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A little vampire story

von

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Entscheidungen

So unauffällig und leise wie möglich schleiche ich hinterher, auch wenn es vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre, denn sie ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt um etwas zu bemerken. Wie töricht.

Die nächste Straße ist noch heruntergekommener als die vorherige und die Wände der Häuser zieren halb abgekratzte Spuren von Graffiti, das der saure Regen bereits zum Teil zerstört hat.

Ohne sich umzublicken betritt das Mädchen ein heruntergekommenes Haus, deren einst schöne Fassade bereits die Zeit vollkommen zerfressen hat, so dass man nur noch ansatzweise die kunstvoll gearbeiteten Stuckaturen erkennen kann.

Ich muss mich beeilen ihr zu folgen, ehe die abgewetzte Eingangstür schwer ins Schloss fällt, und laufe dann vorsichtig einen nur spärlich beleuchteten Hausflur entlang bis zu einer Treppe die in weitere verzweigte Flure führt, immer darauf bedacht nicht aufzufallen, doch das Mädchen war zu sehr mit sich selbst beschäftigt um etwas anderes zu registrieren. Ihr unsteter Blick ist auf eine der vielen Haustüren im hinteren Teil des Ganges fixiert, während ihre magere Gestalt sichtlich zu zittern beginnt. Die Drogen haben sie völlig ausgemergelt und auch ich beginne zu zittern von der reinen Anspannung. Könnte ich das wirklich tun? Meine Gedanken fühlen sich verloren und flüchtig an. Andererseits will ich stehen bleiben und über meine Handlung nachdenken und trotzdem treibt mich ein Gefühl an, was ich nicht beschreiben kann. Das Risiko ist hoch, das weiß ich, und trotzdem zittere ich beinahe vor Erregung.

Was ist nur mit mir los?

Und was ist, wenn etwas daneben geht? Und wie soll ich ‚es’ tun? Und danach, wohin mit dem….Körper?

Meine Augen fixieren den weichen Nacken und ich muss hart gegen meinen aufkommenden Hunger schlucken, bevor ich ihr weiter folge. Meine Kehle ist trocken und wund. Es wird sich schon alles finden…
 

Von Innen wirkt das Haus noch hässlicher als von außen. Der geflieste Boden ist dreckig und die meisten Fliesen haben große und kleine Risse, die sich wie schwarze, dünne Haare durch das schwarzweiße Muster ziehen. Die Schritte des Mädchens werden eiliger und ihre flachen Absätze klackern hallend im Flur wider. Ihr Atem geht jetzt schon beinahe keuchend und meiner auch, je näher ich ihr komme. Meine Angst wird immer mehr von einem anderen Trieb in mir überdeckt und die Lösung für meine Probleme ist so nah. So nahe, dass ich es…sie bereits fast greifen kann. Ich müsste nur einen Schritt schneller gehen und meine Hände ausstrecken und…

Ich bleibe abrupt stehen, als das Mädchen vor einer heruntergekommenen Haustür stehen bleibt und drücke mich instinktiv in den Schatten des stickigen Flures, doch es ist nicht nötig, da sie sich immer noch nicht umschaut. In meinem Rücken spüre ich die rissige, kühle Hauswand. Mein Atem verändert sich, unbewusst atme ich leiser, flacher. Ich habe es nie gelernt und trotzdem weiß mein Körper ganz von allein, wie er sich verhalten muss. Faszinierend, und trotzdem, ich bin zu hungrig um mir weiter darüber Gedanken zu machen.

Ich höre wie die Tür geöffnet wird und sie verschwindet, ohne sich noch mal umzusehen durch die Wohnungstür, die sie eilig hinter sich schließt und ich will schon enttäuscht aufgeben, bis ich merke, dass die Tür gar nicht richtig ins Schloss gefallen ist. Ein Kribbeln erfasst meine Glieder. Ich sollte umkehren, doch ich kann es nicht. So nah war ich noch nie daran der Versuchung nachzugeben. Noch nie hatte sich mir so eine Chance geboten. Wahrscheinlich ist es unendlich dumm. Es ist mir egal…ich kann immer noch ihr Blut riechen! Vorsichtig öffne ich die Tür, schleiche zu der gegenüber liegenden geschlossenen Zimmertür und horche vorsichtig und mit klopfenden Herzen. Meine Hände liegen auf dem glatten, kühlen Holz. Gott, bin ich nervös!

„Jetzt nicht, Cherry. Ich habe gerade wichtigen Besuch!“, höre ich eine kratzige Stimme und meine Glieder fühlen sich plötzlich bleischwer an.

„Ich bitte dich, nur ein Schuss. Dann verschwinde ich sofort.“

Weitere Stimmen werden laut und Stühle werden gerückt.

Verdammt, Sie ist nicht alleine und mit Männern kann ich mich definitiv nicht anlegen. Es sind zu viele. Und ich war so nah dran! Ich beiße mir frustriert auf die Unterlippe und verziehe verärgert mein Gesicht.

Was habe ich auch erwartet, wahrscheinlich wäre ich nicht mal mit diesem Mädchen fertig geworden. Sie hätte mich K.O. geschlagen oder schlimmeres. Trotzdem fühle ich mich beinahe betrogen. Meine Adern schmerzen unter meiner dünnen Haut und das Holz fühlt sich viel kälter und stabiler an als gerade eben noch. Eine unüberwindbare Mauer für mich und für meinen Hunger.

Vorsichtig löse ich mich los und will rückwärts davon schleichen, bevor die Leute noch Notiz von mir nehmen, doch ich erstarre sofort mit geweiteten Augen mitten in der Bewegung. Eine schwere Atmung, direkt hinter mir, und ich war zu abgelenkt, um den Menschen bis jetzt zu bemerken.

Scheiße!

Erschreckt drehe ich mich hastig um und will kopfüber an dem Mann vorbeistürmen, der groß und mit düsterer Miene vor mir aufragt, doch er reagiert schnell und greift nach meinen Handgelenken mit seinen schwieligen Händen.

„Na wen haben wir denn hier?“ Sein sadistisches Grinsen schießt mir durch Mark und Bein und mir bricht kalter Schweiß auf der Stirn aus.

„Lass mich los!“, keife ich mit hoher Stimme und versuche mich gegen ihn zu stemmen. Panik überschwemmt mich wie ein plötzlicher Tsunami.

Nutzlos. Ein Kampf gegen Windmühlen mit diesem schwachen, verkümmerten Körper.

„Sven? Was ist los?“ Die Tür wird aufgerissen und noch ein kräftiger Mann taucht auf. Nein…nein….was soll ich tun?

Hastig suche ich nach einem Fluchtweg, irgendetwas…

„Bitte…“, krächze ich verängstigt. Meine Handgelenke schmerzen bereits, doch ich ziehe wild weiter.

„Verdammt, halt still Bengel!“, schnarrt der Mann, der mich festhält und zieht mich näher an sich heran. Ich keuche erschrocken und finde mich an seine Brust gelehnt wieder. Und dann, als ich nach oben schaue, habe ich plötzlich seine Kehle direkt vor mir. Der Moment dehnt sich, als zerrte meine Wahrnehmung die Zeit auseinander und ich sehe einen Fluchtweg der besonderen Art. Mein Atem stockt. Panik erfasst mein Inneres und ohne über irgendwelche Konsequenzen meines Handelns nachzudenken, aus einer rein instinktiven Handlung, schnelle ich vor, reiße meinen Mund so weit wie ich kann auf und meine spitzen Zähne graben sich knurrend in das weiche Fleisch seines Halses. Kurze Bartstoppeln kratzen an meinen Lippen und die Wahrnehmung in meinem Kopf verschiebt sich zu einer anderen, viel instinktiveren Denkweise, die alles Rationale völlig aussperrt. Plötzlich ändert sich das Rollenverhältnis, nun bin ich der Angreifer. Es fühlt sich richtig an, es fühlt sich gut an!

Mein Opfer erstarrt unter meinen grausamen Zähnen und sein würziges Blut sprudelt mir wunderbar heiß in einem dicken Strahl entgegen. Sein Schrei ist markerschütternd laut. Laut und schön. JA!

Doch ehe ich dazu komme sein Blut wirklich zu schmecken, spüre ich einen harten Schlag, der meinen Kopf hart zur Seite reißt. Ich stöhne schmerzhaft, taumle zurück. Meine Beine brechen unter mir zusammen wie dünne Streichhölzer und mein Schädel pocht fürchterlich laut. Meine Hände suchen unkoordiniert Halt und ein weiterer Schlag trifft mich entsetzlich hart gegen den Kopf. Verschwommen sehe ich den anderen Mann über mir. In seiner Hand ist etwas…ich weiß nicht…es ist verschwommen…ich…ich...es…dann…dunkel…
 

Mein Körper schmerzt grausam, die Handgelenke brennen wie Feuer. Das ist das Erste was ich benommen wahrnehme. Meine Glieder fühlen sich schwer und taub an. Es kribbelt unangenehm in meinem Rücken, als hätte ich zu lange auf einer Stelle gelegen. Wo bin ich? Ich versuche mich zu bewegen, doch nur meiner Finger reagieren schwach auf die Signale die mein benommenes Hirn entsendet.

„Ich glaube er wird wach.“

„Das kann nicht sein, ich hab ihn doch betäubt. Er sollte eine Weile schlafen.“

Stimmen, aber sie hören sich dumpf und weit entfernt an, als wären meine Ohren verdeckt. Ich schaffe es kaum meine schweren Lider zu öffnen, zudem es nichts bringt, weil alles noch so merkwürdig verschwommen ist. Ich sehe wie durch Nebel.

„W…wa…“, versuche ich zu sprechen, doch meine Zunge will nicht richtig reagieren.

„Scheiße, gib ihm einfach die doppelte Dosis.“ Ein Schatten kommt näher, doch mein Körper will nicht reagieren, trotz meiner langsam erneut aufkommenden Panik. Ich muss hier weg, denke ich benommen. Das Fluchtgefühl ist überwältigend stark, doch ich kann nicht…mein Körper will sich einfach nicht bewegen!

Verbrauchte Atemluft streift meine Wange.

An meinen halb tauben Armen spüre ich eine drückende Berührung und ich glaube langsam etwas schärfer zu sehen. Mein Kopf fällt schwach zur Seite und ich versuche zu fokussieren. Eine Gestalt vor mir.

Arme…eine…Spritze…glaube ich…

Ein neuer Schmerze in meiner Armbeuge und dann wird mir wieder schwarz.
 

...
 


 

Ich bin müde und ausgelaugt, als ich das nächste Mal zu mir komme. Langsam warte ich darauf, dass die bleierne Schwere aus meinen Gliedern weicht, ehe ich langsam die Augen öffne. Unter mir fühle ich etwas Weiches. Sehr weich. Ein Bett vielleicht?

Ich lasse mir Zeit, denn ich kann niemanden wahrnehmen. Wahrscheinlich bin ich alleine. Wo auch immer ich bin…

Was ist passiert? Dunkel dringen Erinnerungen hervor. Das dünne, drogensüchtige Mädchen, die Gasse, das Haus, der Blutgeruch und die Männer. Ja genau. Ich wurde niedergeschlagen als ich…

Mit der Zunge befühle ich meinen Mund, taste meine Zähne ab, finde aber nur einen leichten, fahlen Geschmack von geronnenem Blut. Schade, jetzt weiß ich immer noch nicht wirklich wie es schmeckt, stelle ich enttäuscht fest.
 

Vorsichtig aufrichtend sehe ich mich erstaunt um. Ich liege tatsächlich in einem großen, sehr teuer aussehenden Bett aus glatt poliertem Eichenholz. Auf mir erstreckt sich eine edle Bettdecke aus dunklem Satin. Im Zimmer stehen die üblichen Möbel, eine glänzende Kommode, ein breiter Kleiderschrank, ein großer, gold umrahmter Spiegel, edle Tischlampen. Alles ordentlich und sauber dekoriert. Nichts Besonderes eigentlich, wenn man davon absieht, dass alles nach viel Geld riecht.

Nichts was darauf schließt wo ich bin, warum ich hier bin. Die großen Fenster werden verdeckt von dicken, schweren Vorhängen und über mir brennt die Deckenleuchte schrecklich grell.

Dann fällt mir noch etwas auf, als ich die Decke zurückschlage und was mir unangenehme Schauer über den Rücken jagt, denn jemand hat mich scheinbar umgezogen. Erstaunt zupfe ich an der weißen, viel zu kurzen Hose herum. Mein Shirt trage ich auch nicht mehr, stattdessen habe ich ein Hemd mit kurzen Ärmeln an, ebenfalls weiß. Und dann spüre ich da noch etwas an meinem Hals. Was…?

Verwundert greife ich danach und fühle kaltes, glattes Metall. Ich taste weiter bis in meinen Nacken. Ein Ring, sehr schmal zwar, aber ein Ring. Mit flüchtigen Fingern suche ich nach einer Möglichkeit diesen zu öffnen, doch ich finde den Verschluss nicht. Was ist das?

Irgendwann gebe ich auf und bleibe weiter frustriert auf dem Bett sitzen.

Und jetzt? Wird bald jemand nach mir sehen?

Ich lasse mich zurück in die weichen Kissen sinken und betrachte nachdenklich die Decke. Es fällt mir immer noch etwas schwer meine Gedanken zu ordnen, aber es geht langsam etwas besser.
 

Irgendwann höre ich Geräusche im Nachbarzimmer. Scheinbar bekomme ich endlich Besuch. Wird auch langsam Zeit, ich liege hier schon bestimmt eine halbe Stunde und drehe Däumchen. Nicht das ich nicht versucht hätte die Tür zu öffnen, aber mir war schon bevor ich die Klinke überhaupt herunterdrückte klar, dass diese abgeschlossen ist.

Ich höre mit meinen feinen Sinnen wie ein Schlüssel im Schloss gedreht wird und starre gespannt die sich öffnende Tür an. Ein großgewachsener Mann betritt den Raum und schaut mich gezielt an. Seine Präsenz im Raum ist Atemberaubend intensiv und ein herber Geruch weht zu mir herüber, den ich genüsslich aufnehme. Dunkle Augen gleiten interessiert über meine Gestalt und mein Blick wandert genauso über seine Erscheinung. Schwarze, lange Haare, im Nacken zusammengebunden. Trotzdem fallen einige Strähnen nach vorne, die nicht vom Zopf gehalten werden.

Ein hartes Kinn, aber weiche, mandelförmige Augen sowie eine definierte Nase. Hmm er sieht asiatisch aus, vielleicht ein Chinese oder Japaner, oder eher Halbjapaner. Vielleicht 24 Jahre alt, oder jünger? Ich bin furchtbar schlecht im Schätzen, er könnte auch 27 oder älter sein, wobei ich finde, dass man Asiaten sowieso nie ansehen kann, wie alt sie sind. Selbst wenn er 40 wäre, würde ich ihn umstandslos für 25 halten.

Er trägt ein dunkles, knitterfreies Hemd ohne Krawatte und lange, elegante Beine stecken in einer schwarzen Stoffhose mit Bügelfalte. Er gefällt mir.
 

„Du bist schon wach.“, schnarrt seine samtige Stimme angenehm in meinen Ohren. Ich kann ihn nur anstarren. Was will ein Mann wie er denn bitte von jemandem wie mir?

„Du verstehst mich doch?“ Langsam kommt er auf mich zu. Seine dunklen Augen halten mich weiter gefangen. Ich nicke vorsichtig, ohne mich zu rühren. Er hat etwas ganz und gar einnehmendes an sich, das sich kaum definieren lässt. Jede Bewegung erscheint klar und ohne Schwäche. Schon alleine sein katzengleicher Gang zeigt eine charakterliche Stärke, die auch seine Augen permanent ausstrahlen, seit er den Raum betreten hat.

„Gut.“ Die Matratze senkt sich etwas, als er sich genauso elegant an den Rand des Bettes setzt und ich kann seinen Duft verstärkt wahrnehmen.

„Wie geht es dir?“, will er der Etikette halber wissen. Nicht, dass es ihn wirklich interessieren würde.

„Den Umständen entsprechend.“, erwidere ich trocken.

Seine schönen Lippen zucken und ich sehe ihn leicht lächeln.

„Wo bin ich?“

„In meinem Bett.“ Geht es noch ungenauer? Ich sehe ihn leicht verärgert an, doch ihn scheint das nur zu amüsieren.

„Wie spät ist es eigentlich?“, frage ich spontan, da mir gerade auffällt, dass ich gar nicht weiß wie lange ich geschlafen habe.

„Fünf Uhr früh, du bist erst vor drei Stunden hier angekommen, falls du das wissen willst.“

Jeder andere wäre wohl wütend oder ängstlich, doch ich betrachte die Situation ganz nüchtern. Ich war noch nie der Typ für überschwängliche Gefühle, wie die meisten Menschen. Ich bin nicht zornig, wegen der unsanften Behandlung und offensichtlichen Entführung, nur verwirrt.
 

Seine Augen mustern mich fasziniert und mir wird etwas unwohl, aufgrund meines Aufzuges. Die Hose verdeckt ja nicht mal ansatzweise meinen Oberschenkel.

Ich erschrecke etwas, als er unvermittelt nach meiner linken Hand greift und sie eingehend studiert, als wäre da etwas sehr Interessantes zu sehen.

„Was wird das?“, frage ich ihn offen.

Er lässt sich Zeit, ehe er mir antwortet und entlässt meine Hand seiner Musterung, um mein Gesicht wieder eingehender zu betrachten. Es macht mich etwas nervös, so angestarrt zu werden.

„Deine Wunden.“

Irritiert betrachte ich ebenfalls meine Hände, um seinem Blick zu entgehen.

„Aber da ist nichts.“

„Eben.“

Er greift nach meiner anderen Hand und streicht mit den Fingerspitzen bedächtig über das Handgelenk, das eigentlich verwundet sein müsste, nach menschlichen Maßstäben. Meine Haut kribbelt unter seinen Berührungen wie Brausepulver auf der Zunge.

Oh….jetzt weiß ich worauf er hinaus will. Scheiße.

Sanft lässt er meine Hand frei, nur um sich weiter vorzubeugen und dann spüre ich seine Finger an meiner Schläfe.

„Hier auch.“

Seine Berührung kitzelt.

„Kannst du mir das erklären?“

„Nein.“, antworte ich trotzig und weiche seinem durchdringenden Blick aus, während seine Finger weiter wandern und sanft durch meine blonden Haare streichen.

„Was mache ich hier?“

Ich ziehe meine Knie an und stütze die Arme darauf.

„Du bist mein Geschenk. Und du wirst hierbleiben, ob du willst oder nicht.“ Seine Stimme klingt nun hart, bestimmend.

„Sie wollen mich einsperren?“

„Du kannst auch freiwillig bleiben, zumal es die Sache angenehmer gestalten würde, die Entscheidung überlasse ich ganz dir.“

„Also habe ich die Qual der Wahl zwischen hierbleiben und…hierbleiben.“ Nur was bedeutet ‚hier bleiben’ für mich? Ich weiß immer noch nicht wo ich bin.

Er lächelt wieder.

„Wenn du es so sehen willst, ja.“

Er nimmt eine meiner hellen Haarsträhnen zwischen die Fingerkuppen und reibt mit seinem Daumen sacht darüber.

„Du gefällst mir. Aber ich habe gehört du hast einen meiner Mitarbeiter verletzt.“

„Er hat mich zuerst angegriffen.“, rechtfertige ich mich mit geröteten Wangen.

„Du hast ihm die Kehle aufgerissen.“

„Ja…“, kommt es verzagt über meine Lippen ehe ich mich beherrschen kann und ich sehe, dass er verwirrt ist über meine Reaktion. Seine schmalen Lippen verziehen sich zu einem leichten Lächeln.

„Ein interessantes Geschenk habe ich da bekommen.“, meint er nur und seine Hand schlingt sich um mein Kinn und streift weiter über meinen Hals. Ich lasse ihn gewähren, da seine warmen Berührungen wunderbar angenehm sind auf meiner kalten Haut.

„Was meinen Sie eigentlich mit Geschenk und wie heißen Sie überhaupt?“

„So wie ich es sagte, du bist mein Geschenk. Ab jetzt betrachte dich als mein Eigentum und ich kümmere mich gut um mein Eigentum. Du kannst mich Alexander nennen. Und spreche mich nicht mit ‚Sie’ an.“ Während er spricht, steht er auf und streicht seine Hose wieder glatt.

„Alexander, klingt ja nicht sehr asiatisch. Ich dachte Sie...äh...du wärst Chinese oder so.“

„Ist es das Einzige, was dich beschäftigt?“

Ich sehe ihm ins unbewegte Gesicht.

„Nein.“

„Gut, ruh dich noch etwas aus, ich bin derweil im Nebenzimmer.“, sagt er geschäftsmäßig, ohne auf meine Frage zu antworten.

„Ach ja. du darfst dich in diesen Räumen natürlich frei bewegen. Sollte ein Schrank oder Raum allerdings verschlossen sein, hat dies auch seinen Grund. Raus zu gehen ist dir nicht gestattet und versuche erst gar nicht durch das Fenster zu fliehen, es sei denn du hegst Selbstmordabsichten, denn wir sind hier im 17. Stock.“

Und dann ist er auch schon wieder im angrenzenden Zimmer verschwunden und ich sitze verwirrt auf seinem Bett. Gut.

Ich wurde also scheinbar entführt, habe keine Chance zu entkommen und weiß beim besten Willen nicht was dieser Mann eigentlich von mir möchte. Er hat keine Forderungen gestellt. Will er Lösegeld von meinem Vater? Allein die Vorstellung ist witzig, dass jemand glaubt Olaf würde Geld dafür bezahlen, um mich wieder zurück zu nehmen.

Ich werde ihn wohl einfach fragen müssen.

Außerdem, wenn ich will könnte ich fliehen, oder? Wieder einmal komme ich mir schrecklich schwach und nutzlos vor in diesem degenerierten Körper. Will ich denn fliehen? Wenn ja, wohin soll ich gehen? Es gibt nichts auf dieser Welt, wo ich hingehöre. Nichts.
 

Flink klettere ich aus dem Bett und spüre den kalten Parkett unter meinen nackten Füßen. Er hat gesagt ich kann mich frei bewegen, also öffne ich ohne Scheu die Tür und staune nicht schlecht über das großräumige Wohnzimmer, welches ich nun vorsichtig betrete. Man, der Typ hat wahnsinnig viel Geld!

Teure Möbel stehen gut platziert im Raum und die komplette rechte Seite hat eine riesige Fensterfront, vor der eine rote Sofagarnitur steht. Alles sieht sehr elegant aus. Draußen ist es noch immer dunkel, auch wenn man bereits die Dämmerung erahnen kann. Das leichte Hellerwerden am Horizont, ehe die quälend, grelle Sonne ihre ätzenden Strahlen über die Erdoberfläche schickt, wie Säure. Nicht das ich verbrennen würde im Sonnenlicht wie die Vampire in diesen lustigen, alten schwarzweiß Filmen, aber es ist einfach eine Qual für meine empfindlichen Augen.
 

Mein Entführer sitzt währenddessen auf dem roten Edelsofa und tippt auf der Tastatur eines Laptops herum. Sein Profil spiegelt sich auf der makellosen Scheibe der Fensterfront, genauso wie seine dunklen Augen, die mich sogleich prüfend mustern, bevor sich sein Mund zu einem überheblichen Lächeln verzieht.

Kurzerhand setze ich mich ihm direkt gegenüber und beobachte.

Nur ein prüfender Blick wird mir geschenkt, dann wird weiter getippt. Flinke, lange Finger, die schnell und bewusst über die Tasten fliegen.

Sicher arbeitet er an irgendwas. Ja, was arbeitet er überhaupt? Ein normaler Geschäftsmann ist er ja wohl kaum. Kein normaler Mensch würde jemanden entführen, um ihn dann in seiner Wohnung zu halten wie ein Haustier. Außerdem lassen mich seine Mitarbeiten an der Seriosität seiner Tätigkeit stark zweifeln.

Gelangweilt stütze ich mich auf der Lehne des Sofas ab und beschließe die angespannte Schweigsamkeit zu brechen.

„Wenn du Lösegeld willst, muss ich dich enttäuschen. Niemand würde mich freikaufen.“, sage ich mit lockerer Stimme, als ich mich fühle.

Alexander schaut von seinem Laptop auf und eine Augenbraue wandert in die Höhe.

„Wie kommst du darauf, dass ich Lösegeld möchte? Geld habe ich genug.“

Ich bin ehrlich überrascht. Aber wo er recht hat…

„Was dann?“

„Du wurdest mir geschenkt, zur Unterhaltung. Ich interessiere mich für seltene und hübsche Dinge. Ich wusste sofort, dass ich dich haben will, als mir mein Informant von dir erzählt hat.“

„Bist du ein Mafiosi oder so? Aber bist du dafür nicht noch zu jung?“

Er lächelt.

„Nicht ganz. Ich greife nur meinem Vater etwas unter die Arme. In dieser Stadt geht alles drunter und drüber.“

„Also bist du wirklich bei der Mafia?“

„Über meine Geschäfte werde ich nicht mit dir reden. Um so weniger du weißt, umso gesünder für dich.“

Es sollte mir wohl Angst machen, aber die habe ich nicht.

„Und Entführungen gehören dazu?“

Er grinst.

„Unter anderem.“

„Machst du das öfter? Leute entführen und als Haustier halten?“

„Nur wenn mir so etwas Hinreißendes wie dir über den Weg läuft.“

Ich schlucke und werde ganz nervös, als seine Blicke über meinen Körper wandern.

„Und was willst du jetzt mit mir anfangen? Ich bin kein Hund.“ Eher ein Wolf. Aber das wird er noch früh genug merken.

„Hmm ich bin noch unschlüssig.“ Nachdenklich beugt er sich etwas nach vorne über den Glastisch und seine Augen mustern mich nun sachlich kalt. Er streckt seine Hand nach mir aus, streicht über den Ring an meinem Hals und legt sich dann bestimmt um mein Kinn.

„Hast du keine Angst?“, fragt er prüfend.

„Ich habe keinen Grund.“, sage ich ehrlich.

„Oh, den wirst du haben, sobald du begreifst, wofür man dich mir geschenkt hat.“

Er nimmt seine Hand von mir und wendet sich wieder dem Laptop zu, während ich über seine Worte nachdenke und sie trotzdem nicht verstehe.
 

Mein Blick wandert wieder zum Fenster und über die unbekannte Stadt da draußen, deren Lichter leuchten wie eine massige Ansammlung kleiner Sterne. Wo auch immer ich bin, ich wurde auf jeden Fall in eine andere Stadt verschleppt, denn diese da draußen ist viel größer, als unser kleines Städtchen in dem ich noch bis gestern war.

„Hast du Hunger? Bedien dich.“ Seine Hand vollführt eine Geste zu dem Tisch zwischen uns, wo einige Früchte in schönen Glasschüsseln stehen. Perfekt geformte Erdbeeren, saftig, grüne Äpfel und noch mehr.

„Nein. Ich will nichts.“, antworte ich desinteressiert und wende mich wieder seinem hübschen Gesicht zu. Erstaunt sieht er mich an.

„Iss, du bist viel zu dünn.“

Ein Befehl, keine Frage. Aber ich will nicht, nicht das.

Vehement schüttle ich den Kopf.

„Soll ich dich erst dazu zwingen?“, fragt er nun etwas verärgert.

Ich will gerade etwas entgegnen, als ich leise Schritte höre. Ich wende meinen Kopf automatisch in die Richtung.

„Was ist?“, fragt er alarmiert.

„Da kommt jemand.“

Und schon klingelt es an der Tür. Das scharfe, laute Geräusch ist unangenehm und ich verziehe schmerzhaft das Gesicht.

Der Asiate steht auf und befielt mir nur mich zu sich aufs Sofa zu setzen, während er den Besucher herein lässt. Verstimmt tue ich was er sagt und ziehe wieder meine Knie an den Körper, um sie mit den Armen zu umschlingen. Von der Tür her dringen Stimmen zu mir und ein weiterer, unbekannter menschlicher Duft folgt ihnen ins Wohnzimmer.

Misstrauisch verfolge ich den Fremden mit den Augen, als sie sich setzen. Alexander neben mich und der Besucher, übrigens ebenfalls Asiate, sitzt uns gegenüber. An ihm haftet der abartige Geruch von Zigarettenqualm und altem Schweiß.

Sie unterhalten sich, ich nehme an geschäftlich, denn er hat wieder diesen Ton in der Stimme. Doch ich kann nicht verstehen über was, da Beide in eine andere Sprache wechseln. Auch irgendwas Asiatisches. Keine Ahnung, in dem Bereich kenne ich mich nicht aus. Für mich klingt das alles gleich, Chinesisch, Japanisch, Vietnamesisch…es könnte alles sein.

Das Gespräch dauert lange, viel zu lange. Immer wieder huschen die Augen des Fremden zu mir herüber, doch ich ignoriere es. Mir wird schrecklich langweilig und als ich die Sonne am Horizont langsam aufgehen sehe, beschließe ich wieder ins Bett kriechen zu wollen.

Kurz sehe ich mit meinen müden Augen diesen Alexander neben mir an, bis er mich bemerkt.

„Willst du etwas?“

„Ich bin müde.“

Seine Hand streicht durch meine weichen Haare und er sieht mich wieder so durchdringend an. In seine dunklen Augen kann man regelrecht versinken.

„Geh ins Bett, ich werde gleich noch mal nach dir sehen.“

Gerne komme ich seiner Aufforderung nach und wundere mich nur am Rande über die zärtlichen Berührungen von ihm.



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