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Vergeltung

Version II
von

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Puppenspieler

Der Geruch des Feuers war zwar nur schwach, im Grunde kaum wahrnehmbar, aber Alec fraß er sich regelrecht durch Mark und Bein. Er erinnerte sich wieder an die schier unerträglichen Schmerzen, die Seth ihm zugefügt hatte. Unbewusst strich er sich über seinen verletzten Arm, der in der Zwischenzeit zu prickeln begonnen hatte.

„Er ist hier, nicht wahr?“ Oscars Stimme war fest und beherrscht. Immer noch sah er aus dem Fenster, konnte jedoch nichts erkennen, dass auf Seth hingedeutet hätte. Nur dieser Geruch hing in der Luft und machte deutlich, dass sich der Feuerteufel ganz in der Nähe aufhielt. Möglicherweise auf dem Grundstück oder sogar schon im Haus.
 

Alecs Hände verkrampften sich zu Fäusten. Eine Mischung aus unbändiger Kampfeslust und vorsichtiger Zurückhaltung überschwemmte ihn und machte es ihm schier unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Seine Urinstinkte schrien danach, Seth auseinanderzureißen, bis nur noch ein paar Stückchen von ihm übrig sein würden, doch sein Verstand warnte ihn vor einer übereilten Tat. Das letzte Mal war der Vampir unachtsam vorgegangen und hatte Seths Macht unterschätzt, was ihm beinahe das Leben gekostet hätte. Was auch immer geschehen sollte, Alec wollte nichts überstürzen und somit riskieren, ein zweites Mal von den Flammen verschluckt zu werden.

Und vor allen Dingen wollte er sich nicht wieder so hilflos fühlen wie ein Mensch.
 

„Was ist denn los?“, hörte er Eves Stimme.  Sie stand direkt neben ihm und starrte ihn irritiert an, ebenso wie die anderen Jäger. Nur derjenige, den Oscar zuvor gegen das Regal geschubst hatte, schien zu ahnen, was los war. Entweder verfügte er ebenfalls über einen außergewöhnlichen Geruchssinn oder aber – was Alec eher vermutete – er war der lateinischen Sprache mächtig.

„Wir bekommen Besuch von einem Freund, fürchte ich“, meinte der Vampir zähneknirschend.

Eve sah ihn einen Moment noch verwirrt an, dann aber schien sie seine Worte zu begreifen. Schnell eilte auch sie zum Fenster und schaute hinaus. „Wo ist er?“

„Keine Ahnung“, gab Alec zu. „Wir können ihn im Augenblick nur riechen.“
 

Der Führer der Jäger, nach Eves Aussage noch vor ihrem Aufbruch zur Bibliothek ein Mann namens Liam McCoy, blickte von einem zum anderen, in seinen Augen ein wacher Geist, wie man es nur selten bei Menschen antraf. Alec gab es zwar ungern zu, aber dieser Mann gefiel ihm. Er war ein intelligenter und gewitzter Bursche, der sich selbst von den Sa’onti nicht einschüchtern ließ. Für den Untoten war es nicht sonderlich schwer zu erraten, von wem sich Eve ihre Furchtlosigkeit abgeschaut hatte.

„Geht es um den Feuerteufel?“, fragte Liam nach. Er schien die Situation wohl ebenfalls durchschaut zu haben. „Ist er etwa wirklich hier?“

Oscar gab ein Grunzen von sich, welches signalisierte, dass er sich nicht dazu herablassen würde, einem kümmerlichen Menschen eine Frage zu beantworten, woraufhin Alec ihm einen vorwurfsvollen Blick zuwarf. Ob nun Jäger oder nicht, Sturheit war im Moment eher kontraproduktiv.

„Er ist zumindest in der Nähe“, erklärte Alec. „Ich schätze mal, er ist uns gefolgt.“

Er warf einen Seitenblick auf Eve und fügte in Gedanken hinzu: Oder ihr.
 

Liam verlor daraufhin keinen Moment Zeit. „Mr. Davis, nehmen Sie Ihre Männer und lassen Sie von Ihnen das komplette Grundstück durchsuchen. Mindestens Zweiergruppen. Schicken Sie auch ein paar Männer hinunter zu den Wissenschaftlern. Und ebenfalls auf die Kameraaufnahmen sollte ein Blick geworfen werden, vielleicht haben die Geräte irgendwas eingefangen.“

Die Männer nickten unisono und machten sich sofort an die Arbeit. Bis auf zwei Jäger, die Liam weiterhin mit grimmigen Mienen schützend flankierten, stürmten sie in alle Himmelsrichtungen davon.

„Kennt ihr zufällig einen bestimmten Trick, wie man diesen Bastard ausschalten kann?“, fragte der Anführer nach. „Einen speziellen Zauber oder auch möglicherweise einfach nur eine Dusche mit einem Wasserschlauch?“

Alecs Mundwinkel zuckten kurz. Die Vorstellung, Seth mit so etwas Banalem wie einem Schwall Wasser in seine Schranken zu verweisen, hatte durchaus was Amüsantes. Allerdings bezweifelte der Vampir, dass es so einfach sein würde.
 

„Wir vermuten, dass es sich bei ihm um einen Magier handelt“, erklärte er. „Um einen ziemlich mächtigen und ausgesprochen alten Magier.“

Liam musterte ihn einen Augenblick mit einem undefinierbaren Blick, dann aber nickte er verstehend. „Nun gut, das könnte womöglich von Vorteil sein. Magier mögen vielleicht über große Kräfte verfügen, aber ihre Körper sind verwundbar. Zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer.“

Er murmelte vor sich hin, ehe er sich umdrehte und gedankenverloren in sein Büro zurückkehrte. Die zwei Jäger, die zurückgeblieben waren, schauten ihm kurz hinterher, beschlossen dann aber, lieber die Sa’onti im Auge zu behalten.

Alec konnte ob dieser Entscheidung nur lächeln. Als ob die beiden irgendetwas gegen zwei uralte Vampire hätten ausrichten können. Als ob die gesamte Jägerschar in diesem Gebäude es hätte schaffen können.

Aber Seth … nun, der war ein ganz anderes Kaliber.
 

Von draußen waren plötzlich aufgeregte Stimmen zu vernehmen. Es sprachen zwar viele durcheinander, aber Alec konnte heraushören, dass sie eine verdächtige Gestalt auf dem Gelände ausgemacht hatten. Einige stürmten in die angegebene Richtung los, begleitet von bellenden Hunden.

Eve schaute ihnen besorgt nach und auch Oscar wirkte alles andere als begeistert. Allerdings bezog sich seine Sorge weniger auf die Menschen.

„Wenn dieser Feuerteufel es wagt, auch nur einem der Hunde etwas anzutun, werde ich ihm eigenhändig das Herz herausreißen“, zischte er. Mit einer Geschwindigkeit, der selbst Alecs Auge nur schwer folgen konnte, öffnete er das Fenster und sprang hinaus in den Garten.

Oscar!“, zischte Alec warnend.

„Du bleibst genau da, wo du jetzt bist!“, ordnete Oscar an. „Du überlässt mir das Kämpfen, erinnerst du dich noch? Ich schaue nur einmal nach, was dort draußen los ist.“

„Oscar ...“

„Wenn du es wagst, dich töten zu lassen, während ich weg bin, werde ich dir das niemals verzeihen, haben wir uns verstanden?“, meinte er mit Nachdruck. „Also tu ausnahmsweise mal das, was man dir sagt, und bleib an Ort und Stelle!“

Seine Gestalt verschwamm daraufhin, als er in den Schatten versank.
 

Alec stieß schnaubend Luft aus. Er hasste es, wie ihn in letzter Zeit alle herumkommandierten, als wäre er ein verletztes Vögelchen, das Aufmerksamkeit und Pflege brauchte. Allerdings kam es zum großen Teil von Oscar und Alec wollte diese so seltene Gefühlsregung eigentlich nicht in den Dreck ziehen, indem er sie einfach ignorierte.

Eve trat währenddessen neben ihm nervös von einem Fuß auf den anderen. „Ist Seth wirklich dort draußen?“

Im ersten Augenblick war Alec verlockt, diese Frage zu bejahen, dann aber hielt er inne. Immer noch nahm er den Geruch des Feuers wahr … nun aber viel stärker als noch vorhin.

„Nein“, sagte er schließlich. „Ich glaube, er ist im Gebäude.“
 

Eve verzog ihr Gesicht, als sie vom Fenster wegtrat und die Tür ansteuerte, die hinaus in den Flur führte. „Dann soll sich der Kerl auf eine Abreibung gefasst machen. Niemand wagt es, ungefragt in mein Zuhause einzudringen!“

Bevor sie jedoch hinaus in den Gang stürmen konnte, ergriff Alec ihren Arm. Sie stieß einen Fluch aus und wirbelte zu ihm herum. „Was soll das?“, fauchte sie.

„Du bleibst schön bei mir, verstanden?“, befahl er streng.

Eve musterte ihn einen Augenblick, ehe sie spöttisch auflachte. „Was, willst du dich hier verkriechen, nur weil dein herzensguter Bruder, der, soweit ich informiert bin, jünger ist als du, dir gesagt hat, du sollst hierbleiben?“
 

„Es geht bei uns nicht ums Alter“, entgegnete Alec vehement.

„Um was geht es dann?“, zischte sie. „Hast du Angst vor Seth?“

Alec knirschte mit den Zähnen. Er war sich eigentlich nie zu stolz gewesen, zuzugeben, wenn er sich vor etwas fürchtete. Wenn es beispielsweise um Dämonen ging, machte er stets einen Rückzug, besonders nach den Ereignissen hier in London vor gut einem Jahrhundert, und war sich nie zu schade dafür gewesen. Es war einfach ein Überlebensinstinkt, vor etwas zurückzuweichen, das einen töten konnte, und man brauchte sich deswegen eigentlich nicht zu schämen. Im Gegenteil, es war hochgradig fahrlässig und dumm, ihn einfach zu ignorieren.
 

Und Seth hatte so viel Dämonisches an sich, sein Feuer war derart übermächtig, dass es Alec bis ins Mark erschüttert hatte. Und er war letztes Mal so närrisch gewesen, sich ihm alleine ohne den geringsten Plan entgegenzustellen.

Aber gleichzeitig sah Alec Seths Gesicht vor sich. Dieses überhebliche Grinsen, der Wahnsinn in seinen Augen und er spürte immer noch diese Vertrautheit, die ihn schier wahnsinnig machte. In seinem Inneren schrie alles auf, er kannte diesen Mann einfach, aber aus irgendeinem Grund erinnerte er sich nicht daran.
 

„Du kannst dich ja gerne hier verkriechen, aber ich werde gehen!“, erklärte Eve entschieden. „Er wird mich ja sowieso nicht umbringen, habe ich nicht Recht?“

Sie schien tatsächlich zu erwägen, ihm die Zunge herauszustrecken, unterließ es dann aber im letzten Moment noch. Stattdessen setzte sie sich erneut in Bewegung.

Alec jedoch packte sie mit übermenschlichen Geschwindigkeit am Oberarm und riss sie zu sich. „Hast du etwa schon vergessen, dass du unsere Geisel bist?“, zischte er ihr ins Ohr. „Ich lasse dich hier gewiss nicht herumlaufen, wie es dir gefällt.“

Eve sog scharf die Luft ein, als Alecs starker Griff ihr die Blutzufuhr abschnürte. „Du willst also einfach hier ausharren und hoffen, dass alles spurlos an dir vorbeigeht?“
 

Alec grub seine andere Hand in ihre Haare und riss ihren Kopf zurück, sodass ihre Kehle blank vor ihm lag. Sie wimmerte vor Schmerz auf und versuchte, sie irgendwie zu befreien, ohne ein großes Büschel Haare herauszurupfen.

„Wie kann es eigentlich sein, dass du bei deinem frechen Mundwerk überhaupt noch am Leben bist?“, hakte er nach. „Ich verspüre im Moment gerade so eine gottverdammte Lust, dir das Herz aus der Brust zu reißen, dass ich gar nicht genau weiß, wie ich das kontrollieren soll!“

Eve gab ein klagendes Geräusch von sich, erwiderte jedoch nichts. Selbst ihren erbärmlichen Widerstand hatte sie aufgegeben, sich offenbar bewusst, dass es absolut sinnlos war.

„Du solltest vielleicht nicht so vermessen sein, anzunehmen, uns zu kennen“, entgegnete er derweil zähneknirschend. „Nur weil ich dir einen Kaffee angeboten und ein bisschen mit dir geplaudert habe, heißt das noch lange nicht, dass du mich oder Vampire im Allgemeinen irgendwie verstehst. Also sei bitte so gut und behalt deine dummen Kommentare für dich, ansonsten sehe ich mich gezwungen –“
 

Er ließ den Satz unvollendet im Raum stehen und runzelte verwundert die Stirn. Irgendwas Merkwürdiges geschah unvermittelt und er konnte es zu seinem Leidwesen nicht genau bestimmen. Zunächst war ihm, als würde die Außentemperatur plötzlich sinken – nicht besonders viel, aber dennoch auffällig – und schließlich erwachte auch in seinem Inneren eine unangenehme Kälte.

Was passierte gerade?

Bevor er eine zufriedenstellende Antwort erhalten konnte, spürte er, wie sein Adrenalinspiegel von einem Moment auf den anderen plötzlich in die Höhe schoss. Bereits im nächsten Augenblick riss ihn eine unsichtbare Macht von den Füßen und schleuderte ihn erbarmungslos gegen die nächste Wand. Ein stechender Schmerz schoss durch seine Schulter, als sein Schlüsselbein beim Aufprall ein unheilvolles Knacksen von sich gab.
 

Ächzend sank der Vampir zu Boden, leise auf Babylonisch vor sich hinfluchend. Trotz seiner zunächst etwas verschwommenen Sicht bemerkte er, wie Eve, die offenbar von dem Ganzen vollkommen unberührt geblieben war, ihn schockiert ansah.

Ein eisiges Lachen erfüllte plötzlich den Raum, welches die Jägerin zusammenzucken ließ. Auch Alec hätte sicherlich eine überraschte Reaktion gezeigt, wenn er nicht viel zu sehr mit seinem Schlüsselbein beschäftigt gewesen wäre. Der Vampir spürte zwar, dass dank seiner Regenerationsfähigkeiten der gebrochene Knochen bereits wieder verheilte, dennoch lief das nicht völlig schmerzlos ab.

„Tja, mein Freund, es ist sicher lange her, dass du so direkt mit Magie konfrontiert worden bist, nicht wahr?“ Seths Stimme schien von überall zu kommen und hallte in der großen Bibliothek wie in einer Schlucht.

„Und es ist wohl schon lange her, dass dir irgendjemand beigebracht hat, was Manieren sind“, entgegnete Alec zischend. „Haben dir Mummy und Daddy nicht gesagt, dass es unhöflich ist, anderer Leute Knochen zu brechen?“
 

Seth tauchte wie aus dem Nichts direkt neben Eve auf, was die Jägerin dazu brachte, eilig ein paar Schritte zurückzuweichen und ihre Waffe hochzureißen. Der Magier warf ihr ein Lächeln zu, ehe er sich mit einem spöttischen Blick wieder Alec zuwandte.

„Meine Macht wird mit jedem Tag stärker“, erklärte Seth herablassend. „Bald schon habt ihr keinerlei Chance mehr gegen mich. In meiner Gegenwart seid ihr keine Sa’onti mehr, sondern nur schwächliche Menschen.“

Alec knirschte mit den Zähnen. Das war wirklich das Letzte, was er hatte hören wollen.

„Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall“, knurrte er. „Du wirst schon sehen, Shadyn.“

Seth zuckte bei der Erwähnung seines alten Geburtsnamen kurz zusammen, aber schnell hatte er wieder eine höhnische Miene aufgesetzt. „Glaubst du wirklich, mich zu kennen, Neyo? Nur, weil du einen alten Namen aufgeschnappt hast, macht dich das noch lange nicht zu einem Experten.“
 

Alec schnaubte. Er versuchte, sich wieder aufzurichten, merkte aber, dass sich dies äußerst schwierig gestaltete. Als würde ihn eine unsichtbare Hand auf den Knien halten.

„Ehrlich gesagt würde ich dir gerne alles erzählen“, fuhr Seth fort. „Das Gebilde aus Lügen, auf dem dein Leben aufgebaut ist, vollends zerstören. Aber ich bin nicht so grausam, dir das Herz zu brechen.“

Seth schenkte dem Vampir noch ein überhebliches Grinsen, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Eve. Diese hielt mit beiden Händen ihre Schusswaffe umklammert und machte den Anschein, als würde sie jeden Moment auf den Abzug drücken.

„Warum so feindselig, mein Schatz?“, fragte er nach. „Ich will dir wirklich nichts tun.“

Eve schnaubte. „Und was willst du dann von mir? Was ist so besonders, dass du hinter mir her bist? Wir kennen uns doch gar nicht.“

„Das stimmt“, sagte Seth in einem bedauernden Tonfall. „Zumindest oberflächlich betrachtet. Aber tief in deinem Inneren erkennst du mich bestimmt, oder?“
 

Eves Miene war deutlich zu entnehmen, dass sie nicht genau wusste, was sie denken sollte. Verwirrt schaute sie Seth an, offenbar intensiv darüber nachdenkend, ob sie ihn nicht vielleicht doch irgendwo schon mal gesehen hatte. Als das ganze Grübeln anscheinend nichts half, warf sie einen kurzen Blick zu Alec, wohl in der Hoffnung, auf diese Weise die langersehnte Antwort irgendwie zu finden.

Alec hatte im Moment jedoch ganz andere Sorgen, als die Fragen einer lästigen Jägerin zu beantworten. Stattdessen fletschte er bloß seine Zähne und gab ihr zu verstehen, dass sie sich nicht an ihn wenden brauchte.

„Was willst du nur von mir?“, stellte Eve ihre Frage erneut an Seth, nachdem sie Alec einen vorwurfsvollen Blick zugeworfen hatte.

„Das erzähle ich dir sehr gerne später“, sagte Seth lächelnd. „Erst einmal muss ich den hier zurechtweisen.“
 

Und mit diesen Worten wirbelte er herum und sah sich direkt mit Oscar konfrontiert, der hinter ihm aus dem Schatten getreten war und gerade den Arm ausgestreckt hatte, um Seth zu packen. Einen Moment war der Vampir verblüfft, dass Seth ihn bemerkt hatte, dann aber stahl sich ein Schmunzeln auf seine Lippen.

„Nicht schlecht, kleiner Magier“, gab Oscar zu. „Nur die wenigsten können unsere Präsenz so genau spüren. Aber das wird dir nicht viel nützen.“

Oscar holte zum Schlag aus, doch Seth hob noch im letzten Moment abwehrend seine Hände. Alec konnte von seinem Standpunkt zwar nicht genau sehen, was passierte, aber offenbar hatte er noch schnell eine magische Barriere errichtet, auf die nun Oscars Faust mit voller Wucht traf. Der Vampir brüllte vor Schmerz und Wut kurz auf.

„Wie ich eben schon deinem älteren Bruder erklärt habe, wird meine Macht von Tag zu Tag stärker“, meinte Seth grinsend. „Eure kleinen, dummen Schlägertechniken wirken bei mir nicht.“
 

Oscar völlig ignorierend, der nun abgeschirmt hinter einer unsichtbaren magischen Wand stand, wandte sich Seth wieder Alec zu. „Und ich werde es euch beweisen. Ihr werdet sehen, wozu ich alles fähig bin.“ Er lachte auf und wirkte dabei wie ein wahnsinniger Bösewicht aus einem übertriebenen Hollywood-Film. „Wie wär’s, wenn ich euch eine Fähigkeit vorführe, die ich erst vor kurzem entdeckt und erlernt habe? Das wird bestimmt ein Heidenspaß.“

Er drehte sich zu Oscar, sprach ein paar Worte in einer Sprache, die Alec noch nie gehört hatte, und vollführte einige hochkompliziert erscheinende Fingerübungen. Ob diese zu seinem Zauber dazu gehörten oder ob er einfach die Blutzufuhr in seinen Händen fördern wollte, vermochte Alec nicht zu erkennen. Auf jeden Fall murmelte er weiter vor sich hin, Oscar intensiv fixierend. Auch der Vampir seinerseits starrte Seth tief in die Augen, allerdings weitaus hasserfüllter.
 

Schließlich, so bemerkte Alec an der geringfügigen Änderung in der Umgebung, verlor die magische Barriere an Kraft. Offenbar genauso, wie von Seth beabsichtigt, da er in keiner Weise überrascht darauf reagierte. Stattdessen streckte er seinen Arm aus und platzierte seine Hand auf Oscars Brust.

Und Oscar … unternahm gar nichts. Er stand einfach nur regungslos da und starrte Seth weiterhin eindringlich an.
 

Oscar!“, rief Alec. Er richtete sich nun wieder vollends auf, da Seth offenbar nun alle Energie auf Oscar verwendete. Den inzwischen nur noch dumpfen Schmerz in seiner Schulter beachtete er derweil nicht weiter. Bilder schossen dem Vampir durch den Kopf. Erinnerungen daran, wie Seth ihn vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls gepackt und beinahe bei lebendigen Leibe verbrannt hätte.

Aber bevor auch nur das erste Anzeichen von Feuer auftauchen konnte, nahm Seth seine Hand wieder weg. Und sein Lächeln war unerträglich selbstgefällig.
 

„Oh ja, das ist perfekt“, sagte Seth zufrieden. „Mehr als perfekt.“

Oscar erwiderte darauf gar nichts, immer noch rührte er sich nicht. Sein Blick, der plötzlich merkwürdig leer erschien, glitt ins Nichts.

„Was hast du mit ihm gemacht?“, zischte Alec. „Was hast du ihm angetan, du Dreckskerl?“

Seth lachte auf. „Ist dir das nicht klar? Erinnere dich doch einfach daran, was euch As’kyps kleiner Diener erzählt hat. Hat er euch nicht darüber aufgeklärt, woher ich die Macht nehme, euch mit Magie zu schaden? Nun, im Grunde habe ich diese Fähigkeit einfach ein bisschen perfektioniert.“

„Was soll das heißen?“ Auch Eve schien alles andere als begeistert. Vorsichtig wich sie ein Stück zurück, während sie Oscar beunruhigt musterte.

„Durch As’kyp besitze ich die Macht, Einfluss auf die Toten zu nehmen“, meinte Seth grinsend. „Ich kann die Körper der Vampire so manipulieren, dass sie wieder denen eines Menschen ähneln. Und inzwischen habe ich auch gelernt, ihren Geist zu kontrollieren.“
 

Alec schnappte nach Luft, als er begriff, was das bedeutete. „Du … du hast …?“

„Nett, nicht wahr?“ Seths breites Lächeln ähnelte dem eines völlig Wahnsinnigen. „Ich gebe zu, es hat lange gedauert, bis ich diese Fähigkeit entwickeln konnte. Ich habe viele Wochen an unbedeutenden, schwachen Vampiren geübt. Und inzwischen habe ich genug Macht, um mich auch mal an einem Sa’onti zu probieren.“

Alec konnte einfach nur angewidert das Gesicht verziehen. Schon immer hatte er Manipulatoren, die auf den Willen von anderen Einfluss nahmen, mehr als alles andere gehasst. Und Seth war nun die Perfektion eines Puppenspielers.
 

So wie es aussah, hatte er sich Oscar gefügig gemacht. Seinen Geist weggesperrt oder sogar ausgelöscht und stattdessen etwas zurückgelassen, das nur Befehlen gehorchen konnte. Alec hatte schon gehört, dass es einige mächtige Magier gab, die diese Fähigkeit besaßen, aber es war ihnen strengstens verboten, jene auch anzuwenden.

Aber Seth hielt sich bekanntlich an keinerlei Spielregeln …
 

„Ich hätte euch beide auch hier und jetzt einfach töten können, das wäre kein Problem gewesen“, sagte Seth. „Es wäre ein furchtbarer und erniedrigender Tod für euch gewesen. Aber auf diese Weise gefällt es mir sehr viel besser.“ Sein sadistisches Grinsen wurde immer breiter. „Gibt es schließlich etwas Schlimmeres, als von seinem eigenen Bruder getötet zu werden? Und gibt es auf der anderen Seite etwas Schrecklicheres, als zu erkennen, dass man jemanden umgebracht hat, den man liebt? Ihr beide werdet fürchterliche Qualen leiden und ich muss dabei nur zuschauen.“

Seth lehnte sich etwas zur Seite, in Richtung Oscar, und sagte: „Töte ihn, mein Freund.“

Oscars leeres Gesicht wandte sich Alec zu. Und dann setzte er sich in Bewegung.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Fieser Cliffhanger, ich weiß ;p
Wird wahrscheinlich auch dadurch nicht besser, dass das nächste Kapitel wieder in der Vergangenheit spielt *lach*

Hab ich jetzt ein schlechtes Gewissen deswegen?
Hm, nee ...

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  _Myori_
2014-10-29T19:43:19+00:00 29.10.2014 20:43
Diese Bromance~! :D
Herrlich!
Und Oscar mag Hunde - das katapultiert ihn um mindestens zehn Stufen auf meiner Lieblings-Liste nach oben ;) Umso schockierender finde ich es, dass er quasi zum Zombie mutiert ist Q__Q Und viele, viele Horrorspiele und -filme haben uns ja gelehrt, dass die eine erhöhte Resistenz gegenüber einfach allem haben... mal ehrlich, die können noch mit nem halben Kopf rumlaufen und sabbern! Was soll das?! Ich mag keine Zombies =______=
(*hust* frag nicht, warum ich mich gerade so über die auslasse... ich hatte irgendwie das Bedürfnis dazu)
Lasst euch heile, Jungs, bitte...
So, Sethy, und nun zu dir!
"Schatz"? Hab ich was verpasst? oÔ
Hmmmrmpf, schon wieder so eine Anspielung! Du machst es echt spannend! Jedes Kapitel enthüllt vielleicht ein Fitzelchen des riesigen Puzzels, schmeißt aber gleichzeitig auch ein dutzend neue Teile ins Spiel.
Toll! :)
So, und nun gehe ich meine imaginäre Flipchart mit neuen Hinweisen bekritzeln :P
Von: abgemeldet
2014-09-25T10:14:45+00:00 25.09.2014 12:14
Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?
Okay... hattest du überhaupt schon mal welche?
Also beim Schreiben dieses Kapitels waren sie definitiv nicht zur Stelle.
Verdammt! Mir ist während des Lesens so viel eingefallen, was ich hier reinschreiben wollte und nun ist alles futsch und dafür reichten nur die letzten Zeilen.
Was machst du nur mit den beiden? Wie kannst du nur? T_T
Nee, das pack ich nicht. Ich muss weiterlesen, sonst dreht mein Kopf durch und dann veranstalte ich hier ein Kommentarmassaker!!
Aber ich sehe gerade, dass das nächste Kapitel ja wieder ein Rückblick ist. Du willst mich grad echt umbringen, oder?
Mei, mei, mei... der arme Alec.
Natürlich finde ich die Idee klasse und so, aber... ich leide doch so mit ihnen. Das übersteh ich nicht. Ich glaube, ich überspringe das nächste Kapitel einfach und mache beim übernächsten weiter. Nein... ich kann mich ja beherrschen.
Was für eine erschreckende Fähigkeit. Aber vielleicht hat Oscar ja das Glück und er bekommt selbst nicht mit, dass er da auf Alec los geht. Das wäre vielleicht noch ein etwas tröstlicher Gedanke. Aber nur etwas...
Boah... ich überstehs nicht... ich weiß es...
Von:  SamAzo
2014-09-06T10:38:38+00:00 06.09.2014 12:38
Warum solltest du auch ein schlechtes Gewissen haben?
Ich weiß ja, wie es weiter geht. xD
Naja, zumindest das, was noch so in meiner Erinnerung wohnt und abgesehen von evtl Änderungen.
^^"

Warum mag ich Alec so gern, wenn der in so Situationen steckt und leiden wird [oder bereits am leiden ist]?
... Ich glaub ich bin ein schlechter Mensch. xD
Antwort von:  Nochnoi
09.09.2014 23:02
Also wenn dich das zu einem schlechten Menschen, dann mich aber auch xDD
Wir sind dann einfach zusammen böse und gemein!!!


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