Zum Inhalt der Seite

Five Minutes Earlier

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ich vermisse ihn.
 

Ihre Augen trafen sich im Spiegel, das grüne Paar geweitet, gerötet von unterdrückten Emotionen, das braune Paar hilflos, offen traurig. Er fühlte die Wärme des anderen Mannes in seinem Rücken, als Balthier sich an ihn lehnte, der Blickkontakt brach. Die Stirn des anderen Mannes war warm in seinem Nacken, der unregelmäßige Atem ließ ihn erschaudern.

"Sein Tod wird nicht umsonst gewesen sein."

Das Versprechen konnte kaum Linderung bringen, und doch brachte es ihre Augen im Spiegel wieder zusammen.

"Basch."

Das ließ ihn sich umdrehen, etwas ungelenk einen Arm um Balthiers Schultern legen. Die hilflos verzogene Stirn ließ Basch das Pflaster viel zu bewusst spüren, dass da an der Haut über seinem Auge zupfte.

Und so standen sie da, in dem kleinen Bad des Luftschiffes, kurz vor dem Krieg, einander in den Armen haltend.

Und ein bisschen machte es das Trauern leichter, nicht allein damit zu sein.
 

Ich brauche ein paar Minuten für mich.
 

Niemand hatte es Basch übel genommen, als er sich nach der kurzen Landung, der Verbrennung der Leiche seines Bruders, zurückgezogen hatte. Und das, obwohl neuerliche Kämpfe kurz bevor standen. Und niemand hatte sich gewundert, als Balthier ihm gefolgt war. Der Anblick der beiden zusammen war längst kein Neuer mehr für die Besatzung der Strahl, und das Steuer des stolzen Luftschiffes lag sicher in den Händen der großen Viera, deren große Augen nur kurz flackerten, den beiden Männern folgten, ehe sie an den Himmel zurückkehrten. Ein paar Minuten... das würde sie einrichten können. Der Krieg würde warten müssen.
 

Es tut mir Leid, Basch. Er war schließlich, trotz allem, dein Bruder.
 

Vaan hatte die Worte so leichtfertig gesprochen, wie er wohl sein ganzes Leben lebte. Sie rissen neue Krater in die Wunden, die gerade versuchten, zu heilen zu beginnen, und auch der tief mitleidige Blick der Prinzessin brachte keine Linderung. Er war noch nicht einmal unter die Erde gebracht - wenn sie die Zeit dazu überhaupt finden würden -, und schon musste die Trauer solche Worte ertragen. War nicht jedes Leben kostbar genug, um betrauert zu werden? Egal, wer es gewesen war, egal, was er getan haben mochte? Was, wenn er es gewesen wäre...?
 

Ich will ihn nicht vergessen.
 

Die Worte waren harsch gesprochen, doch der Blick aus den braunen Augen wich denen der anderen Rebellen aus. Brauchte er wirklich eine sichtbare Erinnerung an seinen Bruder? Er würde sie haben. Der Blick der jungen Menschen, die sich gerade so von dem vorangegangen Kampf erholt hatten, waren kaum von den kurzen Haaren ihres Kameraden abzuwenden. Nun war die Ähnlichkeit zwischen den beiden Brüdern noch stärker, aber es spielte keine Rolle mehr, denn der eine war tot, und der andere... auch?
 

Ich werde seinen Kampf gewinnen. Das bin ich ihm schuldig.
 

Es war seltsam, der in Tücher gehüllten Gestalt den Rücken zuzuwenden, sie zurückzulassend - und eine handvoll abgeschnittener Locken im Mülleimer. Wenn nicht das Gesicht der Gestalt verdeckt wäre, wenn nicht ihr Brustkorb das Arbeiten längst aufgegeben hätte, wenn nicht die Tücher in Blut getränkt wären, hätte man hoffen können... doch da war keine Hoffnung, außer derer, den kommenden Kampf zu gewinnen, an der Seite seiner neuen Freunde und Familie.
 

Ohne ihn habe ich nicht die Kraft... wie können wir siegen ohne ihn?
 

Er hatte ihn geliebt. Die Erkenntnis war unfassbar, und grausam zugleich. Sein Bruder war geliebt worden. Nun warum nicht? Er war immer der "Gute" gewesen, der liebenswerte, der perfekte... bis er ihn vernichtet hatte. Und jetzt bereute er es.

Wie konnte er es je wieder gut machen? Gar nicht wahrscheinlich. Er konnte nur versuchen, so viel zu heilen, wie möglich. Auch, wenn das noch mehr Schmerzen zufügen würde...

"Darf ich... ich kann für ihn kämpfen. Seinen Platz einnehmen. Wenn du... erlaubst, Balthier."

Was anderes blieb ihnen übrig?
 

...
 

Keine Worte fanden mehr den Weg über Baschs spröde Lippen. Er und sein Bruder waren gemeinsam zu Boden gegangen, ein Gewimmel aus Armen, Beinen, Stahl und so viel Blut, und wie groß war seine Erleichterung gewesen, als er erkannte, dass es sein eigenes Blut war, dass Noah leben würde...

Und nun lag er hier, verloren, schon halb fort, und er spürte es an seiner Seele ziehen, spürte es mit jedem Atemzug.

Und als seine Hand sich ein letztes Mal erhob, nach diesen beiden Männern greifend, die ihm im Leben so wichtig gewesen waren, als seine Hand zu schwach war, aber aufgefangen wurde von zwei anderen, da lächelte Basch von Ronsenburg.

Und das Lächeln frohr auf seinem Gesicht ein, für die Ewigkeit dort festgehalten. Und keiner der beiden Zurückbleibenden, Trauernden konnte sagen, was es war, das Basch im Tod den Frieden gab.
 

Vielleicht wusste er mehr als sie. Vielleicht hatte er im Moment seines Todes einen Blick auf die Zukunft erhaschen dürfen.

Wenn, dann hatte ihm gefallen, was er gesehen hatte.
 


 

Und so standen sie da, in dem kleinen Bad des Luftschiffes, kurz vor dem Krieg, einander in den Armen haltend. Denn ein bisschen machte es das Trauern leichter, nicht allein damit zu sein.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Nicht verstanden? Tip: Die Geschichte läuft rückwärts. ;) Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Puppenspieler
2016-08-28T10:24:08+00:00 28.08.2016 12:24
Ich finde nach wie vor das Konzept einfach großartig. ô__ô Ich wäre da definitiv niemals draufgekommen, eine Geschichte so aufzuziehen, und ich bin nach wie vor einfach zu doof, es beim ersten Mal lesen so richtig zu verstehen. xD
Aber ich finde, darin liegt echt der Reiz der Geschichte - als Leser versteht man überhaupt nicht, was abgeht, und beim Lesen hat man den Eindruck, dass ein guter Teil der Charaktere es ebenfalls nicht tut, und das macht alles Unwissen einfach viel authentischer, greifbarer und echter.
Und hey, bei den beiden auch kein Wunder, wenn so ein Spiel nicht durchschaut wird... die sind sich doch hart wie aus dem Gesicht geschnitten.

Ich mag das Detail mit dem Pflaster. Mir ist jetzt erst beim dritten und vierten Lesen aufgefallen, dass es ja nötig ist, weil Basch immerhin ne Narbe hat und Noah nicht. |D
Muss wohl ja ein großes Pflaster gewesen sein :'D

Es wäre echt spannend gewesen, hier weiter zu lesen. Was aus der ganzen Geschichte noch wird, weil sie viel, viel Potential bietet, aber gleichzeitig finde ich, sie ist wirklich gut beendet, wie sie beendet ist.
Und ich mag die Atmosphäre, die hier beschrieben ist. Ich habe mich gut in die Handlung hineinfühlen können, nachdem ich einmal wusste, was abgeht. ;)

Nochmal viel zu sehr verspätet vielen, vielen Dank für die schöne Wichtelgeschichte, ich bin immer noch sehr happy mit ihr. ♥


Zurück