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Verträumtes Wispern verflossener Zeit

Geliebte Erinnerungsstücke
von

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Geliebte Erinnerungsstücke


 

Noch immer erklang ein Wispern in seinem Ohr, von dem er glaubte,

es längst in den Tiefen seiner Erinnerungen vergraben zu haben.

Es verlangte nach ihm.

Es zerrte an seiner Seele,

zusammen mit der verflossenen Zeit.
 

Sanft schlugen die Wellen des Meeres aneinander, ließen ein Rauschen entstehen, was heranschwoll und sich mit dem Geschrei der Möwen verschmolz, bis ein Lied entstand, das ihm ein Gefühl von Heimat gab. Er spürte, dass er ein Zuhause gefunden hatte, eine Familie, die ihn bedingungslos in ihrer Mitte akzeptierte.
 

Mit einem Ellbogen stützte er sich leise seufzend auf der Reling ab, in der einen Hand seinen Kopf gebettet, und starrte auf die Horizontlinie. Die andere Hand lag locker auf dem kühlen Holz, aber er spürte keine Kälte durch seine Finger kriechen. Die Hitze pulsierte im Takt seines Herzens durch die Adern und wärmte jede Faser seines Körpers.
 

Der Wind frischte auf, umspielte seine Wangen und zerzauste seine schwarzen Haare, die unter dem Rand des Hutes hervorlugten. Das Schiff lag ruhig schaukelnd im Hafen einer abgelegenen Insel. Eine ungewohnte Stille hatte sich über das Deck gelegt, nach der gestrigen Feier schliefen die Meisten ihren Rausch aus und würden noch den halben Tag benötigen, um wieder gewissenhaft ihrer Arbeit nachzugehen zu können.
 

Aber er war noch immer wach, mit ruhelosen Gedanken, die seine Träume vernebeln würden. Es war früher Morgen und er wartete auf die ersten Strahlen, die an der Horizontlinie erst vorsichtig herantastend ihre Fühler dem Himmel entgegenstreckten, nur um ihn dann mit mächtigen Klauen in ein Spiel aus warmen Rottönen zu tauchen, bis ein einzigartiges Kunstwerk entstand.
 

Eine starke Windböe, peitschend über den rauschenden Wellen, riss ihm mit einer fließenden Bewegung den Hut von seinem Haarschopf. Festgehalten durch das dünne Band um seinem Hals, spürte er das Aufschlagen auf seinen Rücken. Eilig griff er nach hinten, zog ihn hervor und betrachtete eingehend das orangene Stück in seinen Händen. Neckend grinsten ihn die beiden Smileys entgegen.
 

Ace' Gedanken drehten sich, ließen ihn erneut nicht zur Ruhe kommen. Sonst konnte er immer überall schlafen, aber heute war es anders. Nervös scharrte er mit seinen abgetragenen, schweren Stiefeln über den Boden.
 

Mit vom Alkohol leicht erheiterter Stimme, hatte Marco ihm verschmitzt grinsend gegen seinen Cowboyhut geschnippt und ihm eine Frage gestellt, die er nur schwer beantworten konnte. Nicht, weil er die Antwort nicht wusste. Vielmehr, weil die Erinnerung in ihm erbarmungslos brannte, wie gierig leckende, alles verzehrende Flammen, die ihn sonst immer mit all ihrer Stärke unter die Arme griffen.
 

Nun stand er hier, abseits von den Wachen an Deck, und gab sich seinen wirren Gedanken hin. Erinnerte sich an Tränen auf seinen Wangen, als er realisierte, dass er etwas Unersetzbares verloren hatte. Nachdenklich lauschte er mit geschlossenen Augen der schwingenden Melodie des Meeres, die, trotz ihrer beruhigenden Ausstrahlung, nicht den Stillstand der unzähligen Worte in seinem Kopf erzwingen konnte.
 


 

»Sag mal Ace, welche spannende Geschichte steckt eigentlich hinter deinem geliebten Cowboyhut?«
 

Leise seufzend wand er sich wieder dem Meer zu und hielt mit der einen Hand die Krempe seines Hutes fest umklammert. Ein Sturm aus durcheinander wirbelnden Gedanken wütete in seinem Kopf und versuchte längst Vergangenes erneut aus dem tiefen Schlaf erwachen zu lassen.
 


 


 

[ an einem anderen Ort - zu einer anderen Zeit ]
 

Wind schlug ihm entgegen, kühlte seine Wangen und zerzauste seine bereits unordentlichen Haare noch etwas mehr, während ihm seine eiligen Schritte weiter den ersten Ausläufern des Waldes entgegentrugen. Er rannte den immer größer werdenden, dicht beieinander stehenden Bäumen entgegen, schlängelte sich dabei durch das Labyrinth aus schmalen Gassen, eingesäumt von Bergen aus dreckigem Müll und Unrat. Der Geruch war beißend in seiner Nase und misstrauisch wich er den Gesetzlosen aus, deren Kleidung aus mehr Löchern als Stoff bestand.
 

Ace kannte diese Gegend, denn er war hier sein ganzes bisheriges Leben unterwegs gewesen, immer auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer. Er musste immer weitergehen, trainieren und stärker werden, damit er irgendwann diese Insel verlassen konnte, um seinen Platz in der Welt und eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn seines Lebens zu finden.
 

Leise drang das harmonische Lied der Vögel an seine Ohren, ließ ihn wissen, dass die schützenden Bäume nur noch wenige Abfallberge entfernt waren. Er verlangsamte seine Schritte, als er den letzten Hügel mit verrostetem Blech erreichte, über dessen Spitze er deutlich das strahlende Grün der gezackten Blätter erblicken konnte.
 

Leicht nach Atem ringend verließ er die Müllberge, deren graue, trostlose Erscheinung sich tief in die Seele der zerlumpten Bewohner gefressen hatte. Sie besaßen nichts und kämpften um alles. Besitztümer waren rar und das eigene Leben musste eisern gegen Plünderer und Piraten verteidigt werden. Die Grenze zu einer anderen Welt überschreitend, vernahm der das Rauschen der Blätter, vermischt mit dem Gesang der Vögel, der hier am Übergang noch leise war. Es war das Lied des Waldes, das, je tiefer man vordrang, heranschwoll und jeden in eine andere Welt entführte.
 

Umgeben von mächtigen Stämmen und grünen Baumkronen, durch deren winzige Lücken das gleißende Sonnenlicht fiel und so die Ränder des Blattwerks nur schemenhaft erkennen ließ, fühlte er sich frei von der Trostlosigkeit der Müllberge.

Eilig lief er weiter und spürte dabei deutlich das weiche Gras unter seinen Füßen, während sich ein träumerisches Mosaik aus Licht und Schatten vor ihm erstreckte. Er fand seinen Weg über das unregelmäßige Muster und verschwand im Dickicht des Gehölzes. Die Sommerhitze erzwang keuchende Atemzüge und ein feiner Schweißfilm lag auf seiner Haut, der einige Strähnen in seinem Nacken unangenehm verklebte.
 

Immer weiter folgte er dem Weg, der zwischen den grünen Ranken und Farnen kaum zu erkennen war. Aber Ace kannte ihn, genauso wie jede andere Pflanze dieses Urwalds. Sich jeder Gefahr bewusst, lauschte er aufmerksam nach Geräuschen, die das klare Vogelgezwitscher durchbrachen. Er musste auf Raubtiere achtgeben, die ohne Anstrengung ihre scharfen Krallen tief in sein Fleisch treiben konnten.
 

Über ihm rauschten, seinen Weg begleitend, die gezackten Blätter. Er verlangsamte seinen Schritt, legte kurz seinen Kopf in den Nacken, um seinen musternden Blick nach oben schweifen zu lassen. Noch halbreife Früchte hingen an den schmalen Ästen, trotzten der Schwerkraft und gierten nach der Berührung von Sonnenstrahlen und die Ummantlung von warmen Sommertagen. Ace freute sich jetzt schon auf die verführerisch süßen Früchte, deren Geschmack seine Zunge umspielen und seine Sinne vor Genuss benebeln würden.
 

Leise drangen aufgeregt diskutierende Stimmen an sein Ohr, als er den alten Baum mit den tellergroßen Blättern und den schon fast auf den Boden ragenden dicken Ast erblicken konnte. Mit jedem Schritt erklang die Unterhaltung lauter, aber als er nahe genug war, um einzelne Wortfetzen aufschnappen zu können, endeten das Gespräch abrupt und ließ stattdessen fröhliches Gelächter erklingen.
 

Innerlich kopfschüttelnd über diese naive Unbefangenheit, die im schlimmsten Fall etwaige Verfolger anlocken könnte, umrundete er den alten Baum und trat aus dessen Schatten in das Licht einer kleinen Lichtung. Im ersten Moment geblendet von den hellen Sonnenstrahlen, kniff Ace seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, ehe er sie bedächtig wieder öffnete. Die Sonne ließ das Grün der Wiese in einem goldenen Glanz schimmern und schenkte diesem verstecktem Ort eine paradiesische Ruhe.
 

Mit schnellen Schritten überquerte er die Lichtung und erreichte die beiden wartenden Jungen, die ihn mittlerweile entdeckt hatten und selbstsicher anstrahlten. Beiläufig streifte Ace' Blick den Jutesack, der halb verborgen in den kniehohen Gräsern lag, bevor er einmal musternd über seine beiden Freunde glitt.

Neben ein paar Dreckflecken, die ihre Kleidung zierten, konnte er noch einen kleine Schramme an Ruffys Knie entdecken. Sabo hingegen schien vollkommen unverletzt zu sein.
 

»Da bist du ja endlich! Wir dachten schon, sie hätten dich erwischt.«, der amüsierte Unterton in Sabos Stimme konnte nicht über das entschlossene Funkeln in seinen Augen hinwegtäuschen. Ace war sich sicher, dass sie, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, zu seiner Rettung geeilt wären. »Das Ablenkungsmanöver war übrigens sehr erfolgreich.«
 

»Wir konnten einiges von ihrem Schatz mitgehen lassen.«, fügte Ruffy breit grinsend hinzu und trat einmal leicht gegen den Jutesack, um seine Aussage zu unterstreichen.
 

»Einiges? Wie viel konntet ihr einsacken?«, fahrig wischte Ace sich eine seiner zerzausten Haarsträhnen aus dem Gesicht, während er abschätzend den Umfang des Sackes beäugte. Er wusste, dass dieser wenig über den Wert des Inhalts aussagte, vor allem bei Geldscheinen.
 

»Ungefähr dreiviertel des Schatzes konnten wir einstecken, bevor wir eine der Wachen hören konnten. Gezählt haben wir noch nicht, da wollten wir auf dich warten, aber geschätzt hat es ungefähr den halben Wert unserer bisherigen Beute.«, zusammen mit seinem selbstsicheren Lächeln, blitzte Sabos kindliche Zahnlücke auf.
 

Langsam zogen dunklen Wolken am Himmel entlang, sperrten die hellen Sonnenstrahlen weg und ließen übermächtige, düstere Schatten sich über die einst golden schimmernde Wiese legen. Der Wind frischte auf, wand sich pfeifend seinen Weg von der flachen Grasebene zwischen die Bäume, ließ grüne Halme rhythmisch wiegen und Blätter in einer vorausahnenden Melodie rascheln.
 

Den kritischen Blick gehoben, beäugte Ace die dunklen Wolkenformationen vor dem einst klaren, pastellblauen Himmel. Das erste Grollen eines mächtigen Sommersturms erklang in der Ferne und ließ die Luft beben. Gewaltig thronten die Wolken am Firmament, umhüllten die Welt in einer gespenstischen Aura und bewegten sich mit rollendem Getose.

Ace bemerkte, wie Sabo seinem Blick gefolgt war, während Ruffy hibbelig von einem Fuß auf den anderen trat.
 

»Wir sollten uns beeilen.«
 

Ohne auf eine Antwort zu warten, griff Ace sich den schweren Jutesack, hievte sich ihn über seine Schulter und lief auf den Rand der Lichtung zu, um im schützenden Dickicht des vertrauten Waldes zu verschwinden.

Über dem rauschenden Blattwerk verfinsterte sich der Himmel merklich und das Grollen peitschender Windböen vermischte sich mit den Schritten seiner Brüder dicht hinter ihm.
 

Sie rannten weiter über den weichen Waldboden und versuchten den herannahenden Sommersturm zu entkommen. Immer deutlicher spürte Ace das belastende Gewicht des Sackes auf seiner Schulter, das ihn mit jedem Schritt ein Stückchen weiter dem Erdboden entgegen drückte. Die Zähne zusammenbeißend, eilte er weiter den schmalen, gewundenen Pfad zwischen den Bäumen entlang, begleitet vom anschwellenden Getose des Sturms.
 

Das belastende Gewicht auf seiner Schulter verschwand ruckartig und er konnte Sabos spitzbübische Grinsen erkennen, als er den Sack übernahm.

»Wir wechseln uns ab.«
 

Mit einer beiläufigen Bewegung fuhr sich Ace über die schmerzende Schulter, ehe er zielstrebig seinen Weg an Sabos Seite fortsetzte. Flüchtig streifte sein Blick die vielen Lücken im grünen Blattwerk, durch die er das schimmern der untergehenden Sonne zwischen den pompösen Wolkenbergen erkennen konnte. Es war ein groteskes Bild, wie sich der friedvolle, rötliche Farbton des Sonnenuntergang mit dem dunklen Grau des heraufbeschworenen Sturms vermischte.  Der Abend schritt voran und bald würde die Welt gänzlich in dem Gewand der Nacht gehüllt sein.
 

Mit dem ersten Blitz, der durch die Wolken zuckte und nach einem kurzen Nachhall verglühte, begann der nieselnde Regen. Zuerst langsam, beinahe zärtlich, streichelte er die Blätter der obersten Baumkronen, ehe die Unbarmherzigkeit gewann und dicke Tropfen gewaltsam niederprasselten.
 

Ruffy hatte seine beiden Brüder inzwischen überholt und unterbrach das Balancieren auf dicken, aus den Boden ragenden Baumwurzeln, um skeptisch seinen Blick auf den dunklen Wolkenberg am Firmament zu richten. Das laute Grollen eines weiteren Blitzes vermischte sich mit dem Rauschen der Blätter und dem rhythmischen Trommeln des Regens.
 

»Ruffy, nicht trödeln! Wir müssen uns beeilen, bevor...ey, wieso lachst du?«, Ace strenge Stimme versagte bei Ruffys fröhlichem, naivem Gelächter. Mit einem spitzbübischen Grinsen drehte er sich um und funkelte seine beiden Brüdern mit einem erwartungsvollen Leuchten in den Augen an.

»Das riecht nach einem guten Abenteuer!«, ohne eine Antwort zu erwarten, sprang er mit ausgestreckten Armen von der dicken Wurzel herunter und lief vor ihnen her.

»Typisch Ruffy.«, kopfschüttelnd, aber mit einem Lächeln im Gesicht, murmelte Sabo die Worte, während er ihren Weg wieder aufnahm.
 

Erst fanden nur vereinzelt Tropfen ihren Weg zwischen die Lücken der Blattkrone, aber mit zunehmender Gewalt des beginnenden Sturms, konnte das dichte Blattwerk den peitschenden Wind und prasselnden Regen nicht länger aufhalten. Anfänglich nur einen Tropfen auf seiner Nasenspitze, der seitlich herunter perlte, spürte Ace nun immer mehr der kalten Nässe auf seiner Haut. Dunkle Flecken breiteten sich auf seinem dünnem T-Shirt aus und ließen es unangenehm an seiner Haut kleben. Die abnehmende Sommerhitze des Tages vermischte sich immer mehr mit dem Regen zu drückender, schwüler Luft.
 

Nasse, dunkle Strähnen verirrten sich in Ace' Sichtfeld, die er mit einer hektischen Bewegung wegstrich. Tropfen perlten von seiner Schläfe, rollten seine Wange herab und hinterließen eine kalte Spur auf seiner erhitzten Haut. Die feuchte, warme Luft presste schwer auf seine Atemwege und erzwang ein Keuchen. Ace wusste, sie musste sich beeilen, denn dieser erste Ausläufer des Unwetters war der Bote eines viel gewaltigeren Sturms, der erbarmungslos wüten würde.

Ein erheitertes Glucksen riss ihn aus seinen Gedanken und mit fragend gehobener Augenbraue wandte er sich Sabo zu, welcher sich seine freie Hand auf den Mund gepresst hielt, um sein lautes Lachen zu unterdrücken. Immer noch feixend antwortete er auf seine unausgesprochene Frage.
 

»So durchweicht, wie du bist, schaust du aus wie ein begossener Pudel.«, wieder entfloh ihm ein leises Lachen, in das jetzt auch Ruffy einstimmte.

»Stimmt...durch unsere Hüte haben wir beide das Problem nicht.«, glucksend sprang er von einer dicken Baumwurzel zur nächsten und besah sich seinen Bruder immer wieder aus den Augenwinkeln.
 

»Ach kommt, als ob eure Hüte so viel von dem Regen abhalten.«, grummelnd fuhr sich Ace mit der Hand durch seine durchweichten Haare, während er versuchte das kindliche Gelächter weitestgehend zu ignorieren.
 

»Immer noch besser, als ohne.«, erklang es immer noch amüsiert von Ruffy, der mittlerweile stehen geblieben war und auf sie wartete. Eine Weile lief er stumm neben den beiden her, während er voller Stolz die Krempe seines Strohhutes mit beiden Händen eisern umklammert hielt, bevor er Ace spielerisch in die Seite boxte. »Aber weißt du was? Wenn du wirklich Piratenkapitän sein willst, dann braucht du unbedingt einen eindrucksvollen Hut! Jeder echte Käpt'n braucht so einen. Das ist ja auch so etwas, wie ein Erkennungszeichen.«
 

Skeptisch fixierte er Ruffys strahlendes Gesicht, während über ihnen erneut das tiefe Grollen des Sturms erklang, als wollten sich die Naturgewalten in einem unerbittlichen Kampf messen.

»Da hat er nicht ganz unrecht.«, mischte sich nun auch Sabo ein, »Bevor du aufbrichst, brauchst du unbedingt einen echten Kapitänshut.«
 


 

~*~

Bedächtig strich er über den rauen Stoff, fuhr mit den Fingerkuppen sacht den Rand der runden Smileys nach und fühlte sich um Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt. Lange hatte er den Hut nicht mehr in den Händen gehalten, hatten sie ihn doch damals zusammen ausgesucht und gekauft.

Fast hätte er ihn in der hintersten Ecke seiner Truhe vergessen, aber nur fast.

Mit einem melancholischen Lächeln umgriff er angespannt die Krempe und setzte den Hut auf den schwarzen Haarschopf seines erstarrten Bruders. Nervös kratzte sich Ruffy an seinem Nacken, ehe er mit einem festen Blick in Ace' Augen sah.

»Alles Gute zum Geburtstag, Ace.«, nur leise kam der Satz über seine Lippen, wusste er doch, dass heute der Tag des Abschieds gekommen war. Aber unausgesprochen lag noch viel mehr in den Tiefen seiner Augen, was er nicht in Worte fassen konnte. Viele Jahre waren vergangen, seit sie beide das verloren hatten, was niemand ersetzen konnte, aber noch immer war alles präsent in ihren Gedanken.

Ace verstand die wortlosen Sätze, fühlte sie bis in jede Faser seines Körpers, und biss sich krampfhaft auf die zwischen seine Zähne gezogene Lippe. Ruffy konnte erkennen, dass er verstanden hatte.

›Es ist ein Geschenk von uns beiden.‹

Erinnerungen drohten sie beide zu überrollen und sich ihres Körpers zu bemächtigen. Das Gekreische der Seemöwen und das laute Aneinanderschlagen der Wellen rückten in den Hintergrund, verbanden sich zu einem Flüstern in der Ferne.

Ace hatte bereits die Hand gehoben, um sich seinen Hut schützend vor sein Gesicht zu ziehen, entschied sich aber im letzten Moment dagegen. Mit einem aufmunternden Lächeln, dass seine beiden weißen Zahnreihen entblößte, funkelte er Ruffy voller Tatandrang entgegen, während einzelne Tränen seine Wangen hinunterliefen.

Jeder Windhauch, der seinen Körper täglich umspielte und seinen Rücken sanft nach vorne drückte, fühlte sich wie ein Besuch aus vergangenen Tagen an und es drängte sich ihm eine nicht beantwortbare Frage in seine Gedanken. ›Bilde ich mir das ein?‹

Tief in seinem Inneren fühlte Ace, dass er sie nie wirklich verlassen hatte.

Verbunden durch ein unzertrennliches Band,

würden sie sich alle drei irgendwann wiedersehen.

Nicht in dieser Welt, aber irgendwann an einem gänzlich anderen Ort.

Dann zog er aus, um seinen Platz und seine Bestimmung zu suchen.

~*~
 

Lautes Möwengeschrei und eine starke Hand, die sich behutsam auf seine Schulter legte, zerrissen den Schleier aus verträumten Bildern seines Lebens. Ruckartig wurde er aus diesen hinausgezogen und landete mit einem leisen Seufzen wieder an der Reling lehnend auf dem Deck der Moby Dick. Mit einem kurzen Blick über die Schulter, wurde er von wachsamen blauen Augen gefesselt. Sie durchdrangen ihn bis tief in sein Inneres und viel zu spät wurde Ace bewusst, dass er in diesem unbedachten Augenblick all seine Schutzmauern fallen gelassen hat. Er straffte seine Schultern stellte sich Marco selbstsicher gegenüber.
 

»Geht es dir gut?«, ein zaghaftes, aufmunterndes Lächeln zierte Marcos schmale Lippen und noch immer lagen seine aufmerksamen Augen ruhend auf ihm.

»Ja...ich war nur kurz in Gedanken.«, leicht verunsichert wendete er seinen Blick ab, als das Wispern vergangener Zeit erneut versuchte die Bilder aus seinen Erinnerungen zu wecken. Ace spürte, wie sein Feuer im Blut pulsierte und sämtliche Fasern seines Körpers durchdrang, bis es an der Oberfläche in kleinen Flammen auf seiner Haut züngelte. Innerlich verbrennend, spürte er einen kalten Hauch beruhigend über seine Schulter streichen. Marcos Hand, die sich die ganze Zeit nicht von seiner Haut gelöst hatte, war umhüllt von schützenden, heilenden blauen Flammen, die die Hitze seines Feuers bändigte und seinem Körper Ruhe schenkte.
 

»Willst du mir nun meine Frage von gestern Abend beantworten?«, Marco wusste, dass sie irgendetwas in Ace ausgelöst hatte. Zusammen mit den abwinkenden Worten hatte man es deutlich in den ungewohnt ernsten Gesichtszügen erkennen können.

Nun aber sah er ein verträumtes Lächeln, ehe Ace mit ruhiger Stimme antwortete.
 

»Aber nur, wenn du mir danach auch eine beantwortest.«, das bestätigende Nicken reichte ihm als Antwort, sodass er damit begann, das Wispern seiner Gedanken in Worte zu fassen.
 

»Mein Hut war ein Geschenk...«


Nachwort zu diesem Kapitel:
Toll, dass ihr bis zum Ende meines OS durchgehalten habt! Dies ist mein erster (etwas längerer) Versuch an dieser Erzählperspektive (bisher hatte ich diesen nur in 100-Wort Drabbles benutzt), deshalb war der OS auch auf eine gewisse Weise ein kleines Experiment für mich selbst zur Weiterentwicklung.
Ich hoffe, dass ich euch gut unterhalten konnte!
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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Keksi-Senpai
2017-02-17T06:00:30+00:00 17.02.2017 07:00
Ein wunderschönes Geschenk! Einfach ein magisches Geschenk! Hach der OS war wirklich zauberhaft!
Dein Schreibstil war super und es klang alles so harmonisch! Eine Frage aber bleibt, welche Frage stellt Ace denn Marco?
Schreib weiter!

Lg
Iced
Antwort von:  -estel-
18.02.2017 21:58
Hallo,

vielen Dank für dein Kommentar! Es freut mich sehr, dass ich dich mit meiner Story so begeistern konnte. Die Frage, die Ace anschließend Marco stellt, sollte eine Art Verbindung zu einer anderen Geschichte bilden. Ich hatte eine weitere Story mit ursprünglich ca. 5 Kapitel geplant, in der ich mit Marcos Geschichte und vor allem wie er zu Whitebeard kam beschäftigen wollte. Die Story ist schon längst angefangen, aber ich habe sie bisher nicht beendet. Ace würde also nach Marcos Vergangenheit fragen.

Viele Grüße
Estel
Von: abgemeldet
2016-02-14T19:28:42+00:00 14.02.2016 20:28
Hey!

Also ich muss sagen ich bin begeistert! Es hat einfach alles gepasst, die Atmosphäre, der Schreibstil, die Wortwahl - perfekt einfach! *____* Und jetzt weiß ich ja auch endlich, wie Ace zu diesem genialen Hut kam *lach* Würde mich auf mehr zu One Piece von dir freuen :)

LG
Antwort von:  -estel-
16.02.2016 23:34
Hey,

vielen Dank für dein Kommentar! Es ist großartig zu hören, dass dir der OS so gut gefallen hat. Dass du ihn als perfekt bezeichnest ist für mich ein ziemliches Kompliment, also Danke für das Lob! Bisher habe ich hauptsächlich im One Piece Fandom geschrieben - da wird also sicherlich noch mehr von mir kommen.^^

Viele Grüße
Estel
Von:  Easylein
2015-09-10T20:54:35+00:00 10.09.2015 22:54
Hi!
Ich fand den OS sehr schön :) Dein Erzählstil gefällt mir sehr gut und du hast alles darin sehr präzise und gut umschrieben. Daumen hoch von mir :) Zudem war der Inhalt so wunderschön *heul* und niedlich ^-^
Klasse gemacht!

Glg Easy
Antwort von:  -estel-
11.09.2015 11:09
Hey,

vielen Dank für dein Kommentar! Es freut mich, dass dir der OS sowohl inhaltlich als auch erzählerisch so gut gefallen hat. Es ist toll zu hören, dass mein Schreibstil überzeugen konnte, gerade weil ich den immer so schlecht selbst einschätzen kann. Also ein fettes Dankeschön für dein Lob!

Viele Grüße
-estel-


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