Fairy Tale
Das leise Geräusch eines sanften Klopfens an seiner Tür, ging unbemerkt am Magier vorbei. Er saß am Schreibtisch in seinem Zimmer. Eine einzelne Kerze saß auf einem Stapel von Büchern und brannte mit goldener Flamme, während der Kamin den Raum gut genug beleuchtet, so dass Dorian auch noch bei Nacht lesen konnte. Vor ihm lagen mehrere offene Bücher, voller verschiedener Sprachen und Glyphen, in verblassender Tinte geschrieben.
Da waren dünn und scharfen Schriften von einer eiligen Hand, in einem kleinen Leder gebundene Notizbuch, voll von Fingerabdrücken und chaotisch Kritzeleien, alle so klein und eng geschrieben, dass es fast unmöglich zu lesen war. Ein weiteres Buch besetzten fast die Hälfte der Tisch mit seiner Größe, jede gemalt Initiale darin nahm den Platz von acht Zeilen ein und war wunderschön mit Ornamenten von Vögeln, Blumen und mythischen Tieren verziert. Jede Letter war mit größter Sorgfalt gemalt. Darüber verstreut lag eine Handvoll Blätter, auf beiden Seiten mit Skizzen und Notizen bedeckt. Zu Dorians rechten Seite stand ein fast leeres Fässchen Tinte, auf seinem eigenen Notizbuch. Der Federkiel mit es getrocknet Spitze lag über den geöffneten Seiten, beide voll von eleganter Handschrift.
Schließlich holte ein bestimmteres Klopfte an der Tür den Tevinter aus seinen tiefen Gedanken.
"Ah- kommt herein", rief er und setzte sich in seinem Stuhl aufrechter hin, sich plötzlich sehr seiner angespannten Muskeln bewusst. Er sollte wirklich damit aufhören sich so weit über seinem Schreibtisch zu beugen.
"Störe ich Euch?" Die Tür öffnete sich lautlos, der Inquisitor trat ein und schloss sie hinter seinem Rücken. "Ich wollte Euch lediglich dies hier zurückgeben und da Ihr nicht in der Bibliothek wart-", Fen'Revas hob die Hand und präsentierte die Ursache seines späten Besuchs.
Er hatte sich ein Buch über alten Märchen aus Tevinter ausgeliehen, hauptsächlich in der Absicht, sein Teveen zu verbessern. Die meisten der Geschichten waren düster und grausam, nur wenige von ihnen heiter und jede kam mit einer ernsten Moral daher - Dinge, welche die meisten Kinder faszinierten und Erwachse heutzutage nicht mehr für die zarten Gemüter geeignet hielten. Fen hatte an jeder Einzelnen ziemlichen Gefallen gefunden, in ihrer verdrehten Art und Weise. Süße und unschuldige Geschichten waren nicht halb so interessant und der Inhalt des Buches hatte ihn an einige Geschichten seines eigenen Clans erinnert.
"Ihr hättet es mir nicht so bald zurückgeben brauchen. Ich hätte es mir irgendwann wiedergeholt. Aber ich danke Euch, dass Ihr es mir bringt.” Dorian schloss das Buch, das er auf dem Schoß liegen hatte und lächelte dem Dalishelf zu, welcher den Raum durchquerte, um ihm das Märchenbuch zu geben. "Hat es Euch gefallen?"
"Das tat es. Ich fand es sehr unterhaltsam." Das Pixie-Grinsen flackerte über die weichen Lippen, das Dorian immer so entzückend spitzbübisch gefunden hatte, da er zum ersten Mal einen Blick darauf erhascht hatte.
"Ich bin froh, das zu hören. Benötigt Ihr Hilfe bei irgendwelchen Vokabeln?" Dorian hatte sich als ein geduldiger Lehrer erwiesen. Er war stets dazu bereit zu helfen, wann immer Fen kam um nach einer Übersetzung zu fragen. Nie hatte er versucht, den Inquisitor dazu zu zwingen, mehr als das zu lernen, was Fen im Spaß aufnehmen konnte. Dorians Langmut machte sich bezahlt. Fen lernte schnell.
"Nicht wirklich. Die Liste an Wörtern, die Ihr mir vorab gabt, deckte das ab, was ich nicht verstand, und ein paar Worte begriff ich aus dem Zusammenhang." Dorian lächelte, erfreut nickend. "Es gab nur ein Wort, das ich nicht verstand." Dorian lehnte sich zurück, blickte erwartungsvoll zu ihm auf und wartete darauf, dass Fen fortfuhr.
"Es gab eine Geschichte, wo man Festmahl hielt. Da war ein Wort- ich weiß nicht, wie man es ausspricht, aber ich denke, es muss eine Frucht sein." Fen nahm Dorian das Buch wieder aus der Hand und blätterte durch die Seiten, bis er das Kapitel gefunden hatte. Dann drehe er das Buch um und ließ die Spitze seines elfenbeinweißen Zeigefingers auf der Seite ruhen, um das unbekannte Wort zu markieren. Der Magier griff wieder nach seinem Buch und kam näher, die müden Augen fokussierend.
"'Ciliegia'", las er laut vor und sah auf.
"'Ci-liega'", wiederholte Fen, mit einem kleinen Stirnrunzeln und imitiert den Klang, mit der subtilen Weichheit seines elfischen Akzents, welche den Ton färbte, gleich dem Klingen einer silbernen Glocke. Dorian unterdrückte ein Seufzen. Die Melodie der Stimme des Inquisitors hatte die entspannende Wirkung von beruhigendem Regen. "Was bedeutet das?"
"Das wäre eine Kirsche", erklärt der Magier, immer noch lächelnd und Fen hob seinen Finger von der Seite, Dorians ebenmäßige Züge studierend. Das kleine Stirnrunzeln war noch immer vorhanden und verlieh ihm einen unglücklich Ausdruck. Der Inquisitor sah drein, als hätte er etwas anderes erwartet.
"Was ist?" Dorian war von dem enttäuscht Ausdruck etwas überrascht.
"Ich habe noch nie Kirschen gekostet."
* * *
"Ich stehe für immer in Eurer Schuld, meine liebste Lady Montyliet!" Josephie lächelte, ein wenig stolz auf sich - und errötete leicht, als der Mann ihre schmale Hand ergriff und sie galant küsste, etwas übertrieben in seiner Geste, die leicht spöttisch gehalten war, ohne den Scherz jedoch beleidigend zu gestalten. Dorian trug eine offenes Lächeln auf seinem Gesicht, das ihm Ähnlichkeit mit einem kleinen Jungen verlieh, trotz seines prominenten Schnurrbarts. Der Tevinter schien sonst meist einen Ausdruck von Missfallen zu tragen, wenn er nicht ein sarkastisches Lächeln zeigte. Aufrichtige Freude war etwas, was die meisten Mitglieder der Inquisition nicht oft in dem Magier begegnete.
"Ich bin sicher, dass Ihr in der Lage seid, diese Schuld irgendwann zu begleichen", lachte Josephine und zog ihre Hand zurück, bevor der Magier sich dazu entscheiden konnte, seine Dankbarkeit zu duplizieren.
"Wenn Ihr mir jetzt entschuldigen wollt-" Dorian verbeugte sich leicht, immer noch nicht dazu in der Lage, das Lächeln von seinem Gesicht zu wischen.
"Sicher. Ich wünsche viel Vergnügen."Josephine unterdrückte ein Kichern als der Magier mit dem Korb verschwand, den sie ihm gebracht hatte.
* * *
“Einen Augenblick, bitte!" Fen stand mit einem Seufzen auf und streckte sich ein wenig, bevor er seine Feder niederlegte und einige Dokumente, die nicht für jedermann Augen gedacht waren, in seinem Schreibtisch versteckte. Dann öffnete er die Tür. Dorian Pavus lächelte auf ihn herab.
"Störe ich Euch bei der Arbeit?"
"Eigentlich-"
"Gut. Wie ich Euch kenne, habt Ihr Euch nicht die Zeit genommen zu schlafen, trinken oder zu essen. Ich bin hier, um sicherzustellen, dass Ihr etwas von allem bekommen, Inquisitor."
Fen Mund öffnete sich leicht über dem plötzlichen Ausbruch von unerwartetem Beharren und er wurde wieder in sein Zimmer gescheucht, bevor er vollends registrierte, was Dorian gerade gesagt hatte.
Der Magier schloss die Tür und schob Fen, mit einer Hand auf der Schulter, wieder die Treppe hinauf, bevor er daran denken konnte zu protestieren. Einmal drinnen, ließ Dorian den verwirrten Elf los und ging zu seinem Schreibtisch, wo er einen Korb und eine Flasche abstellte.
"Dorian, ich bin nicht in Stimmung um zu trinken und ich habe keine Zeit zum Plaudern. Ich muss den Bericht beenden-”
Der Magier schenkte ihm einen schnellen Blick, ein wachsendes Lächeln auf seinem Gesicht, und zog den Stoff zurück, das den Korb bedeckt hatte. Des Inquisitors Gesichtsausdruck änderte sich von Verdruss zu Verwirrung und schließlich zu großen, ungläubigen, grün Halla-Augen.
Der Korb war mit kleinen, dunklen Kugeln gefüllt, die in einem satten roten Farbton schimmerten, wie Blut aus einer tiefen Wunde, eine jede mit einem langen, grünen Stiel versehen.
"Sind das-" Der Ärger des Inquisitor über das vorwitzige Eindringen des Magiers löste sich auf, wie dünner Rauch in der Luft und wurde von purem Staunen und Neugier ersetzt.
"Kirschen", verkündete der Magier stolz.
