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Vermaledeite Mistelzweige

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Vermaledeite Mistelzweige
 

Es war kurz vor Weihnachten, Harry hatte also allen Grund, gut gelaunt zu sein. Er liebte die Vorweihnachtszeit. Lauschig warme Abende am Kaminfeuer, Schnee, Weihnachtslieder, Weihnachtsduft.

Das Einzige, was ihn ein wenig störte, waren diese vermaledeiten Mistelzweige, die immer wieder über den Köpfen der Schüler auftauchten und diese dazu zwangen, denjenigen, der neben ihnen unter dem Mistelzweig stand, zu küssen. Oder eben die Strafe auf sich zu nehmen, schließlich waren die Zweige von Dumlbedore persönlich verzaubert worden und der hatte, wie immer um diese Zeit, ebenfalls gute Laune – und den Schalk im Nacken.
 

Die Strafen waren ganz unterschiedlich. Manchen wuchsen Rentierhörner, andere hatten plötzlich grüne Haare, wieder anderen kreisten singende Engel um den Kopf. Das besondere war, dass es viele unterschiedliche kreative Strafen gab. Nur die beiden, die unter demselben Mistelzweig gestanden hatten, erhielten die gleiche Strafe. Das hatte natürlich zur Folge, dass jeder sofort wusste, wen derjenige nicht geküsst hatte, denn jede Strafe gab es nur zwei Mal.
 

Als die Zwillinge noch nach Hogwarts gegangen waren, hatten die beiden sich einen Spaß daraus gemacht, Strafen zu sammeln, indem sie sich immer neben die Mädchen der unteren Jahrgänge gestellt und abgewartet hatten, dass ein Mistelzweig erschien. Harry hatte zwar keine Ahnung, wie die beiden das gemacht hatten, aber es hatte einen durchschlagenden Erfolg gehabt. Sehr zum Leidwesen der von ihnen ausgesuchten Mädchen, weshalb diese den Zwillingen in dieser Zeit immer aus dem Weg gegangen waren – das wiederum allerdings ohne großen Erfolg. Einer der wenigen Gründe, weshalb zumindest ein Teil der Schüler froh war, dass die beiden die Schule nicht mehr besuchten.
 

Harry hatte sich gerade den Bauch mit Christmas Pudding – den es in Hogwarts in der ganzen Woche vor Weihnachten bereits gab, damit jeder Schüler davon essen konnte und nicht nur diejenigen, die über Weihnachten blieben – vollgeschlagen und durchquerte die Eingangshalle. Er war satt und zufrieden und freute sich darüber, dass sie heute bisher nur wenige Hausaufgaben aufbekommen hatten.

Ron und Hermine gingen hinter ihm, daher drehte er sich um, um rückwärts vor ihnen herzugehen, um sich mit ihnen unterhalten zu können. Hermine und er hatten noch keine Mistelzweigstrafe erhalten. Im Gegensatz zu Ron, doch es war nur allzu verständlich, dass er so kurz nach der Trennung von Lavender diese nicht mehr hatte küssen wollen; was sie im Übrigen genauso gesehen hatte. Daher wuchsen nun grüne Tannenzweige zwischen seinen karottenroten Haaren, die kontrastreich miteinander harmonierten.
 

Plötzlich lief Harry gegen eine Wand. Eigentlich wusste er, dass hier, mitten in der Eingangshalle, keine Wand stand, aber es fühlte sich so an. Bei einem Schloss wie Hogwarts wusste man nie, auch wenn er noch nicht von sich bewegenden Wänden gehört hatte. Die Treppen bewegten sich, die abgebildeten Personen auf den Gemälden bewegten sich, sprachen sogar. Außerdem war da noch der Raum der Wünsche.

„Pass gefälligst auf, wo du hinläufst, Potter,“ schnarrte es von hinten und Harry war klar: Wände redeten nicht. Ihm gefror das Lächeln im Gesicht, schließlich kannte er diese Stimme nur zu gut und Rons entsetzter Blick bestätigte ihm die schlimmsten Befürchtungen. Noch schlimmer allerdings war Hermines Blick, der sich gerade gen Decke gerichtet hatte und die schreckgeweiteten Augen konnten eigentlich nur eines heißen, und das war nichts Gutes. Absolut nicht.
 

Seine eigenen Augen wanderten nach oben und es bewahrheitete sich: Harry und Malfoy standen zusammen unter einem Mistelzweig. Es kam selten genug vor, dass einer dieser Mistdinger über zwei Schülern des gleichen Geschlechts erschienen. Und musste es ausgerechnet Malfoy sein? Denn es war bekannt, dass die Mistelzweige einen Kuss auf den Mund verlangten. Er wäre also gleich nicht mehr ohne Mistelzweigstrafe.
 

„Bringen wir es hinter uns,“ zischte Malfoy und Harry hob den Kopf und drehte ihn ein wenig, um Malfoy ungläubig ansehen zu können. Noch ehe Harry hätte blinzen können, hatte Malfoy sich auch schon zu ihm herabgebeugt und er spürte warme Lippen auf den seinen. Allerdings war es so schnell schon wieder vorbei, dass er gar nicht reagieren konnte. Stattdessen sah er sowohl verwirrt als auch überrascht auf Malfoys sich schnell entfernenden Rücken.
 

„Was war denn das, Alter?“ holte ihn Rons Stimme aus seinen Überlegungen, doch er konnte nur ratlos die Schultern heben.

„Ich hab keine Ahnung.“ Er sah von Ron zu Hermine und wieder zurück.

„An deiner Stelle würde ich mir den Mund auswaschen.“ Ron schauderte vor Ekel, doch Harry hörte ihm nicht mehr zu. Konnte das wirklich gerade passiert sein oder hatte er alles nur geträumt? Und was genau bedeutete das jetzt? Hatte es überhaupt irgendeine Bedeutung? Am besten wäre es, er würde das Ganze einfach vergessen. Auch wenn er nicht ganz verstand, warum Malfoy das getan hatte. Nur, weil er keine Mistelzweigstrafe wollte? Aber war es nicht um so vieles schlimmer, seinen Erzfeind zu küssen?
 

Er bekam gar nicht richtig mit, dass Hermine ihn beherzt mit sich zum Mittagsunterricht zog, während Ron ihn skeptisch anstarrte.
 

**
 

Am nächsten Tag hatte Harry den Vorfall verdrängt und er ignorierte die Gedanken daran. Zumindest redete er sich das ein. In Wahrheit dachte er ständig daran und grübelte darüber nach, was Malfoy damit bezweckt hatte. War es Teil eines perfiden Plans? Wenn ja, was hatte Malfoy vor? Ihn verwirren? Ihn ablenken? Handelte er alleine oder hatte er einen Auftrag? Hatte es etwas mit Voldemort zu tun? Oder handelten die Malfoys auf eigene Faust, um sich bei Voldemort eine höhere Position zu verschaffen? Wusste Voldemort überhaupt davon?

Wenn er darüber nachdachte, wurde ihm schlecht. Vielleicht sollte er es einfach lassen.
 

Die ganze Zeit beobachtete er Malfoy, doch es brachte ihn kein Stück weiter. Noch nicht einmal, als sie sich ein weiteres Mal unter einem Mistelzweig wiederfanden und Malfoy so reagierte, wie beim ersten Mal: er beugte sich ungefragt zu ihm runter und küsste ihn kurz und kaum merklich.

In den folgenden Tagen passierte es noch ein drittes und ein viertes Mal und Harry war sich mittlerweile sicher: irgendwas stimmte da nicht. Kein Pärchen stand so oft zusammen unter einem Mistelzweig. Immer küsste Malfoy ihn und verschwand dann. Sie erwähnten es nie und sie stritten auch nicht darüber.
 

Ron war angewidert, auch wenn er nicht bei allen Küssen dabei gewesen war; Hermine hingegen wurde immer nachdenklicher. Wahrscheinlich war auch ihr die außergewöhnlich hohe Quote aufgefallen. Währenddessen hatte Harry herausgefunden, dass es auch nichts brachte, Malfoy aus dem Weg gehen zu wollen, denn seltsamerweise begegneten sie sich immer wieder zufällig, obwohl Hogwarts sich normalerweise ganz gut dazu eignete, sich zu verstecken oder zu bewirken, dass man zumindest nicht mehr aufeinander traf.

Irgendwann kurz vor Weihnachten und nach dem mittlerweile achten Kuss gab Harry auch dieses Vorhaben auf.
 

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Nach Weihnachten gab es keine Mistelzweige mehr. Damit auch keine Küsse. Und scheinbar auch keinen Malfoy, denn der war so gut wie vom Erdboden verschluckt. Nur zum gemeinsamen Unterricht tauchte er auf, kurz bevor dieser begann und war genauso schnell nach dem Unterricht wieder verschwunden. Harry fragte sich noch immer, was das sollte.

Hatte Malfoys Plan nicht funktioniert? Hatte er funktioniert, aber Harry hatte es noch nicht mitbekommen? Was war der Plan denn nun gewesen?

Was auch immer es gewesen war, Harry wusste nur eins: er fand es bedauerlich, dass die Küsse aufgehört hatten. Er würde Malfoy gerne weiterhin küssen, denn er hatte über die Zeit Gefallen daran gefunden. Aber konnte er das Malfoy sagen? Wie und wann?

Malfoy würde ihn doch auslachen.
 

Am Silvestermorgen nahm Hermine ihn zur Seite. „Ich weiß jetzt, warum die Mistelzweige bei dir so verrückt gespielt haben.“

Harry sah sie fragend an und versuchte, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen.

„Es waren keine von Dumbledores Zweigen gewesen, sondern jemand anders hat sie verzaubert,“ erklärte Hermine.

Harry runzelte die Stirn. „Und wer soll das gewesen sein?“

Hermine zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Das habe ich noch nicht herausgefunden.“

Noch etwas, worüber Harry sich den Kopf zerbrechen konnte. Es könnte doch Malfoy selbst gewesen sein. Oder irgendein anderer Slytherin. Aber außer den Küssen war nichts passiert. Welche Vorteile konnte man sonst aus den Küssen ziehen? Das Küssen an sich? Aber das würde ja heißen, dass Malfoy vielleicht Interesse an ihm hätte. Und er hatte praktisch nicht reagiert. Er hatte sich damit abgefunden, von Malfoy geküsst zu werden, zumindest musste es so aussehen, auch wenn er sich nie dagegen gewehrt hatte - er war immer passiv geblieben.

Vielleicht sollte er doch die Initiative ergreifen.
 

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Was verdammt schwierig war, wenn Malfoy ihm aus dem Weg ging. Aber der dachte wahrscheinlich, dass er ihn abgewiesen hatte oder zumindest, dass es ihm gleichgültig war.

Lange haderte er mit sich selbst, ob er seine Freunde einweihen und um Rat bitten sollte. Doch Ron konnte er dahingegen vermutlich vergessen, der war einfach zu festgefahren in seiner Feindschaft zu Malfoy. Vielleicht hatte er bei Hermine bessere Karten und möglicherweise war sie auch schon selbst dahintergekommen.
 

Hermine hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen. „Ich habe es mir bereits gedacht,“ erklärte sie, schien aber ausnahmsweise nicht sonderlich erfreut, dass sie Recht gehabt hatte. Was man ihr nicht verdenken konnte, nach allem, was Malfoy ihnen und besonders ihr schon angetan hatte.

Harry sah sie bittend an und Hermine seufzte geschlagen. „Okay, ich helfe dir. Lass uns überlegen, wie wir Malfoy davon überzeugen, dass du ihn mehr magst, als gut für dich ist, ohne dich lächerlich zu machen.“

Harry grinste erleichtert.
 

**
 

Irgendwann Mitte Januar hatte Harry keine Lust mehr, auf die passende Gelegenheit, die vermutlich eh nie eintreffen würde, zu warten. Malfoy ging ihm noch immer aus dem Weg und ignorierte ihn ansonsten, doch das würde Harry nicht mehr davon abhalten, ihn dazu zu bringen, mit ihm zu reden. Er packte schon lange vor Unterrichtsende seine Materialien zusammen. Diesmal würde Malfoy ihm nicht entwischen. Direkt nachdem Malfoy den Klassensaal recht schnell verlassen hatte, sprang auch er auf, griff sich seine Schultasche und rannte ihm hinterher, ohne auf Ron zu achten, der ihm hinterherrief, dass er warten solle.
 

Vor dem Saal sah er sich kurz um und sah noch gerade so eine hellblonde Gestalt am Ende des Ganges um die Ecke biegen. Sofort hetzte er nach. Für sein Vorhaben war es natürlich von Vorteil, dass auch Malfoy alleine unterwegs war. Kein Crabbe und Goyle, die ihrem Herrschen schwanzwedelnd hinterherhechelten und keine Zabini und Parkinson, die unentwegt plapperten.

Kurz überlegte er, ob er über Malfoy rufen sollte, doch er kam zu dem Schluss, dass Malfoy sich dann nur noch mehr beeilen würde, um von ihm fortzukommen. Er musste sein Vorhaben ja nicht ankündigen, das konnte nur schief gehen. Womöglich hörte er sowieso seine Schritte, schließlich war Steinboden nicht gerade dafür bekannt, Schall zu schlucken. Also musste er sich beeilen.
 

Eine Ecke weiter war es endlich soweit. Sie waren außer Blickweite, niemand würde sie also stören. Harry zückte seinen Zauberstab und richtete ihn auf die Gestalt vor sich. Einen halblaut gemurmelten Zauberspruch später stand Malfoy mit dem Rücken an die Wand gepresst und konnte sich nicht mehr bewegen. Nur seine Augen huschten umher, bis er den Angreifer gefunden hatte und seine Miene verdüsterte sich.

„Potter,“ zischte er unerfreut und dessen Zuversicht kam ins Schwanken. Vielleicht hatte er sich mit seiner Annahme auch einfach geirrt?

Doch jetzt gab es kein Zurück mehr, er musste seinen Mut zusammennehmen und es sagen!
 

„Du gehst mir aus dem Weg,“ stellte Harry fest.

„Und jetzt fühlst du dich ignoriert und gekränkt,“ spottete Malfoy und kniff die Augen ein wenig zusammen, als würde er auf etwas lauern.

Harry ignorierte die Bemerkung geflissentlich. „Wir müssen reden.“

„Ich wüsste nicht, worüber,“ wehrte Malfoy ab und seine Miene verfinsterte sich.

„Ich aber,“ erwiderte Harry fest, trat an Malfoy heran und zog ihn zu sich herunter, um ihn ohne weitere Vorwarnung einfach zu küssen. Dann machte er einen Schritt zurück, löste den Zauber auf Malfoy und sah ihn abwartend an.
 

Malfoys Gesichtsausdruck war unlesbar. Obwohl er sich wieder bewegen konnte, rührte er sich nicht vom Fleck. Stattdessen musterte er Harry lange von oben bis unten und wieder zurück. Irgendwas musste er an Harry gesehen haben, denn plötzlich wurde sein Gesicht weicher und er zog Harry an sich heran, um ihn wild und ungestüm zu küssen, was Harry ebenso leidenschaftlich erwiderte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Tosho
2019-04-20T20:32:48+00:00 20.04.2019 22:32
Schade dass das Ende so apprupt ist. Die Geschichte ist echt toll und ich hätte gerne noch weiter gelesen! :D
Von:  EsistJuli
2017-08-05T15:48:17+00:00 05.08.2017 17:48
Das endet ja wirklich an einer gemeinen Stelle :D hätte auch gerne noch weiter gelesen :)
Die Idee mit den Mistelzweigen ist vielleicht nicht super neu, aber schön :) wüsste gerne, ob wirklich Malfoy die Zweige verzaubert hat :)
Von:  little_sunshine
2017-06-20T04:19:38+00:00 20.06.2017 06:19
Toller OS, hätte gerne noch weiter gelesen. Schade das es schon vorbei ist :D
Von:  Omama63
2017-06-19T12:16:35+00:00 19.06.2017 14:16
Ein super OS, mit einem sehr abrupten Ende.
Mich hätte ja schon noch interessiert, was Draco bei Harry gesucht hat, als er ihn so genau angesehen hat und ob Jemand die Zweige verhext hat und wenn ja, Wer?
Dein OS hat mir sehr gut gefallen.
Klasse geschrieben.

LG
Omama63


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