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Psiana aus der Gegenwelt

von

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Das, was du nicht haben kannst …

Am Horizont konnte man bereits Festland erkennen. Die Überfahrt dauerte nicht ganz zwei Stunden. Das Meer wurde von der untergehenden Sonne in ein warmes Orange getaucht, die Wolken färbten sich allmählich dunkelblau und lila. Ein schöner Anblick, diese Farbenpracht. Dazu flog ein Schwarm Wingull über uns hinweg. Vereinzelt versuchten Pelipper ein Abendessen zu fischen, während ein Stückchen weiter ein paar Remoraid verhöhnend aus dem Wasser sprangen.

Doch dieses schöne Zusammenspiel aus Farben, Pokémon und der ganzen restlichen Natur sollte schon bald ein jähes Ende haben. Denn natürlich hatte Hannah Recht. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn Gregory uns einfach so ins Kampfareal hätte schippern lassen und wär dadurch aus unserem Leben verschwunden. Ich wandte meinen Kopf nach rechts. Auch Psianas Fell hatte kaum mehr seine natürliche Farbe. Es saß mal wieder seelenruhig auf einem Geländer und sah nur in die Ferne. Auch nachdem ich es fast zwei Minuten ansah, machte es keine Anstalten seinen Kopf zu bewegen. Ich gab es auf. Katzen eben.
 

Umso näher wir der Anlegestelle kamen, umso mehr konnte man das Ausmaß Gregorys Wut erkennen. Hannah und ich standen mal wieder an der Reling … noch. Denn wir mussten uns so langsam wohl ein Versteck suchen.
 

„Hannah! Was zur Hölle geht mit deinem Dad ab?! Wie viele Rocket-Figuren warten da am Hafen auf uns?!“

„Ich geh es gerade selbst in meinem Kopf durch. Aber es könnten um die 300 Mann sein.“

„300 Mann?! Die wissen sicherlich, dass wir nicht einfach von der Fähre in ihre Arme laufen werden, was bedeuten würde, dein Vater hat 300 Mann um dieses Schiff zu durchsuchen … wir sind am Arsch …“, stotterte ich besorgt.

„Bis die Fähre komplett angelegt hat wird es noch fünf bis zehn Minuten dauern, also komm!“
 

Hannah packte mich und zog mich weg. Auch Psiana konnte sich nun wieder bewegen und folgte uns. Wohin mich meine blonde Zugmaschine brachte wusste ich nicht. Es hatte den Anschein, als würde sie dieses Schiff kennen. Ohne stehenzubleiben oder zu überlegen wechselte sie die Gänge, betrat Räume und stieg Treppen auf oder ab. Wir mussten kein einziges Mal umdrehen. Ich wagte es nicht zu fragen, wohin sie wollte. Sie war eine ehemalige Team Rocket Spezialagentin und hatte mit Sicherheit einen Plan. Sollte es nötig sein, würde sie mich früher oder später schon einweihen. Doch vorerst ließ ich mich einfach nur führen.

Kurz darauf befanden wir uns plötzlich im Maschinenraum des Schiffes. Die Motoren waren gerade am Auslaufen. Wir hatten also schon angelegt. Hannah blieb vor einem Loch in der Außenwand stehen. Durch dieses Loch führte eine gewaltige Kette nach draußen. Der Anker. Ich sah Hannah ungläubig an.
 

„Du willst dadurch nach draußen fliehen?!“

„Klar. Wäre nicht das erste Mal. Das ist die unauffälligste Methode in oder von einem Schiff zu gelangen. Da passen wir auf jeden Fall durch, also fang an zu klettern!“, forderte sie mich hastig auf.

„Und dann?! Es wird bereits dunkel und wir werden von unzähligen Team Rocket Mitgliedern verfolgt. Glaube nicht, dass ich mich da ins Wasser schmeiß und in nassen Klamotten von dieser Horde flüchte.“

„Psiana wird uns mittels Psychokinese auf den anderen Anlegesteg bringen. Dann rufst du Psiana einfach zurück und wir hauen ab. Bis die gecheckt haben, dass wir nicht mehr an Bord sind, werden wir bereits über alle Berge sein.“
 

Als Hannah ‚zurückrufen‘ erwähnte bekam ich ein etwas flaues Gefühl im Magen. Psiana war noch nie im Ball. Und ob ich diese schwarz-pinke Kugel jemanden zeigen durfte, wusste ich auch noch nicht so wirklich. Ich sollte ihn stets verborgen halten. Ich sah meinem Pokémon ins Gesicht und hoffte, es würde mir irgendein Zeichen geben oder vielleicht sogar einen telepathischen Satz von sich geben. Doch es sah mich nur ausdruckslos an und wedelte mit seinem Schweif. Ich seufzte und wusste gerade nicht, ob dieser Plan wirklich aufgehen würde. Zeit, darüber nachzudenken, hatte ich jedoch nicht, da Hannah bereits begonnen hatte, die Ankerkette hochzuklettern.

Als ehemalige Agentin dauerte es nur ein paar Sekunden bis sie das Loch in ungefähr vier Metern Höhe erreicht hatte. Ich brauchte da schon etwas länger, obwohl ich nicht gerade unsportlich war.

Hannah wollte mir gerade etwas sagen, da flog die Tür des Maschinenraumes auf und fast aus den Scharnieren. Sofort schrien sie lauthals herum, dass sie uns gefunden hätten. Hannah handelte schnell und instinktiv. Sie holte ihr Hundemon heraus und ließ es die Motoren mithilfe eines mächtigen Flammenwurfs zerstören. Zusätzlich befahl sie noch die Smog-Attacke, um es danach sofort wieder in den Ball zu holen. Sie zwängte sich durch das Loch nach draußen und kletterte die Kette ein Stück hinunter, sodass ich mich ebenfalls ins Freie begeben konnte.
 

„Ok, Nathaniel. Psiana soll uns jetzt mit Psychokinese auf den Anlegesteg dort drüben bringen.“

„Dürfte kein Problem sein. Psiana …“
 

Ich sah nach oben, während ich an der Ankerkette hing und wollte meiner Katze Psychokinese befehlen. Doch ich brachte es nicht mehr heraus. Psiana stand genau auf dem Kettenglied, das horizontal im Loch lag, als es von zwei Händen von hinten gepackt wurde. Ich hörte nur noch ein geschrienes Psi, ehe es im Loch verschwand und nach innen gezogen wurde. Mein besorgter Blick ging sofort nach unten zu Hannah, die jedoch selbst nicht wusste, wie es jetzt weitergehen würde. Instinktiv fing ich an zurück zum Loch zu klettern, ohne eine Ahnung, was ich dann machen würde. Doch bis dahin kam ich nicht.
 

<Haltet euch fest.>
 

Psiana sprach zu mir. Ich war kurz verwundert, doch dann schrie ich Hannah schnell noch zu, dass sie sich festhalten solle.

Im nächsten Moment hörte ich ein paar Schreie aus dem Maschinenraum. Ich klammerte mich derweil fest an die Kette. Plötzlich gab es eine riesige Explosion neben mir. Die Kette schwankte hin und her. Stahlteile flogen ins Wasser, dazu auch ein paar dieser Schergen. Psiana hat mit einer Blitzkanone ein Loch in die Außenwand gerissen.
 

„Bist du noch da, Hannah?“

„Ja. Mir ist nichts passiert. Aber ein paar dieser Rüpel hat es wohl schlimmer erwischt.“
 

Ich kam zu keiner Antwort mehr, denn Psiana löste uns mit seiner Psychokinese von der Kette und ließ uns sanft auf dem Anlegesteg herunter. Danach nahm es sich selbst in seine Attacke auf und ließ sich neben mich auf den Boden schweben. Ich kniete mich hin und streichelte es über seinen Kopf.
 

„Welch ein starker Auftritt. Kein Wunder, dass du damals das Landgut so aufgeräumt hast. Das war ein weiterer Beweis deiner Stärke. Hut ab. Aber nun zu dir Hannah, meine Tochter. Ein Schiff über die Ankerkette verlassen. Du hättest wissen müssen, dass ich dir diese Lektion gelehrt habe und dass ich das wohl kaum vergessen habe. Und jetzt stehst du mir wieder gegenüber. Daher frage ich dich nochmal, ob du nun wieder mit mir nach Kanto kommen wirst. Eigentlich ist das gar keine Frage mehr, sondern eine Feststellung. Du wirst jetzt mit mir zurück nach Kanto fliegen. Und dieses Psiana kann auch gleich mitkommen.“

„Ich glaube kaum, Gregory! Wage es nicht, mich weiter zu verfolgen. Ich war die längste Zeit deine Tochter, doch ich glaube, ich habe keinen Vater mehr. Also lass mich in Ruhe und geh zurück nach Kanto. Hier ist für dich nichts mehr zu holen!“
 

Der Typ war mehr als abgeklärt. Oder hatte er einfach keine Lust sich seine Hände schmutzig zu machen? Jedenfalls ließ er Hannah, Psiana und mich ein weiteres Mal einfach davonlaufen, während seine Männer die Fähre auf den Kopf stellten. Als wir an ihm vorbeigelaufen waren drehte ich mich um. Er sah uns hinterher, zog seine Schiebermütze etwas tiefer ins Gesicht und wandte seinen Blick hinaus aufs offene Meer.
 

Es war mittlerweile schon dunkel. Die angedachte Übernachtung im Pokémon-Center des Kampfareals fiel wohl ins Wasser. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Wir mussten zwar nicht ins Hafenbecken springen, doch der einsetzende Regen ließ uns auch nicht viel besser dastehen. Und so wanderten wir Richtung Norden, völlig durchnässt, ohne Übernachtungsmöglichkeit und von einem aufgebrachten Mob Team Rocket Mitglieder verfolgt. Klingt schlimm … war es auch.
 

Auf dem Ganzen konnte nur noch eine Person einen draufsetzen. Ich fühlte mich schon längere Zeit verfolgt, doch Gewissheit wurde es erst, als eine Gestalt aus dem Gebüsch sprang, so durch eine Pfütze trampelte, dass ich nun nicht mehr nur nass, sondern meine Hose auch noch ziemlich dreckig war und keuchend vor uns stehenblieb.

Er stützte seine Hände auf seine Knie auf und schnaufte laut. Als er seine Luft wieder zurückbekam baute er sich vor uns auf und sah Hannah mit bestimmenden Blick an.
 

„Hannah, komm mit mir. Ich kann dich in Sicherheit bringen“, sagte er mit wiedererstarkter Stimme.

„Willst du mich eigentlich komplett verarschen?! Sieh zu, dass du verschwindest, Dwayne!“

„Hannah! Ich hab es geschafft mich aus den Fängen deines Vaters zu befreien und kenne mich in der Gegend gut aus. Bitte vertrau mir, dir wird nichts mehr passieren.“

„Zu allererst wird uns, Nathaniel und mir, nichts mehr passieren. Und dann wär da noch die Frage, weshalb du auf die Idee kommst uns retten zu wollen? Hättest du dich doch einfach verpisst, meinem Dad wärst du Nichtsnutz doch völlig egal gewesen.“

„Ich möchte dich aber mitnehmen, Hannah! Ich möchte die alten Zeiten zurückhaben. Die Zeiten, in denen wir unzertrennlich schienen.“

„Solch eine Zeit wird es wohl nicht mehr geben. Ich möchte einfach nur, dass du gehst!“

„Lass mich dich … euch führen. Gib mir die Chance, Hannah. Ich werde dich sonst sowieso verfolgen.“
 

Hannah warf mir einen überaus genervten Blick zu. Die Regentropfen rannen über ihr Gesicht. Es ließ es etwas lustig erscheinen, da es so aussah, als würde Hannah wegen Dwaynes Anwesenheit heulen. Ich konnte mir ein Grinsen gerade so verkneifen und zuckte nur mit den Schultern. Hannah drehte sich wieder zu Dwayne und seufzte einmal laut.
 

„Wehe du sprichst zu mir … lauf einfach nur voraus.“
 


 

Mit meinem Daumen wischte ich über das Display meines Pokécoms. Die Tropfen verdeckten die Sicht auf die Uhrzeit. Ich musste einen Blick darauf werfen, da mein Zeitgefühl ziemlich dahin war. Es war dunkel, es regnete immer noch, wir liefen schon eine halbe Ewigkeit und das größte Problem war die immer stärker werdende Müdigkeit. Doch wir mussten auf der Hut bleiben, wer wusste schon, wann dieser unberechenbare Gregory Rockefella das nächste Mal zuschlagen würde. Also ging es weiter über Stock und Stein. Es war ein sehr felsiges und unebenes Gelände, weshalb wir aufgrund unserer schweren Beine und der Müdigkeit nicht wirklich schnell vorankamen. Auch Psianas Sprünge über die Felsen sahen nicht mehr allzu elegant aus. Nur Dwayne machte irgendwie einen noch sehr fitten Eindruck.
 

„Dwayne … ich brauch ne Pause. Und ich muss schlafen. Ich pack das nicht mehr.“
 

Hannah stöhnte und schnaufte, während sie sich einen kleinen Abhang hinauf hangelte. Dwayne war schon oben, ich befand mich direkt hinter Hannah. Und als hätte sich unser Gruppenführer Hannahs Worte von vorhin gemerkt, bog er ohne einen Laut von sich zu geben ab und leitete uns in eine kleine Höhle. Sie war keine zehn Meter lang, bot uns aber den dringend benötigten Unterschlupf.
 

Hannah setzte sich einfach hin, lehnte sich an die Wand und warf einen Blick an mir vorbei nach draußen in den Regen. Ich stand vor ihr und musste es ihr gleichtun. Der unermessliche Schauer ergoss sich auf die Erde. Als ich meinen Blick wieder dem blonden Mädchen zuwandte, war dieses bereits eingeschlafen. Ich musste schmunzeln und setzte mich dann mit kleinem Abstand neben sie. Allerdings platzierte ich mich etwas flacher, sodass ich schon fast lag. So konnte sich Psiana auf meinem Bauch zusammenrollen und einschlafen. Mein letzter Blick galt Dwayne. Auch er hatte sich eine Schlafposition ausgesucht. Links von uns lehnte er sich genau ans Ende der Höhle und sah regungslos in den Regen. Sein Gesichtsausdruck gefiel mir irgendwie nicht.
 


 

Felsen sind nicht gerade bekannt dafür sehr bequem zu sein. Das, gepaart mit der ziemlich kurzen Schlafdauer, ließ die Nacht nicht sehr erholsam wirken. Geweckt wurde ich von Psiana, als es aufsprang und drei wilde Menki angriff, die anscheinend in dieser Höhle wohnten. Wobei man nicht wirklich von angreifen sprechen konnte. Es fuchtelte etwas mit seinem Nassschweif herum und ließ ihn einmal in einen Felsen einschlagen, worauf die sonst doch eigentlich rauflustigen Menki Angst bekamen und das Weite suchten.

Hannah und Dwayne wachten durch den Einschlag der Attacke in den Felsen auf. Sie konnten den drei Kampfpokémon nur noch hinterhersehen. Ohne ein Wort zu sprechen standen wir daraufhin auf und setzten unseren Weg, wohin auch immer, fort. Auch wenn es nicht mehr in Strömen regnete, so war es dennoch nicht wirklich schön, weiterzulaufen, da die Nacht der absolute Horror war. Gerädert und ohne Energie schlurften wir über das Gestein in der Hoffnung, irgendwann irgendwo anzukommen. Was dann passieren würde stand wieder auf einem anderen Blatt Papier. Nur komisch, dass uns keinerlei Team Rocket Mitglieder gefunden hatten. Verfolgten sie uns noch?
 

Gegen Mittag erreichten wir ein kleines Dorf. Als ich den Namen auf dem Schild las musste ich lachen. Die anderen beiden sahen mich nur komisch an, doch das war mir egal. Überlebensareal stand dort. Und wir sahen so aus, als würden wir gleich abkratzen.

Dwayne sprach die ersten Worte des Tages. Auf unserem bisherigen Weg wurde nur geschwiegen. Er sagte, dass wir hier keinen Halt machen würden. Wir sollten nur kurz im Poké-Markt vorbeisehen, ein paar Vorräte auffüllen und dann würde es weitergehen. Immerhin müssen wir heute noch sein ‚Ziel‘ erreichen.

Wir hörten ausnahmsweise mal auf Dwayne, kauften nur ein paar Vorräte ein und gingen schnurstracks weiter nach Osten. Als Hannah und ich nach kurzer Zeit schon wieder die erste Steigung vor uns sahen tauschten wir nur genervte Blicke aus und seufzten. Ein kleines Holzschild sagte uns ‚Kahlberg voraus‘. War das Dwaynes ‚Ziel‘? Und wieso glaubt er, wir seien gerade dort in Sicherheit?



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