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Unausweichlich ∞ Verbunden

John-Cleaver-Reihe
von

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Unausweichlich ∞ Verbunden

„ Danke.“ Wieder eine Pause. „ Ich liebe dich, John.“

Liebe. Irgendwie lief es immer auf Liebe hinaus.

Liebte ich sie auch?

Ich zögerte einen Moment. Ich wusste nichts von Liebe, von jedem Gefühl, wäre es dann nicht gelogen, zu behaupten, ich erwidere ihre Liebe? Aber wenn das eine Lüge war, die ihr vielleicht helfen könnte, fand ich sie verschmerzbar.

„Ich liebe dich auch“, erwiderte ich, ohne jeden Namen hinzuzufügen. „Ich bin um sieben bei dir.“

Dann legte ich auf.

Mein Weg zu Marci erschien mir an diesem Morgen länger als sonst. Dichter Nebel herrschte auf der Straße, nahm mir die Sicht und zwang mich dazu, etwas langsamer zu fahren, als ich eigentlich wollte.

In jeder Sekunde stellte ich mir vor, was ihr geschehen könnte, sollte ich auch nur ein wenig zu spät kommen. Und bei einem Gehirn wie meinem, ist die Fantasie in diesem Bereich viel zu lebhaft.

Besonders schockierte mich der Anblick eines Badezimmers voller Blut, ein zerbrochener Spiegel, Schnitte auf den Unterarmen …

Ich riss das Steuer herum, ehe ich von der Straße abkommen konnte und zwang mich, meine Gedanken wieder auf die Straße zu konzentrieren. Wenn ich nicht mehr zu Marci kam, wäre alles zu spät, das sagte mir ein tiefsitzendes Gefühl in meinem Inneren.

Wie ich den restlichen Weg schaffte, war mir nicht klar, genausowenig wie spät es eigentlich war, denn ich hatte keinerlei Blick für die Uhr. Aber als ich durch die offene Eingangstür der Jensens stürmte, war mir das ohnehin egal. Genau wie die Tatsache, dass vermutlich noch die ein oder andere Person schlief und rief laut Marcis Namen.

Es dauerte zwar nur wenige Sekunden – in denen mir erst heiße Schauer über den Rücken liefen, ehe ich bereits eine mechanische Kälte einsetzen spürte – bis eine Antwort von dieser mir vertraut gewordenen Stimme kam, aber mir kamen sie wie Minuten vor, die sich fast zu einer Stunde zogen.

Ich eilte weiter ins Bad, wo sich meine schlimmste Befürchtung nicht bewahrheitete. Die Fliesen waren vollkommen sauber, Marci stand unverletzt in der Mitte des Raumes und sah mich lächelnd an. Mich überkam eine Erleichterung, die ich noch nie zuvor gespürt hatte.

„John“, sagte sie, „du bist wirklich gekommen.“

Ich verschwendete keine Zeit damit, sie zu fragen, wie es ihr ging oder warum sie sich nicht bei ihren Eltern versteckte, wie ich ihr geraten hatte. Ich war viel zu sehr davon eingenommen, dass ich es rechtzeitig geschafft hatte, dass es Marci gut ging, dass sie lebte und sie mir nicht unter den Händen weggestorben war, weil ich zu blind gewesen war.

Ich schloss die letzte Distanz zwischen uns und umarmte sie, etwas, das ich sonst nie tat. Aber in diesem Moment war meine Erleichterung stärker als jede Abneigung gegenüber körperlichen Kontakts.

Sie erwiderte die Umarmung nicht, aber das kümmerte mich nicht weiter.

„Ich bin doch noch rechtzeitig“, murmelte ich. „Ich habe es geschafft.“

Doch meine Erleichterung endete abrupt, als ich ein leises Flüstern an meinem Ohr hörte: „Es tut mir leid, John. Aber das hast du nicht.“

Ohne sie loszulassen, blickte ich in den Spiegel. Er war zerbrochen, genau wie damals. Im selben Moment kam es mir vor, als würde das Bild vor meinen Augen zersplittern, die Gestalt in meinen Armen verschwand. Das Badezimmer war voller Blut, Marci lag in der Badewanne, so reglos wie in meiner Erinnerung und ich wusste, dass sie die ersten Anzeichen einer Leichenstarre zeigen würde, sollte ich sie jetzt anfassen.

Es war als ob jemand einen Trocar in meine Brust gerammt hätte, um jegliches positives Gefühl abzusaugen. Zurück blieb nur eine furchtbare Leere, ein hohler Fleck, der nie wieder gefüllt werden könnte.

„Es tut mir leid, John“, erklang eine Stimme hinter mir.

Ich wirbelte herum und erkannte Brooke, die lächelnd im Türrahmen stand. Aber es war nicht die Brooke, die ich einst als Ideal verehrt hatte, es war Niemand, diejenige, die schuld an Marcis Tod war und gleichzeitig doch keine Schuld trug. Brooke schwankte ein wenig, worauf mir schwindelig wurde und ich in die Knie ging. Der Blutgeruch drang mit aller Macht auf mich ein, als wären meine Sinne bis dahin verschlossen gewesen und würden sich erst in diesem Moment erst öffnen.

Als ich den Blick hob, um Brooke wieder anzusehen, erschien sie mir nur noch verschwommen, aber ich war mir sicher, dass sie immer noch lächelte.

„John“, sagte sie mit einer Sanftheit, die sich in meinen Ohren furchtbar falsch anhörte, „ich liebe dich. Das habe ich nur für dich getan.“

Schwer atmend schloss ich die Augen, als wäre es mir damit möglich, all das hier einfach ungeschehen zu machen oder zumindest alles auszublenden.
 

Als ich die Augen wieder öffnete, dämmerte es bereits. Ich sah das graue Licht direkt vor dem Sonnenaufgang, es schien durch das Fenster, so deutlich, als wäre es bereits Tag.

Brooke lag auf ihrem Bett auf der anderen Seite des Raumes und schlief friedlich. Boy Dog lag schnarchend vor ihrem Bett, wobei dieser Laut das einzige war, das zeigte, dass er noch lebte.

Alles war genau wie zu dem Zeitpunkt, zu dem ich eingeschlafen war.

„Es war nur ein Traum“, murmelte ich mir zu.

Ich verstand nicht, warum dieser und ähnliche Träume in letzter Zeit so häufig auftraten. Aber ich wollte nicht glauben, dass sie als Strafe dienen sollten. Außer vielleicht mein eigenes Unterbewusstsein wollte mich bestrafen, warum auch immer. Ihr Tod war nicht meine Schuld gewesen, jedenfalls nicht meine direkte. Ich war mir dessen sicher – warum stimmte mein Unterbewusstsein dann nicht mit mir überein?

Mein Blick wanderte ziellos umher, blieb an keiner einzigen Stelle des ungepflegten Zimmers hängen, aber trotzdem war da die Hoffnung, die mich etwas fragen ließ: „Bist du da?“

Natürlich erwartete ich keinerlei Reaktion auf eine derart lächerliche Frage. Aber bevor ich darüber wütend, statt enttäuscht sein konnte, glaubte ich, zu spüren wie jemand die Arme um mich legte. Brooke lag immer noch in ihrem Bett und konnte nicht dafür verantwortlich sein.

Im nächsten Moment hörte ich bereits, wie jemand etwas in mein Ohr flüsterte: „Es tut mir leid, John.“

Es war Marcis Stimme.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Platan
2015-02-13T12:46:09+00:00 13.02.2015 13:46
Ich hab den OS jetzt mal direkt in einem Rutsch durchgelesen, ohne dabei zu zitieren und ich bin voller Feels. (ಥ_ಥ)
War nicht so viel, aber dafür, wie gesagt, voller Feels. (ಥ﹏ಥ)
Übrigens habe ich beim Lesen mal wieder gemerkt, wie toll du Ich-Perspektiven schreiben kannst. Du musst dich da auf jeden Fall nicht verstecken, das war für mich schon wie das Original. Auf jeden Fall kam es mir vor, als könnte man diese Stelle locker im Buch unterbringen, ohne dass jemand merkt, dass es nicht von Wells ist. °___°
Der Titel gefällt mir irgendwie sehr gut. Ich mag die Aufbauart davon total. ♥
Und: Aha! Dafür war das Lied also, das du kürzlich getwittert hattest. :D
Ich finde es auch toll gemacht, wie du die Kurzbeschreibung aufgebaut hast, mit diesen wirklich treffenden Zitaten.

Nun zur besagten OoC-ness: Einzig die Umarmung von John kam mir OoC vor, weil ich mir kaum vorstellen kann, dass er das von sich aus tun würde, ABER wenn man bedenkt, zu welchem Zeitpunkt er diesen Traum hat, ist es gut möglich, dass ihn die Erleichterung tatsächlich dazu treiben würde. So abwegig ist es also dann doch wieder nicht.
An einer Stelle war ich dann ein wenig irrtiert, weil ich glaube, dass du da aus Versehen in die falsche Perspektive gerutscht bist:
> Im selben Moment kam es ihm vor, als würde das Bild vor seinen Augen zersplittern, die Gestalt in seinen Armen verschwand.
Falls das ein besonderer Effekt sein sollte, weil John da gerade in den Spiegel blickt, ist es gut gemacht. Ich bin nur trotzdem etwas verwirrt gewesen an der Stelle.

Jetzt aber mal genug Kritik ... was stimmt nicht mit mir? XD
Ich liebe es. ♥ Ich liebe es wirklich sehr. Der OS zeigt so schön, wie viel Gefühl in der Cleaver-Reihe drinsteckt und die kann nicht mehr als genug FFs haben.

> Mein Blick wanderte ziellos umher, blieb an keiner einzigen Stelle des ungepflegten Zimmers hängen, aber trotzdem war da die Hoffnung, die mich etwas fragen ließ: „Bist du da?“
An der Stelle war es mit mir vorbei. Ich hatte Gänsehaut und hätte anfangen können zu weinen, weil es so emotional ist. Besonders für John. Q___Q
Es ist so hart, dass er immer wieder davon träumt und sie nicht retten kann. :(

Was soll ich noch sagen? Danke für die Feels. ♥
So unendlich viele Feels. TT___TT
Antwort von:  Flordelis
13.02.2015 13:54
Danke dir für den Kommentar~. ♥
Hach, Feels. Q_____Q

Jep, das Lied kannte ich aus "White Noise", in dem ja auch ein Mann seine Freundin/Frau verliert und um sie trauert. Da fand ich es hierfür passend. D;
Besonders da John ja in Band 4 erwähnt, dass er glaubt/hofft, dass Marci noch irgendwie "da" ist, obwohl er eigentlich nicht an die Seele glaubt.

Ich bin beim Schreiben öfter in die Er-Perspektive gerutscht, hab in dem einen Satz wohl vergessen, es zu korrigieren, danke dafür, ist jetzt geschehen. :3

Danke fürs Lesen, für das Lob und den Kommentar im Großen und Ganzen. ♥
*flausch*


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