Zum Inhalt der Seite

Ohne Titel

Tänzer und Fotograf
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Kapitel-Song: Avril Lavigne - Innocence Für das Ende des Kapitels. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Attitude

„'Ohne Titel'.“

Pacal betrachtete eingehend den kleinen weißen Zettel, der neben Juliens eingerahmter Fotografie an der Wand klebte.

„Das ist nicht dein Ernst, Julien. Gehörst du etwa auch zu diesen einfallslosen Künstlern, die ihren Werken keine Namen geben?“

Julien seufzte. „Ja.“ Er hatte keine Geduld, Pascal eine ausführlichere Antwort zu geben. Vor allem nicht heute. Er war so aufgeregt wie sonst nie. Seine von außen hin coole Ausstrahlung stimmte überhaupt nicht mit seinem zerwühlten Inneren überein. In ihm tobte sein Herz, machte tausend Sprünge und hatte mindestens genauso viele Aussetzer. Er war das reinste Nervenbündel und das schon seit dem Tag, als Herr Auerbach verkündet hatte, welche Kunstwerke ausgestellt werden sollten.

Er hatte es also doch noch geschafft. Mit einem seiner unperfekten Bilder war er einer der besten des Jahrgangs und wurde von Herrn Auerbach dementsprechend mit einem Platz bei der alljährlichen Osterausstellung der Uni geehrt.

Das allein machte Julien aber nicht so nervös. Er hatte schon früher zu den ausstellenden Künstlern gehört, er kannte den Trubel, den die Kunstinteressenten um ihn und andere Studenten machten und war daran gewöhnt, an das Händeschütteln, das Dauerlächeln und die pseudo-kunstwissenschaftlichen Analysen, die zu seinen Bildern zum Besten gegeben wurden.

Nein, nervös machte ihn das schon lange nicht mehr.

Etwas anderes ließ ihn so unruhig sein, dass er einfach nicht dazu kam, den Orangensaft in seinem Sektglas zu trinken, weil er es ständig in seiner Hand drehte. Etwas, oder eher gesagt, jemand anderes...

„Oh, steht er nicht da hinten?“

Pascals bewusst laut formulierte Frage ließ Julien kurz zusammenzucken. Sofort folgte er Pascals Blick und sah...

„Ja, stimmt. Da ist Herr Auerbach!“

Pascal grinste Julien nicht ohne eine Spur grausamer Freude an, ehe seine langen Beine ihn zu ihrem gemeinsamen Professor brachten.

Julien seufzte und schloss die Augen, massierte sich mit zwei Fingern die Schläfe und schalt sich selbst einen zappeligen Dummkopf, der sich endlich mal beruhigen sollte.

Natürlich hoffte er darauf, dass Leo sich hier blicken ließ. Direkt nachdem Julien erfahren hatte, dass sein Bild bei der Ausstellung dabei sein würde, hatte er Leo eine kurze SMS mit einer Einladung für die Ausstellungseröffnung geschickt. Leos Antwort war ebenso kurz ausgefallen.

„Danke für die Einladung. Ich schau mal, ob ich's einrichten kann.“

Den tränenreichen Vorfall am Tag ihres Shootings hatten sie nicht mehr zur Sprache gebracht.

Julien war es unangenehm und er wollte es, wenn überhaupt, persönlich mit Leo besprechen. Wie es Leo mit der Sache ging, konnte er nur erahnen. Ebenso wie er nur hoffen konnte, dass Leo sein Bild gefiel.

Julien hatte bis zur letzten möglichen Sekunde an dem Bild gearbeitet. Er hatte sicherlich schon fünf verschiedene Fotos komplett bearbeitet, bis er sich schließlich dafür entschieden hatte, gar keine Manipulation vorzunehmen. Er wollte die reine, unverfälschte Aufnahme des Moments nehmen. Ganz im Sinne von Blumenfeld.

Schließlich hatte er sich für eins der Motive entschieden, auf denen Leo direkt in die Kamera geschaut hatte. Der Blick, den er dabei eingefangen hatte, löste auch jetzt noch eine Gänsehaut bei ihm aus.

„Oh, Brüderchen, da hast du dir aber einen geangelt.“

Julien schreckte auf und löste seine Augen von seiner Aufnahme. Bianca hatte sich hinter ihn gestellt und betrachtete nun sein Bild.

„Was machst du denn hier?“

„Ich freue mich auch immer wieder dich zu sehen.“

Julien war zu perplex, um etwas zu erwidern. Und seine Schwester fuhr fort, indem sie statt des Bildes nun ihren Bruder fixierte: „Ich denke ein Dankeschön wäre angebracht.“

Auf Juliens verwirrtes Kopfzucken hin grinste sie. „Na, ohne mich hättest du deinen neuen Lover doch nicht kennen gelernt.“

Jetzt verstand Julien sofort. „Pascal... was hat er dir erzählt?“

„Dass du ganz verschossen bist in einen Balletttänzer und ihn hierher eingeladen hast, damit du ihm vor deinem fotografischen Meisterwerk deine Liebe gestehen kannst.“

Ja, das klang nach Pascals Worten...

„Und? Ist er schon da gewesen?“, fragte Bianca ganz unverhohlen.

„Nein“, gab Julien resigniert zu und widmete sich wieder seinem Bild.

Der Leo auf dem Bild sah ihn direkt an. Er durchbohrte ihn fast mit seinem Blick. Mit diesen kristallklaren blauen Seen...

Und in Wirklichkeit schaute er nur durch ihn hindurch.

Julien spürte eine Hand an seiner Schulter. Leo?

Nein. Bianca, die ihren Bruder mitfühlend anlächelte. „Er wird schon noch auftauchen. Bestimmt.“

Julien nickte.

Bestimmt...
 

Er war nicht gekommen.

Julien war geblieben, bis ganz zum Schluss.

Er war geblieben bis der letzte geladene Gast gegangen war. Er hatte beim Aufräumen der liegen gebliebenen Plastikgläser und der bekrümelten Servietten geholfen. Er hatte Herrn Auerbauch verabschiedete, der sonst immer der letzte war, der ging und hatte die sonderbare Bemerkung über seinen Kommilitonen, den 'süßen Passi', überhört. Schlussendlich hatte Julien sogar den Hausmeister bestochen, damit er ihm die Türen offen ließ und nicht einsperrte oder – noch schlimmer – ihn nach Hause schickte.

Da wollte er nicht hin.

Zuhause wartete seine Familie auf ihn. Seine stolzen Eltern, seine glückliche Schwester und sein Laptop mit den hunderten von Bildern von Leo.

Lieber blieb Julien hier, allein, nur mit dem einen, fast perfekten Bild und hielt diesen Augenblick so lange fest, wie er konnte.

Und zusammen mit ihm die Hoffnung, die dem Moment inne wohnte.

Die Hoffnung, dass er nicht allein bleiben würde...


Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 5: Die Attitude - die Haltung.
Im Ballett eine Pose, bei der der Tänzer auf einem Bein steht, das andere wird nach hinten, zur Seite oder nach vorne gehoben, wobei das Knie des Spielbeins gebeugt ist.

Auf einem gesellschaftlichen Ereignis wie der Ausstellungseröffnung findet sich auch Julien in einer Lage wieder, in der er seine Haltung bewahren muss. Vor Eltern, Professoren und vor allem vor Leo. Wie wird Leo sich verhalten? Und wie wird Julien sich daraufhin verhalten?

Und viel wichtiger noch: Was hälst du von diesem Ende vor dem Epilog? Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück