57 Tage [16] Zoro & Smoker & Gavin
„Sie waren also in dieser Zelle eingesperrt?“
„Ja.“
„Für drei Tage und dann haben die anderen Gefangenen Sie befreit, richtig?“
„Ja.“
„Nach Ihren Erklärungen hatten Sie also jeden Grund Mister Spandam zu töten.“
„Habe ich aber nicht.“
Die Lüge ging Zoro einfach über die Lippen. Vielleicht war es auch nur eine halbe Lüge. Jeder von ihnen hatte seine Wut an Spandam ausgelassen, ihn solange verprügelt, bis sein Schädel unter den Schlagstöcken aufgeplatzt ist. Jede Nacht träumte Zoro davon und es waren keine schönen Träume. Schweißgebadet wachte er auf und Sanjis anklagender Gesichtsausdruck, der aller Offensichtlichkeit aussagte 'Ich habe es dir doch gesagt' machte die Sache auch nicht besser. Im Gegenteil, es endete ständig in Streits zwischen den Beiden, doch das war momentan nebensächlich. Beim Aufstand hatte nicht nur Spandam sein Leben gelassen, sondern auch drei Wärter und zwei Gefangene. Seit zehn Tagen suchte die Polizei nun schon nach den Verantwortlichen. Spandams Büro wurde in einen Hörraum umfunktioniert und Zoro fand sich nun schon zum fünften Mal vor dem Schreibtisch nieder, um dieselben Fragen zu beantworten, die er schon zuvor gestellt bekommen hatte. Seltsamerweise zog sich die Befragung stets über eine Stunde und länger, dann wurde er gegen einen anderen Gefangenen getauscht. Als Zoro an diesem Tag entlassen wurde, wurde er von zwei Wärtern abgeführt und traf vor dem Büro auf jemanden, den er schon beinahe wieder vergessen hatte: Direktor Kuzan. Im Schlepptau hatte er Smoker. Während Kuzan ihn mit einem Kopfnicken grüßte, das Gesicht zu einer sehr ernsten Miene verzogen, schenkte Smoker ihm einen säuerlichen Blick. Warum auch immer er sauer auf ihn war, doch bei Smoker war das beinahe normal. Die Beiden traten hinter ihm ins Büro an und Zoro wurde zurück zu seiner Zelle gebracht. Seit den Geschehnissen bekam jeder Gefangenen das Essen auf die Zimmer gebracht, es gab keine gemeinschaftlichen Treffen mehr, keinen Unterricht, nur der Aufenthalt in ihrer Zwei-Mann-Zelle, solange bis die Probleme geklärt waren. Hinter ihm fiel die Tür wieder zu und Zoros Blick fiel zuerst auf Sanji, der gegen die Wand gelehnt neben seinem Bett saß und ihm wieder diesen Gesichtsausdruck schenkte, bei dem sich Zoro beinahe schuldig fühlte. Er hasste diesen Gesichtsausdruck und er hasste es ihn auf diesem hübschen Gesicht zu sehen. Auch Sanji wurde anfangs von den Polizisten befragt, für die ersten zwei Tage, nun war er tagein, tagaus in der gemeinsamen Zelle. Zoro wüsste gerne wieso, doch Sanji erzählte es ihm nicht. Schließlich konnten die Polizisten eigentlich nicht wissen, dass er nichts mit Spandams Ermordung zu tun hatte.
„Ich habe Kuzan und Smoker gesehen“, teilte Zoro ihm mit, setzte sich auf das Bett neben Sanji. Gemeinsam starrten sie die graue Wand gegenüber an – mehr konnten sie hier auch nicht machen.
„Aha“, machte Sanji nur.
„Ich wüsste gerne, warum die dich nicht mehr ausfragen“, startete Zoro den gefühlten hundertsten Versuch. Eine ungutes Gefühl in seinem Herzen sagte ihm, dass Sanji wertvolle Informationen rausgegeben hatte und deswegen von der Polizei verschont wurde. Dass er nun kein Mittäter, sondern ein Zeuge war, um seine eigene Haut zu retten. Die Polizisten konnten nicht jeden Einzelnen beschulden, der in diesem Badezimmer gewesen war, sie mussten ihre Arbeit so detailliert wie möglich machen, weshalb sie eine Aussage von ihnen brauchten.
„Ich weiß, was du glaubst“, murmelte Sanji.
„Und?“
„Ja.“
„Was ja?“ Zoro spürte, wie ihm beinahe heiß wurde. Er hatte sie nicht wirklich verraten...?
„Das Problem ist, dass ein anderer Wärter euch ebenfalls gesehen hat. Vielleicht erinnerst du dich an diesen dicken Kerl, der dich befreit hat? Er hat ihnen zum Einen gesagt, dass er mich zurück auf die Krankenstation gebracht hat, zum Anderen, dass er euch gesehen hat. Er konnte all eure Namen sagen und er hat gesagt, dass ich ebenfalls dieselbe Zeugenaussage machen könnte.“
„Du sagst mir also, es blieb dir nichts anderes übrig als uns zu verraten?“
Mit einem Mal war Zoro auf den Beinen, wandte sich mit wütendem Gesichtsausdruck Sanji zu.
„Dieser Typ hat vor mir eure Namen gesagt“, sagte Sanji entschuldigend. „Zuerst habe ich so getan, als wenn ich euch alle nicht kennen würde, dann haben sie Bilder von euch raus geholt und mir gesagt, bei falscher Aussage könnte ich durchaus länger einsitzen.“
„Hattest du etwa Angst, Koch?“, fragte Zoro spöttisch.
„Ich sehe nicht ein, warum ich euch schützen sollte.“ Sanji sprang ebenfalls auf die Füße, seine Augen waren voller Wut mit einem Funken Verzweiflung. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. „Wir sind in einem Gefängnis, ich habe nur das getan, was du mir am Anfang beigebracht hast. Jeder kämpft für sich selbst, schon vergessen? Wenn es mir den Arsch rettet, mache ich es halt.“
„Das ist etwas anderes“, behauptete Zoro. „Bei allem, was Spandam uns angetan hat -“
„Ich weiß“, entfuhr es Sanji laut. „Ich werde diese Narben bis in alle Zeiten mit mir herum tragen und es nie vergessen können, doch das ändert nichts daran, dass ich keinen Tag länger in diesem Gefängnis bleiben will als nötig. Auch, wenn Spandam jetzt tot ist, ich gehöre hier nicht hin. Ich will einfach nur noch nach Hause.“
„Zu deiner Freundin?“ Zoro wusste nicht, warum er nun auch noch eifersüchtig wurde. Von Sanji solche Sachen gesagt zu bekommen, schmerzte ihn. Nachdem er sich für ihn geopfert hatte, um sein Leben zu retten, verriet er ihn nun an die Polizei. Er hätte es Sanji gerne vorgeworfen, hielt die Worte jedoch zurück. Kopfschüttelnd wandte sich der Koch von ihm ab, legte sich rücklings auf sein Bett und murmelte nur: „Lass mich in Ruhe, Marimo.“
Und das tat er.
Schlecht gelaunt wie eh und je ließ sich Smoker auf dem Stuhl nieder, faltete die Hände auf dem Tisch zusammen und schenkte dem Polizisten vor ihm seinen besten Todesblick. Ihm juckte es in der Kehle sich eine Zigarre anzustecken, aber dieses eine Mal würde er sich an die Richtlinien halten. Obwohl sie ihn und Kuzan anfangs gleichzeitig befragen wollten, hatten sie den wieder ins Amt getretene Direktor raus geschickt, um mit Smoker alleine sprechen zu können. Zuerst nahmen sie seine Personalien auf, dann musste er den Schwur ableisten nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen. Er bekam das Recht zu Schweigen, wenn er es für nötig hielt und wurde darauf hingewiesen, dass alles, was er sagte, vor Gericht gegen ihn verwendet werden konnte. Obgleich der Polizist alles mitschrieb, hatten sie noch zusätzlich ein Gerät zum Aufnehmen auf dem Schreibtisch platziert. Ihnen würde kein Wort entgehen.
„Wir haben mit einigen Gefangenen – Ihrer alten Klasse – gesprochen, die uns erzählt haben, dass Spandam Sie gefeuert hatte, weil Sie versucht haben Portegas D. Ace zu finden. Stimmt das?“
„Ja, das stimmt“, nickte Smoker.
„Dahingegen haben wir mehr als genug Zeugen“, stellte der Polizist fest, notierte sich ein paar Worte auf seinem Papier. „Ace war übrigens im alten Gebäudetrakt gewesen. Wieso kamen Sie nicht auf Idee ihn dort zu suchen?“
„Aus zwei Gründen“, sagte Smoker sogleich. „Erstens, ist der alte Gebäudetrakt zu gesperrt und ich habe keine Schlüssel, um ihn betreten zu können. Genau genommen sollte nicht einmal der Direktor einen Schlüssel dafür haben, denn zweitens, der Trakt wurde vor Jahren dicht gemacht, als herauskam, dass sich in den Wänden Asbest befindet. Ich habe keine Ahnung, wie Spandam an den Schlüssel ran gekommen ist.“
Der Polizist nickte verständlich und notierte sich wieder etwas auf dem Papier, dann fuhr er mit ruhiger Stimme fort.
„Vorübergehend haben wir den obersten Gefängnisleiter Spandei festgenommen. Denken Sie er wusste über die Umstände in diesem Gefängnis Bescheid?“
„Er hat sich zwar nie blicken lassen, aber ja. Schließlich hat er diesen sadistischen Abschaum selbst groß gezogen.“ Über seine grobe Ausdrucksweise schien der Polizist weder überrascht noch abgeneigt, er akzeptierte es einfach mit einem weiteren Nicken. „Vielleicht wusste er nicht, wie schlimm es hier genau zuging, doch, dass Spandam hier Gefangene misshandelt hat, darüber musste er sich im Klaren sein. Nicht nur als Vater, sondern auch als Leiter. Kuzan sowie viele andere Wärter und Lehrer haben häufig genug Beschwerden eingereicht.“
„Darüber sind wir uns bewusst“, sagte der Polizist und schaute von seinem Notizblatt auf. „Wir haben auch die Verletzungen einiger der Gefangenen gesehen. Es gibt kein Zweifel, dass dieser Aufstand eine Art Notwehr waren.“
„Denken Sie, Sie können auf Totschlag plädieren?“, fragte Smoker beinahe hoffnungsvoll. Das würde den Tätern den verdammten Arsch retten. Doch wie zu erwarten war, schüttelte der Polizist den Kopf.
„In Anbetracht des Zustands der Leiche, müssen wir hier leider von Mord ausgehen... wären Sie dazu bereit eine Zeugenaussage vor Gericht zu machen?“
„Ja.“
„Gut, dann gehen wir weiter in die Details...“
Eine ganze Weile musste Smoker damit verbringen seine Meinungen zu erklären und seine Aussagen durch weitere Aussagen zu beweisen. Schließlich wurde er entlassen und Kuzan durfte das Büro betreten. Solange er drin war, wartete Smoker auf ihn, steckte sich nun endlich eine Zigarre an und bekam dafür von den Wärtern schiefe Blicke zugeworfen. Im gesamten Gefängnis herrschte Rauchverbot, doch damit hatte sich Smoker noch nie aufgehalten. Als ihm die Blicke der Beiden zu bunt wurden, knurrte er säuerlich: „Ihr habt mitbekommen, wie Spandam jahrelang Gefangene misshandelt hat und bekommt die Hosen voll, wenn ich an einer Zigarre rauche?“
Das brachte sie dazu beschämt wegzuschauen. Über eine Stunde verbrachte Smoker mit Warten, dann wurde auch Kuzan endlich entlassen. Während sie sich ernst miteinander unterhielten und in Richtung Ausgang schritten, wurde die nächste Person zum Verhör gebracht...
Gavin blickte Kuzan und Smoker noch einen Moment hinterher, dann wurde er von den Wärtern ins Büro geschoben. In dieses verdammte Büro, in dem Spandam ihm schon mehr als häufig genug die Scheiße aus dem Leib geprügelt hatte. Trotzig und lässig ließ er sich auf dem freien Stuhl nieder, schon wieder zusammen mit diesem komischen Polizisten, der sie alle verhörte. Egal, wie ausfallend Gavin wurde, der Polizist behielt immer die Ruhe weg. Anscheinend hatte er so eine Prozedur schon häufig gemacht. Heute würde Gavin erlösen. Zehn Tage lang hatte er darüber nachgedacht und es als die beste Lösung empfunden. Das würde alle ziemlich überraschen, aber er hatte seine Gründe.
„Da sind wir wieder“, stellte Gavin belustigt fest.
„Ja, mal wieder. Diesmal möchte ich mit Ihnen darüber reden, dass wir ganz genau wissen, dass Sie unter den jungen Männern waren, die Spandam ins Badezimmer gebracht haben. Niemand scheint gesehen zu haben, wie ihr ihn zu Tode geschlagen habt, aber die Wahrscheinlichkeit liegt nahe, dass ihr an seinem Tod Schuld seid.“
„Sie wissen das ganz genau?“, wiederholte Gavin und tat auf überrascht. „Lass mich raten, der dicke Wärter und der Blondschopf haben es Ihnen verraten?“
„Wie wir davon erfahren haben, spielt keine Rolle.“
„Ah, hoffentlich kriegt das keiner raus“, sagte Gavin und schüttelte tadelnd eine Hand. „Das wird der Blondschopf nicht überleben.“
Darauf erwiderte der Polizist nichts, schrieb nur mit unveränderter Miene etwas auf sein Papier und blickte dann mit ernstem Gesichtsausdruck auf.
„Ich möchte dieses Spielchen nicht mehr treiben. Am Ende werdet ihr so oder so für das büßen müssen, was ihr getan habt.“
„Haben wir dafür nicht schon längst gebüßt?“, fragte Gavin, meinte damit die jahrelange Misshandlung unter Spandam. Ein schiefes Grinsen, völlig freudlos, umspielte seine Lippen. „Nein, Hüter der Gerechtigkeit, Sie können nicht wissen, wie es sich anfühlt, der letzte Abschaum der Welt zu sein. Zu wissen, dass sich kein Arsch für Sie interessiert und Sie keine Chance haben dem zu entkommen, was sie tagtäglich erwartet. Dass erst eine Ermordung von fünf Leuten notwendig war, damit mal jemand einen Blick auf dieses Gefängnis wirft, ist schon ein Armutszeugnis. Aber ich bin froh, ich hätte das Ganze ansonsten noch ein paar Jahre länger aushalten müssen.“
„Sie sind froh darüber, dass diese Leute gestorben sind?“, fragte der Polizist.
„Nur über Spandam, die anderen Vier sind mir egal“, antwortete Gavin Schulterzuckend. „Jedenfalls hat es gut getan ihn zu schlagen.“
„Also habt ihr ihn geprügelt?“
„Ja, alle Namen, die Ihnen genannt wurden. Wir haben zusammen auf ihn eingeschlagen mit unseren Schlagstöcken und all die Wut raus gelassen und gemerkt, wie verdammt gut es tut, ihm Schmerzen zu bereiten. Und irgendwann haben alle aufgehört... außer mir... wir wollten ihm eine Lektion erteilen, ihm zeigen, dass wir uns das nicht länger bieten lassen, aber mir hat das sicher nicht gereicht. Ich hab ihm den verdammten Schädel eingeschlagen und nicht auf die Anderen gehört, die wollten, dass ich aufhöre.“
„Sie gestehen die Tat?“, fragte der Polizist ungerührt. „Sie sagen, Sie tragen alleine die Schuld dafür?“
„Ich habe gestanden“, nickte Gavin. „Glaubt es oder glaubt es nicht.“
Er wusste nicht, ob der Polizist ihm seine Lüge wirklich abkaufte. In Wahrheit war es nicht Gavins Schuld alleine gewesen, nicht einmal er hatte Spandam das Licht ausgeblasen, diese Ehre war Ace zuteil geworden und er konnte es ihm wirklich nicht verübeln. Alle, die mit ihm dort unten gewesen waren, hatten nicht mehr allzu viel Zeit im Gefängnis verbringen müssen. Nur er musste hier noch einige Jahre absetzen, nur er hatte bereits einen Mord begangen. Und er bekam nie Besuch von den Leuten, die er früher einmal gekannt hatte, denn für sie war er nur noch ein Monster, ein Verrückter. Selbst, wenn er entlassen wird, hatte er nichts für das es sich zu Leben lohnte. Und damit war er der Einzige. Es schmerzte ihm nicht die Schuld komplett auf sich zu laden, mal abgesehen davon, dass er von den anderen Gefangenen dafür gefeiert werden wird, wenn es herauskommt.
„Na gut“, sagte der Polizist. „Sind Sie dazu bereit diese Aussage vor Gericht zu wiederholen?“
„Ja, bin ich.“
„Dann haben wir diese Angelegenheit schneller erledigt als erwartet. Danke.“