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Die Reise eines Engels

von

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Reisegefährten (Annas Sicht)

Immer noch müde öffnete ich die Augen. Wo war ich? Was war passiert.

Als es mir wieder einfiel, wollte ich es am liebsten wieder vergessen.

Mein Vater war…tot.

Mir kamen fast wieder die Tränen. Wie konnte das nur geschehen. Was hatte er denn getan? Er wollte mich doch nur retten. Jetzt hatte ich beide meiner Eltern verloren.

Ich sah auf und bemerkte den Sonnenaufgang. Allerdings stand jemand direkt vor der Sonne.

Es war ein Mann. Das musste Kratos sein. Er stand mit dem Rücken zu mir und schien den Sonnenaufgang zu betrachten.

Dieser Anblick hatte irgendwie was Beruhigendes.

Ich setzte mich hin. Der Rothaarige schien dies zu bemerken, da er sich umdrehte und auf mich zukam.

Er blieb vor mir stehen und sah mich an.

Man konnte kaum Gefühle in seinen Blick erkennen und doch schien er besorgt zu sein.

Besorgt um mich.

Ich wand meinen Blick ab und sah zu Boden. Irgendwie fühlte ich mich unwohl.

„Alles in Ordnung?“, erklang nun die Stimme des Engels.

„Ich…ich…“

Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Mein Hals war so trocken. Es schnürte mir fast die Kehle zu.

„Hier trink!“, sprach Kratos und reichte mir eine Wasserflasche.

Etwas zögernd sah ich diese an.

Konnte der Gedanken lesen oder so was? Er erschien mir schon immer etwas übernatürlich, aber das.

Mein Durst war allerdings zu stark, als dass ich noch länger darüber nachdenken konnte. Also nahm ich die Flasche und trank hastig etwas Wasser.

Kratos setzte sich nun neben mich.

Als ich fertig mit trinken war, überkam mich wieder dieses unwohle Gefühl. Es war nicht die Trauer wegen meines Vaters. Das machte mir auch zu schaffen, aber da war noch was anderes. Mir war auch langsam klar was das war.

„Es tut mir leid.“, hörte ich die Stimme des Rothaarigen.

Ich sah ihn überrascht an. Ich verstand nicht ganz.

„Wegen deinem Vaters.“

Er tat es schon wieder. Woher wusste der was ich dachte? War mein Gesichtsausdruck so offensichtlich?

Ich schüttelte kurz den Kopf. Was dachte ich da? Ich musste mal klare Gedanken fassen. Es gab bessere Themen über die man grübeln konnte, als dieser Engel. Na ja vielleicht nicht viele bessere Themen. Der Rothaarige war schon interessant.

„Das ist nicht deine Schuld.“, sprach ich und konzentrierte mich wieder auf das Gespräch.

„Mhm.“

Ich verdrehte etwas die Augen. Mhm war wohl sein Lieblingswort. Konnte er nicht mal mehr sagen? Eigentlich hätte ich meine Gedanken laut ausgesprochen, aber mir war nicht danach.

Ich fühlte mich immer noch schlecht. Es war ein bisschen so, als ob ich einen riesigen Kloß im Hals stecken hatte.

„Ehm Kratos?“, sagte ich leise. Das war wohl das erste Mal, dass ich ihn mit seinem Namen angesprochen hatte. Die Bezeichnung „dreckiger Engel“ war irgendwie unangebracht. Das war ja gerade mein Problem.

Der Angesprochene sah mich an. Er wartete wohl, dass ich etwas sagte.

„Ehm. Mir tut es leid.“, nuschelte ich leise. Sich bei jemanden zu entschuldigen war nicht meine Stärke.

Kratos hob leicht eine Augenbraue. Er schien das wohl nicht ganz zu verstehen.

„Ich…bin dir eigentlich…dankbar, dass du mich gerettet hast.“, stotterte ich leise. Mir war das peinlich. Erst behandelte ich ihn wie Dreck und jetzt bedankte ich mich. Der dachte doch ich habe sie nicht mehr alle. Sagen tat er jedenfalls nichts.

Na toll. Konnte der nicht mal irgendwelche Emotionen durchsickern lassen? Ein dummes Grinsen oder so? Ok das konnte ich mir bei ihm nicht vorstellen, aber trotzdem.

Ich seufzte. Wie sollte ich weiter machen?

„Ich meine du…warst nett zu mir. Du hast mich gerettet, hast mir geholfen und hast mich sogar getröstet.“, sprach ich ehrlich. Dabei sah ich abwechselnd zu Boden und zu Kratos.

„Und ich…habe dich so schlecht behandelt. Das war nicht fair von mir.“, rief ich bedrückt.

„Mach dir keine Gedanken. Es gab schon unzählige Personen, die mich weitaus schlechter behandelt haben.“, gab er als Antwort.

„Trotzdem. Es tut mir Leid. Weißt du ich habe eigentlich nichts gegen dich persönlich es ist nur…du bist ein Engel. Meine Mutter wurde von einem Engel getötet.“

Kratos sah mich nun entsetzt an. Zumindest würde ich seinen Blick so deuten.

Ich seufzte schwer. Dieses Thema war echt nicht leicht für mich.

„Meine Mutter wurde von den Desians gefangen genommen kurz nachdem ich geboren wurde.“, fing ich an zu erzählen.

„Wurdest du da auch gefangen genommen?“, fragte der Rothaarige.

„Ja. Die Desian legten mir diesen Exphere an, als ich gerade mal ein paar Tage alt war.“

Ich holte tief Luft.

„Wie auch immer. Als ich vier war, versuchte meine Mutter mit mir zu fliehen.“

„Sie hat es nicht geschafft?“, fragte Kratos. Obwohl es war eher eine Feststellung als eine Frage.

„Wir hatten es schon fast bis zum Ausgang geschafft, da…erschien ein Engel.“

Wenn ich auch nur daran dachte wurde ich wütend.

„Ich kann mich noch genau an ihn erinnern. Er hatte blonde lange Haare. Seine Augen waren blau und eiskalt. Auf seinen Rücken wuchsen lila Flügel.“, beschrieb ich.

Kratos Auge zuckte kurz. Warum wusste ich aber nicht.

„Dann hat er…sie getötet. Mit einem weißen Magieball!“, schrie ich und stand auf. Ich war so geladen, dass ich am liebsten irgendetwas den Hals umdrehen wollte.

„Meine Mutter griff den Engel mit letzter Kraft und ermöglichte mir dadurch die Flucht.“, sprach ich.

„Das tut mir Leid.“, sagte Kratos, wobei er nach unten sah.

„Dich trifft keine Schuld. Du warst nicht derjenige, der meine Mutter getötet hat. Das ist mir jetzt klar geworden. Ich…sollte dich nicht hassen bloß weil du auch ein Engel bist. Das ist genau dasselbe mit Menschen und Halbelfen. Sie hassen sich weil einer oder eine bestimmte Gruppe der jeweiligen Rasse etwas Schlimmes getan hat. Dabei sind es nie alle die böse sind. Ich habe auch so über die Engel gedacht.“

„Anna.“, sprach Kratos. Es klang fast schon erstaunt.

„Es klingt blöd, wenn ich so ein philosophisches Zeugs daher rede oder? Wie auch immer tut mir leid.“, entgegnete ich nun wieder sorgloser.

Nun sahen wir beide zur Sonne, welche bereits aufgegangen war.

Ich seufzte und dachte an meinen Vater. Tränen liefen mir durch Gesicht.

Ich saß bestimmt noch eine Weile so da. Bis ich schließlich die Stille unterbrach.

„Was hast du als nächstes vor?“, fragte ich neugierig. Ich wunderte mich was Engel den ganzen Tag so trieben. Den Himmel putzen vielleicht?

„Ich habe beschlossen gegen die Desians vorzugehen.“, antwortete der Rothaarige entschlossen.

Erstaunt sah ich ihn an. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der so etwas je versucht hätte. Kratos war ja auch kein Mensch sondern ein Engel.

„Zunächst werde ich dich aber in Luin absetzen.“

Meine Begeisterung schwand. Irgendwie hatte ich nicht das Bedürfnis nach Hause zu gehen.

Das war echt seltsam. In den vier Jahren in den ich auf dieser verdammten Farm war, habe ich mir nichts Sehnlicheres gewünscht, als nach Hause zu gehen.

Nur was sollte ich jetzt noch da? Mein Vater war tot. Weitere Familie hatte ich dort nicht. Meine Freunde? Ich brauchte bestimmt eine gewisse Zeit mich wieder an das normale Leben zu gewöhnen. Ich hatte eine bessere Idee.

„Ich komme mit dir und kämpfe gegen die Desians.“

Kratos sah mich kurz schief an. Dann antwortete er mit einem klarem „Nein.“

„Warum nicht?“, erwiderte ich trotzig.

„Es ist viel zu gefährlich. Außerdem wärst du mir nur im Weg.“, sagte der Engel ernst.

„Nein ich kann dir helfen. Außerdem habe ich keine Angst. Die Desians haben mir meine Eltern genommen. Dafür sollen sie bezahlen!“, protestierte ich und zeigte ihm meine geballte Faust.

„Meine Antwort ist nein und fertig. Los wir müssen nach Luin.“, gab Kratos kalt von sich.

Der war echt zu stur, wenn es darauf ankam, aber ich hatte noch ein Ass im Ärmel.

„Ok…dann gehe ich eben allein und kämpfe gegen die Desians. Das entspricht dann bestimmt deiner Vorstellung mich an einen sicheren Ort zu bringen.“

Ich wusste nicht ob der Trick zweimal funktionieren würde, aber ein Versuch war es Wert.

„Wie oft willst du mir damit noch kommen.“, sagte der Rothaarige genervt.

„Bis du mich mitnimmst.“, entgegnete ich.

Kratos seufzte. „Hör zu. Das ist nichts für dich. Nicht nur die Desians verfolgen mich. Wenn du mit mir mitkommst, werden sie dich auch verfolgen.“

Ich schnaubte kurz. Von wem wurde er denn verfolgt? Gab es denn noch etwas Schlimmeres als Desians?

„Mir egal. Die Desians sind sowieso hinter mir her. Da kann ich auch mit dir mitkommen.“, sprach ich fest entschlossen.

Der Rothaarige seufzte erneut. „Okay, wir sollten trotzdem nach Luin gehen. Uns vorbereiten.“

Ich wollte ihm gerade zustimmen, schüttelte dann aber doch den Kopf.

„Du willst mich bloß in Luin zurücklassen und dich aus dem Staub machen. Vergiss es!“, sprach ich, wobei ich mich zu ihm vorbeugte.

„Aber…“

„Kein Aber!“, unterbrach ich ihn. „Wir gehen dorthin wo dein nächstes Ziel ist.“

„Die Palmacosta Menschenfarm.“, sprach der Engel trocken.

Ich schluckte kurz. Noch eine Menschenfarm. Ja es gab ja mehrere davon. Der Gedanke daran zu einer Menschenfarm zu gehen, behagte mir gar nicht. Dazu hatte ich zu viele schlechte Erfahrungen gemacht.

„Dann doch eher Luin.“, sprach Kratos ruhig. Mein Blick hatte meine Abneigung wohl verraten.

„Nein. Ich mag zwar keine Menschenfarmen, aber wir müssen den Menschen dort helfen. Also müssen wir zum Hakonesia-Pass richtig?“

Kratos seufzte erneut. Dann ging er voraus.

„Nicht gerade der Gesprächigste, was?“

Er gab mir natürlich keine Antwort. Ich folgte ihm zufrieden. Immerhin hatte ich meinen Willen durchgesetzt. Da war ich schon sehr stolz auf mich.

Wir brauchten fast den ganzen Tag bis zum Haus des Heils. Das lag wohl an mir. Solche langen Wanderschaften war ich nicht gewohnt. Wie auch. Ich war vier Jahre auf einer Menschenfarm eingesperrt.

Kratos schien überhaupt keine Mühe zu haben zu wandern. Auch die Monster erledigte er mit Leichtigkeit. Er häutete sie und nahm alles Mögliche von den Monstern mit wie z.B. Krallen, Federn, Zähne usw.

„Mit so was lässt sich gut Geld verdienen.“, hatte er gesagt, als ich gefragt hatte.

Sonst sprach er selten, um nichts zu sagen nie. Am Anfang war mir das ja egal gewesen. Ich hatte ihn eh nicht gemocht, aber jetzt wünschte ich mir er würde mehr sagen. Wenn er nichts sagte musste ich halt was sagen.

„Ehm wie alt bist du?“

„…“

„Was? Das war eine normale Frage. Ich bin übrigens 24.“

„…“

„Hallo? Ich rede mit dir. Anna an Engel.“

„28“

„Geht doch. Ehm…wie ist dein Nachnahme? Meiner ist Irving.“

„Aurion.“

„Kratos Aurion, mhm? Klingt nicht schlecht. Was machst du beruflich?“

Nun seufzte er. „Kannst du auch mal ruhig sein? Erst willst du nichts mit mir zu tun haben und jetzt überhäufst du mich mit Fragen.“

Ich kicherte. „So bin ich nun mal. Um auf deine Frage zurück zu kommen. Nein kann ich nicht.“

Kratos seufzte erneut.

„Also was ist dein Beru…“

„Da vorne ist das Haus des Heils.“, sprach er und zeigte auf das Gebäude.

//Fein dann ignoriere meine Frage!//

„Machen wir hier Pause“, fragte ich sehnsüchtig. Meine Füße taten weh, was nicht nur daran lag, dass meine Schuhe ausgelatscht waren.

„Ich werde mich am Hakonesia Pass umsehen. Die Desians erwarten sicherlich, dass wir den nehmen. Sie werden bestimmt Leute dort positioniert haben. Du bleibst hier.“, meinte der Engel.

„Du lässt mich hier alleine? Woher weiß ich, dass du nicht abhaust?!“, entgegnete ich und sah den Rothaarigen fragend an.

„Mhm.“, gab Kratos nur als Antwort.

„Hey“, beschwerte ich mich.

Kratos verschwand und ließ mich allein. Tollen Beschützer hatte ich da. Was wenn hier Desians auftauchten? Vielleicht haute er auch einfach ab?

//Dieser Typ macht mich noch wahnsinnig! Macht dir nichts draus, Anna.//

Ich sah mich derweil hier etwas um. Ich war zwar schon öfters hier gewesen, aber man traf viele interessante Leute. Immerhin kamen hier viele Pilgerer her.

Ich beobachtete eine Weile die Leute hier, dann ging ich nach drinnen.

An einer Wand war eine große Statue von Spiritua aufgestellt. Die meisten Leute beteten hier.

Ich war noch nie sehr gläubig. Trotzdem war ich schon öfters in einem Tempel. Alle Menschen taten das. Ich konnte mir aber nur schwer vorstellen, dass es eine Göttin gab, welche so viel Grausamkeit zuließ. Wenn sie so gütig war, warum unternahm sie nichts gegen die Desians? Am meisten aber hatte mich immer gestört, dass die Kirche von Martel Cruxis-Engel verehrte. Seit dem Tod meiner Mutter hatte ich ja keine besonders hohe Meinung von Engeln.

„Wir verteilen sie auch drinnen.“, hörte ich plötzlich einen Mann sagen.

Schnell lief ich zur Treppe und versteckte mich. Das war auch mein Glück.

Zur Tür herein kam nun eine Gruppe Desians.

Das war ein recht seltener Anblick. Normalerweise ließen sie alles was mit der Kirche von Martel zu tun hatte in Ruhe. Ich verstand diese Tatsache auch nicht, aber so war es.

Die drei Männer klebten etwas an die Wand. Ein Plakat oder so. Ich konnte es von hier nicht sehen.

Hoffentlich kamen die nicht in meine Richtung. Die würden mich sofort gefangen nehmen. Töten würden sie mich wohl nicht. Das hatten sie nie in Erwägung gezogen. Auch wenn viele Menschen auf der Menschenfarm gestorben waren, ob nun zu Tode geprügelt oder einfach weil sie keine Kraft mehr hatten, blieb mir dies erspart. Irgendetwas an mir war anders. Vielleicht weil ich Teil des Angelus Projektes war? Ich hatte es zwar nie verstanden, aber das schien wichtig für die Desians zu sein.

Natürlich wurde ich deswegen nicht besser behandelt. Mir tat jetzt noch alles weh, wenn ich an die Peitschenhiebe und Kvars Bestrafung dachte. Bestimmt hatte ich noch etliche Wunden und Narben davon.

An die anderen Sachen wollte ich gar nicht denken. Mein ganzer Körper begann zu zittern bei dem Gedanken daran.

Die Desians verließen nun das Gebäude.

Immer noch starr wie Stein, stand ich an meiner Stelle. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass mein Herz angefangen hatte wild zu schlagen.

//Ganz ruhig Anna. Sie sind weg.//

Ich stand noch ein paar Minuten so da, bis ich mich schließlich traute zu dem Plakat zu gehen.

Geschockt sah ich es an.

Es handelte sich um einen Steckbrief von mir.

Das hätte ich jetzt nicht erwarten. Klar war ich vielleicht wichtiger für die Desians, als andere Gefangene, aber dass sie sogar so nach mir suchten.

Ich musterte den Steckbrief. Mit schwarzer Schrift stand dort groß. „Gesucht. Anna Irving.“

Darunter war ein Bild von mir. Es war nicht besonders gut, aber man konnte mich wohl trotzdem erkennen. Darunter stand ebenfalls etwas in schwarzer Schrift. „Die Flüchtige bitte sofort an die nächste Desianpatrouille ausliefern“.

//Na klasse!// So konnte ich mich doch in keiner Stadt mehr blicken lassen. Zumindest nicht in der Nähe von Luin.

„Anscheinend suchen sie nach dir.“

Ich gab einen Schrei von mir, sprang vor Schreck hoch und drehte mich um. Nun taumelte ich nach hinten und stieß unsanft gegen die Wand.

Vor mir stand Kratos.

„Spinnst du mich so zu erschrecken. Ich dachte es wären die Desians!“, zischte ich ihn an.

„Du solltest besser auf deine Umgebung achten, sonst bist du früher wieder in einer Menschenfarm, als dir lieb ist.“

Ich entgegnete nur mit einem „Päh!“

Der Rothaarige sah nun auf den Steckbrief, welcher direkt neben meinem Kopf war.

Er schien leicht verwundert zu sein.

Ich fragte mich warum eigentlich kein Steckbrief von ihm hier hing. Er war immerhin in eine Menschenfarm eingebrochen, zweimal. Trotzdem schienen die Desian mehr nach mir zu suchen, als nach ihm. Warum nur?

„Hier.“, sagte Kratos nun, wobei er mir etwas hinhielt. Es war ein in schwarzen Stoff eingewickeltes Bündel. Oben drauf waren zwei braune Wanderstiefel.

Fragend sah ich ihn an.

„Was zum Anziehen.“, sprach er.

Ich sah ihn und das Bündel abwechselnd an. Warum hatte er mir was zum Anziehen besorgt. Ich hatte doch Sachen. Ok das sollte ich wohl eher zurücknehmen. Diese Lumpen, die ich am Körper trug, konnte man wohl kaum als Klamotten bezeichnen. Vielleicht sollte ich doch die Sachen anziehen. Die Schuhe sahen auch bequemer aus als meine.

„Willst du es nicht anziehen?“, fragte Kratos nun.

„Ehm…hier auf der Stelle. Was denkst du dir eigentlich. Ich ziehe mich nicht vor dir um! Außerdem muss ich mich waschen.“, meinte ich.

Immerhin war ich nicht gerade sauber. Auf Hygiene wurde in einer Menschenfarm nicht geachtet. Bisher hatte ich mich auch noch nicht gewaschen, seitdem ich von der Farm geflohen war.

„Das Haus des Heils hat keine sanitären Anlagen.“, entgegnete Kratos nun ruhig.

„Der Umacy-See ist hier ganz in der Nähe. Dann kann ich etwas schwimmen gehen.“, freute ich mich. Ich war schon ewig nicht schwimmen. So ca. vier Jahre.

„Von mir aus.“, stimmte der Engel weniger begeistert zu. Ich ging ihm wohl auf die Nerven. Da war er nicht der erste.

Es war nur ein kurzer Fußmarsch bis zum See. Nach einer Stunde waren wir da.

„Toll! Wie der funkelt!“, schrie ich begeistert. Es war echt ewig seitdem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Das Schimmern der Seeoberfläche war echt toll.

„Wolltest du dich nicht waschen?“, fragte Kratos uninteressiert. Den konnte echt nichts beeindrucken.

„Ja. Würdest du dann bitte gehen.“, bat ich und scheuchte ihn mit einer Handbewegung.

Er seufzte und verschwand hinter ein paar Bäumen und Büschen.

„Und wehe du guckst!“, schrie ich ihm nach. Eigentlich glaubte ich ja nicht, dass er so ein Typ war, aber man konnte ja nie wissen.

Nun zog ich mir die Lumpen vom Leib und legte sie, genau wie die neuen Klamotten am Ufer ab.

Ich ging zum Wasser und betrachtete mein Spiegelbild.

„Mann Anna, du siehst schrecklich aus!“, sagte ich zu mir selbst.

Meine Haare waren ein totales Durcheinander. Sie waren verfilzt und standen zu allen Seiten ab. Zudem waren sie dreckig und angesengt.

„So etwas kann man kaum Haare nennen!“, seufzte ich und kam nun zum Rest meines Körpers.

In meinem Gesicht hatte ich einige Kratzer. Ein ziemlich großer zierte meine rechte Wange.

Auch der Rest meines Körpers wies Schürfwunden, Prellungen, Kratzer, Brandwunden und ähnliches auf. Ein paar hatte Kratos ja behandelt, aber es sah trotzdem nicht schön aus. Besonders auf dem Rücken hatte ich Narben, hauptsächlich Brandwunden, aber auch durch Peitschenhiebe.

„Schön bist du nicht mehr.“, seufzte ich etwas bedrückt. Allerdings hatte ich jetzt andere Sorgen als das.

Ich ging nun langsam ins Wasser. Es war verdammt kalt. Was hatte ich auch erwartet, wenn ich kurz vor Winteranbruch baden ging?

Ich ignorierte die Kälte und genoss das Gefühl des Wassers auf meiner Haut. Es war ein tolles Gefühl endlich mal wieder sauber zu sein.

Ich hielt die Luft an und tauchte ins Wasser. Das war echt atemberaubend so im Wasser zu schweben. Man fühlte sich so frei und unbeschwert. Wasser war echt was Tolles. Ich liebte es einfach zu schwimmen und zu tauchen. Das war ja auch kein Wunder. Luin lag ja direkt an einem See.

Am liebsten wäre ich noch länger so geblieben, aber meine Lungen verlangten nach Luft.

Nun rieb ich mir vorsichtig über meine Haut, um den hartnäckigen Schmutz loszuwerden. Es tat ganz schön weh bei meinen Verletzungen.

Zufrieden verließ ich das Wasser.

Ich streckte mich genüsslich, als ich plötzlich ein Geräusch hörte: Ein Rascheln. Etwas schlich durch die Büsche.

„Kratos, du Perversling. Verschwinde!“, zischte ich.

Das Rascheln hörte aber nicht auf. Wollte der mich ärgern? Irgendwie hoffte ich, dass es auch wirklich nur Kratos und nicht irgendetwas anderes war.

Das Rascheln kam näher.

„Kratos. Das finde ich nicht lustig.“, rief ich schon etwas kleinlaut.

Plötzlich sprang etwas aus dem Busch.

Ich erschrak und schrie laut auf.

Vor mir stand ein riesiges Monster und starrte mich an.

Es hatte echt riesige lange Ohren. Sein Maul war geöffnet, als wollte es mich gleich fressen.

Sein Fell war weiß, dabei waren einige Stellen grün.

„Hilfe!“, schrie ich erneut, als das Monster auf mich zu kam.

Nun hörte ich ein weiteres Rascheln. Jemand sprang aus dem Wald.

Es war der rothaarige Engel.

„Kratos!“, schrie ich erleichtert.

Mein Gefährte stand schützend vor mir. Er hatte sein Schwert gezogen, senkte es nun aber. Was machte er da? Wollte er nicht gegen das Vieh kämpfen.

Das Monster blieb nicht untätig sondern rannte auf uns zu.

Kratos hielt die Hände schützend vor sich, als das Monster ihn ansprang und zu Boden warf.

Nun…leckte es sein Gesicht ab.

Völlig baff sah ich auf die Szene vor mir. Ein riesiges wolfartiges Monstrum leckte Kratos Gesicht ab.

„Noishe, runter von mir! Ich freu mich ja auch dich zu sehen, aber…“, sprach der Rothaarige.

Das Monster tat wie ihm befohlen wurde.

Kratos stand auf und klopfte sich den Dreck von den Klamotten. Der Wolf wedelte scheinbar fröhlich mit dem Schwanz, als er ein Jaulen von sich gab.

„Was ist das?!“, fragte ich entgeistert.

„Das ist Noishe. Ein…Hund?“, sprach Kratos, wobei er das letzte etwas unsicher sagte.

Der „Hund“ gab ein Knurren von sich.

„Er ist harmlos, also keine Angst. Nur manchmal ist er etwas zu energiegeladen und tollpatschig.“, beschwerte sich der Engel. „Bist du verletzt wurden?“

„Nein…Ahhhhhhh“, schrie ich und scheuerte ihm eine.

„Wofür war das?“, fragte er geschockt.

„Dreh dich um!“, schrie ich. Mir war völlig entfallen, dass ich immer noch nichts anhatte.

Kratos bemerkte es jetzt auch, da er nun leicht rot wurde. Sofort drehte er sich um und ging ein paar Schritte weg.

Noishe oder wie auch immer das Tier hieß sah nun abwechselnd fragend zu mir und ihm.

Dann schwänzelte er amüsiert. Man könnte meinen er hätte verstanden, was passiert war.

Wütend nahm ich einen Stein und schmiss diesen nun dem Engel an dem Kopf. „Spanner!“

Der Rothaarige drehte sich nun kurz zu mir um. „Was soll das werden?“

„Dreh dich um!“, brüllte ich.

Er tat es sofort.

„Wehe du machst das nochmal!“, fauchte ich und ging zu meinen Sachen.

Ich drehte mich nochmal zu meinem Gefährten um. Er hatte sich nicht gerührt. Sein Glück.

Nun untersuchte ich die neuen Klamotten. Sie waren in einen dicken schwarzen Umhang gewickelt. Dieser war weich und bestimmt sehr warm. Gut für den Winter.

Nun sah ich ein gelbes Top. Der Stoff schien reißfest und robust zu sein, war aber doch dünn und weich.

Darunter lag ein rotes langärmliges Shirt. Zu guter Letzt war noch eine hellblaue Hose dabei.

Die Klamotten waren praktisch und doch hübsch.

Ich zog zuerst das rote Shirt an und zog das gelbe Top oben drüber. Zum Schluss kam die Hose.

Nun betrachtete ich mich erneut im Spiegelbild. Meine Haare waren immer noch verfilzt, standen aber nicht mehr zu allen Seiten ab. Sie hingen nun runter.

Nun musterte ich die Sachen. Es sah gar nicht mal so übel aus, obwohl ich mich fragte woher der Engel meine Größe kannte? Ich dachte wieder an die Sache mit dem Gedankenlesen. Wäre vielleicht möglich.

„Das steht dir.“

Ich erschrak und stolperte nach vorne. Ich wäre beinahe ins Wasser gefallen, hätte Kratos mich nicht festgehalten.

„Schon wieder baden?“, rief er, wobei er fast neckisch klang. Fast.

„Ich hatte doch gesagt, du sollst dich nicht umdrehen.“

„Ich habe erst geguckt, nachdem du angezogen warst.“

„Woher hättest du wissen können, wann ich soweit war?!“

„Ich habe gehört, dass du zum Wasser gegangen bist.“

„Päh!“

Nun war Stille.

„Lässt du mich bitte los?!“, bat ich, wobei meine Wangen leicht rot wurden.

Seinen Arm hatte er ja immer noch um meinen Bauch gelegt.

Er ließ los und ging zum Wasser. Nun wusch er sein Gesicht. Er war ja auch dreckig. Seine Klamotten waren mit einigen dunkelroten Spritzern bedeckt. Blut. Das Blut meines Vaters.

Ich schüttelte den Kopf und versuchte mich abzulenken.

Mein Blick fiel auf den „Hund“.

„Das ist doch kein Hund, oder.“, fragte ich ungläubig.

„Eigentlich nicht, aber ich kann es dir jetzt nicht besser erklären.“

„Ist er…bissig?“, fragte ich.

„Nein.“

Ich lächelte und ging auf Noishe zu.

Der „Hund“ sah mich schwanzwedelnd an.

Vorsichtig streckte ich meine Hand raus und berührte seinen Kopf.

Noishe gab ein fröhliches Jaulen von sich.

Nun streichelte ich ihn, was er sichtlich genoss.

„Noishe hält sonst immer etwas Abstand zu Fremden. Er mag dich wohl.“, sagte Kratos.

Er kam auf mich und Noishe zu.

Noishe ging ihm ein Stückchen entgegen und rieb seinen Kopf an Kratos Bauch.

„Ja ich habe dich auch vermisst.“, sprach der Rothaarige und streichelte Noishes Kopf.

„Ist er dein Haustier?“, fragte ich neugierig. Das konnte ich mir gar nicht vorstellen. Es passte gar nicht zu dem Engel.

„Nicht wirklich Haustier. Ich habe Noishe verletzt gefunden und ihm geholfen. Seitdem begleitet er mich.“

Ich streichelte Noishe nun ebenfalls. Er hatte so ein weiches Fell und war so niedlich.

„Wir sollten dann langsam weitergehen.“

Ich nickte und folgte Kratos zusammen mit Noishe. Jetzt waren wir schon mal zu dritt.



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