshiko, während sie auf deren Augen zielte.

Bewusstlos schwangen sie wie Windspiele hin und her. Nadeshiko stützte sich an der Wand ab, Schweiß sammelte sich auf ihrer Stirn – die Erschöpfung machte sich bemerkbar; der Preis für ihren Sieg über Rien … Dabei erwarteten sie noch zwei bekannte Hindernisse und möglicherweise ganz eigene Banne.

„Ich werde nicht aufgeben … nie im Leben. Dies ist allein meine Aufgabe – Sei hat es begonnen, ich werde es beenden!“, sprach sich Nadeshiko selbst Mut zu.

Der Tunnel machte mehrere Biegungen, sodass sie lange Zeit sein Ende nicht sehen konnte – es kam ihr fast so vor, als würde das Verlies sie einmal durch ganz Hogwarts führen. Knapp eine halbe Stunde später erspähte die Gryffindor das Drachenportrait, welches zu schlafen schien. Vorsichtig tippte sie mit der Spitze ihres Zauberstabs dagegen – erfolglos. Ein passender Zauber wollte ihr nicht einfallen …

Stattdessen kam ihr das Motto der Schule in den Sinn: „>Draco dormies nunquam titillandus< … Kritzle nie einen schlafenden Drachen …“

Doch genau das tat sie und blickte in giftgrüne Augen, dessen Besitzer mürrisch sein Rätsel stellte: „Wenn Ihr Zugang begehrt, so beantwortet mir folgende Frage … >Mit ihr scheint alles egal – Leben oder Tod. Sie erquickt und quält, streichelt und schändet. Sie wird dich nie mehr verlassen und dennoch gehört sie nicht dir allein … Was ist das?<“

Nadeshiko´s Augen weiteten sich schockiert – sie kannte die Antwort, ohne darüber nachdenken zu müssen … jedoch brachte sie keinen einzigen Laut heraus. Stattdessen sackte die junge Hexe zu Boden und diesmal weinte sie tatsächlich. Sie hatte das himmelhoch jauchzende Gefühl verspürt, als seine Lippen ihre berührten … und die tiefe Verzweiflung von ihm getrennt zu sein. So wie jetzt – da sie nicht einmal wusste, ob sie sich jemals wiedersehen würde … Er allein war nun einmal ihre Stärke!

Auf einmal erklang wieder seine Stimmer in ihrem Kopf: „>Und ich helfe dir dabei! Dafür sind Freunde schließlich da, nicht wahr?< >Ich verspreche es dir, Shiko – wir werden es schaffen, zusammen!< >Hab´ keine Angst, Shiko … Gemeinsam können wir es schaffen! Ich bin direkt hinter dir.< >Das Risiko ist mir doch vollkommen gleichgültig! Ich habe geschworen, dir zu helfen … stets an deiner Seite zu sein.< >Zum ersten Mal kann ich nachvollziehen, wie du dich die ganze Zeit fühlst – ich habe dir versprochen, dass wir es gemeinsam schaffen werden; ich lasse dich nicht im Stich, niemals!< >Ich habe es dir und vor allem mir selbst geschworen – was auch immer passiert, ich werde dich beschützen … immer und immer wieder. Weil ich dich liebe …< >Denn schließlich kämpfen wir genau dafür … um gemeinsam leben und lieben zu können.<“

All diese Worte hatte Ohtah zu ihr gesprochen … um sie aufzubauen, zu stärken, ihr neuen Mut zu geben. Die Spur eines Lächelns schlich sich auf ihr Gesicht. Beim Eingang hatte Nadeshiko selbst es noch erwähnt … Ein Teil von ihm würde immer bei ihr sein, egal wie weit oder wie lange sie getrennt wären ... das hatte er ihr so oft geschworen.

Die Rothaarige kämpfte sich zurück auf die Beine und antwortete: „Ohtah – er ist meine Antwort. Die Liebe, die ich für ihn empfinde …“

„So ist es … Um dieser Gefühle willen, die Ihr in Euch tragt, seid gewarnt – kehrt um! Dieser Ort ist nicht magisch …“, entgegnete der rot schimmernde Drache, ehe er seine Schwingen ausbreitete und aus dem Rahmen verschwand.

Die Gryffindor wunderte sich über diese Aussage – alles in ihrer Welt beruhte auf Magie … das Zaubertrankbrauen ebenso wie das Wahrsagen oder selbst jedes Tierwesen. Hatte das etwas mit dem Ursprung der Verliese zu tun oder mit dem, was sie bewahrten? Was am Ende auch immer auf sie warten mochte – von Seiketsu einmal abgesehen –, es interessierte sie nicht; Rien war vor Verlangen danach wahnsinnig geworden, Hogwarts wäre beinahe ins Verderben gestürzt … Dieser Schatz brachte nur Unheil! Einzig auf das kommende Hindernis musste sie sich konzentrieren … denn die Begegnung mit dem Leviathan wollte sie ja eigentlich nicht erneut durchleben. Glaube war der Schlüssel zum Sieg … und möglicherweise konnte sie sich das zunutze machen! Vor wenigen Stunden hatte Nadeshiko genau darüber mit ihrem verräterischen Mentor gesprochen – es gab nichts auf dieser Welt, das sie jetzt noch davon abhalten konnte, ihre Schwester zu befreien! Und so erwartete kein grauenhaftes Meeresungeheuer die schöne Gryffindor … sondern ein japanischer Kappa. Dieses wasseraffine Tierwesen aus ihrer einstigen Heimat war etwa einen Meter zwanzig groß, hatte einen großen, platten Schädel mit einer Kuhle, dessen Haupt mit grünlichem Haar spärlich bewachsen war. Für gewöhnlich lebte diese Spezies in Flüssen oder Seen und kam nur an Land, um Obst sowie Gemüse von den Feldern zu sammeln. Während es in seinem Element nicht immer gut auf ungebetenen Besuch zu sprechen war, ging an Land von einem Kappa zumeist keinerlei Gefahr aus – vor allem nachdem es die Verbeugung seines Gegenüber erwiderte und es so das Wasser auf seinem Kopf verschüttete, welches ihm seine Magie gab.

„Arigato …“, flüsterte sie das Dankeswort in ihrer Landessprache.

Der Kappa betrachtete sie mit seinen schwarzen Iriden. Beinahe schienen sie telepathisch miteinander zu kommunizieren, dann rollte das Wesen sich zusammen und Nadeshiko konnte ungehindert passieren. Endlich erreichte Nadeshiko den altbekannten, sechseckigen Raum. Ihr fiel sofort auf, dass etwas anders war – sämtliche Wände waren mit Spiegeln verkleidet und anstelle der Säule stand ein reich verzierter, fast deckenhoher Standspiegel. Sie ging darauf zu, betrachtete ihr Spiegelbild. Plötzlich trat die Nadeshiko ihr Gegenüber zur Seite, was sie schon schockierte … doch damit gab sie gleichzeitig den Blick auf eine zweite Gestalt frei. Die Halbjapanerin stürzte nach vorne, hämmerte wild gegen das Glas … aber die bewusstlose Seiketsu Yosogawa rührte sich nicht. Da hob ihre Spiegelung den Zauberstab und es gab so etwas wie eine Explosion, von dessen Druckwelle Nadeshiko nach hinten geschleudert wurde. Als sich der aufgewirbelte Staub wieder gelegt hatte, starrte die Rothaarige perplex zu der Stelle, an welcher sie gerade noch gestanden hatte – im Zwielicht zeichnete sich nun eine Silhouette ab, die sie noch mehr in Schrecken versetzte … ihr Spiegelbild befand sich nicht länger hinter der polierten Oberfläche, sondern stand ihr tatsächlich gegenüber.

„Ich habe mich gefragt, ob du wirklich eines Tages kommen würdest, Nadeshiko Yosogawa … deine Schwester war ja felsenfest davon überzeugt.“, erzählte die Fälschung im Plauderton, „Ahnst du es? Ich bin das letzte Hindernis, eine Personifikation dieses Verlieses … und gleichzeitig ein Abbild deiner Selbst. Hast du dich nie gefragt, warum es all die anderen Verliese gibt? Ein Schutz meiner ganz ohne Frage – und eine perfekte Möglichkeit, Informationen zu sammeln. Den abschließenden Scan habe ich durchgeführt, als du eingetreten bist … Ich weiß nun alles über dich – ich kenne deine ganzen Spezialitäten, Strategien … Anders als bei deinem herzallerliebsten Ohtah wird bei mir so etwas lächerliches wie >Stella Cascadia< nicht funktionieren. Was willst du nun tun, Nadeshiko Yosogawa? Wie willst du mich besiegen?“

Ein Duell … damit endete ihre Suche – ein Sieg noch und Seiketsu wäre endlich gerettet! Ihr Gespräch mit Rien schien bereits Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre her zu sein … Nichts würde sie mehr aufhalten, so kurz vor dem Ziel durfte sie nicht scheitern.

Nadeshiko stand auf, fixierte ihre Doppelgängerin und rief: „Confringo!“

Die falsche Nadeshiko wich dem Fluch aus, sodass dieser in der Wald einschlug und einen Regen aus Spiegelscherben verursachte, woraufhin sie lachte: „Ich weiß ja nicht, ob es so sinnvoll ist, hier mit Sprengflüchen wild um sich zu schießen.“

Augenblicklich verharrte die Gryffindor in der Bewegung und sah zu Seiketsu. Noch war ihr Gefängnis verschont geblieben … Ihr Gehirn begann fieberhaft zu überlegen, was sie gegen ihre Gegnerin unternehmen konnte – nichts wollte ihr einfallen, das ihre Schwester nicht gefährdete oder wirkungslos wäre; selbst Ohtah hatte sie ja nur durch eine List besiegen können.

„Oh, sag´ bloß, du willst nicht mehr spielen … Tja, ich habe nicht solche Skrupel!“, machte sie sich über ihr Original lustig und feuerte wahllos ab.

Nadeshiko spurtete los, warf sich gerade rechtzeitig vor den Prunkspiegel. Der Zauber traf punktgenau das Medaillon. Mit einem Schlag wäre ihr zum Lachen zumute gewesen – Ohtah, Seiketsu, Klerus standen bedingungslos hinter ihr, während diese magere Kopie keinerlei Unterstützung besaß; niemals könnte sie dieselbe Stärke aufbringen!

„Du hast meine Schwester jahrelang gefangen gehalten, die Schüler von Hogwarts bedroht und dich über mich lustig gemacht … Es stimmt, Elementarzauber sind meine Spezialität – gerade deshalb habe ich sie im Turnier gegen Ohtah nicht recht eingesetzt. Bei dir ist die Sache jedoch ein wenig anders … Wenn du mich kopiert hast, während ich hier hereingekommen bin, muss ich einfach nur stärker sein, als in diesem Moment!“, erklärte Nadeshiko entschlossen und ließ ihren Zauberstab umherwirbeln.

Die Fackeln an den Wänden loderten kräftiger, Bänder aus Flammen tanzten um sie herum.

Die falsche Nadeshiko dagegen wich ein Stück zurück und meinte: „Ha, als ob du es riskieren würdest, dass sie zu Schaden kommt!“

„Hattest du nicht vorhin noch gesagt, du wüsstest alles über mich? Ich beherrsche das Feuer in ersten Linie mit meinem Willen – und natürlich wird Sei auf diese Art verschont bleiben.“, gab die Gryffindor zurück, „Incendio!“

Der brennende Strahl schoss geradewegs auf ihr Spiegelbild zu, das nicht von der Stelle bewegte oder eine Gegenmaßnahme ergriff, es lag nicht in seiner Macht – die Prüfung des Verlieses bestand darin, über sich selbst hinauszuwachsen und das eigene Ich zu übertreffen. Der Anflug eines Lachens ergriff Nadeshiko – Rien hätte es niemals geschafft, seine Kopie zu besiegen … wenigstens war er schlau genug gewesen, sich in dieser Hinsicht nicht zu überschätzen; anders bei der Sache, sie würde Ohtah für ihn verlassen … das sprach einzig und allein von Größenwahn.

Als sich der Rauch verzogen hatte, hallte eine gar gespenstische Stimme von allen Seiten wieder: „Du hast es geschafft, Nadeshiko Yosogawa – der Preis ist dir gewiss. So sprich deinen Wunsch, den ich dir erfüllen soll …“

„Lass´ meine Schwester frei!“, rief die junge Gryffindor entschieden.

Doch die Antwort sollte sie überraschen: „Diesen Wunsch musst du nicht äußern – Seiketsu Yosogawa wird aus ihrem Gefängnis befreit, sobald meine Macht ihren Zweck erfüllt hat. Wärst du gescheitert, hättest du ihr Schicksal geteilt … dein Sieg jedoch gewährt dir einen Wunsch jenseits der Magie und danach wird dieses mein Verlies wieder versiegelt. Die vier Gründer von Hogwarts stießen einst auf meine Kraftquelle und beschlossen, diese Schule zu bauen, um mich darin zu verstecken. Doch mit den Jahrhunderten entwickelte ich eine eigene Denkweise … und aus dem Zorn darüber, dass man mich hier eingesperrt hatte, erschuf ich die anderen Verwunschenen Verliese mit ihren Flüchen.“

Magie besaß Grenzen – Tote konnten nicht wiedererweckt werden, wahre Liebe nicht erzwungen werden, sogar mit einem Zeitumkehrer konnte man die Vergangenheit nicht vollständig ändern. Nun schien es, als hätte sie diese Macht … Nadeshiko könnte verhindern, dass Seiketsu jemals von den Verwunschenen Verliesen erfuhr. Rien könnte niemals nach Hogwarts kommen oder überhaupt erst geboren werden. Es gab unzählige Möglichkeiten! Und für einen kurzen Augenblick flackerte Gier in ihrem Innern auf. Statt der Vergangenheit könnte die Rothaarige genauso gut auf die Zukunft Einfluss nehmen! Den Wunsch von Ramon Rien vorauszusehen, wäre ein leichtes – die Herrschaft über die Zaubererschaft, der mächtigste Magier aller Zeiten zu sein. Was hätte sich Seiketsu gewünscht? Oder Ohtah und Klerus? Würde sich Professor McGonegall die Rückkehr des beliebtesten Schulleiters von Hogwarts, Albus Dumbledore wünschen? Dies alles zählte nicht … selbst ihr Wunsch … Nicht Nadeshiko Yosogawa war es, die sich etwas wünschen sollte, wünschen musste – der Fluchbrecher in ihr hatte einen Wunsch auszusprechen.

„Nun gut, Macht der Verwunschenen Verliese, hör´ mich an …“, sprach sie ohne Zweifel, „Eine Versiegelung genügt nicht … Verlasse diese Welt – für alle Ewigkeit!“

Niemals durfte eine derartige Kraft in die falschen Hände geraten … Das Schutzkonzept von Godric Gryffindor, Rowena Ravenclaw, Helga Hufflepuff und Salazar Slytherin hatte versagt und nicht ausgereicht, um sie vor der Welt zu verbergen. Es gab gute Gründe, warum die Magie nicht allmächtig war … Um das Leben zu schätzen, brauchte es den Tod … Die Gefühle eines Menschen für einen anderen waren der größte Schatz auf der ganzen Welt … Und lernen ließ sich nur aus der geschehenen Vergangenheit … Ohne Ohtah, Seiketsu, Klerus, ihre Eltern wäre Nadeshiko der Versuchung erlegen gewesen – doch so besaß sie alles, was sie sich nur wünschen konnte. Mit einem Knall splitterte das Spiegelglas. Nadeshiko eilte zu ihrer Schwester, die noch nicht gänzlich aus ihrem langen Schlaf erwacht war. Nur langsam kam sie vollends zu Bewusstsein.

Dann lächelte sie, während ein einziges Wort über ihre Lippen kam: „Shiko …“

Dagegen sprudelten es aus Nadeshiko´s Mund nur so heraus – dass sie stets daran geglaubt hatte, Seiketsu zu finden und ihre Eltern nichts von ihrer Suche wussten; dass sie so unsagbar froh war und wie ihre ältere Schwester die Zeit erlebt hätte – denn ein Teil der Gryffindor hatte bereits festgestellt, dass die Braunhaarige seit ihrem Verschwinden um keinen Tag gealtert war …

„Ich … ich weiß noch, dass ich den Raum betreten und in den Spiegel gesehen habe … Da stieg mein anderes Ich daraus hervor und hat mich zum Duell herausgefordert. Aber … ich habe verloren.“, erzählte sie mit Scham in der Stimme, „Danach wurde alles schwarz … Es war wie ein langer Traum – ich habe deine Stimme gehört, immer wieder. Doch ich konnte dir nicht antworten, nicht aufwachen. Und jetzt bist du wirklich hier! Was musstest du dafür bloß alles durchmachen?“

Den letzten Satz sagte sie eher wie zu sich selbst. Nadeshiko dachte an ihren eigenen Zweikampf – einzig das jahrelange Training, die Auseinandersetzungen mit Livia, ihre ganzen Erlebnisse und Hindernisse hatten sie diesen Test bestehen lassen … Noch vor ein paar Stunden hatte sich Rien darüber lustig gemacht, weil sie noch nie ein Duell verloren hatte – auch er war ihr unterliegen gewesen. Trotzdem hätte nicht viel gefehlt und ihr wäre es ebenso ergangen … gefangen, bis jemand anderes den Fluch brechen könnte. Aber nun hatte die Grausamkeit der Verwunschenen Verliese endgültig ein Ende gefunden!

„Lass' uns gehen … Oneechan. Expecto Patronum!“, beschwor Nadeshiko unter großem Staunen ihren Phönix heraus, der sogleich durch die Decke verschwand, um seine Botschaft zu übermitteln, „Madame Pomfrey soll dich erst mal gründlich durchchecken.“

Seiketsu zog eine Augenbraue hoch, als sie entgegnete: „Wohl eher dich – du siehst ziemlich mitgenommen aus. Ich hab ja nur … Wie lang eigentlich geschlafen – acht Jahre? Ich muss mich wohl daran gewöhnen, dass meine kleine Shiko inzwischen erwachsen worden ist.“

Der traurige Nachklang entging ihr nicht und so antwortete sie: „Es ist nicht deine Schuld … Ich allein habe entschieden, die Hoffnung nicht aufzugeben und den Gerüchten um … um deinen Tod keinen Glauben zu schenken. Die Verwunschenen Verliese waren harte Prüfungen, ja … aber durch sie bin ich auch gewachsen. Und heute wurde ich belohnt.“

Erneut schlossen sich beide jungen Frauen in die Arme. Nachdem Seiketsu also ihren Protest aufgegeben hatte, führte Nadeshiko sie ohne Umschweife durch das Labyrinth des Verlieses. Wie der Phönix, welcher sich in ihrem Patronus manifestierte, entstieg Nadeshiko gemeinsam mit ihrer Schwester dem Kamin, dessen Feuer sich ihrem Willen beugte und sie nicht verbrannten … Kaum waren die Schwestern durch das Wappen zurück in die Große Halle getreten, fiel die Macht dahinter vollends in sich zusammen. Professor McGonegall, welche der Patroni benachrichtigt hatte, fiel bei diesem Anblick beinahe in Ohnmacht, während Madame Pomfrey sofort herbeieilte, um ihrer beider Gesundheitszustand einzuschätzen.

„Mir fehlt nichts. Nur ein wenig erschöpft … Seiketsu ist diejenige, um die sie sich kümmern müssen – ihre Zeit war über die ganzen Jahre eingefroren.“, berichtete die Rothaarige matt lächelnd.

Da stürmte Klerus herein. Er wirkte etwas zerzaust und ging mir direkten Schritten auf die Braunhaarige zu.

Vor ihr verbeugte er sich verlegen und sagte: „Sei-Seiketsu … ein Glück, dass … du endlich gerettet worden bist. Also ich bin … ich bin Klerus, Ohtah´s Halbbruder. Ohtah ist-“

„Schon gut, Klerus, eins nach dem anderen.“, unterbrach ihn die Gryffindor sanft.

Mit einem halb erstickten Lachen meinte ihr sehr bekannte Stimme daraufhin: „Und ich dachte … du würdest ihr als erster sagen, dass … dass du in Hogwarts die Liebe deines Lebens gefunden hast.“

„Ohtah!“, stieß Nadeshiko erleichtert aus und stürmte ihm entgegen.

Er lehnte am Torrahmen, presste sie fest an sich und meinte: „Entschuldige, dass du dir Sorgen um mich gemacht hast und du das letzte Verlies ganz allein bewältigen musstest.“

„Nein, du warst immer bei mir …“, weinte und lachte Nadeshiko vor Glück, ehe sie sich vor versammelter Mannschaft küssten.

„Herrjemine! Patienten über Patienten – ich bestehe darauf, dass Sie die Nacht über im Krankenflügel bleiben, Miss Yosogawa und, äh, Miss Yosogawa. Dasselbe gilt für Sie, Mister Shadowdragon. Ich gehe Ihnen etwas zu essen und heißes zu trinken holen; sie brauchen absolute Ruhe! Verliese, Flüche … ich hoffe, das hat nun wahrlich ein Ende!“, murmelte Madame Pomfrey vor sich hin, während sie davon eilte.

In der Zwischenzeit hatte sich Professor McGonegall etwas gefangen und berichtete, dass Rien nach Askarban abgeführt worden war. Sie rechnete nach seiner Verurteilung mit einem lebenslangen Aufenthalt.

Eine Weile herrschte schweigen, ehe sie an Nadeshiko gewandt weitersprach: „Es tut mir leid, dass ich Sie anfangs unterschätzt habe – der Schutz meiner Schüler ist meine höchste Priorität …“

„Ihre Sorge hat mich sehr geehrt … auch wenn ich sie nicht immer … nun ja, Rücksicht darauf genommen habe.“, entgegnete die Rothaarige lächelnd.

Nun richtete die Schulleiterin ihre Worte beinahe kleinlaut an Seiketsu: „Ich weiß nicht, ob Sie mir verzeihen können, dass wir die Suche nach Ihnen eingestellt haben …“

Seiketsu erwiderte ihren Blick ohne Groll, als sie antwortete: „Ich in Ihrer Position, Professor, hätte die Geschichte höchstwahrscheinlich ebenfalls nicht geglaubt. Alles deutete daraufhin, ich wäre … Shiko hat mir erzählt, dass selbst unsere Eltern von meinem Tod überzeugt sind.“

„Natürlich! Ich muss sie unverzüglich benachrichtigen!“, rief Professor McGonegall plötzlich aus, „Hören Sie darauf, was Madame Pomfrey Ihnen sagt – ich wünsche Ihnen eine gute Nacht. Ach, und Sie gehen unverzüglich in Ihren Gemeinschaftsraum, Mister Monko! Dieser Tag war nun wirklich ereignisreich genug, für uns alle.“

Klerus öffnete den Mund zum Protest, da schüttelte Nadeshiko kurz den Kopf. Leicht geknickt warf er noch einen Blick auf seine heimliche Angebetete, bevor er grummelnd davonstapfte. Nur Minuten später waren die drei in ihren Betten untergebracht, mit Essen versorgt und die Erschöpfung forderte endgültig ihren Tribut. Trotzdem versuchte die Rothaarige vehement wach zu bleiben – sie saß aufrecht da und ihre Augen wanderten von Ohtah zu Seiketsu, die sich hingelegt hatten. Sämtliche Hindernisse hatte sie überwunden und zum Schluss ihre Liebsten zurückbekommen! Ohtah und Seiketsu ging es gut … der Fluch der Verwunschenen Verliese war gebrochen, kein Schüler von Hogwarts würde je mehr darunter leiden. Und dennoch hatte sie Angst all das könnte nur ein Traum sein …

„Ich verschwinde nicht mehr …“, meinte ihre Schwester in die Dunkelheit.

Überrascht flüsterte Nadeshiko: „Du hast noch gar nicht geschlafen?“

„Ich denke, wir hatten beide denselben Gedanken – zu warten bis du eingeschlafen bist, Shiko.“, entgegnete da Ohtah.

Sie lachten hinter vorgehaltener Hand, um Madame Pomfrey nicht auf den Plan zu rufen. Nun entspannte sich Nadeshiko doch noch … Ihr Traum blieb wunderbarerweise von Alpträume über Rien verschont.
 

Es war niemals leicht gewesen, eine Yosogawa zu sein … Doch bereits am nächsten Morgen wollten zahlreiche Schüler in den Krankenflügel drängen. Als Madame Pomfrey die meisten von ihnen wegschickte, versuchten die jungen Hexen und Zauberer sogar sich durch Verletzungen, verpatzten Flüchen oder gar »Nasch-und-Schwänz«-Leckereien hinein zu schmuggeln. Und diese ganze Mühe nur, um die wundersame Geschichte über die Yosogawa-Schwestern mit eigenen Augen zu sehen. Nach einem ordentlichen Frühstück fühlten sich beide gewappnet, der versammelten Lehrerschaft gegenüber zu treten – Ohtah hatte darauf bestanden, sie zu begleiten und auch Klerus ließ sich diesmal nicht abweisen. Keiner von ihnen war zuvor im Lehrerzimmer gewesen und im Grunde unterschied es sich nicht direkt von jenen in einer Muggelschule; zumindest wenn man über die Themen der Lehrbücher, Gefäßen mit Zaubertränken sowie Zutaten für solche, einige beschlagnahmte Zauberscherzartikel und bewegte Portraits hinwegsah. Professor Flitwick brach beim Anblick von Seiketsu in Tränen aus – sie gehörte seinem Haus an, aber er hatte sie in Übereinkunft mit der Direktorin aufgegeben … Auch ihm gegenüber wiederholte Seiketsu ihre Milde, gerade als die Tür ein weiteres Mal geöffnet wurde. Nadeshiko konnte später nicht mehr sagen, was sie mehr verblüfft hatte – die Tränen ihres Vaters oder die Geschwindigkeit ihrer Mutter, als sie ihre ältere Tochter in die Arme geschlossen hatte. Nach und nach zog sich der Lehrkörper zurück.

Irgendwann hatte sich Togo Yosogawa wieder halbwegs gefangen und hauchte: „Wie ist das nur möglich?“

Wie brachte man seinen Eltern bei, dass man ihnen fast neun beziehungsweise sieben Jahre lang etwas verheimlicht hatte? Nadeshiko Yosogawa entschied sich dafür, ganz am Anfang zu beginnen – sie konnte einfach nicht glauben, dass ihre große Schwester wahrlich gestorben sein sollte und so hatte sie sich seit ihrem Verschwinden darauf vorbereitet, nach ihr zu suchen. Sie berichtete von Ohtah´s und später genauso Klerus´ Entschlossenheit, ihr dabei zu helfen, Seiketsu zu retten, und sie es ohne die beiden nicht geschafft hätte.

„Otosama, Okasan … ich kann mich nur dafür entschuldigen, euch so lange angelogen zu haben. Die Suche nach Oneechan bereue ich dagegen keineswegs!“, endete die Gryffindor ihren Bericht.

Ihre Eltern hätten sie sofort von Hogwarts genommen, wenn sie etwas geahnt hätten, und Seiketsu wäre auf ewig verloren gewesen … doch es tat gut, die Wahrheit endlich ausgesprochen zu haben.

Ihr Vater schritt mit ernster Miene auf sie zu, zog sie an sich und sagte dann: „Ich bin so stolz auf dich! Es scheint, dieser … Sprechende Hut hatte recht – du bist wahrhaft mutig.“

Es hieß Albus Dumbledore hatte einmal gesagt: „Es gehört sehr viel Tapferkeit dazu, sich seinen Feinden in den Weg zu stellen … aber wesentlich mehr noch, sich seinen Freunden in den Weg zu stellen.“

Und ebenso seiner Familie – um für das einzustehen, an das man von ganzem Herzen glaubte!
 

Derart emotional aufgewühlt wurde der Abschied von ihren Eltern seltsam. Ihre Mutter hatte nicht aufhören können zu weinen – eine Tochter hatte sich jahrelang in größte Gefahr begeben, damit sie die andere Tochter zurückbekamen … Ihr Vater dagegen war voll des Lobes für die beiden jungen Männer, welche jederzeit in seinem Haus willkommen wären. Was vor allem Klerus einen hochroten Kopf verlieh. Nachdem sie per Flonetzwerk verschwunden waren, verblieb Nadeshiko im Büro der Direktorin.

„Haben Sie vielen Dank für diesen Tag.“, meinte sie lächelnd.

Professor McGonegall sah über ihre Brillengläser hinweg und wollte wissen: „Miss Yosogawa, wie kommen Sie mit Rien´s Verrat zurecht? Ich meine, er war Ihr Vertrauter … Durch ihn haben Sie Dinge erlebt, die sich nicht einfach vergessen lassen …“

Die Frage erwischte die Rothaarige vollkommen unvorbereitet. Bislang hatte sie nicht mehr weiter gewagt, an Ramon Rien zu denken … Es stimmte, ihr Vertrauen war missbraucht worden.

„Als ich die Wahrheit in Seiketsu´s Aufzeichnungen gefunden habe – ich dachte, ich würde in ein tiefes Loch stürzen. Dann kam die Wut, gefolgt von Angst … was er meinen Freunden alles hätte antun können … und ob … ob ich in all der Zeit, nicht doch ein wenig wie er geworden wäre.“, antwortete sie mit brüchiger Stimme.

Die Schulleiterin kam um den Schreibtisch herum und nahm ihre Hände, verständnisvoll entgegnete sie: „Natürlich eifern Schüler mehr oder minder uns Lehrern nach – das bedeutet jedoch nicht, dass sie an unsere Einstellungen gebunden sind. Sie selbst entscheiden, welchem Lebensweg Sie folgen möchten … und ich versichere Ihnen, Sie haben den dunklen Mächten bereits ordentlich Einhalt geboten!“

Eine Welle tiefer Dankbarkeit überflutete Nadeshiko´s Herz. Es mochte dauern, bis sie all die Erlebnisse richtig verarbeitet hatte … doch die Rettung ihrer Schwester war all das wert gewesen, was sie durchlebt hatte! Und noch blieben ihnen ein paar letzte Monate als ganz gewöhnliche Schülerin in Hogwarts – gemeinsame Ausflüge nach Hogsmeade, Streifzüge zu viert samt Shirayuki und ganz wichtig … die UTZ-Prüfungen würden schon bald ins Haus stehen!
 

Ob als Fluchbrecher oder Fluchopfer – der verpasste beziehungsweise vernachlässigte Schulstoff, besonders die Prüfung relevantesten Themen zu pauken, erwies sich als ebenso stressig, wie ihr vorangegangener Kampf. Lernen, lernen, lernen … Klerus bemitleidete seine Freunde und stellte sich Abfragen zur Verfügung. Da für Seiketsu keine Zeit vergangen war, konnte sie ihr Wissen bis dato wieder vollkommen abrufen – aber selbst ihr als Musterschülerin, was die Noten betraf, bereiteten die Abschlussprüfungen Sorgen.

Ohtah dagegen behauptete einmal großspurig: „Was kann daran so schwer sein? Wenn irgendein eingebildeter Angeber die UTZ hinter sich bringen kann, können wir das doch mit Leichtigkeit!“

Nadeshiko amüsierte sich über den Seitenhieb auf Argo. Das Gespräch über ihn hatten sie nachgeholt, nachdem sich die Aufregung um Seiketsu´s Befreiung etwas gelegt hatte – der Braunhaarige war nicht einmal wirklich eifersüchtig geworden, er gab ihr keine Schuld … und bestätigte, dass ihrer Liebe absolut nichts etwas anhaben konnte! Außerdem war die Einhaltung seines Versprechens in greifbare Nähe gerückt – sie standen tatsächlich kurz davor, das Abschlusszeugnis von Hogwarts nach Hause bringen! Mit dieser Entschlossenheit stürzten sich die drei in ihren zweiwöchigen Prüfungsmarathon – genau wie bei den ZAGs kamen zunächst die Hauptfächer dran. Der schriftliche Teil von Verwandlung war eine halbe Katastrophe, dafür ging ihnen der Praxisteil besser von der Hand – sie mussten, als Steigerung zum letzten Mal, einen Desillusionierungszauber auf sich selbst legen und vor zwei verschiedenen Hintergründen komplett verschwinden, was ihnen tadellos gelang. In Zauberkunst brachten sie ein etwas besseres Ergebnis auf das Papier und ihnen wurde die Aufgabe gestellt, aus einem einfachen Gegenstand eine Waffe zu machen. Ohtah, der seinem Familiennamen neue Ehre bereiten wollte, dachte an die drachenförmigen Wasserspeier auf dem Dach und führte »Draconifors« aus, welcher diese zum Leben erweckte beziehungsweise ihm die Kontrolle über sie gab. Nadeshiko blieb ihrem Element treu – mit »Flagrante« wurde das verzauberte Objekt bei Berührung glühend heiß. Und Seiketsu entschied sich für »Waddiwasi«, was ihr ausgewähltes Ziel mit hoher Geschwindigkeit voranschnellen ließ. Als die Gryffindor und der Slytherin hörten, was in der Verteidigung gegen die dunklen Künste geprüft wurde, mussten beide einen Lachanfall unterdrücken – es ging allen ernstes darum, sich bis zu zehn Minuten lang gegen die Angriffe des Prüfers zu verteidigen, ohne selbst in die Offensive zu gehen. Die Theorie war ihnen bereits leicht gefallen, hier glänzten sie wortwörtlich; der Ravenclaw war bei ersterem ebenfalls erfolgreich gewesen, wurde allerdings kurz vor Ablauf der Frist vom letzten Fluch getroffen. Im Fach seines Hauslehrers lieferte Ohtah eine perfekte Leistung ab, an der Seiketsu nur knapp vorbeischrammte – in der Kräuterkunde dagegen war es genau umgekehrt. Die nächtliche Prüfung von Astronomie verlief für die Braunhaarige nicht ganz so, wie gewünscht, stand allerdings auch nicht auf der Prioritätenliste, und dafür wunderte sich ihre Schwester wieder einmal, wie all die Jahreszahlen, merkwürdigen Namen aus Professor Binn´s einschläfernder Stimmlage in ihrem Kopf geblieben waren. Für Arithmantik, dem wichtigsten Fach für einen Fluchbrecher, sollten die Siebtklässler innerhalb von fünf Minute so viele magische Variablen, wie nur möglich an die entsprechende Stelle setzen – das ganze glich einem Puzzle und Nadeshiko setzte ihren kompletten Fokus auf die Aufgabe. Ebenso viel Eifer zeigte sie beim Übersetzungstext in Alte Runen, bei dem sie allerdings ausgerechnet die Worte »Tehanu«, was so viel hieß wie Windstoß, und »Therru«, was Flamme bedeutete, verwechselte. Seiketsu kam bei diesen zwei Prüfungen ebenfalls gut weg gekommen und hatte es damit geschafft. Für die anderen stand als letztes noch Pflege magischer Geschöpfe auf dem Plan – mit dessen Verlauf Nadeshiko und Ohtah eigentlich sehr zufrieden waren; besonders hatte ihnen die eine Aufgabe gefallen, bei der sie Eier den verschiedenen Tierwesen wie Hippogreif und Occamy zuordnen mussten.

Erschöpft, aber glücklich genossen die drei – Klerus hatte regulären Unterricht – den nächsten Tag im Schatten eines Baumes am Ufer des Schwarzen Sees. Die letzten Tage im Schloss konnten sie selbst gestalten, etwa wie der heutige oder in der Verbotenen Abteilung der Bibliothek, was noch auf ihrer Agenda stand. Genauso wie allen ihren Lieblingsplätzen nochmal einen Besuch abzustatten, den kommenden Samstag in Hogsmeade zu verbringen – sicher interessierte sich Madame Rosmertha, was aus Seiketsu´s Geschichte geworden war. Gegen Mittag, nachdem sie ausgeschlafen hatte, stieß Shirayuki zu ihnen und knabberte ein paar Kekse. Denn am Morgen war ein kleines Überraschungspaket auf Nadeshiko´s Bett gelegen, gefüllt mit Flaschen Limonade und Gebäck. Obwohl kein Absender darauf vermerkt war, wusste sie, es konnte einzig von der Hauselfe Ciri stammen konnte – sie hatten die UTZ mehr oder weniger erfolgreich, jedoch absolut zufrieden hinter sich gebracht und dies sollte wohl ihre Belohnung sein. Dieser Ort war so sehr ein Zuhause für die Absolventen geworden, dass der unausweichliche Abschied schmerzte …

„Ein Teil von mir kann es immer noch nicht recht glauben …“, meinte Seiketsu plötzlich, „Ich meine, was uns passiert ist – mit den Verliesen. Und na ja, es mag komisch klingen, aber nur deswegen sitzen wir jetzt hier.“

Die Rothaarige nickte: „So denke ich auch. Was auch immer der Grund sein mag, warum ausgerechnet wir diesen Fluchen brechen mussten …“

„Torvus würde nun bestimmt über die besondere Sternenkonstellation bei unserer Geburt erläutern, die genauso gewesen wäre, wie bei der Erschaffung durch die vier Gründer oder so etwas.“, lachte die Ältere.

Es hatte Nadeshiko´s gesamte Überredungskunst gebraucht, um sie zum Treffen mit den Zentauren zu bewegen … zu sehr hatte sich die Ravenclaw geschämt, für ihre blinde Verliebtheit, wegen der sie überhaupt erst so … rücksichtslos gehandelt und ihm wirklich den Pfeil gestohlen hatte. Daher war sie so unendlich erleichtert gewesen, dass er ihr verzieh und ihre Freundschaft erneuerte. Schon ihrer Schwester zu helfen, bewies ihr, dass Torvus ihre Bindung nie gänzlich verloren geglaubte …
 

Nadeshiko erwachte nach einem wundervollen Traum. Ein glückliches Lächeln lag auf ihren Lippen. Da fiel ihr auf, dass sie die einzige im Schlafraum war. Sie streckte sich genüsslich, als etwas – oder besser gesagt jemand an das Turmfester klopfte. Hastig stieg die Rothaarige aus dem Bett und ließ Shirayuki herein, die ein Päckchen mitgebracht hatte.

„Ist es das?“, wollte Nadeshiko mit leuchtenden Augen wissen, woraufhin ihre Eule einen kurzen Laut ausstieß.

Vor Aufregung zitternd öffnete sie es und ihre Finger fuhren fast schon zärtlich über den Inhalt.

„Hoffentlich gefalle ich ihm darin …“, flüsterte sie verlegen und ließ sich zurück auf ihr Bett fallen.

Den Anblick des scharlachroten Baldachins über sich würde sie vermissen … Sieben lange Jahre hatte dieser Ort sie begleitet. Unzählige Male hatte Nadeshiko den Glauben verloren, diesen Tag zu erleben – das Abschlussfest für die Hogwarts-Absolventen! Was für andere selbstverständlich erschien, war bei ihr stets fragwürdig gewesen … Doch nun war ihre Schwester befreit, das Geheimnis der Verwunschenen Verliese gelöst – und das alles Dank Ohtah. Eine Träne stahl sich auf ihre Wangen. Realistisch betrachtet glich ihr Leben in Hogwarts einem Märchen – ein Wunder, wie es im Buche stand, über eine tiefe Freundschaft, aus der Liebe wurde … Wenn es für »Glück« eine Bedeutung gab, dann diese!

Seit dem Ball in der Großen Halle hatte Nadeshiko nicht mehr die Gelegenheit gehabt, sich derart zu kleiden. Die meisten Schülerinnen, so wusste sie aus den Gesprächen, würden vorrangig Cocktailkleider tragen. Seiketsu und sie selbst wollten etwas gänzlich anderes – nicht um herauszustechen, darum ging es ihnen nicht; ihre Geschichte war der Grund dafür … die Verwunschenen Verliese stammten aus einer vollkommen anderen Zeit. Das Gewand ihrer Schwester erinnerte an eine Kräuterfrau oder fahrende Heilerin in den Farben ihres Hauses, das Haar hatte sie an der rechten Seite herabhängend zu einem festen Zopf gebunden, an ihrem Gürtel war ein Halfter für den Zauberstab angebracht. Genau derselbe befand sich auch an Nadeshiko´s Band, welches mit goldenen Stickereien verziert war und perfekt mit dem Jungfernkranz auf ihrem Kopf – ihr geflochtenes Haar fiel übrigens über die linke Schulter – sowie dem geschnürten, mittelalterlichen Kleid in einem tiefen Rotton harmonierte; um den Hals trug sie natürlich weiterhin das Medaillon. Beide hätten genauso gut einem Lehrbuch aus Geschichte der Zauberei entstiegen sein können. Wenig überraschend also, dass sie auf dem Weg zur Großen Halle sämtliche Blicke der Schülerschaft auf sich zogen. Für Ohtah war es beinahe wie ein Déjà-vu … Seine schwarz schimmernden Iriden weiteten sich vor Erstaunen. Er bekam nicht einmal mit, wie sein Bruder neben ihm ins Schwanken kam – seine Aufmerksamkeit galt allerdings Seiketsu. Mit deutlicher Röte im Gesicht begrüßten sie die geplätteten Herren.

„Du … du bist … wunderschön.“, stammelte Klerus unbeholfen und bot ihr seine Hand an, um sie hineinzugeleiten.

Ohtah dagegen zog seine Liebste fest an sich und küsste sie leidenschaftlich.

„Mister Shadowdragon, das ist gegen die Schulordnung – haben wir in unserer Laufbahn nicht schon genug Regeln gebrochen?“, hauchte Nadeshiko, ohne sich recht von ihm zu lösen.

Darauf grinste er frech und meinte: „Dann dürfen Sie mich eben nicht so um den Verstand bringen, Miss Yosogawa … Außerdem werden wir morgen doch ohnehin vor die Tür gesetzt!“

Noch einmal berührten sich ihre Lippen, ehe sie ihren Geschwistern folgten. Nur wenige, die nicht zur Abschlussklasse gehörten, wohnten diesem Abend bei – daher war die Sitzordnung der Haustische aufgehoben und die Freunde konnten sich einen gemeinsamen Platz suchen.

Ein paar Minuten später erhob sich Professor McGonegall von ihrem Platz und sagte würdevoll: „Willkommen! Lehrer zu sein, ist Fluch und Segen zugleich … Wir sehen Sie aufwachsen – helfen Ihnen dabei, wenn wir es vermögen und dann kommt irgendwann dieser Tag, an dem die Schüler dieses Schloss als vollwertige Hexen und Zauberer verlassen. Sie sind nicht mehr dieselben, die Sie bei Ihrer Ankunft hier waren … Diese Schule als Absolventen zu verlassen bedeutet, dass Ihnen von nun an die Welt offen steht – gleichzeitig wird Ihnen Hogwarts immer ein Stück weit ein Zuhause sein …“

Nadeshiko stutzte. Für einen kurzen Moment konnte sie die Augen der Direktorin feucht glitzern sehen. Als ihre Rede endete, gesellten sich Professor Sprout, Professor Slughorn sowie Professor Flitwick zu ihr – die vier Hauslehrer riefen jeweils einen ihrer Schüler zu sich, übergaben ihnen das Abschlusszeugnis und eine kleine Schatulle mit einigen persönlichen Worten. Nadeshiko´s, Ohtah´s und Seiketsu´s Namen erklangen gleichzeitig. Klerus schaute ihnen sehnsuchtsvoll hinterher – auf ihn wartete noch ein ganzes Jahr ohne seine Gefährten …

Wie erwartet hatte die Braunhaarige trotz aller Widrigkeiten in jeden Fach ein UTZ erhalten, wobei in Kräuterkunde ein »Ohnegleichen« glänzte und es bei Astronomie nur zu »Annehmbar« gereicht hatte – ansonsten strahlten ihr sehr zufriedenstellende »Erwartungen übertroffen« entgegen.

Der kleinwüchsige Zauberer schniefte plötzlich: „Ich muss mich nochmals bei Ihnen entschuldigen, Miss Yosogawa, – wir hätten die Suche nach Ihnen nicht aufgeben … und Sie so schlecht behandeln dürfen.“

„Ich habe Ihnen und den anderen nichts zu verzeihen … Meiner Schwester war es bestimmt, mich zu retten. Ich danke Ihnen für alles, Professor Flitwick.“, antwortete Seiketsu und verbeugte sich höflich.

Der Meister der Zaubertränke begann sein übliches Geschwafel über seine Wand mit bedeutenden Schüler und sagte plötzlich: „Sie haben Slytherin wahrhaft alle Ehre gemacht – ich sollte es ja nicht zu laut sagen, Mister Shadowdragon, aber Sie haben gezeigt, dass unser Haus nicht nur schwarze Magier hervorbringt!“

„Ich werde niemals auf die dunkle Seite wechseln, Professor!“, bestätigte Ohtah entschieden, ohne zu ahnen, dass seine Liebste einst fast genau dieselben Worte gebraucht hatte.

Mit seinem Zeugnis in der Hand, welches nicht nur in Verteidigung gegen die dunklen Künste, sondern auch in Zaubertränke die Bestnote zeigte, fühlte er sich bereit, Togo Yosogawa´s Erwartungen genauso gerecht zu werden, wie den Lehrern in den übrigen Fächern.

Wie oft hatten Professor McGonegall und Nadeshiko ernste Gespräche miteinander geführt? Nicht nur über die Verliese … und manchmal war es ihr so vorgekommen, als hätten sie sich wortlos unterhalten. Genau wie jetzt …

Schließlich ergriff die Ältere doch das Wort: „Manchmal vergisst man, was Tapferkeit wirklich bedeutet … Godric Gryffindor wäre stolz auf Sie, Miss Yosogawa, und Hogwarts wird nie vergessen, was Sie getan haben!“

„Es tut mir unglaublich leid für all die Scherereien, die ich Ihnen bereitet habe.“, entgegnete die Rothaarige mit einer tiefen Verbeugung, „Ich verspreche Ihnen, ich werde Ihre Lehren in Ehren halten.“

Ein mildes Lächeln trat auf die Züge ihrer Gegenüber und sie murmelte: „Ich weiß. Sollten Sie jemals meine Hilfe brauchen, wird Ihre Eule mich finden …“

Gerührt biss sich Nadeshiko auf die Lippen, sie nickte mehrmals und nahm die Insignien ihres Abschluss entgegen. Ihr Pergament trug – ganz im Zeichen ihres Berufswunsches – ebenfalls wieder in Verteidigung gegen die dunklen Künste ein »O« sowie in Arthmantik, für Alte Runen hatte es wohl wegen des kleinen Fehlers nur zu einem »E« gereicht, ebenso in all ihren anderen Fächern.

Als alle Schüler – nein, ehemaligen Schüler wieder Platz genommen hatten, erschien auf gewohnt magische Weise das Festmahl. Während sich die anderen direkt darüber hermachten, öffneten die drei Freunde erst einmal die geheimnisvollen Schatullen – darin befanden sich Ringe in den Legierungen gold für Gryffindor, silber für Slytherin und bronze für Ravenclaw; sobald es für Klerus soweit wäre, würde er ein solches Schmuckstück aus Obsidian erhalten. Neben dem Hogwarts-Wappen zeigte das Kleinod die Aufschrift »Alumni« … Absolvent. Alle steckten ihn sich an den linken, kleinen Finger – die Verbindung zu ihrer Vergangenheit auf der Herzseite.
 

In dieser Nacht schliefen sie nicht – sondern saßen zusammen im Raum der Wünsche, der sich in einer Mischung aller vier Gemeinschaftsraum zeigte.

„Ich weiß nicht, wie ich ohne das Schloss leben soll …“, seufzte Seiketsu wehmütig.

Ihre Schwester legte den Arm um sie und nickte: „Ja, das stimmt … aber denk´ an McGonegall´s Worte – es wird immer ein Stück Zuhause für uns sein.“

„Und das wichtigste, was Hogwarts uns gegeben hat, werden wir nie verlieren.“, meinte Ohtah, dann grinste er breit, „Einander!“

Seine Freunde lachten zustimmend. Doch Klerus wirkte betrübt … Sein Blick wanderte zu Seiketsu und er errötete. Ab morgen wäre sie fort …

„Sei!“, rief der Huffelpuff plötzlich wie aus der Pistole geschossen, „Würdest du in den Ferien mal mit mir ausgehen? So richtig, meine ich …“

Die Braunhaarige blinzelte ihn perplex an – Nadeshiko und Ohtah schauten genauso verdattert drein – und antwortete verlegen: „Gerne …“

Erleichtert konnte Klerus wieder durchatmen und der Slytherin gab ihm einen Klaps auf den Rücken, ehe seine Liebste sich an ihn wandte: „Ohtah … meine Antwort lautet >ja, ich will<. Es tut mir leid, dass ich dir das nicht gleich sagen konnte …“

Klerus und Seiketsu stand der Mund offen, während Ohtah ihre Hand ergriff und entgegnete: „Du bist jede Wartezeit wert, Shiko … Mein Herz wird für alle Ewigkeit nur dir gehören, das schwöre ich!“

So wurde aus ihrem gemütlichen Beisammensein gleich noch eine kleine Verlobungsfeier, welche die Hauselfe Ciri wie auf Stichwort noch ein letztes Mal mit Leckereien aus der Küche versorgte, und sich über die ganze Nacht erstreckte. Erst gut eine Stunde vor dem Frühstück kehrten sie schließlich nach unzähligen Gesprächen über ihre Abenteuer in die Schlafsäle zurück; keiner von ihnen hatte bislang seinen Koffer fertig gepackt und um ehrlich zu sein, wollten sie nicht noch mit einer Rüge gehen … Dreimal kontrollierte Nadeshiko schließlich, ob sie auch wirklich nichts vergessen hatte. Eines der letzten Dinge, die sie verstaute, waren ihre Umhänge sowie der Spitzhut, diese Kleidung würde sie ein Leben lang in Ehren halten!
 

Vier Stunden später war sämtliches Gepäck in den Zug gebracht worden, die Eulenkäfige sicher verschlossenen und ein aufgeregtes Stimmengewirr hallte durch die Flure. Nach und nach wurden die Schüler von den schwarzen Kutschen zum Bahnsteig gebracht. Nadeshiko, Ohtah, Seiketsu und Klerus standen vor dem gewaltigen Eingangstor des Schlosses und ließen den Blick über das Gelände schweifen. Synchron hoben die drei Absolventen ihre Zauberstäbe, helle Lichter flogen langsam empor, welche die Gestalt verschiedener Tierwesen annahmen – ein Phönix, ein Drache, ein Einhorn. Ein letzter Gruß zum Abschied …
 

Jeder Mensch ist im Grunde auf der Suche nach dem Sinn seines Lebens … manche bewusst, manche unbewusst. Und wieder andere kennen bereits ihre Aufgabe. Die Legende der Verwunschenen Verliese ist zu Ende erzählt … doch die Abenteuer von Nadeshiko Yosogawa haben gerade erst begonnen!


Nachwort zu diesem Kapitel:
Kleiner Funfact: dies war tatsächlich Shiko´s längstes Abenteuer - jedenfalls wenn man nicht sämtliche GW1-Storys zusammenzählt^^ Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück