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Renaissance

von

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Befragung

Renaissance – Kapitel 5: Befragung
 

Der Morgen kam viel zu früh, mit einer Eule von Merrick – schlief der Mann eigentlich nie? – und einer Tasse Kaffee, die nicht stark genug war für Hermines Geschmack und bei weitem nicht ausreichte, um ihr die Augen zu öffnen oder ihre Gehirnzellen wieder auf Touren zu bringen. Auch Malfoy schien noch in einer schlafwandlerischen Trance gefangen zu sein und sie war sich nicht sicher, dass er irgendetwas von den Artikeln im Politikteil des Tagespropheten, die Merrick ihnen hilfreicherweise ausgeschnitten hatte, behielt, die er gerade las. Als ob sie sie in der Gesamtausgabe nicht selbst gefunden hätten, mit schreienden Titeln wie „Dieser blutsaugende Frauenschänder hat eine der Unseren ermordet“, „Vampirische Verbrechen im Wandel der Zeit“ und, als informative Kolumne angepriesen, „Welche Monster die Zauberwelt unsicher machen“.

Auch wenn Hermine den Artikelschreibern eine gewisse Kreativität nicht absprechen konnte, gemeinsam mit den Leserbriefspalten, in denen geschlossen nach den guten, alten Fackeln und Mistgabeln geschrien wurde, erzeugten sie bei ihr doch den Eindruck, dass Großbritannien an der Schwelle des bewaffneten Aufstands stand, und sie seufzte. „Es wird schlimmer, oder?“

Malfoy nickte nur, während er den Toast seines ganz und gar kontinentalen Frühstücks butterte, und Hermine zog sich den Bericht Merricks heran. Zu ihrer Befriedigung war es ihm und seinen Leuten von Großbritannien aus möglich gewesen, Informationen über Olivia Petru zu beschaffen – Informationen noch dazu, die es Hermine erlaubten, einen ersten Verdacht gegen sie zu fassen, zumindest, was den Diebstahl des Buches anging. Befragungen hatten ergeben, dass sie, obwohl eine Hexe und keine Vampirin, in der britischen Vampirszene wohlbekannt war, und vor einigen Jahren nach Österreich ausgewandert war. Dass sie ein Interesse an dem Werk hatte, war also nicht zu leugnen, und ihr britisches Vorstrafenregister zeigte auch, dass sie nicht abgeneigt war, das Gesetz zumindest zu beugen, um ihren vampirischen Freunden zu helfen.

Hermine reichte das Blatt an Malfoy weiter, der im Moment nicht wirklich gesprächig aussah, wenn sie in Betracht zog, wie verzweifelt er sich an seiner Kaffeetasse festklammerte, und griff stattdessen nach dem Bericht der Medimagier, den Merrick ebenfalls angekündigt hatte und der nun, nach dem Diebstahl von Demelzas Leiche, noch wichtiger geworden war. Mit geübtem Blick überflog sie ihn, bis sie an einem besonders interessanten Punkt hängen blieb und stutzte. Zwar waren die Bisswunden an Demelzas Hals offensichtlich vampirischer Natur gewesen und nicht durch einen Perforationszauber verursacht, allerdings war die Untersuchung nicht imstande gewesen, festzustellen, ob der Vampir wirklich ihren Tod herbeigeführt hatte, oder nur einen kleinen Teil ihres Blutes ausgesaugt hatte. Rückstände von Magie, die sich mit der vampirischen Essenz vermischt hatten, hatten die Untersuchung erschwert und die Ergebnisse verwässert, aber die Medimagier wollten auch die Möglichkeit nicht ausschließen, dass durch einen Zauber alles Blut in ihrem Körper entfernt worden war, und zudem hatten die Tatortmagier Spuren von Dunkler Magie im Apartment gefunden.

Hermine seufzte. Sie hatte sich von diesem Bericht Klärung erhofft, eine Vereinfachung ihrer Untersuchung, und kein verwirrendes Konvolut an Möglichkeiten und magischen Rückständen, die alles und nichts bedeuten konnten. Schlimmer noch, die Erkenntnisse der Medimagier trugen nichts zu ihrer Ermittlung bei, und so mussten sie sich mit den kümmerlichen Anhaltspunkten begnügen, die bereits vorlagen.

Sie griff nach einem Stück Pergament, das sie neben sich auf den Tisch gelegt hatte, um sich Notizen zu machen, dann aber doch nicht gebraucht hatte, und ihrer Feder, und schrieb eine kurze Anfrage. Die Eule des Ministeriums wartete noch immer geduldig auf der Rückenlehne eines freien Stuhles, was wahrscheinlich daran lag, dass sie auf ein Stück Toast von Malfoy hoffte, und Hermine trat zu ihr hinüber, um ihr die Rolle ans Bein zu binden, bevor sie sie auf den Weg zur britischen Botschaft in Wien schickte.

Das Flügelschlagen des Tiers ließ Malfoy von dem Bericht aufsehen, den er grade studiert hatte, und er hob fragen die Brauen.

„Eine Anfrage an die Botschaft – vielleicht können sie Olivia Petrus Adresse herausfinden. Ohne irgendwelche anderen Anhaltspunkte...“ Sie zuckte mit den Schultern, und Malfoy nickte.
 

Wie sich im Laufe des Vormittags herausstellte, war die Botschaft tatsächlich in der Lage, die benötigten Informationen zu beschaffen, und Hermine und Malfoy machten sich kurz nach dem Mittagessen auf den Weg zu der Adresse, die sie per Eule erhalten hatten – und keinen Moment zu früh. Während Hermine sich die ersten Stunden nach dem Frühstück noch mit dem Durchgehen aller Berichte und Indizien zu dem Fall vertrieben hatte, hatte danach die Langeweile eingesetzt, die sie, gepaart mit dem drängenden Gefühl, keine Zeit zu haben, und der erdrückenden Gewissheit, trotzdem nichts tun zu können, fast in den Wahnsinn getrieben hatte. Dass sie sich nun endlich auf den Weg machen und jemanden befragen konnten, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zusammenhang zum Mord an Demelza Robins bestand, verschwindend gering war, besserte ihre Laune erheblich, und auch Malfoy schien aus seinem Dämmerzustand erwacht zu sein.

Gemeinsam apparierten sie aus dem Hotel hinaus in einen der Außenbezirke der Stadt, eines der industrieller geprägten Viertel neben einer Autobahn, in dem sich hie und da ein paar Wohnhäuser versteckt hatten, und machten sich auf dem Weg zu Olivia Petrus Adresse. Sie wohnte nicht in einem der Zaubererviertel der Stadt, sondern in einer Muggelgegend, doch zu Hermines Überraschung hatte Malfoy sich schon zum zweiten Mal nach ihrem Besuch in der Nationalbibliothek ohne Murren in Muggelkleidung geworfen, und sich dabei besser angestellt als viele andere Zauberer. Sicher, ein Anzug war vielleicht ein wenig – nein, sehr – fein für die Gegend, durch die sie sich gerade bewegten, aber immerhin stand er ihm, und es war nicht so, als ob sie sich um Überfälle sorgen machen müssten...

Sie erreichten das Adresse, die die Botschaft ihnen genannt hatte, es handelte sich um eine merkwürdige Kreuzung aus einem Einfamilienhaus und einem Apartmentkomplex, das sich offensichtlich nicht so recht entscheiden konnte, was es sein wollte, ganz abgesehen davon, dass es fürchterlich hässlich und abgewohnt aussah. Malfoy musterte die Namensliste neben den Klingeln mit einem skeptischen Blick. „Hier, Petru.“

Seine Augen flogen über die Tür auf der Suche nach einem Klopfer, und als er keinen entdeckte, versuchte er, sie aufzudrücken – ohne Erfolg. Hermine verkniff sich ein Grinsen, während sie neben ihn trat und auf den kleinen Knopf neben dem Namensschild drückte. Für einen Moment geschah nichts, dann ertönte statisches Knacken und und eine Stimme drang aus dem Lautsprecher, die Malfoy neben ihr zusammenzucken ließ. „Ja?“

„Ms Petru, mein Name ist Hermine Weasley, und ich würde gerne mit Ihnen sprechen.“ Sie verschwieg wohlweislich, dass sie vom britischen Zaubereiministerium gesandt war – kein Grund, einen internationalen Zwischenfall zu provozieren – aber ihr Name war bekannt genug, dass die junge Frau den Zusammenhang trotzdem erkennen musste. Für einen Moment erhielt sie keine Antwort, und sie befürchtete, dass Petru ihnen den Zugang verweigern würde, doch dann summte die Tür und Hermine drückte sie auf, bevor Malfoy ihr mit einem fragenden Blick nach drinnen folgte.

Für die Erklärung der Feinheiten von Muggeltechnologie war nun allerdings keine Zeit, denn schon als sie nur ein paar Stufen nach oben gegangen waren, glomm Licht aus einer geöffneten Wohnungstür in den Flur und eine junge Frau sah ihnen misstrauisch durch die Fransen ihres schwarzen Ponys entgegen. Hermine trat ihr entgegen und sah, wie sie dazu ansetzte, zurückzuweichen, sich dann aber einen Ruck gab. „Ms Petru, ich bin Mrs Weasley, und das hier ist Mr Malfoy.“

Sie nickte, und wenn in ihren Augen das Erkennen aufleuchtete, wurde es durch ihre dunklen Strähnen geschickt verborgen. „Kommen Sie herein.“

Ihre Stimme klang tief und rauchig, ein starker Gegensatz zu der schüchternen Persönlichkeit, die sie zu sein schien, und sie gab die Tür frei, um sie und Malfoy hereinzulassen. Im Gegensatz zum heruntergekommenen Äußeren des Hauses war das Innere makellos, sogar in der Küche, in die sie nun geführt wurden und wo Petru sie einlud, am Tisch Platz zu nehmen, glänzte alles, als wäre es erst kürzlich installiert worden. „Was kann ich für Sie tun?“

Trotz ihrer eigentlich freundlichen, offenen Worte konnte Hermine das tiefe Misstrauen in ihrer Stimme hören, und sie zwang ein Lächeln auf ihre Lippen, um ihr vielleicht ein bisschen von ihrer Wachsamkeit zu nehmen – aber ohne Erfolg. Petrus Körperhaltung blieb genauso kühl und abweisend, und sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust, als Malfoy sie ansprach.

„Wie Sie vielleicht wissen, Ms Petru, bin ich der Leihgeber einer größeren Sammlung von vampirischer Literatur, die in der österreichischen Nationalbibliothek ausgestellt wird.“ Für einen Moment glaubte Hermine, dass die junge Frau zusammenzuckte, als Malfoy sie darauf ansprach, doch selbst mit ihren Jahren der Erfahrung mit Beschuldigten konnte sie sich nicht ganz sicher sein. „Eines der Werke wurde gestohlen... und Sie sind die letzte, die es sich ausgeliehen hat.“

In die abweisende Körperhaltung Petrus mischte sich Verachtung. „Und wenn ich es gestohlen hätte, denken Sie wirklich, ich wäre dumm genug gewesen, mich in die Ausleihliste einzutragen?“

Malfoy antwortete darauf nicht, sondern schenkte ihr nur sein charmantestes Lächeln, das allerdings auf Hermine eine größere Wirkung ausübte als auf ihre Verdächtige. „Wenn das so ist, haben Sie sicherlich nichts dagegen, wenn ich einen Ortungszauber ausführe, um zu sehen, ob das Buch hier in Ihrer Wohnung ist.“

Sie schnaubte. „Wenn Sie sich dann besser fühlen, von mir aus.“

Malfoy zückte seinen Zauberstab, immer darauf bedacht, ihn von Petru wegzuhalten, um keine überraschenden und unerfreulichen Reaktionen zu provozieren, und murmelte ein paar Worte. Eine leuchtende Kugel schoss aus der Spitze seines Stabes, zitterte für ein paar Sekunden in der Luft und zerbarst dann in leuchtende Funken, die schnell ins Nichts verpufften – genauso wie Malfoys Gewissheit, sein Buch hier zu finden. Sie sah es an der Art, wie seine Schultern nach unten sackten, wie sein Blick seine Härte verlor, und Petru bemerkte es ebenfalls. „Sind Sie dann fertig damit, mich grundlos zu verdächtigen, oder haben Sie noch Fragen?“

Der Tonfall der jungen Frau, gepaart mit der abschätzigen Art, mit der sie Malfoy ansah, ließ Hermine fürchten, dass er gleich explodierte, und sie machte einen Schritt auf die beiden zu und trat zwischen sie. „Eine Frage noch, ja. Sind Sie mit Ari Lycurgus bekannt?“

Petrus Gesichtsausdruck blieb steinern kühl. „Wer?“

Hermine lächelte nur unverbindlich. „Danke für Ihre Kooperation. Mr Malfoy?“

Petru brachte sie zur Tür, mit wachsamen Augen, wie um sicherzugehen, dass sie sich nicht doch noch in der Wohnung umsahen, und ein paar Sekunden später standen sie unten auf der Straße, während sich die dunklen, grauen Wolken noch dichter über dem Himmel von Wien zusammenzogen. Malfoy schüttelte unwillig den Kopf. „Sie verbirgt etwas.“

Hermine nickte langsam, nachdenklich. „Das denke ich auch... leider ändert das nichts daran, dass wir nichts tun können, zumindest nicht, ohne die internationalen Zaubereigesetze zu einer Bretzel zu verbiegen. Wir haben nichts in der Hand, keine Indizien, keine Beweise... und selbst wenn wir sie hätten, müssten wir sie an die österreichischen Behörden weitergeben anstatt selbst zu ermitteln.“

Malfoy starrte für einen Moment unwillig auf die Straße hinab, wo ein paar Zigarettenstummel in einer traurigen Pfütze aus dunklem, schmutzigem Wasser schwammen, dann setzte er sich in Bewegung in Richtung des Apparationspunktes. „So ungern ich das zugebe, aber Sie haben Recht. Wir brauchen einen neuen Ansatz...“

Hermine nickte, doch leider schoss ihr auch kein Gedanke durch den Kopf, der ihnen die Möglichkeit geben konnte, ihre Ermittlungen voranzutreiben. Kingsleys Vertrauen in ihre Fähigkeiten war offensichtlich doch übertrieben gewesen, so ungern sie das zugab, denn im Moment konnten sie nichts tun, als auf Informationen aus England zu warten in der Hoffnung, dass Merrick ihnen etwas gab, mit dem sie arbeiten konnten. Hermine hatte das Warten schon immer gehasst, auf den Beginn der Schule, auf ihre Freunde, auf ihre Prüfungsergebnisse, aber niemals mehr in Situationen wie diesen, wo sie selbst nichts tun konnte außer stumpfsinnig die Wände anzustarren und Berichte zu schreiben, von denen sie nicht einmal wusste, ob Merrick sie lesen würde.

Und selbst als dann die lange ersehnte Eule aus London eintraf, enthielt sie auch keine Informationen, die ihnen einen neuen Zugang zu ihrem Fall verschafften, sondern nur die lapidare Aussage, dass Demelza Robins' Mutter in die Janus-Thickey-Station des St. Mungo's eingeliefert worden war.
 

Halb hatte Hermine damit gerechnet, dass sie und Malfoy den Samstagabend damit verbringen würden, die Wände ihrer Hotelzimmer anzustarren oder wahlweise Berichte und Untersuchungsergebnisse zu lesen, die sie schon fast auswendig konnten, aber Malfoy machte ihr bei dieser Planung einen Strich durch die Rechnung. Gegen sieben – kurz bevor sie endgültig den Verstand verlor, weil die formalen Wörter des Berichts vor ihren Augen tanzten – klopfte er an ihre Zimmertür, und als sie öffnete, hob sie überrascht die Brauen. Anstatt des schwarzen Umhangs, den sie erwartet hatte, trug er Muggelkleidung – wieder seinen Anzug – und das Grinsen auf seinem Gesicht zeigte, dass er es durchaus genossen hatte, sie zu überraschen. „In fünf Minuten im Foyer! Muggelkleidung!“

„Sie wissen schon, dass wir hier sind, um zu ermitteln, und nicht, um uns zu vergnügen?“

Er tat ihren Einwand mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. „Ich bin mir sicher, niemand, der Sie kennt, würde Ihnen vorwerfen, sich in meiner Gesellschaft zu amüsieren, also kommen Sie!“

Sie seufzte. Was sagt das über Ron aus? Und über meine Ehe? Ihr eigentlich ohnehin schon sehr geringer Widerstand – sie konnte die Berichte tatsächlich bereits auswendig, zumindest die wichtigsten – schwand im Angesicht dieses Gedanken noch mehr, und sie nickte Malfoy zu, bevor sie die Tür hinter ihm schloss.

Fünf Minuten später trat sie ins schon etwas abgenutzte Foyer des Hotels, in dem die Botschaft sie untergebracht hatte, und wurde von einem grinsenden Malfoy empfangen. „Ich wusste, Sie würden sich in Versuchung führen lassen.“

Hermine schnaubte. „Schreiben Sie sich dieses Verdienst nicht auf die Fahnen, sie könnten schlecht abschneiden, wenn man bedenkt, dass es sich bei Ihrer Konkurrenz um den langweiligsten Papierkram seit der Gründung des Ministeriums handelt.“

Malfoy schüttelte nur den Kopf und bot ihr seinen Arm an, den sie, wenn auch widerstrebend, annahm, bevor er sie zu ihrer Überraschung nicht zu einer der Apparationsnischen, sondern durch die Eingangstür nach draußen führte. „Muggel-Wien?“

Malfoy nickte. „Glauben Sie, ich trage zum Spaß Muggelkleidung?“

Hermine musste zugeben, dass das trotz all den guten Eigenschaften, die sie seit ihrem Auftrag in Paris an Malfoy entdeckt hatte, doch ziemlich unwahrscheinlich wäre, und sie schüttelte den Kopf. „Ich kann mir viele Dinge vorstellen, die Sie zum Spaß tun, aber Muggelkleidung anzuziehen gehört sicherlich nicht dazu.“

Malfoy lachte, ein Laut, den sie auch nach so vielen Jahren noch immer mit Häme und Spott assoziierte, bis sie bemerkte, dass er gänzlich frei davon war, dass er über ihren Witz lachte und nicht über sie. „Und ich tue es auch heute nicht – aber wenn ich noch fünf Minuten länger in diesem Zimmer hätte bleiben müssen, hätte ich den Putz von den Wänden gehext.“

Hermine nickte empathisch – sie hatte dasselbe gefühlt, nur, dass sie wahrscheinlich vor Wut mit ihren Fäusten gegen den Schrank getrommelt hätte... beides keine besonders gesunden Optionen.

„Also musste ich nach draußen...“, fuhr Malfoy mit einem Grinsen fort, während er einen tiefen Atemzug der bereits herbstlich-kalten Luft nahm und prompt hustete, weil gerade ein Motorroller vorbeifuhr. Hermine giggelte. „... und nachdem Kingsley wahrscheinlich nicht glücklich darüber wäre, wenn wir die österreichische Zauberwelt mit der Nase darauf stoßen, dass wir hier sind, indem wir in eines dieser feinen Restaurants gehen, die im Reiseführer empfohlen werden, blieb mir nur die Muggelwelt.“ Er schüttelte den Kopf. „Da sehen Sie, zu welchen Opfern die Arbeit für das Zaubereiministerium mich treibt.“

Sie wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als er in seinem Weg die Straße hinunter innehielt und sich einem Gebäudeeingang zuwandte. „Was halten Sie davon?“

Hermine musterte das Café mit hochgezogenen Brauen, sie hatte eigentlich damit gerechnet, dass Malfoy sie, wenn ihm schon der Luxus der Zauberwelt verwehrt blieb, in ein elegantes und teures Muggelrestaurant führen würde, und nicht in ein kleines Café, das aussah, als wäre es direkt aus den Fünfziger Jahren in die Gegenwart appariert. Nicht, dass Hermine ein Problem damit hatte – sie verbrachte viel zu viel Zeit damit, auf Empfängen und Dinners winzige Portionen von riesigen Tellern zu löffeln – aber sein Verhalten verwirrte sie, und sie mochte es nicht, wenn sie etwas nicht verstand. Sie warf einen Blick auf die Karte neben der Tür, auf der sie kaum ein Wort verstand, um ihre Irritation zu kaschieren, dann wandte sie sich ihm zu und nickte. „Gerne.“

Fünfzehn Minuten später hatte sie allerdings eine Antwort auf ihre Frage, und sie musste sich das Giggeln verkneifen. Als Malfoy die große Espressomaschine, die sie mit einem Dampfstrahl begrüßte, sobald sie eintraten, merkwürdig angesehen hatte, hatte sie seine Reaktion noch auf das unerwartete Verhalten des Gerätes zurückgeführt. Doch je länger sie an dem Tisch neben dem gusseisernen Ofen saßen, zu dem er sie gezogen hatte, weit weg von allem, was mit Strom betrieben wurde, desto sicherer wurde sie sich, dass er schlicht und ergreifend Angst vor der Muggeltechnologie hatte. In einem der modernen Cafés oder Restaurants, mit den Flachbildschirmen und elektrischen Kaminen, hätte ihn wahrscheinlich der Schlag getroffen... und selbst hier, wo die schon leicht abgeschabten, grünen Bänke und steinernen Tische im Stil vergangener Zeiten Sicherheit boten gegen die Handys und Tablets und Laptops, schien er sich unwohl zu fühlen.

Sie schüttelte den Kopf auf seinen fragenden Blick hin, als er ihr Lächeln bemerkte, und schlang ihre Finger um ihre Tasse mit heißer Schokolade. Er hätte es wahrscheinlich nicht gut aufgenommen, wenn sie ihm verraten hätte, dass sie sich über ihn amüsierte, auch wenn sie ihre Gedanken mit niemandem teilte – Malfoy war einfach zu stolz. Zugegeben, er hatte Fortschritte gemacht in den letzten Jahren... aber der Junge, den sie vor so vielen Jahren auf Hogwarts kennengelernt hatte, war noch immer da, nur verdeckt von einer dicken Schicht an Manieren, Höflichkeit und Charme. Das musste sie sich ins Gedächtnis rufen, besonders, wenn er sie anlächelte wie in diesem Moment.

„Sehen Sie? Viel besser.“

Hermine konnte seine Feststellung nicht leugnen, nicht, während sie fühlte, wie sich das bleierne Gewicht des Mordfalles, in dem sie ermittelten – oder eher nicht ermittelten, ein wenig von ihren Schultern hob und sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen schlich. Aber trotzdem...

In den letzten Monaten hatte sie abgeschlossen mit ihrer Mission in Paris, mit allem, was dort passiert war, auch wenn Rose ihr noch so oft aus dem Buch zitiert hatte, das Malfoy für sie gekauft hatte, als Dank dafür, dass sie ihnen bei der Rettung seines Sohnes geholfen hatte. Paris war vorbei, die Anschuldigungen des Tagespropheten lächerlich, und wenn irgendetwas geschehen war, das diese Gewissheit in Frage gestellt hätte, dann hatte sie es nicht in ihren Kopf gelassen. Aber jetzt arbeitete sie wieder mit Malfoy zusammen, und die Versuchung, die sie damals gespürt hatte, diese Sehnsucht, dass mehr sein könnte zwischen ihnen als nur distanzierte Kollegialität, war mit voller Macht zurückgekehrt, nein, stärker noch, weil sie sie in der Zwischenzeit verdrängt hatte. Und deswegen konnte sie nicht – wollte sie nicht – auf sein charmantes Lächeln eingehen und die Art, wie er ihr vermittelte, diesen Ausflug nur für sie arrangiert zu haben. „Kommen Sie... wenn ich nicht ja gesagt hätte, wären Sie alleine hier – oder in irgendeiner der zahllosen Cocktailbars, durch die Valerie sie gestern geschleift hat.“

Das Lächeln rutschte von Malfoys Gesicht, und für einen Moment runzelte er die Stirn, bevor sein Gesichtsausdruck sich wieder glättete – doch die Offenheit war gewichen, und hatte einer brütenden Nachdenklichkeit Platz gemacht. Großartig, Hermine. Einfach großartig.

„Ich glaube, Sie unterschätzen den Einfluss, den Ihre Gefühlslage auf diese Ermittlung und damit auch auf mich hat – und Ihre Möglichkeiten, Ihren Unmut kundzutun.“

Nun war es an ihr, die Stirn zu runzeln, bevor sie einen Schluck aus ihrer Tasse nahm, um seinem wachsamen, prüfenden Blick wenigstens für ein paar Sekunden zu entgehen. Hatte sie mit ihren Worten, die doch nur dazu gedacht waren, ihre eigene, innere Distanz zu wahren, zu viel von ihren Gefühlen preisgegeben? Ahnte Malfoy etwa, dass... nein, natürlich nicht. Wie sollte er auch? Er hatte sie in den letzten Monaten kaum gesehen...

Sie schüttelte den Gedanken ab und schnaubte. „Wundervoll, dass Sie mir großen Einfluss auf unser Nichtstun zugestehen. Und das sogar ganz ohne den im Ministerium sonst üblichen Abschluss in Prokrastination.“

Ihre Worte hätten durchaus humorvoll sein können, hätte nicht der scharfe, beißende Sarkasmus in ihrer Stimme jeden Anschein von Witz zunichte gemacht, und Malfoy schüttelte nur den Kopf, bevor er sich erhob und in jenem kühlen, distanzierten Tonfall, den sie von Slytherins im Allgemeinen und ihm im Besonderen, so gut kannte, fragte: „Möchten Sie auch eine Zeitung?“



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