Blöde Grippe!
Vier Wochen waren vergangen und Sakura fühlte sich wie gerädert. Heute war ein anstrengender Trainingstag gewesen. Seit zwei Wochen, nachdem sie ihre Strafarbeit im Krankenhaus beendet hatte, durfte Sakura wieder am Training teilnehmen. Sicherlich fühlte sie sich wegen dem Training so ausgelaugt, obwohl heute nichts spektakuläres geschehen war. Naruto hatte sich immer wieder mal peinlich aufgeführt, Sasuke und Sai waren recht still gewesen. Für Sasuke galt dasselbe wie für Sakura. Seit zwei Wochen durfte er wieder am Training teilnehmen. Vorerst hatte sich Sasuke aber noch schonen müssen. Anweisung von Tsunade. Sensei Kakashi war heute fast drei Stunde zu spät gewesen. Alles so, wie sonst auch.
Zwischen Sakura und Sai war in all der Zeit ebenfalls nichts vorgefallen. In den letzten zwei Wochen hatte er sich nicht wieder gemeldet gehabt, dennoch war er heute sehr freundlich zu ihr gewesen.
Mit einem erleichterten Seufzer ließ sich Sakura in ihr Bett fallen. Sie fühlte sich ausgepowert, den ganzen Tag über war ihr unterschwellig ein wenig übel gewesen. Essen half nicht. Sicherlich war sie dabei eine Grippe auszubrüten. Die Jahreszeit passte. Auf den Straßen liefen genügend Leute umher mit roter Nase, hustend oder niesend.
Allerdings hatte Sakura ein starkes Immunsystem. Sie wurde nicht oft krank.
Im Bett liegend, starrte Sakura an ihre Zimmerdecke. Sie hatte keine Lust krank zu werden.
Erschrocken fuhr Sakura in ihrem Bett hoch als ihr Telefon klingelte. Wer das wohl war?
Schnell ging Sakura in die Küche, wo sie letzten Abend das Telefon hatte liegen lassen, nachdem sie mit ihrer Mutter telefoniert hatte. Sie beeilte sich ans Telefon zu gehen. Etwas außer Atem stieß sie ein „Sakura Haruno“ hervor.
„Hey! Ich bin’s, Ino!“
„Oh, hey! Was gibt’s?“ In den letzten zwei Jahren hatten Sakura und Ino ihre alte Freundschaft wieder aufgenommen. Zwar hatten sie nicht sonderlich viel Zeit um sich zu treffen, da sie beide Kunoichis waren, aber für ein Telefonat am Abend reichte es immer noch. Ihre Beziehung hatte sich deutlich gebessert, vor allem, da Ino wusste das Sakura nichts mehr für Sasuke empfand. Ihre Freundin dagegen schwärmte immer noch für den Uchiha, obwohl Sakura fand, Shikamaru würde auch super zu Ino passen. Vor allem, weil Ino oft genug von Shikamaru redete. Ob sie sich dessen bewusst war oder nicht, war eine andere Sache.
„Du wirst es nicht glauben! Weißt du, wenn ich heute im Blumenladen getroffen habe?“
Nein, selbstverständlich wusste Sakura das nicht. Aber da Inos Mutter ein Blumengeschäft gehörte und sie dort manchmal aushalf, bekam Ino so manchen Tratsch und Klatsch mit.
Ohne auf eine Antwort von Sakura zu warten, fuhr die aufgeregte junge Frau weiter.
„Ich hab Lily gesehen. Du weißt schon, das kleine, etwas dickliche Mädchen, das mit uns in einer Klasse war. Sie hatte doch nur gerade so die Prüfung bestanden, hat aber sonst auch nicht viel aus sich gemacht.“
Natürlich wusste Sakura, von wem Ino sprach. Lily war eigentlich recht nett gewesen, aber irgendwie hatten sie beide nie einen Draht zueinander gefunden.
„Heute ist Lily bei uns im Laden gewesen und wollte Blumen kaufen. Als ich sie gesehen hatte, dachte ich mir erst, »Wow, ist die wieder fett geworden«, aber als ich dann genauer hinsah, hab ich gesehen, dass sie schwanger ist! Unglaublich oder? Sie ist gerade einmal achtzehn Jahre alt und ist mit ihrem Freund noch nicht lange zusammen. Wer denkt denn schon in diesem Alter an Kinder?“
Das war wirklich einmal eine Neuigkeit. Da Lily nie die Schönste gewesen war, hatte sie sich immer den Männern an den Hals geworfen. So eine Überraschung war das also dann doch nicht. Dennoch. Sakura konnte sich nicht vorstellen jetzt schon Kinder zu bekommen, geschweige denn einen Mann zu heiraten.
Es war fast zehn Uhr, als Sakura und Ino sich letztendlich verabschiedeten. Sie hatten jetzt fast drei Stunden telefoniert, sich über das Neueste ausgetauscht und viel gelacht. Doch jetzt fühlte sich Sakura sogar noch erledigter als zuvor. Sie war wirklich dabei, krank zu werden! Mit einem leisen „Klick“ setzte sie das Telefon auf der Station ab, ging anschließend in ihr Schlafzimmer. Eigentlich müsste sie noch etwas zu Abendessen, aber allein bei dem Gedanken daran, drehte sich ihr der Magen um. Hungrig war sie eh nicht.
Kaum hatte Sakura den Kopf auf ihr Kissen gelegt, war sie auch schon eingeschlafen.
Als ihr Wecker am nächsten Morgen klingelte, kam es Sakura so vor, als hätte sie überhaupt nicht geschlafen.
Noch halb am Schlafen ging Sakura ins Bad und machte sich für das Training fertig. Schon wieder war ihr übel, dennoch zwang sie sich dazu, zumindest ein Toast mit Käse zu essen.
„Blöde Grippe“, murmelte Sakura vor sich hin, während sie in ihre schwarzen Stiefel schlüpfte. Heute trug Sakura einen grünen Pullover und längere, schwarze Hosen. Bevor sie das Haus verließ, griff sie noch nach ihrer weisen Jeansjacke. Draußen stellte sie fest, so kalt konnte es gar nicht sein. Niemand war sonderlich warm angezogen. Es war ein milder Herbsttag, dennoch fror Sakura.
„Guten Morgen Sakura! Sag mal, hast du gestern Nacht wieder was getrunken? Du siehst wirklich schrecklich aus!“
Na toll, welche wollte nicht so begrüßt werden? Der Tag konnte ja nur besser werden!
„Baka!“ gab Sakura empört von sich, verpasste Naruto sogleich eine Kopfnuss, doch dieses Mal fühlte sie sich nicht sonderlich besser. Mit fest aufeinander gebissenen Zähnen und zu Fäusten geballten Händen stand Sakura da. Bei diesem Anblick ging Naruto hinter Sai in Deckung. Dieser blickte leicht irritiert hinter sich. Noch immer hatte Sai Probleme bei manchen zwischenmenschlichen Beziehungen, warum sich wer wie verhielt. Bevor Sakura sich aber weiter ausmalen konnte, wie sie ihren Ärger wohl freien Lauf lassen konnte, ertönte Sasukes Stimme hinter ihr.
„Naruto, stell dich nicht so an! Und du willst wirklich ein Ninja sein? Versteckst dich vor einem Mädchen!“
Ja, der Tag wurde wirklich nicht besser. Mit in die Hüften gestützten Händen drehte sich Sakura zu dem Neuankömmling um. Wenn Blicke töten könnten, dachte sich Sakura nur.
„Also erstens, bin ich eine Frau und kein Mädchen mehr. Zweitens hat Naruto durchaus Grund dazu, sich vor mir zu verstecken, weil drittens, gerade du ein Liedchen von singen kannst, wie es ist, meine Faust in dein Gesicht gedonnert zu kriegen!“
Ach ja, schon gleich fühlte sie sich besser. Das tat wirklich gut. Vor allem Sasukes Gesichtsausdruck nach. Dieser wirkte erst überrascht, dann empört und wütend, bis sein Gesicht wieder zu einer undurchdringlichen Maske wurde.
„Yeah, Sakura, dem hast du es gegeben!“ meldete sich Naruto, jetzt wieder ganz der Alte, zu Wort.
„Und du solltest lieber deine Klappe halten!“ fuhr sie ihren Chaosfreund an. Lediglich Sai schien das Geschehen zu amüsieren. Sein übliches Lächeln im Gesicht wirkte etwas echter, wärmer und erreichte auch seine Augen.
Da Sakura nicht nach reden zu Mute war, egal mit wem, ließ sie sich auf einem Stein nieder und wartete bis der Sensei endlich kam.
Zu ihrer allen Überraschung, war Kakashi fast pünktlich. Er war nur knapp fünfzehn Minuten zu spät. Das war überaus früh für den Jonin. Daher war es nicht verwunderlich, dass vier Augenpaare ungläubig zu Kakashi blickten.
„Ist irgendetwas passiert?“ platzte es auch gleich Naruto heraus.
„Nein, wieso?“ gab Kakashi irritiert von sich.
„Haben Sie mal auf die Uhr geblickt?“ fragte Sakura und Naruto sprach aus, was sie dachte. „Ist es nicht ein wenig früh für Sie?“
„Na, jetzt ist aber Schluss! Fangt an eure Runden zu laufen!“ scheuchte Kakashi sie los.
Mehr oder weniger begeistert begannen die vier Ninja damit.
Schon nach wenigen Schritte, merkte Sakura wie ihr die Grippe zusetzte. Ihr war schon wieder schlecht. Um ja nichts zu provozieren, lief sie langsamer als sonst, atmete immer wieder tief ein und aus. Wirklich besser wurde es dadurch aber nicht.
Nach einiger Zeit rief Kakashi seine Schüler zu sich. Erklärte, was sie nun zu tun hatten.
„Ich weiß, in letzter Zeit hatten wir oft nur Übungskämpfe bestritten. Da Sasuke sich aber noch schonen soll, werden wir heute wieder einen machen. Naruto, Sai, ihr seid in einem Team, Sakura und Sasuke in dem anderen. Da Sasuke mit dem linken Arm noch nicht so viel anfangen kann, werdet ihr alle nur mit der rechten Hand kämpfen. Die Linke werdet ihr euch auf dem Rücken festbinden.“
Nachdem die vier jungen Leute getan hatten was sie sollten, nur Sasuke durfte seinen Arm schonen, sollten sich Sasuke und Sakura verstecken. Gesagt getan, die beiden machten sich auf den Weg in den nahegelegenen Wald.
„Als ob ich geschont werden müsste! Ich bin doch kein Kleinkind!“ empörte sich Sasuke, nachdem sich die beiden hinter einem Busch versteckt hatten. Um an ihr Versteck zu kommen, mussten Naruto und Sai erst zig Fallen umgehen. Ebenso hatte Sasuke ein Gen-Jutsu um diesen Ort herum gesponnen. Jetzt, wo er wütend war, leuchteten seine roten Sharingan Augen nur noch mehr auf.
Da Sakura wusste das Sasuke nicht wirklich auf eine Antwort von ihr wartete, schwieg sie. Das Warten war für sie immer das Schlimmste. Nichts tun, ganz ruhig und still sein. Nicht wissen, wann ein Angriff erfolgen würde. Doch wegen dem Nichtstun wurde Sakura nur umso deutlicher bewusst, wie schlecht ihr war. Von Minute zu Minute wurde ihr immer übler, bis sie das Gefühl hatte sich zu übergeben. Mit der einen Hand hielt sie sich den Bauch, die andere legte sie sich über den Mund.
„Alles in Ordnung, Sakura?“
Wenn ihr gerade nicht so schlecht wäre, hätte sich Sakura wegen Sasukes Mitgefühl wohl gefreut. Jetzt jedoch konnte sie nur gegen den Brechreiz ankämpfen. Gerade wollte Sakura Sasuke mitteilen, alles sei okay, aber als sie den Kopf in seine Richtung wandte, konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. Mit einem Male dachte Sakura, ihr Magen würde gleich explodieren. Alles zog sich zusammen. Ein kurzes Würgen und schon gab Sakura ihren Mageninhalt von sich. In dem Moment war ihr alles egal. Sie wollte einfach nur, dass es aufhörte. Ihre Kehle brannte, die Augen tränten und bei dem Geruch ihres verdauten Frühstücks wurde ihr nur noch schlechter. Kühle Finger berührten ihren Nacken, strichen ihr die nach vorn gefallenen Haare aus dem Gesicht. Immer wieder fuhr Sasuke sachte über ihre Haare. Es war beruhigend. Irgendwann würgte Sakura dann nur noch trocken. Nachdem ihr Frühstück und wohl ihre gesamte Magensäure ihren Weg aus ihr herausgefunden hatte, ließ sich Sakura nach Luft ringend nach hinten fallen. Das der Boden unter ihrem Hintern sich kalt anfühlte, war ihr egal.
„Geht’s wieder?“ erkundigte sich Sasuke bei ihr, kniete sich neben sie, wohl darauf bedacht nicht in ihr Erbrochenes zu treten. Sakura konnte nur schwach nicken.
„Komm, wir setzten uns ein wenig davon weg“, schlug Sasuke vor, griff um ihre Taille und hob sie hoch. Sakuras Beine fühlten sich schwach und zittrig an. Sie war dankbar für Sasukes festen Griff und sehr erleichtert, als sie den kalten Waldboden unter ihrem Hintern spürte.
Jetzt, nachdem endlich alles aus ihr heraus war, ging es Sakura so weit wieder in Ordnung. Die Übelkeit war verschwunden, lediglich ihr Hals brannte noch ein wenig.
„Tut mir leid“, begann Sakura, wurde von Sasuke jedoch schnell unterbrochen. „Das hoffe ich doch. Das waren meine Lieblingsschuhe.“
Irritiert ließ Sakura ihren Blick an Sasuke nach unten wandern. Tatsächlich, auf seinen schwarzen Schuhen befand sich auf der Spitze eine ein wenig eklig aussehende gelbliche Masse. Sofort schoss Sakura die Röte in die Wangen. War das peinlich!
„Schon gut, sag nichts. Wir tun einfach so, als wäre nichts passiert. Wir sollten wohl besser zu Kakashi.“
Trotz oder wegen gerade ihrer Peinlichkeit fiel Sakura Sasukes Fürsorge nicht sonderlich auf. Sie wünschte sich einfach nur, der Erdboden würde sich unter ihr auftun und sie verschlingen.
Sasuke zog Sakura mit sich, sie bemerkte kaum, wie sich ihre Umgebung änderte. Irgendwann murmelte sie leise vor sich hin: „Jedes Mal läuft es so.“
„Was?“ fragte Sasuke. Ob er sie nur unterhalten oder ablenken wollte oder ob es ihn wirklich interessierte, wusste Sakura nicht. Dennoch, ein bisschen Ablenkung tat gut. „ Die letzten Male, wo ich im Training war, wurde es immer abgebrochen. Erst hab ich dich verletzt, dann die Leiche gefunden und jetzt das.“
Ungläubig sah Sakura zu Sasuke. Er grinste. Tatsächlich ließ er sogar ein Glucksen von sich vernehmen. Heute war wirklich ein interessanter Tag.
„Was ist los? Ist dieses Mal Sakura verletzt?“ fragte Kakashi, als Sasuke mit Sakura im Schlepptau ankam.
„Nein, sie ist krank.“
Daraufhin rief Kakashi Naruto und Sai zu sich, erklärte das Training für beendet und erklärte Sakura ernst: „Du wirst erst wieder kommen, wenn du gesund bist. Klar?“ Schwach nickte Sakura nur. „Es wäre nicht gut, wenn du die Jungs hier alle anstecken würdest.“ Erneut nickte Sakura verstehend. Dessen war sie sich bewusst. Hoffentlich hatte sie nicht bereits jemanden angesteckt.
„Soll dich einer nach Hause begleiten?“ erkundigte sich Kakashi, aber Sakura wollte sich nicht noch hilfloser vorkommen. „Nein, das geht schon.“
Daher machte sich kurz darauf Sakura auf den Heimweg. Alleine. Inzwischen fühlte sie sich viel besser. Doch kaum das sie ihre Wohnung betreten hatte, wurde ihr auch schon wieder schlecht. Sakura schaffte es gerade so in ihr Badezimmer, ehe sie sich in die Toilette übergab.
Nachdem nichts mehr aus ihr herauskam, fragte sich Sakura nur, wie überhaupt etwas aus ihr hatte herauskommen können. Sie hatte nicht einmal eine ganze Scheibe Toast gegessen, gestern Abend nichts. Ihr Magen war mehr als leer.
Mit zittrigen Fingern strich sich Sakura eine Strähne aus dem Gesicht, spritzte sich kaltes Wasser auf Hände und Gesicht, atmete tief durch. Eine Dusche würde ihr jetzt sicherlich gut tun.
Am nächsten Tag ging Sakura nicht zum Training. Erst hatte sie sich ganz gut gefühlt, doch im Laufe des Vormittages war ihr wieder schlecht geworden.
Daheim zu bleiben war wirklich eine kluge Entscheidung, entschied Sakura, als sie ihr Frühstück wieder einmal die Toilette herunter spülte.
Langsam ging ihr das auf die Nerven. Die letzte Nacht hatte sie wieder nur sehr schlecht geschlafen. Den ganzen Tag hatte Sakura bisher in ihrem Bett verbracht. Sie aß aber nicht viel. Kurz nach dem Essen wurde ihr immer wieder schlecht. Manchmal blieb das Essen drin, manchmal aber auch nicht. Aber Sakura ging es immer nur schlecht, wenn sie sich übergab. Den Rest des Tages ging es ihr soweit gut.
„Merkwürdige Grippe“, murmelte Sakura vor sich hin. Kein Fieber, Husten, Gelenkschmerzen oder sonst irgendetwas. Lediglich Übelkeit.
Die nächsten zwei Tage verbrachte Sakura immer gleich. Aufstehen, essen, die meiste Zeit im Bett liegen und lesen und ab und an sich übergeben. Abends erhielt sie immer Telefonanrufe. Naruto, Ino, ja sogar Hinata hatten sich gemeldet und sich gefragt, wie es ihr so ging. Vorbei kam niemand. Was Sakura ihren Freunden nicht vorwarf. Es war gut nachvollziehbar. Jetzt krank zu werden war wirklich kacke.
Als es dann am Nachmittag an der Tür läutete, war Sakura mehr als froh, doch noch Besuch zu bekommen. Das es Kakashi war, hatte sie dann aber nicht gedacht.
„Sensei! Was machen Sie denn hier?“
„Ich erkundige mich, wie es meiner Schülerin geht. Also?“
„Nicht wirklich besser. Aber krank fühle ich mich nicht. Wollen Sie herein kommen?“ bot Sakura an, doch Kakashi schüttelte nur den Kopf, musterte sie eingehend von oben nach unten, was ihr ein wenig unangenehm war, da sie lediglich eine schwarze Jogginghose und ein gelbes T-Shirt trug.
„Wir gehen jetzt zu Tsunade“, verkündete Kakashi.
„Was? Wieso?“ fragte Sakura überrascht.
„Weil ich es als dein Sensei so sagen.“ Damit war für Kakashi die Angelegenheit geklärt. Er wartete kurz darauf, dass sich Sakura schnell umziehen konnte, dann gingen sie zur Hokage.
„Hm. In Ordnung. Kakashi, wenn du uns jetzt bitte alleine lassen würdest?“ Tsunade mochte es als Bitte formuliert haben, dennoch war klar, dass der Jonin den Raum zu verlassen hatte. Unbehaglich sah Sakura Tsunade an. Eben hatte sie ihr erzählt, was ihr fehlte, jetzt wollte Tsunade sie sich genauer ansehen. Das gefiel Sakura nicht. Sie war doch nicht ernsthaft krank!
Auf Tsunades Aufforderung hin, zog Sakura sich bis auf die Unterwäsche aus und legte sich auf einen kleinen Untersuchungstisch. Erst besah sich Tsunade Sakuras Herz und Lungen. Als sie ihren Bauch untersuchte, fragte Tsunade: „Wann hattest du zuletzt deine Periode?“
Überrumpelt von der Frage, wusste Sakura erst nicht was sie sagen sollte. „Ich weiß nicht, ich…“
„Ist sie einmal ausgefallen oder sogar mehrmals?“
Angestrengt dachte Sakura nach. Sie nahm keine Verhütungsmittel. Warum auch? Eigentlich kam ihre Periode immer recht zuverlässig, jetzt jedoch…
„Ich, ich glaube vor etwa zwei Monate hatte ich sie das letzte Mal.“ Panik befiel Sakura während ihrer Antwort. „Aber das kann schon mal passieren! Schließlich ist viel passiert. Das mit Sasuke und die Leiche und…“ redete sich Sakura um Kopf und Kragen. Beruhigende Worte kamen aus Tsunades Mund, registrieren konnte Sakura sie jedoch nicht. Ihr Kopf war wie mit Watte gefüllt. Alles fühlte sich irreal an. Irgendwann, nachdem Tsunade ihre Untersuchung beendet hatte, zog sich Sakura mechanisch an. Ihr war bereits klar, was Tsunade jetzt gleich sagen würde. Die Übelkeit, das schlechte schlafen… Die Nacht mit Sasuke passte perfekt in den Zeitraum.
„Ich bin nicht schwanger! Auf keinen Fall!“ Sakura Stimme überschlug sich mehrfach, sie klang selbst in ihren Ohren unnatürlich und schrill. Tsunades Gesichtsausdruck sagte jedoch das Gegenteil. Mitfühlend sah die Hokage sie an.
„Selbst wenn ich bis jetzt Zweifel gehabt hätte, deine Reaktion reicht vollkommen aus. Tut mir Leid, aber du bist schwanger. In etwa zwischen der siebten und neunten Woche.“
„Morgen sind es acht Wochen“, gab Sakura mit leiser, brüchiger Stimme von sich. Am liebsten wäre sie einfach in Tränen ausgebrochen, aber sie kamen einfach nicht. Wahrscheinlich stand sie unter Schock.
„Also weißt du wer der Vater ist. Dürfte ich es erfahren?“ Voller Sorge und Mitgefühl legte Tsunade tröstend eine Hand auf Sakuras Schulter, fuhr langsam über ihren Arm. Auf und ab.
Natürlich wollte das Tsunade wissen. Sakura hatte keinen Freund, da fragte man sich schon, von wem sie schwanger war.
Schwanger. Das Wort hörte sich so falsch in ihren Ohren an. Verdammt, sie war doch erst achtzehn! Sie wollte keine Familie, keinen Mann und erst recht kein Kind! Sie war eine Kunoichi! Ende dieses Jahres hätte sie an der Jonin-Prüfung teilgenommen. Das konnte sie jetzt auch abhaken. Ihr Leben war zu Ende!
Also ob sich ihre Gedanken auf ihrem Gesicht spiegelten – und wahrscheinlich war dies auch der Fall – erklärte Tsunade ernst: „Lass dich davon nicht herunter ziehen. Du hast eine Familie und Freunde, die für dich da sind. Du kannst immer noch ein Ninja sein. Es gibt viele Frauen, die Mutter und Kunoichi sind. Zum Beispiel Kurenai.“
„Aber ich bin noch nicht bereit! Verdammt, es war doch nur eine Nacht! Dieser bescheuerte Alkohol ist daran schuld! Ansonsten wäre das nie passiert!“ Immer noch schrill überschlug sich ihre Stimme, die Tränen wollten bis jetzt immer noch nicht kommen.
„Du solltest es ihm sagen. Er hat auch ein Recht darauf“, erklärte Tsunade, doch Sakura war es im Moment egal. Als ob Sasuke das kümmern würde!
„Kann ich bitte nach Hause?“ fragte Sakura leise. Vielleicht würde sie in den nächsten Tagen langsam begreifen was hier vor sich ging. Jetzt war es noch zu früh dafür.
„In Ordnung. Bitte schone dich und komm jeden Monat für eine Kontrolluntersuchung vorbei. Kakashi wird dich nach Hause bringen.“
„Das will ich nicht.“
„Doch, das wird er. Irgendwann wird er es eh erfahren.“
Ja, er und der Rest von Konoha! Sie würde das Gespött des ganzen Dorfes werden. Hatten Sakura und Ino nicht vor allzu kurzer Zeit über die Schwangerschaft von Lily gelästert? Und jetzt würde es ihr nicht anders ergehen.
Sich in ihr Schicksal ergebend, erhob sich Sakura von der Liege, ging wie in Trance aus der Tür. Kakashi stand davor. Ihm war nichts anzumerken, doch Sakura wusste, Kakashi war alles andere als blöd. Sicherlich hatte er einen Teil von ihrer Unterhaltung mitbekommen. Sakura war alles andere als leise gewesen.
Schweigend setzte sich ihr Sensei in Bewegung, ging neben Sakura her. Obwohl Sakura am liebsten alleine wäre, sich irgendwohin verkriechen würde, tat die ruhige, sichere Nähe von Sensei Kakashi gut. Er hatte eine beruhigende Art. In seiner Nähe fühlte man sich sicher. Zumindest im Moment.
„Schon dich noch ein paar Tage. Ich werde dich zu nichts drängen. Sag es ihm, soweit du dafür bereit bist.“
Bei Kakashis ruhigen, vernünftigen Worten brach der Damm. Die angestauten Tränen bahnten sich ihren Weg. Tröstend zog Kakashi, mal wieder, Sakura an sich, sprach beruhigende Worte, fuhr mit seiner Hand über ihr Haar.
So hätte es sich bestimmt angefühlt, wenn sie gewusst hätte, wer ihr Vater war. Wenn sie je in ihrer Kindheit die tröstenden, beruhigenden Worte ihres Vaters gebraucht hatte, war nie jemand für sie da gewesen. Ja, ihre Mutter liebte sie auch über alles, aber dennoch hatte immer etwas in ihrem Leben gefehlt. Jetzt gab Kakashi ihr den Halt den sie im Moment brauchte.
Nachdem sich Sakura beruhigt hatte – nach dem Weinen fühlte sie sich wirklich besser – wischte sich Sakura die letzten Spuren der Tränen weg.
„Danke, Sensei.“ Ihre Stimme klang rau und brüchig. Erst jetzt nahm sie ihre Umgebung war. Sie standen direkt vor ihrer Wohnungstür. Die Haustür hinter ihnen stand offen, doch hier im Hausflur waren sie sicher vor neugierigen Blicken.
„Wirst du es ihm sagen?“
Bei dieser Frage wurde Sakura schwer ums Herz. Wie sollte sie nur ein Kind großziehen? Alleine?
„Ich denke, du wirst selbst wissen, wann es an der Zeit ist, es Sasuke zu erzählen.“
Mit vor Überraschung großen Augen und aufgeklappten Mund starrte Sakura ihren Sensei an. „Woher?“ stammelte sie unbeholfen, vollkommen perplex.
„Ich kann eins und eins zusammen zählen. Jetzt solltest du dich aber hinlegen. Wenn du etwas brauchst, melde dich einfach. Ich bin für dich da.“
Am liebsten wäre Sakura jetzt wieder in Tränen ausgebrochen. Sensei Kakashi war einfach der beste Sensei der Welt! Ihn als Vater zu haben wäre sicherlich toll gewesen. Dennoch beließ es Sakura bei einem Dankeschön, ging in ihre Wohnung und legte sich ins Bett. Dort brach ein weiterer Damm. Hemmungslos weinte sich Sakura in den Schlaf.