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Stimme verloren

Ihn verloren
von

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Möglicherweise, war alles nur ein Traum und ich hab dich mir nur so sehr gewünscht. Möglicherweise existierst du gar nicht, sondern bist nur eine Ausgeburt meiner Fantasie. Möglicherweise existierst du nur in meinem Kopf, damit der Schmerz erträglicher wird. Aber wenn du nicht real bist, wieso tut es so weh von dir getrennt zu sein? Wieso bringt es mich um, nicht zu wissen wo du bist? Wieso schreit alles in mir, nach deiner Nähe? Wenn du nur in meinem Kopf existierst, wieso bist du dann nicht hier?
 

Die Krankenschwester kam ins Zimmer und unterbrach meine Gedanken. Die üblichen Fragen.

„Wie geht es Ihnen heute?“ „Wie haben Sie geschlafen?“ „Haben Sie Schmerzen?“ „Kann ich Ihnen noch etwas bringen?“
 

Immer wieder dieselben Fragen, während sie gelangweilt meine Werte überprüft. Und wie immer keine Antwort von mir. Seit einem Monat rede ich nicht mehr. Die Ärzte können keinen Grund dafür finden. Bei dem Unfall hab ich mir mein linkes Bein gebrochen und drei meiner Rippen. Außerdem hatte ich irgendwas an meinem Kopf, was aber behoben werden konnte. Dennoch erklärt nichts warum ich nicht mehr rede. Zumindest finden die Ärzte nichts. Wenn sie mich fragen würden, könnte ich es aufschreiben. Wenn ich denn könnte. Mein Lebenswille ist verschwunden. Der Unfall hat damit letztendlich nichts zu tun. Es ist vielmehr die Tatsache, dass ich erkannt habe, dass ich nichts erreicht habe. Alle die Jahre habe ich nach IHM gesucht und nicht gefunden. Als das Auto auf mich zuraste, sah ich nicht mein Leben an mir vorbeiziehen, wie in den ganzen Filmen. Ich sah nur das Auto. Und ich dachte daran, dass ich ihn, trotz einer dreijährigen Suche, nicht gefunden habe. Die Schwester schüttelt den Kopf und seufzt. Wie jeden Morgen. Doch anstatt zu gehen, zieht sie ein Stuhl an mein Bett und setzt sich hin. Eine Weile lang schweigen wir uns an, dann spricht sie und zum ersten Mal, sehe ich, dass sie mehr ist als nur ein monotoner Roboter der dafür da ist meine Werte zu überprüfen.

„Als du letzten Monat hierher kamst, wussten wir alle nur, dass du mitten auf der Straße standest und von einem Auto erfasst wurde. Inzwischen kennt hier jeder die Wahrheit. Weißt du wie wir Schwestern dich nennen? Kleiner Engel mit gebrochenen Flügeln. Du hast den Ball über die Straße rollen sehen. Du hast die Mutter mit den drei quengelnden Kindern gesehen. Du hast das Mädchen dem Ball hinterher rennen sehen, bevor sie es überhaupt tat. Du hast dein Leben geopfert um das Mädchen abzufangen. Du hast sie nachdem sie auf der Straße gestürzt war aufgehoben und zum Bürgersteig gelenkt. Du hast sie gerettet und hast es selber nicht mehr rechtzeitig von der Straße geschafft.

Weißt du dass die Mutter einmal am Tag vor deiner Tür steht und sich nicht rein traut. Sie ist dir so dankbar. Du hast ihr Kind gerettet. Ich hab gehört, dass du das ständig machst. Aber kleiner Engel, jetzt ist die Zeit gekommen, in der du an dich selbst denken musst. Sei egoistisch. Du bist so jung, du hast alles vor dir. Lebe!“
 

Sie streichelte mir noch einmal bevor sie das Zimmer verließ. Ich wollte gerne weinen, dass hätte ich früher getan, aber es ging nicht. Mit aller Kraft die ich aufbringen konnte, legte ich mich auf die Seite, starrte aus dem Fenster und dachte weiter nach.
 

Vor Jahren habe ich dich verloren. Ich nehme an, sie dachten, dass wenn ich mich erst in der neuen Stadt eingelebt hätte, ich dich vergessen würde. Ich hab dich nicht Einmal vergessen. Nicht ein einzigen Moment lang. Ich sehe deine leuchtend grünen Augen noch vor mir. Ich sehe dein hämisches Grinsen. Ich sehe dich rumalbern. Ich vermisse dich. Ich vermisse dich so sehr. Ich kann mich nicht damit abfinden, dass du womöglich nicht existierst. Ich kann es einfach nicht, denn wenn ich es tue, verliere ich den Rest Hoffnung, den ich noch habe und dass kann ich mir einfach nicht leisten.
 

Ich weiß nicht wie viel Zeit verging, bis die Tür das nächste Mal aufging. Doch anstatt des erwarteten Pflegers mit dem Mittagessen, kam meine Mutter zur Tür rein. Sie zog den Stuhl, auf dem vorher die Schwester gesessen hatte auf die andere Seite des Bettes, damit sie mich ansehen konnte. Wortlos strich sie mir übers Haar und wir sahen einander einfach nur an. Die Stille die sie umgab, tat mir gut. Ich fühlte mich nicht unter Druck gesetzt, etwas sagen zu müssen. Nach einer ganzen Weile, piepte ihr Handy kurz, doch sie ignorierte es. Stattdessen begann sie zu reden.
 

„Ich hätte dir bei deiner Suche helfen können. Ich weiß du wolltest es alleine schaffen. Ich nehme an du wolltest dir selbst beweisen, dass du es kannst. Vielleicht hattest du auch nur Angst, dass ich dich für verrückt erklären könnte. Dass ich nicht verstanden hätte warum du ihn suchst, schließlich wart ihr Kinder, als ihr befreundet wart. Vielleicht hattest du auch einfach nur Angst, dass deine Fantasy dir einen Streich gespielt hat. Seitdem du ausgezogen bist, haben wir uns auseinander gelebt, ich weiß. Aber du bist und bleibst meine Tochter. Ich werde immer für dich da sein. Außerdem kann ich mich noch gut daran erinnern wie ihr eure Zeit verbracht habt. Während alle anderen draußen gespielt und quatsch gemacht haben, habt ihr im Wohnzimmer gesessen und geredet. Ihr konntet Stundenlang reden. Immer wenn ihr zusammen wart, habt ihr glücklich gewirkt. Er hat dir geholfen mit dem Schmerz umzugehen, den ein 12 jähriges Mädchen nicht spüren müssen sollte und du hast ihm einen Grund gegeben weiterzukämpfen. Ich kann mich noch an deinen Gesichtsausdruck erinnern, als ich dir sagte, dass wir umziehen würden. Ich weiß noch wie du weinen wolltest, aber nicht vor mir. Als du die Tür aufgemacht hast, stand er da und ihr habt euch einfach nur angeschaut. Es war der Merkwürdigste Moment in meinem Leben, vermutlich auch in dem seiner Mutter. Du warst 12 und er 16, aber in dem Moment saht ihr aus wie 70 oder 80. Ihr habt beide viel zu viel erleben müssen. Und auf eure Art und Weise habt ihr einander geliebt. Wir sind erst einen Monat später umgezogen, doch du hast ihn nie wieder gesehen. In den Sekunden in denen ihr euch angesehen habt, habt ihr euch eure Liebe gestanden, euch verabschiedet und von einander losgesagt. Ihr hättet einen Abschied beide nicht ertragen. Das erste Jahr über, hast du dich mit niemandem anfreunden wollen und hast mit mir kaum geredet. Ich nehme an, da habe ich dich verloren. Du musstest viel zu früh erwachsen werden, weil ich als Mutter versagt habe und dann habe ich dir auch noch ihn weggenommen.

Kleines, ich kann dir gar nicht sagen, wie unendlich leid es mir tut. Wenn ich könnte, würde ich einiges anders machen. Ich war zu jung um ein Kind groß zuziehen und viel zu jung um drei groß zuziehen. Es tut mir so leid.“
 

Sie sah mich noch einen Moment lang an, dann küsste sie mein Haar und verließ den Raum. Das alles nahm jedoch kaum wahr.
 

Du existierst! Ich wusste es! Ich kann dich finden! Gott warum hab ich nur nie den Mut aufgebracht sie zu fragen? Vermutlich hatte ich wirklich Angst, sie würde mich für verrückt erklären. Vielleicht war ich auch einfach nur noch sauer. Ich werde dich finden! – Ich kann dich gar nicht mehr finden. Ich hab nicht mehr die Kraft zu suchen. Ich bin das Ganze falsch angegangen und jetzt kann ich nicht mehr.
 

Nur schwach nahm ich wahr, dass die Tür sich wieder öffnete. Durch den Tränenschleier auf meinen Augen, konnte ich die Person die den Raum betrat nicht erkennen. Zum ersten Mal seit einem Monat, äußerte sich meine Psyche auf meinen Körper. Mühsam blinzelte ich die Tränen weg und blickte die Person vorm Bett an. Langsam richtete ich mich auf und starrte vor mich hin. Dunkelblonde Haare die verwuschelt ins Gesicht fielen und auf die leuchtend grünen Augen fielen. Das unverkennbare Grinsen und die Wärme die durch meinen Körper schoss. Keinen Zweifel.

„Deine Suche ist vorbei. Ich bin hier. Ich hab dich vermisst, Kleines.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Sakami-Mx
2015-07-03T08:34:21+00:00 03.07.2015 10:34
Aw das ist sooo süß <3 hatte richtige gänsehaut beim lesen! Auch wenns ein OS ist, ne Fortsetzung wäre voll cool :*
Antwort von:  Jade
03.07.2015 10:58
Dankeschön :) ich hab vor ähnliche OS über dieselbe Suche zu schreiben :)
Antwort von:  Jade
05.07.2015 22:19
*Sache
Von: abgemeldet
2015-07-02T20:52:32+00:00 02.07.2015 22:52
Das ist echt ein schönes OS. Sie hat nach Jahren ihn gefunden. Hoch... wie schön. ^^
Antwort von:  Jade
03.07.2015 07:05
Danke ^^ es ist vielleicht ein wenig kitschig, aber ich konnte es mir nicht verkneifen ^^
Antwort von: abgemeldet
03.07.2015 07:07
Ein wenig Kitsch kann nie schaden ^^
Antwort von:  Jade
03.07.2015 11:00
Hihi ^^


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