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Geistertanz

Die Geschichte von Kami-sama
von

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Was bist Du?

Kuzunoha stellte sich als eine wirklich sehr geduldige Person heraus. Sie lehrte dem Fremden das Lesen und Schreiben der menschlichen Sprache, ohne dafür Papier und Stift zu benutzen. Alleine der Boden und ein Ast waren die Hilfsmittel. Yunsabit war zudem ein unglaublich guter und wissbegieriger Schüler. Er lernte noch so andere Dinge, wie die Namen der Tiere, zwischen denen er gelebt hatte. Oder auch, wie die Bäume hießen, von welchen Pflanzen man sich allgemein fern halten sollte und auch, was essbar war. Kuzunoha war überrascht gewesen, als der Grünling ihr hatte eröffnet, das er zum Überleben nur Wasser benötigte. Eine amüsante Situation, denn ansonsten gab es wirklich kaum etwas, worauf die Schwarzhaarige keine Antwort wusste. Auch die Tatsache, das er einfach Dinge aus dem Nichts erscheinen lassen konnte war für die Dame im Kimono wohl nichts alltägliches.
 

Zwar hatte diese gutmütige Frau Yunsabit erlaubt jede Frage zu stellen, die ihm auf den Herzen lag und dennoch gab es Dinge die er sich nicht traute anzusprechen. Er hatte mit den Wochen und Monaten bemerkt, das sie immer diese weiße Fuchsmaske mit roten Verzierungen mit sich herum trug. Er fragte sich was es damit auf sich hatte und hoffte, das Kuzunoha dies irgendwann von alleine ansprechen würde, denn die Blicke des Grünling ging sehr häufig auf dieses Objekt.

Schließlich siegte die Neugierde.

„Kuzunoha, was hat es mit dieser Maske auf sich?“

Die Schwarzhaarige schien nicht überrascht zu sein und nahm das angesprochene Objekt daraufhin in die Hand.

„Es ist eigentlich nichts Besonderes.“, antwortete sie, aber der Blick und ihre Geste sprachen eine ganz andere Sprache. Zwar war Yunsabit noch nicht so sonderlich gut darin menschliche Gefühl zu deuten, was wohl daran lag, das Kuzunoha allgemein zwar sanft, aber auch irgendwie emotionslos herüber kam. Trotzdem schien sie mit diesem Augenlosen Gesicht mehr zu verbinden als sie zugeben wollte. So wie die Schwarzhaarige mit dem Finger die roten Linien nachzog. Außerdem änderte sich ihr Blick kurzzeitig in wehmütig, wie jedes Mal, wenn sie in die Richtung des Dorfes sah, wo ihr Sohn wohnte.

Das war auch so ein Punkt den der Grünling nicht sonderlich nachvollziehen konnte.

Warum lebte Kuzunoha nicht in dem Dorf? Obwohl, das konnte Yunsabit kaum beurteilen, denn er hatte sie ja außerhalb davon kennen gelernt. Vielleicht war sie einfach auf Reisen gewesen, während er damals die Menschen beobachtete hatte? Es kam ihm allerdings so vor, als wäre sie direkt bei dem Vorfall mit dem Fluss und ihrem Sohn dabei gewesen, aber das war doch unmöglich, oder? Wahrscheinlich hatte man ihr davon erzählt. Ja, genau so musste es gewesen sein.

Wo Yunsabit gerade so darüber nachdachte, fragte er sich, warum sie kein einziges Mal zu ihrem Dorf zurückgekehrt war. Er wollte gerade eben diese Frage an die Frau richten, da stand Kuzunoha auf.

„Wir werden heute den Wald verlassen und zu den Bergen im Osten reisen.“, erläuterte sie, als ob sie seine Gedanken hatte gehört und eben das Gegenteil tun wollte. Es war nicht das erste Mal, das Yunsabit die Vermutung hatte, das sie seine Gedanken tatsächlich lesen konnte, aber auch dies war einer der Dinge, welche er sich noch nicht traute nach zu fragen.
 

Das ungleiche Paar marschierte Tags darauf aus dem Wald, um sich den sehr entfernten Bergen zu widmen. Während sie liefen schwiegen sie sich an. Allgemein schien die Schwarzhaarige die Ruhe zu genießen, aber da Yunsabit Jahrzehnte lang seine Ruhe gehabt hatte, es also eigentlich nicht anders kannte, wollte er, da er ja wenigstens Gesellschaft hatte, sich auch ein wenig unterhalten. Doch welches Thema anschneiden?

Kuzunoha beantwortete immer alles, jedoch, wenn es um ihre eigene Person ging, dann eher schwammig und unklar.

„Warum gehen wir in die Berge?“

„Das werde ich Dir erklären, wenn es soweit ist.“

Sie schenkte ihm ein mildes Lächeln und Yunsabit musste sich wohl gedulden.
 

Sie kamen am Fuße eines Berges an und Kuzunoha bat den Grünling das erste Mal um etwas Eigenartiges. Er sollte seine Gestalt verschleiern und auch ihr eine entsprechende Kleidung herbeizaubern. Also erschuf sich Yunsabit einen langen Mantel, mit langen Ärmeln und einer Kapuze. Genauso wie für seine Begleiterin.

Sie gingen einen schmalen Pfad hinauf. Es war allerdings direkt erkennbar, das dieser Weg von Menschen benutzt wurde, denn am Rand waren immer mal wieder Verzierungen in Form von rötlichen Stäben an welchen Glöckchen gebunden waren. Yunsabit fragte nach und bekam als Antwort, das man mit dem Gebimmel Geister fern halten wollte. Wobei die Schwarzhaarige darüber anscheinend amüsiert war, denn sie musste Kichern, das der Grünling fragte, ob es denn funktionieren würde.

„Nicht bei jeder Art von Geistern.“, schmunzelte Kuzunoha, jedoch konnte Yunsabit seine Neugierde nicht weiter stillen, denn die Schwarzhaarige kam zum Stehen. Eine Abzweigung war genau vor ihnen. Der eine Weg führte gerade aus und scheinbar wieder von diesem Berg hinunter und der andere hinauf. Es dauerte eine Weile bis sie weiter rauf gingen, als ob Kuzunoha sich vor etwas sträuben würde oder sich zu etwas überwinden müsste.

Es dauerte den ganzen Tag und der Weg schien kein Ende zu nehmen. Trotz des langen Marsches machte Kuzunoha keine Anzeichen von Erschöpfung, was bemerkenswert war, denn sie war eine schmächtige Persönlichkeit und soweit sie ihn hatte eingeweiht, waren Menschen im allgemeinen deutlich schwächer als Yunsabit. Zudem wurde es immer kälter, je höher sie kamen. Zuerst machte es dem Grünling kaum etwas aus, eher sorgte er sich um seine Gefährtin, denn Menschen hatten kein Fell das sie schützte. Gut, er ebenfalls nicht, aber seine Haut schien dicker und widerstandsfähiger zu sein. Jedoch ging Kuzunoha einfach weiter, auch als es langsam von kühl zu fröstelig und schließlich zu eisig überging. Sie kamen in einen Bereich in dem der Bodenbelag weiß wurde. Yunsabit blieb stehen und nahm neugierig etwas davon in die Hand.

„Das ist Schnee, von dem ich Dir erzählt habe. Gefrorenes Wasser, das vom Himmel fällt und je nach Temperatur bleibt es liegen.“, erinnerte die vermummte Dame ihren Schützling an das, was sie ihn hatte gelehrt. Natürlich waren die Ausführungen zu jener Zeit ausführlicher gespickt gewesen, sogar recht wissenschaftlich hatte die Schwarzhaarige erklären können, wie aus Wolken Regen und Schnee entstand. Trotzdem war es etwas anderes Dinge erklärt zu bekommen oder sie wirklich und wahrhaftig in der Hand zu halten.

Schließlich war der Weg zu Ende und die beiden Gefährten kamen an einem Schrein an. Rechts und Links waren wieder rötliche Stäbe mit Verzierungen und Glöckchen, welche ab und an bimmelten, wenn der stärker werdende Wind dagegen pfiff. In der Mitte war eine Statue, die irgendwie kein wirkliches Tier darstellte, zumindest keines, das Yunsabit bisher gesehen oder beschrieben bekommen hatte. Es war ein Mischwesen mit der Grundform eines Wolfes, dem Kopf und Schnabel eines Vogels, vielleicht eines Adlers? Auf dem Kopf hatte es die Hörner einer Ziege, dazu besaß das Wesen scheinbar mehrere buschige Ruten am Hinterleib. Natürlich fragte sich Yunsabit ob dieses Tier tatsächlich existierte und warum man eine Statue soweit oben auf einem Berg davon anfertigte.

„Die Menschen gehen mit ihrer Furcht vor unerklärlichen Dingen immer anders um. Jedoch kann man allgemein sagen, das sie ein unbekanntes Wesen entweder als eine Gottheit betrachten und anbeten oder sie wollen es jagen und töten.“, erklärte Kuzunoha mit einer etwas traurig angehauchten Stimme.

Yunsabit war im ersten Moment irritiert und fragte murmelnd: „Ich wüsste nicht was von beidem mir lieber wäre.“

Kuzunoha wandte sich überrascht von diesen Worten zu dem Grünling um: „Mir gefallen Deine Worte.“

Yunsabit verstand das nicht so ganz, ließ es aber bleiben nachzufragen, eher wollte er wissen, warum sie nun hier waren.

„Dieses Wesen dort existiert nicht wirklich. Es ist eine Fantasie der Menschen. Es heißt Loca'wasune Das Dorf pilgert kurz vor Jahreswechsel hier hin. Sie bitten um einen guten Boden und eine reiche Ernte oder anderen Dingen, die wichtig für ihr Leben ist.“, erläuterte Kuzunoha bevor sie schließlich verkündete: „Der andere Weg führt zu einem Kloster in welchem die Reisenden übernachten dürfen. Wir werden uns als Bettler ausgeben und die Menschen bei ihrem Tun beobachten.“

Nun war also klar, wofür sie hier waren.
 

Es wurde bereits dunkel und es war fraglich ob sie es noch rechtzeitig zum Kloster schaffen würden.

„Wir werden wohl wieder unter freiem Himmel nächtigen.“, murmelte Kuzunoha.

Es war nichts neues für beide und Yunsabit war dies sogar lieber als in einem Haus zu schlafen umringt von Mauern und Menschen, die ihn eventuell ohne diesen Mantel zu sehen bekamen. Er wollte keine Panik verursachen und wieder als Monster betitelt werden. Auch die Schwarzhaarige schien irgendwie erleichtert zu sein.

„Ich kenne eine Höhle hier in der Nähe, sie ist sehr versteckt.“, eröffnete Kuzunoha ihrem Begleiter, denn der Schnee würde selbst für abgehärtete Personen, besonders des Nachts, problematisch werden. Also gingen sie zu dem angesprochenem Ort und setzten sich hinein. Schnell brach die Dunkelheit herein und der Wind pfiff unaufhörlich.

Beide kauerten sich an die jeweils gegenüberliegende Wand. Yunsabit bemerkte, das Kuzunoha fror und meinte dann schließlich: „Wir können uns ja gegenseitig wärmen.“ Er erinnerte einfach nur daran, das auch Tiere dieses Verhalten zeigten, wenn ihnen kalt war, also warum sollten er und seine Begleiterin nicht dasselbe tun?

Statt aber einer Antwort fing Kuzunoha an zu lachen. Es verwirrte Yunsabit, denn die Schwarzhaarige hatte in der ganzen Zeit, wo er sie kannte, kein einziges Mal so gelacht. Vielleicht geschmunzelt oder gekichert, aber nie so herzhaft wie jetzt. Es war dem Grünling unangenehm, denn er wusste nicht damit umzugehen.

„Was ist so witzig?“

„Eigentlich nichts.“

„Du würdest bei 'nichts' nicht lachen.“

„Stimmt, da hast Du Recht.“

„Nun?“

„Ich hoffe Du kannst mir meine Zweideutigen Gedanken verzeihen...“

„Zweideutig? Was meinst Du?“

Abermals amüsierte sich Kuzunoha, stand jedoch auf und begab sich zu ihrem Schützling. Sie setzte sich zu ihm, kuschelte sich auf seinen Schoß, das Yunsabit die Frau in seine Arme schließen konnte. Der Fremde auf diesem Planeten hatte immer noch keine Ahnung was die Schwarzhaarige hatte gemeint, aber es war merkwürdig sie so nahe zu haben. Anders als bei ihrem Sohn, den er gerettet hatte. Wenn Yunsabit so darüber nachdachte verhielt sich Kuzunoha nicht wirklich wie ein Mensch, bzw. wie das was sie selbst als Mensch beschrieb. Sie war zudem für ihre Statur ziemlich stark und widerstandsfähig. Ihre Aura ähnelte dem ihres Sohnes auch nur geringfügig, eher würde Yunsabit es mit der eines Tieres vergleichen.

„Kuzunoha, bist Du ein Mensch?“, fragte er und war von sich selbst überrascht.

„Bist Du denn ein Mensch, Yunsabit?“, kam eine Gegenfrage von der Schwarzhaarigen.

Allerdings war an diesem Punkt das Gespräch vorerst beendet, denn beide wussten, das, egal was Yunsabit war, es kein Mensch sein konnte. Die Reaktion von Kuzunoha machte ihn neugierig, aber er traute sich nicht weiter zu fragen, sondern beließ es vorerst dabei.



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