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Für Immer

von

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Mit seinen Fingerspitzen streichelte er sanft über sandblondes Haar. Er wollte Malik nicht aufwecken. Er sollte ruhig weiterschlafen – so seltsam es auch klang, allein seine Präsenz hatte eine beruhigende Wirkung. Er fühlte sich gebraucht.

Ein Gefühl, dass er irgendwie schon immer gemocht hatte. Nicht im Sinne von ausgenutzt werden, sondern im Sinne von: ich bin so mächtig, dass du auf mich angewiesen bist.

Malik brauchte ihn – hatte es schon immer. Seit sie sich damals kennengelernt hatten, an einem stürmischen Herbsttag. Der Strom war ausgefallen und schlagartig war es komplett dunkel geworden.

Bakura hätte das nicht weiter gestört, er mochte die Dunkelheit. Ätzenderweise war Essenszeit gewesen und alle Patienten im Speisesaal versammelt. Auch wenn es von Vorteil gewesen war, dass er nun die hässlichen Visagen der anderen nicht weiter zu ignorieren brauchte – er hasste diese Menschen – so war der laute, panische Schrei, der ihm beinahe das Trommelfell zerrissen hatte, nicht das, was er noch gebraucht hatte.

Sekunden später war das Licht wieder angegangen und Bakura, der seinen Kopf automatisch der Lärmquelle zugedreht hatte, hatte einen sandblonden Jungen gesehen, der von zwei Wärtern festgehalten und hinausbegleitet wurde.

Bakura grinste breit. Da hatte er den Ägypter zum ersten Mal gesehen und Gefallen an ihm gefunden. Er mochte nun mal feminine Jungs. Und dieser Gesichtsausdruck... das absolute Grauen, dass darin gelegen hatte, das hatte ihn so richtig geil werden lassen. In diesem Moment hatte er gespürt, dass die langweiligen Tage vorbei waren. Er hatte jemandem gefunden, an dessen Leid er sich ergötzen wollte.

Doch es war alles ganz anders gekommen. Er hatte sich verliebt. In diesem kalten, modernen Gebäude, wo alle mit Medikamenten vollgestopft waren, da hatte er zum ersten Mal positive Regungen in seinem Herzen für ein anderes Wesen als sich selbst verspürt.

Es war ihm nicht schwergefallen, den Ägypter zu verführen. Ihr erstes Mal hatten sie während einer Kunsttherapiestunde auf dem Klo gehabt. Zeit war Mangelware gewesen und daher war es nur ein Quickie, Malik hatte geweint vor Schmerzen, doch sie beide fühlten und das war das Wichtigste gewesen.

Gedankenverloren starrte er auf den zerbrechlichen Körper Maliks. Dieser atmete leise und schnell, erinnerte Bakura an die Zeit, als er seinen Liebsten im Schlaf beobachtet hatte, nachdem dieser aus der Psychiatrie entlassen worden war. Viel Zeit war ihnen auch da nicht geblieben.

Malik stammte aus einer sehr strenggläubigen Familie, alle Handlungen waren beschränkt und geleitet durch religiöse Dogmen. Als er elf Jahre alt gewesen war, hatte ihm sein Clan antike Symbole in den Rücken geschnitten, die Bakura immer bewundere, wenn er den Jungen von hinten nahm. Er fand es faszinierend, wie man solche Narben seinem eigenen Kind zufügen konnte.

Er selbst hatte dem schönen Ägypter nie mehr Schmerzen zugefügt, als dieser wollte. Bei ihnen war es stets ein Spiel aus Vertrauen und Grenzen abstecken gewesen, nie eines aus Machtmissbrauch und Folter.

Die Liebe zu Malik hatte ihm die Kraft gegeben, Ryou zu bezwingen. Wille wäre vielleicht das bessere Wort, die Kraft dazu hatte er schon lange gehabt. Er hatte es immer genossen, den Schwächling zu quälen, in Verzweiflung zu treiben, doch mit Malik war etwas viel Wichtigeres in sein Leben getreten. Er hatte keine Zeit mehr für seinen Wirt gehabt und so endgültig übernommen.

Er hatte gewusst, dass er ausserhalb der Irrenanstalt mehr Zeit für seinen Liebsten hätte und da konnte er niemanden gebrauchen, der ebenso über seinen Körper befehligen konnte, der schwach und weinerlich war.

Bakura hatte geheuchelt, er sei geheilt, die Medikamente hätten angeschlagen, die Stimme sei endlich weg – was ja sogar stimmte. Er war jetzt mehr als eine Stimme im Kopf eines anderen.

Es war mühsam gewesen, einen langweiligen Wirt zu imitieren, doch es hatte sein müssen um rauszukommen.

Dann hatte er sich einen wenig legalen Job gesucht, den Vater seines Wirtes nach dessen dritten Überraschungsbesuch ins Reich der Schatten verbannt und alles vorbereitet, damit der Ägypter bei ihm einziehen konnte.

Es war alles anders gekommen.

Malik war von seiner Familie abgeholt und überwacht worden. Natürlich, er wäre nicht Bakura und somit der König der Diebe, wenn er es nicht ab und zu geschafft hätte, den Sandblonden zu treffen – in mondlosen Nächten, bei „notwendigen“ Einkäufen in der Stadt, während endlos langen Gebetsritualen in einer abgeschlossenen Kammer. Doch er wäre genauso wenig Bakura, wenn er das Risiko nicht liebte. Gut möglich, dass eben dieses einen Grossteil der Leidenschaft ausmachte, die noch lange fortbestand.

Sie waren erwischt worden. Mitten im Akt.

Keine Ausreden, keine Beschönigung war möglich. Er war geflohen, hatte Malik zurückgelassen.

Monate des Schweigens.

Dann, ein Brief.

Er wusste, er hätte etwas tun müssen, als er die tränenverschmierte Tinte gesehen hatte. Malik äusserte sich nicht sonderlich konkret, doch er hatte erkannt, dass es schrecklich sein musste.

Da hatte Bakura realisiert, dass er nicht genügend gebraucht wurde. Sein Liebster schaffte es nicht um seinetwillen, seiner Familie den Rücken zu kehren.

Er hatte an ihre Liebe geglaubt, tat es noch immer, doch er hatte erkennen müssen, dass Familie ein sehr mächtiger Begriff war.

Er wusste, für Malik war es nicht einfach, mit seiner Homosexualität klarzukommen. Und er wusste auch, dass seine Familie ihn eher verstossen als akzeptieren würde.

Vielleicht hatte er einen Engel zu Fall gebracht.

Wieder waren Monate vergangen, bis Malik Kontakt aufgenommen hatte. Bakura hatte es immer wieder versucht, doch nichts hatte geklappt. Er hatte nur herausgefunden, dass seine Liebe nicht mehr am selben Ort wohnte, obwohl der Rest seiner Familie noch da war.

Da, eines Tages hatte es geklingelt.

Ungewöhnlich.

Er hatte keine Freunde.

Er brauchte niemanden.

Vor ihm hatte ein Mitarbeiter einer Zoohandlung gestanden.

Seit ein paar Wochen war Malik nun also bei ihm. Inklusive allem, was dieser zum Leben brauchte. Einen kurzen Brief hatte er dabeigehabt, geschrieben am PC, ausgedruckt auf Papier mit dem Logo der Zoohandlung.

Da stand:

„Ich bin Malik, ich werde dir nah sein. Pass auf mich auf, denn ich brauche dich. Ich bitte darum, dass du dich mein ganzes Leben lang um mich kümmerst – und vielleicht auch darüber hinaus.“

Er wandte den Blick zur Seite, da, wo der Brief noch immer lag. Er war seither nicht mehr zur Arbeit gegangen. Kaum gegessen, noch weniger geschlafen.

Es nagte an ihm, dass er nicht wusste, wie er es getan hatte.

Malik war der schönste Junge, der ihm je begegnet war. Insbesondere das sandblonde Haar, das hatte es ihm angetan. Immer wieder hatte er es liebkost, geküsst, bewundert.

Melancholisch wandte er den Blick wieder zu seiner Hand, hob seine andere, um das feine Haar erneut zu streicheln. Diesmal erwachte der kleine Hamster.

Malik würde etwa 20 Monate leben.

Dann wäre Bakura frei.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Danke fürs Lesen meiner Kurzgeschichte!
Hoffe es hat euch gefallen :3
Trotz Sad End u.u
Möchte hier nur noch kurz klarstellen, dass ich Psychiatrien oder Therapie im Allgemeinen für etwas absolut Wichtiges und Nützliches halte, auch wenn es in meiner Geschichte anders übermittelt wird ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  jyorie
2015-06-05T06:50:33+00:00 05.06.2015 08:50
Hallo (^o^)y

ich schwanke, war es eine traurige Geschichte, oder bitter süß, oder einfach nur so lebensnah mit den Problemen die Malik hatte und das er und Bakura sich nicht treffen durften und immer wieder aufpassen mussten, bis sie erwischt wurden. Ich hoffe nur das Malik das „gut überlebt“ hat, da er wohl den Part der Frau hatte, wird es bei seinen Verwandten nicht so gut angekommen sein, was sie da gesehen haben, als die beiden erwischt wurden.

Ein bisschen grinsen musste ich bei dem Teil, wo Bakura erzählt, wie er aus der Klapse gekommen ist und wie es ihn genervt hat Ryou zu imitieren. Das kann ich mir gut vorstellen, wie er da über seinen Wirt maulen würde.

Das Ende mit dem Hamster verschwimmt ein bisschen – Das was als erstes Erzählt wird ist alles passiert mit einem „echten (gezeichneten) Menschen“ und Malik hat Bakura dann den Hamster geschickt, ... hab den Absatz 2x gelesen, weil beim ersten mal war ich irritiert und dachte das Bakura die ganze Zeit geträumt hat und ob es auch vorher schon um den Hamster ging, aber das mit der Religion und den Schwierigkeiten, kann ich mir nicht vorstellen, das sich jemand in eine so Problembeladene Welt Träumt, wo Bakura nicht den haben kann, in den er sich verguckt hat.

Ungewohnt etwas so ernstes von dir zu lesen, ich hatte mich auf fluff eingestellt *zwinkert* war aber gut, und wie gesagt, sehr realitätsbezogen mit den Problemen, die da entstanden sind.

Liebe Grüße, Jyorie

Antwort von:  DivaLila
06.06.2015 01:01
Huhu :)
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar :3
Diesmal antworte ich auch schneller *hust*
Hm, stimmt, dass Malik unten lag dürfte die Situation für ihn noch schlimmer gemacht haben - muss aber ehrlich gestehen, dass ich mir da nicht so grosse Gedanken drum gemacht habe.
Freut mich aber, dass du auch mal grinsen musstest :D
Ja, das mit dem verwirrenden Ende habe ich befürchtet, ist aber auch ein bisschen gewollt. Im Prinzip habe ich in die Geschichte zwei Zeitebenen eingebaut, die Gegenwart mit Hamster-Malik und die Vergangenheit mit Malik-Malik. Ich habe die Geschichte zwar dreimal durchgelesen um Fehler in den Zeitformen zu finden, komplett ausschliessen kann ich sie jedoch nicht. Ich warte mal ab, ob sonst noch wer Probleme hat, dann ändere ich vielleicht etwas.
Hach ja, ich kann auch ernst sein ;)
Und ganz ohne expliziten Sex *hust*
Danke vielmals für deinen Kommentar <3
Liebste Grüsse, Aya


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